Titel: Ueber die Veränderung, welche das Amylon (Stärke) durchs Rösten erleidet.
Fundstelle: Band 1, Jahrgang 1820, Nr. XVIII., S. 193
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XVIII. Ueber die Veränderung, welche das Amylon (Stärke) durchs Rösten erleidet. Von J. L. Lassaigne. Journ. de Pharm. No. VII. 5. année p. 300. Mit einem Zusaze des Herausgebers, die Anwendung des geroͤsteten Amylon in den Kattunfabriken u.s.w. betreffend. Ueber die Veränderung, welche das Amylon durch Rösten erleidet. Es ist schon lange bekannt, daß das Amylon durch leichtes Roͤsten gummiartig und aufloͤslich im kalten Wasser wird; allein genauer kannte man die Produkte dieser Operation noch nicht, daher habe ich folgende Versuche angestellt: 1) Frisch bereitete Kartoffel-Staͤrke wurde in einer Platin-Schale so weit erhizt, daß sie eine chamoigelbe Farbe annahm; nach dem Erkalten uͤbergoß ich sie mit kaltem Wasser, dieses nahm sogleich eine braͤunlichgelbe Farbe an, und es erfolgte eine vollkommene Aufloͤsung. Die Fluͤssigkeit hatte einen Geruch wie geroͤstetes Brod, eine braͤunlichgelbe Farbe, und einen faden schleimigen Geschmack; das Lackmuspapier wurde davon nicht geroͤstet. Alkohol von 40° erzeugte in dieser Fluͤssigkeit einen sehr reichlichen gelblichweißen flockigen Niederschlag; Gallaͤpfel-Infusum truͤbte dieselbe nicht. Von allen Metallaufloͤsungen brachte nur das basische essigsaure Blei einen gelblichen flockigen Niederschlag hervor. Die waͤsserige Jodin-Aufloͤsung gab damit eine schoͤne purpurrothe Fluͤssigkeit, und erst nach einiger Zeit kam ein leichter dunkelblauer Niederschlag von Jodin-Staͤrke zum Vorschein; die Fluͤssigkeit behielt aber dessen ungeachtet seine Farbe, doch etwas weniger intensiv. 2) Die Aufloͤsung der geroͤsteten Kartoffel-Staͤrke gab, bei gelinder Waͤrme abgedampft, ein braͤunlichgelbes klebriges Extrakt. Alkohol, damit behandelt, nahm eine leichte fahlgelbe Farbe an, und hinterließ nach dem Verdunsten eine geringe Menge einer braͤunlichgelben Substanz von einem bittern Geschmack, aͤhnlich demjenigen, welchen mehrere vegetabilische Koͤrper durchs Roͤsten annehmen. Der bei weitem groͤßere Antheil des Extrakts zeigte sich im Alkohol unaufloͤslich, wurde aber vom Wasser vollkommen aufgeloͤst. Diese Aufloͤsung trocknete auf einem warmen Ofen zu duͤnnen durchsichtigen Blaͤttchen aus, welche roͤthlichgelb, sproͤde, und in vieler Hinsicht dem Gummi gewisser Baͤume aͤhnlich war. Diese, dem Anschein nach gummige Substanz, mit einer hinreichenden Menge Salpetersaͤure behandelt, gab nur Kleesaͤure, ohne Spur von Schleimsaͤure. Diese leztern Resultate beweisen zur Genuͤge, daß die durchs Roͤsten des Staͤrkmehls gebildete, im kalten Wasser aufloͤsliche Substanz, welche uͤbrigens alle physischen Merkmale des Gummi besizt, doch kein solches ist, und daß sie im Gegentheile viele Aehnlichkeit mit gewissen Schleimarten, die in einigen Vegetabilien enthalten sind, besizt. Die Durchsichtigkeit dieser ausgetrockneten schleimigen Substanz, ihre Unveraͤnderlichkeit an der Luft, diese Eigenschaften lassen mich schließen, daß sie in vielen Faͤllen das Gummi ersezen koͤnnte. Die vorstehenden Versuche erlauben den Schluß, daß das Amylon durch leichtes Roͤsten groͤßtentheils in eine schleimige Substanz, keineswegs aber in Gummi umgebildet wird; ferner, daß sich durch diese Substanz eine kleine Menge unzerseztes Amylon im kalten Wasser aufloͤslich macht. Zusaz des Herausgebers. Es war Herr Bouillon-Lagrange, der vor eilf Jahren die damals fuͤr die Kattunfabrikanten so wichtige Entdeckung machte, daß das Staͤrkmehl durch gelindes Roͤsten die Eigenschaft erhaͤlt, sich in kaltem Wasser aufzuloͤsen und eine schleimartige Verbindung darzustellen. Da diese Entdeckung gerade in die Zeit der Continentalsperre fiel, wo das Arabische und Senegalgummi in sehr hohen Preisen stand, so fand diese Entdeckung auch alsogleich Eingang in den Cattunfabriken zur Verdickung der Beizen sowohl zum Walzen- als auch zum Handdruck. Das Roͤsten der Staͤrke geschah theils in eisernen Kesseln, theils in eisenblechenen Trommeln. Da sich die Staͤrke beim Roͤsten stark an die Waͤnde der Trommel legt, so ist es noͤthig, von Zeit zu Zeit mit einem Stuͤcke Holz an die Trommel zu klopfen, damit die anhaͤngende Staͤrke abfaͤllt, welche sich außerdem ganz verkohlte, ohne daß die uͤbrige Staͤrke gehoͤrig geroͤstet wuͤrde. Beide Roͤstungsarten sind uͤbrigens sehr beschwerlich, und es haͤlt schwer, große Quantitaͤten gleichfoͤrmig zu roͤsten; auch entweicht bei dem Roͤsten eine Menge brandige Saͤure, die dem Athmen sehr beschwerlich ist. Diese Beschwerlichkeiten haben mich bei der vielfachen Beschaͤftigung mit diesem Material veranlaßt, auf eine bessere Roͤstungsmethode zu denken, welche alle diese Unvollkommenheiten beseitigt. Sie ist einfach. Man legt ganze Staͤrke (Amlung) auf Bleche, stellt solche in einen erhizten Backofen, und laͤßt sie so lange darin, bis die Staͤrke durchaus gelbbraͤunlich geworden ist, worauf man sie heraus nimmt, und nach dem Erkalten fein zerreibt. Die auf diese Art geroͤstete Staͤrke, welche durch kein Metall verunreinigt wird, und ein durchaus gleiches Produkt giebt, entspricht allen Erwartungen, zu denen man berechtigt ist. Bei dem Roͤsten verliert die Staͤrke 18 bis 20 Prozent an Gewicht. Zur Verdickung der Beizen in den Kattundruckereien werden folgende Verhaͤltnisse der gebrannten Staͤrke in Anwendung gebracht: a) Fuͤr violette und Lilasfarben mit Krapp gefaͤrbt, deren Basis mit Wasser verschwaͤchtes essigsaures Eisen ist. α) Fuͤr Deckfarbe, flache Gruͤnde u.s.w. auf die Maaß (= 2 Pfund Wasser) Mordant 1 Pfund gebrannte Staͤrke.β) Bei kleinen farbigen Objekten 28 Loth derselben auf die Maaß dieses Mordants. b) Bei concentrirten Eisenbasen, oder bei gemischten Mordants aus Eisen und Thonerde-Verbindungen, findet in der Verbindung dasselbe Verhaͤltniß statt. c) Bei thonerdigen Verbindungen werden 24 bis 30 Loth gebranntes Amylon auf die Maaß genommen, nach Maaßgabe der verschiedenen Muster, welche man oͤrtlich aufzutragen hat. d) Zu der sauren Indigaufloͤsung, um durch Aufdruck auf gelb gruͤn hervorzubringen, werden nach Auswahl der Muster 24 bis 30 Loth desselben auf die Maaß dieser Farbetinktur erfordert. e) Zur Darstellung umgefaͤrbte Gruͤnde fuͤr weiße und farbige Reservagen, deren Basis essigsaures Eisen oder essigsaure Thonerde ausmachen, reichen 14 bis 16 Loth aus, um eine gehoͤrige Verdickung fuͤr diesen Artikel in der Druckerei zu erhalten. f) Zum Walzendruck werden auf die Maaß essigsaure Thonerde 1 1/2 Pfund, und zur Verdickung des essigsauren Eisens 1 3/4 Pfund dieses geroͤsteten Amylums erfordert. Die Behandlung der gebrannten Staͤrke als Verdickungsmittel ist uͤbrigens dieselbe, wie die bei dem Senegalgummi. v. Kurrer giebt uns noch ein Verfahren an, eine mehr gummiartige Substanz aus Kartoffel- und Waizenstaͤrke zu bereitenDinglers neues Journal fuͤr die Druck-, Faͤrbe- und Bleichkunde; erster Band 1815 S. 401.. Es ist folgendes. Die Kartoffel- oder Waizenstaͤrke wird in einem eisernen Gefaͤß unter bestaͤndigem Umruͤhren uͤber Kohlen so lange behandelt, bis sie als eine braune Substanz zusammengelaufen ist. Nach dem Erkalten wird sie zum feinsten Pulver gestoßen, in Wasser geloͤst, durch einen Beutel getrieben, und die Fluͤssigkeit bis zu einem konkreten Zustande gelinde abgedampft. In dieser Beschaffenheit stellt sie einen Gummi dar, welcher in den meisten Faͤllen den arabischen und senegalischen Gummi vollkommen ersezt. Beim Eindampfen dieses Gummi muß man aber mit der Feuerung vorsichtig zu Werke gehen, damit die Feuerung nicht zu grell erfolgt, weil sonst die Masse leicht gern verbrennt. Dieser konkrete Gummi sieht schwarzbraun glaͤnzend und fast wie Colophonium aus. Er ist ein vortreffliches Verdickungsmittel fuͤr die erdigten und metallischen Beizen, so wie vieler Tafeldruckfarben in der Zeugdruckerei. Durch diese vortheilhaften Mittel koͤnnen wir bei kuͤnftigen politischen Konjunkturen das Mimosengummi (das arabische und senegalische) eher entbehren, und es ist nicht zu laͤugnen, daß durch die haͤufige Anwendung ein sehr betraͤchtliches Kapital unserm deutschen Vaterlande uͤberdieß erhalten wird, und auf den Flor der Landwirthschaft einen nicht unbedeutenden Einfluß hat. Unser verdienstvolle Chemiker, Dr. Vogel in Muͤnchen, sagt bei Gelegenheit der geroͤsteten StaͤrkeKunst- und Gewerbblatt Nro. 8. Muͤnchen 1820.: „Die Thatsache, daß sich die geroͤstete Staͤrke in kaltem Wasser loͤst, und durch das Roͤsten den ihr eigenthuͤmlichen Charakter verliert, mit kochendem Wasser einen Kleister zu bilden, ist spaͤterhin von einigen Chemikern und namentlich von Doͤbereiner naͤher untersucht worden, und sie zweifeln nicht daran, daß sich in allen Biersorten mehr oder weniger geroͤstete Staͤrke befindet, je nachdem die Gerste mehr oder weniger gedoͤrrt wird.“ Doͤbereiner sagt hieruͤber: „Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Staͤrke des gemalzten Getraides durch starkes, oft bis ans Roͤsten graͤnzendes Darren in den Zustand uͤbergefuͤhrt werde, in welchem dieselbe in kaltem Wasser aufloͤslich ist, und dieses mag mit die Ursache seyn, warum die aus sehr stark gedarrtem Malze bereiteten Biere nicht so leicht, wie die aus schwach gedarrtem (oder ungleich gedarrtem) Malze dargestellten, welche leztere unveraͤnderte Staͤrke enthalten, sauer werden.“ Diese Erfahrung scheinen unsere Augsburger Bierbrauer schon laͤngst gemacht zu haben, denn es wird wohl schwerlich an irgend einem Orte mit mehr Sorgfalt auf das gleichfoͤrmige und gute Roͤsten des Malzes gesehen, als es hier der Fall ist. Hierin und in der sehr großen Reinlichkeit in den Brauereien und den Braugefaͤßen besteht vorzuͤglich unserer Brauherren sehr große Kunst, mit wenig Malz viel schmackhaftes und haltbares Bier zu brauen.