Titel: Ueber die Schildläuse (Scale ) auf Obstbäumen. Von Hrn. Thomas Thompson in Smyllum Park.
Fundstelle: Band 3, Jahrgang 1820, Nr. XXV., S. 208
Download: XML
XXV. Ueber die Schildläuse (Scale Der Hr. Verfasser weiß nicht, daß sein Scale eine Schildlaus ist. A. d. Uebers.) auf Obstbäumen. Von Hrn. Thomas Thompson in Smyllum Park. Aus den Transactions of the Caledonian Horticultural Society in dem Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. II. Series. N. CCXX. p. 225. Thomas Thompson über die Schildläuse auf Obstbäumen. Nach so vielen vortrefflichen Mittheilungen der Caledonischen Gartencultur-Gesellschaft uͤber die Natur und die Vertilgungs-Weise der Insecten, welche die Obstbaͤume verheeren, duͤrfte es vielleicht vorlaut scheinen, wenn ich es wage noch etwas uͤber diesen Gegenstand zu sagen. Da ich indessen noch nichts uͤber eine den Obstbaͤumen hoͤchst verderbliche Art von Schildlaͤusen (Scale) mitgetheilt fand, so hoffe ich, daß die wenigen folgenden Beobachtungen vielleicht der Aufmerksamkeit nicht unwerth seyn duͤrften. Meine Untersuchungen waren vorzuͤglich auf jene Schildlaus gerichtet, welche auf dem Aprikosen-Baume sich, aufhaͤlt. Ich glaube indessen, daß die Insecten, welche auf den verschiedenen Arten von Obstbaͤumen sich erzeugen, großen Theiles dieselben Arten sind, obschon sie sehr oft in Farbe von einander abweichen. Ich bin geneigt zu glauben, daß ihre Farbe mehr von der Nahrung abhaͤngt, die sie zu sich nehmen, als von irgend einer specifischen Verschiedenheit als Thier-Art selbstDaß die Schild- und Blattlaͤuse auf verschiedenen Pflanzen verschiedene Farbe an sich tragen, mag allerdings in der Natur des Futters gelegen seyn, welches sie zu sich nehmen, d.h. von der verschiedenen Farbe und Eigenschaft des Saftes der Pflanze abhangen, den sie aus derselben saugen. Hr. Thompson scheint aber den Zweifel zu weit zu treiben, wenn er glaubt, daß die Schild- und Pflanzenlaͤuse auf verschiedenen Pflanzen großen Theils dieselben Arten sind. Er kann sich uͤberzeugen, wenn er eine Schild- oder Pflanzenlaus von einer Pflanze auf die andere bringt. In den meisten Faͤllen wird das Thierchen zu Grunde gehen, Hungers sterben, weil es sich von der neuen Pflanze, so aͤhnlich auch dieselbe mit der vorigen seyn mag, nicht zu naͤhren vermag. So kommt die Cochenille Nur auf dem Cactus coccenilifer, nicht auf anderen Cactus-Arten fort; der Coccus ilicis nur auf Quercus coccifera etc. Mit einem Worte, beinahe jede Pflanze hat, zumahl im cultivirten Zustande, ihre eigene Blatt- oder Schildlaus, so wie jedes Saͤugthier, jeder Vogel seine eigene Art von Laus: ja manche Thiere haben sogar mehrere verschiedene Arten von Laͤufen, wie z.B. sogar der Mensch deren drei verschiedene auf seinem Koͤrper hat, wenn er sich unrein haͤlt. A. d. Uebers.. Die Schildlaͤuse kommen gewoͤhnlich zuerst im Monathe August zum Vorscheine. Sie erscheinen wie ein kleiner Wachstropfen, sind vollkommen glatt und etwas durchsichtig. Erst nach einer kurzen Zeit zeigen sie sich etwas ausgezaͤhnelt. Sie scheinen die Eier der InsektenIhre eigenen Eier! A. d. Uebers. waͤhrend des Winters zu decken und zu schuͤzen. Sie nehmen allmaͤhlich an Groͤße zu bis einige Wochen ehe der Baum zu bluͤhen anfaͤngt, und von ihrer ersten Erscheinung an bis zu dem Zeitpuncte, wo die Eier belebt werden, (welches gewoͤhnlich zwei oder drei Wochen, ehe der Baum in Bluͤthe tritt, geschieht) sind sie voll einer gruͤnlichen Materie. Sobald die Eier lebendig geworden sind, fangen die Schildlaͤuse an ein trockenes Ansehen zu gewinnen, und lassen sich von der Rinde leicht lostrennen. Untersucht man jezt die innere Seite des (scheinbaren) Tropfens, so erscheint sie voll kleiner weißer Puncte, wie Mehlstaͤubchen, die sich bewegen; diese Puncte nehmen in wenigen Tagen die natuͤrliche Form von Raupen an, indem sie schon so weit herangereift sind, daß sie im Stande werden das Schildchen (thescale)Welches die nun schon gestorbene Mutter-Schildlaus uͤber ihre Eier bildet. A. d. Uebers. von der Rinde empor zu heben: an schoͤnen Tagen kann man sehen wie sie uͤberall um den Schild herum unter demselben hervorgucken. Wann der Baum endlich in volle Bluͤthe getreten ist, sind sie bereits stark genug, das Schildchen zu verlassen, was gewoͤhnlich an einem schoͤnen warmen Tage geschieht. Sie nehmen dann alsogleich Besiz von den Blumen, pluͤndern die Staubgefaͤße und den Griffel derselben, und machen eine Menge davon abfallen, ohne daß sie Fruͤchte angesezt haͤtten. Wann die Zeit gekommen ist, wo die Bluͤthen der Natur gemaͤß von selbst abfallen, sind sie kraͤftig genug geworden um von haͤrterem Futter leben zu koͤnnen; sie greifen dann die Blaͤtter, und nicht selten die Spizen der jungen Triebe an. Dadurch werden diese lezteren gehindert sich zu verlaͤngern, und gezwungen viele Seitenschoͤßlinge zu treiben, wodurch der Baum nicht nur selbst sein schoͤnes Ansehen verliert, sondern ausser Stand gesezt wird fuͤr den naͤchsten Sommer das noͤthige Tragholz zu erzeugen. Nachdem sie so vieles Unheil angerichtet haben, wikeln sie sich endlich in Blaͤtter ein, wo sie sehr bald zur Puppe werden. In diesem Puppenzustande bleiben sie eine kurze Zeit uͤber, und werden dann in Schmetterlinge oder Motten (butterflies or moths) verwandelt.Warum nicht gar in Basilisken! A. d. Uebers.. Daß die Schildlaͤuse von Motten erzeugt werden, daruͤber habe ich nicht den geringsten Zweifel;Dagegen hat aber der Uebersezer die allergroͤßten Zweifel uͤber diese Behauptung des Hrn. Verfassers, und sieht mit Bedauern, daß derselbe so wenig in den ersten Grundsaͤzen der Naturgeschichte unterrichtet ist, daß er zwei ganz verschiedene Thiergattungen, die sogar zu zwei ganz verschiedenen Ordnungen gehoͤren, unter einander verwechselt: die Schildlaus naͤmlich und den Bluͤthenwikler, und daß er von der Schildlaus nicht einmal Maͤnnchen und Weibchen kennt. Um unseren Lesern einen deutlichen Begriff von den Schildlaͤusen zu geben, wollen wir sie hier mit der interessantesten unter denselben, der Cochinilla, bekannt machen. Dieses Insect hat so, wie alle Schildlaͤufe, nur in dem maͤnnlichen Geschlechte Fluͤgel; die Weibchen sind ungefluͤgelt. Die Fluͤgel der Maͤnnchen, (bei einigen Arten 4 an der Zahl, bei anderen nur zwei) sind fein haͤutig, nicht, wie bei den Schmetterlingen oder Motten, mit Schuppen bestaͤubt. Der Mund der ungefluͤgelten Weibchen besteht aus einem Schnabel oder einer Roͤhre, die aus dem Halse hervor zu treten scheint, ohne Freßspizen an den Seiten. „Man kennt“ sagt der Naturforscher,Dieser Naturforscher ist einer der Mitarbeiter jenes vortrefflichen Werkes, das in dem Buͤcherschranke keines Oekonomen, keines Fabrikanten und keines Kaufmannes fehlen sollte: des Dictionnaire des Sciences naturelles, dans lequel on traite méthodiquement différens êtres de la Nature, considèrés soit en eux mêmes, d'apres l'état actuel de nos connoissances, soit relativement à l'utilité qu'en peuvent retirer la Médicine, l'Agriculture, le Commerce et les Arts etc. par plusieurs Professeurs du Muséum d'hist. nat. etc. 8. Strasbourg. F. G. Levrault. dem wir hier folgen, „die Weibchen der Cochinille viel besser als die Maͤnnchen, die, in ihrer lezten Ausbildung nur wenige Tage leben, um den großen Befruchtungs-Act zu vollenden, wozu sie durch ihre Fluͤgel befaͤhigt werden, welche ihnen erlauben sich auf den Leib der Weibchen hin zu schwingen, die unbeweglich auf den Staͤmmen und Blaͤttern, wie Auswuͤchse oder Schmarozer-Pflanzen, sizen. Diese Weibchen scheinen nach Befruchtung nicht mehr lang zu leben. Ihr Koͤrper vertrocknet, und ihre Haut dient den Eiern als Huͤlle. Diese Eier entwikeln sich bald, und erzeugen kleine Larven, die schnell groͤßer werden, und waͤhrend ihres Wachsthumes die Haut ihrer Mutter, die sie schuͤzte, und eine Art von Schuppe oder Auswuchs auf der Pflanze zu bilden scheint, ausdehnen. Die Maͤnnchen haben Fluͤgel, sind sehr lebhaft und geschaͤftig, ihr Kopf ist rund, ihre Augen sind klein, die Fuͤhlhoͤrner lang und fadenfoͤrmig. Sie scheinen nur zwei Fluͤgel zu haben, welche in der Ruhe horizontal uͤber den Koͤrper hingelagert sind. Waͤhrend dieses Zustandes der vollkommenen Entwikelung scheinen sie keine Nahrung zu sich zu nehmen: denn sie haben keine Freßwerkzeuge. Ihr Bauch ist unmittelbar mit der Brust verwachsen, und endet sich zuweilen mit zwei Faden. Sie stiegen sehr leicht, und sind den Maͤnnchen der Blattlaͤuse sehr aͤhnlich. Der Koͤrper der Weibchen ist sehr schwer zu untersuchen, wenn man ihn nicht von der Pflanze wegnimmt. Man sieht dann an der unteren Seite desselben das Freßwerkzeug, naͤmlich den Saugeruͤssel, die Fuͤsse, und einige Gelenke des Leibes: man muß aber sehr geuͤbt seyn, um diese Theile an dem weiblichen Individuum wahrzunehmen.“ Ausser dieser Cochenille, fuͤr welche wir Europaͤer jaͤhrlich an 3 Millionen Gulden nach Amerika senden, ausser der Schildlaus, die uns den Lack gibt, und ausser dem Coccus ilicis und polonicus, die man als rothes Farbe-Materiale benuͤzen kann, sind alle uͤbrigen Schildlaͤuse (das Systema Naturae in Gmelin's Ausgabe verzeichnet nur 43 Arten; es gibt deren aber gewiß eben so viele Hunderte) eine wahre Pflanzen-Pest, vorzuͤglich aber der Coccus hesperidum und Coccus Adonidum in unseren Glashaͤusern. Es waͤre fuͤrwahr unbegreiflich, wie ein Englaͤnder, ein Mitglied einer Gartencultur-Gesellschaft, wie endlich diese Gesellschaft selbst einen Aufsaz, der so viele Unwissenheit verraͤth, abdrucken lassen kann, wenn wir nicht an einem gewissen landwirthschaftlichen Vereine aͤhnliche Weisheit ausgekramt faͤnden. Wir haben diesen Aufsaz bloß darum hier uͤbersezt, um unseren Landsleuten, die sich so oft von den Englaͤndern wie Sklaven verkaufen ließen, und denen alles was englisch ist, bloß darum gut ist, weil es englisch ist, zu zeigen, wie unwissend und anmaßend und fade die Englaͤnder, (die nicht mehr das sind, was sie heute zu Tage vor vierzig Jahren waren) geworden sind. Die Soͤhne der Vaͤter der Naturgeschichte in Europa kennen nicht mehr die Schildlaͤuse, und sind doch anmaßend genug, daruͤber zu schreiben! A. d. U. auf welche Weise aber dieses geschieht, und zu welcher Zeit, dieß, ich gestehe es mit Bedauern, war ich nicht im Stande zu entdecken. Als ich sie zuerst beobachtete, war ich geneigt zu glauben, daß gewisse gefluͤgelte Insecten (Fliegen heißt es im Originale; Flies!) Einschnitte in die Rinde machen; daß sie in diese Einschnitte ihre Eier legen, und daß eine gummiartige von dem Baume ausgeschwizte Materie das Schildchen (die Schildlaus!) bildete. Ich fand aber, als ich das Schildchen vom Baume sorgfaͤltig abloͤßete, daß man nicht den kleinsten Stich auf der Rinde bemerken konnte. Ich bin sehr geneigt zu vermuthen, daß, wenn das Infect (the fly! die Fliege!) die Eier legt, es zugleich eine klebrige Substanz von sich gibt, welche dieselben beschuͤzt, und als Mittel zur Bebruͤtung derselben dient: denn, wie ich bereits bemerkte, so tritt ein Vertrocknen an dem Schildchen ein, so bald die Eier belebt werden. Denjenigen, die durch Raupen (Caterpillars) an ihren Aprikosenbaͤumen litten, will ich rathen die Baͤume sorgfaͤltig zu untersuchen: denn ich zweifle nicht im Geringsten, daß sie eine Menge Schildlaͤuse nicht bloß an der Rinde, sondern auch an den Mauern finden werden (denn ich fand mehrere derselben sowohl an Stein- als Ziegel-Mauern); und daß durch Vernichtung der Schildlaͤuse die Baͤume in kurzer Zeit sowohl in Hinsicht auf ihre Blaͤtter als auf ihr Tragholz bedeutend verbessert, und fuͤr das folgende Jahr zum Ertrage einer reicheren Ernte an Fruͤchten, und zwar an schoͤneren Fruͤchten, vorbereitet werden. Man wird erwarten, daß ich etwas uͤber die Art und Weise die Schildlaͤuse zu vertilgen sagen soll. Ich fand zu ihrer Vertilgung auf den Aprikosenbaͤumen den Hornung als die beste Zeit, vorzuͤglich nach einem Regen, wo die Rinde noch naß ist. Da die Rinde zu dieser Zeit dunkler als gewoͤhnlich und die Schildlaus von blasser Farbe ist, so laͤßt leztere sich dann leichter unterscheiden. Wenn der Arbeiter, welcher im Fruͤhjahre die Baͤume an der Wand aufbindetIm Original heißt es: nail to the wall, aufnagelt. Wir auf dem festen Lande nageln die Baͤume nicht auf. A. d. U., waͤhrend seiner Arbeit dieselben genau untersucht, so wird ihm der groͤßte Theil dieser Insecten nicht entgehen, und es bedarf keines anderen Mittels, als daß er mit der Spize seines Nagels die Schildlaus von dem Puncte entfernt, auf welchem sie sich angesezt hat.Welche Entdeckung! Es wundert uns, daß der Hr. Verfasser nicht ein Patent darauf genommen hat. A. d. Uebers.. Wenn dasjenige, was ich so eben sagte, andere veranlassen koͤnnte, den Gegenstand naͤher zu untersuchen, und mehr Licht auf denselben zu werfen, so wuͤrde ich mich gluͤcklich duͤnken, der Gesellschaft dadurch einen kleinen Dienst erwiesen zu haben. Bei dem Durchsehen meiner Papiere uͤber den Gartenbau finde ich jezt, daß ich schon im J. 1788 die alte Rinde der Apfelbaͤume in dem Garten zu Tinningham, der dem Grafen (Carl of) Haddington gehoͤrt, abkrazte, und daß ich den ersten Wink hieruͤber von einem Herren erhielt, welcher mir sagte, daß das Abkrazen der Rinde in Amerika allgemein gebraͤuchlich ist, um die Baͤume vom Moose und von anderen Schmarozer-Pflanzen, die ihnen nachtheilig sind, vollkommen zu reinigenDaß man die Baͤume, um sie nicht bloß von Moosen, sondern auch von Flechten und Pilzen und von Insekten zu reinigen, waschen und buͤrsten muͤsse, haben wir Deutsche in unseren Hanspostillen schon vor 300 Jahren gepredigt, und jeder fleißige deutsche Hauswirth wascht und buͤrstet die Rinde seiner Obstbaͤume. A. d. Uebers..