Titel: Einige Worte über verbesserte Apparate und Geräthe zur Brandwein-Fabrikation. – Mit Rücksicht auf die Besteuerung derselben in einigen Ländern des nördlichen Deutschlands.
Fundstelle: Band 3, Jahrgang 1820, Nr. LVIII., S. 437
Download: XML
LVIII. Einige Worte über verbesserte Apparate und Geräthe zur Brandwein-Fabrikation. – Mit Rücksicht auf die Besteuerung derselben in einigen Ländern des nördlichen Deutschlands. Ueber verbesserte Brandwein-Apparate etc. Mit Rücksicht auf die Besteuerung im nördl. Deutschl. Von mehreren Chemikern sowohl als einsichtsvollen Empirikern sind seit 1800 theils durch wissenschaftliche Untersuchungen und Berechnungen, theils durch fortgesezte Versuche im Wege der Erfahrung, vielerlei Apparate erfunden, beschrieben und empfohlen worden, um Brandwein, oder Spiritus auf einem kuͤrzern, wohlfeilern, bequemern Wege als vorher, zu erzielen; mehrere dieser Erfinder oder Verbesserer haben Patente gesucht und erhalten, waͤhrend andre, weniger erfinderische oder unterrichtete Fabrikanten – oft mit großem Aufwande – bestrebt gewesen sind, diese Erfindungen zu benuzen: mehrere der Erfinder und der Benuzer haben dabei Vortheil gefunden: mehrere aber, auch – vorzuͤglich im noͤrdlichen Deutschland – großen Schaden; nicht allein deshalb, weil manche Apparate den Empfehlungen und Erwartungen nicht entsprachen, oder nicht gut gearbeitet waren; sondern ganz vorzuͤglich (und hievon soll eigentlich hier die Rede seyn), weil sie nicht vorausgesehen hatten, vielleicht auch nicht voraussehen konnten, auf welche schwankende, oft wechselnde Art, und nach welchen unvorzusehenden Grundsaͤzen dieser Zweig der Industrie besteuert werden wuͤrde? Gewoͤhnlich pflegte – und pflegt noch – bei Fabriken und Manufakturen in jedem Lande entweder das rohe Material, oder das Produkt, (das Fabrikat) versteuert zu werden: also entweder das Mehl oder das Brod, nicht aber der Backofen! die Baumwolle oder die fertige Waare nach ihrer Gattung und Feinheit (Werth), nicht aber die Spinn-Maschiene und der Stuhl u.s.w. – So war es auch fruͤher in den meisten Laͤndern, wo eine Trank- oder Brandweinsteuer bestand: man ließ das Material (das Schroot), seltener das Fabrikat, kontrolliren und versteuern: war auch an einigen Orten ein Blasenzins, nach der Capacitaͤt der Blase, eingefuͤhrt, so diente solches zur Erleichterung der Kontrollen, dagegen aber auch zum offenbaren Vortheile des Fabrikanten, dessen Industrie freies Spiel behielt, theils mehrere Abziehungen (als die zum Grunde der Berechnung liegenden 2 oder 3 Abzuͤge in 24 Stunden) in einer gegebenen Zeit moͤglich zu machen, theils das Fabrikat zu veredlen, ohne solches einer zweiten oder dritten Distillation zu unterwerfen. Wurde nun auch, successive, dieser Blasenzins erhoͤht, so litt hiebei nur der Consument, nie aber der betriebsame Fabrikant, dessen Industrie fortwaͤhrend, nach Maaßgabe der Richtigkeit seiner Fabrikations-Methode, der Guͤte seiner Apparate, und der Groͤße seines Betriebs-Kapitals, belohnt wurde: indem Niemand darnach frug. Wie er fabricire? wie oft per Tag er abtreibe? wie sein Helm, sein Kuͤhl-Apparat etc. beschaffen sey? etc. (vorausgesezt, daß der kubische Inhalt des eigentlichen Brenn-Kessels (Blase) unveraͤndert blieb). In der Preußischen Monarchie wurde, soviel dem Referenten bekannt ist, zuerst der Grundsaz aufgestellt (etwa 1810 oder 1811) daß kein Brenner in 24 Stunden oͤfter als 6 mal abziehen duͤrfe oder verhaͤltnißmaͤßig mehr steuern muͤsse: auch wurde fuͤr jeden Brenn-Saz (Qualitaͤt und Verhaͤltniß der gewaͤhlten rohen Stoffe; z.B. Gerste allein, oder Weizen und Gerste, oder Kartoffeln etc.) ein besonderer Steuersaz, nach Kapacitaͤt der Blase bestimmt. Schon dieses that manchem Fabrikanten sehr wehe, und großen Schaden: er hatte seinen Apparat auf schnelle Procedur eingerichtet, hielt viele Leute zur Bedienung desselben, und fand in dem Gewinn an der Steuer, theils die Zinsen seiner Auslage, theils die Belohnung seiner Industrie. Dies war nun vorbei; er mußte seinen Apparat verwerfen oder abaͤndern, weil der 7. 8. 9. u.s.w. Abzug nicht mehr steuerfrei waren: dagegen blieb ihm, nach wie vor, voͤllige Freiheit hinsichtlich der Apparate selbst und der Methode. Konnte und wollte er taͤglich 6 mal reinen Alcohol abziehen, so zahlte er doch nur einfach, nach dem Gehalt der Blasen, gleich als ob er Lutter abgezogen haͤtte: er mochte so viele und welche Maischwaͤrmer, Mohrenkoͤpfe, Kondensatoren, Rektifikatoren oder was sonst fuͤr Huͤlfs- und Veredlungs-Apparate anbringen und benuzen, als er nur wollte. In dem Koͤnigreiche Westphalen, so lange solches bestand, und (soviel Referent weis) auch in der 32. franzoͤsischen Militaͤr-Division, wurden zwar die Blasenzinse sehr erhoͤht, und der Debit des Fabrikats vielen Foͤrmlichkeiten, also Beschwerden unterworfen; die Fabrikation hingegen gar nicht erschwert, und Referent kennt mehrere Beispiele von Errichtung neuer Brenn-Apparate mit Waͤrm-Maschinen u. dgl. (im Koͤnigreich Westphalen) woruͤber andre Brenner Klage erhoben, aber nichts ausrichteten. Der Steuersaz ergriff blos den kubischen Inhalt der Blase! auch wurde keine Ablieferung des Helms an die Steuerbehoͤrde, waͤhrend Stillstandes der Fabrikation, als unerlaͤßlich gefordert, sondern die Steuer-Bedienten versiegelten den Auslauf der Schlange an der Vorlage oder dergleichen, (dasselbe wurde im Preußischen beobachtet). Nachdem aber die hannoverschen Lande wieder unter den Scepter Georg III. gekommen waren, wurde zwar die Brandweinsteuer herabgesezt, allein das Abliefern der Helme, so oft nicht gebrennt wurde, als unerlaͤßlich betrachtet und erklaͤrt. Nicht zu gedenken der außerordentlichen Beschwerden, die oft sehr schweren und großen Helme, da wo sich solche uͤberhaupt abnehmen ließen, auf betraͤchtliche Entfernungen versenden zu muͤßen, woͤchentlich wenigstens ein, oft zwei und dreimal (in allen Brennereien wo nicht doppelte Leute sind, das Gesinde also eine Nacht um die andere schlafen darf), wie auch der nicht ausbleibenden Beschaͤdigungen derselben auf dem Transport oder im Steuer- Locale; waren durch diese Verfuͤgung alle Apparate verloren, an welchen der Helm gar nicht, oder doch nur sehr muͤhsam von der Blase zu trennen ist, oder wo die Gestalt des Helms den Transport desselben nicht zulaͤßt: z.B. die s. g. schwedischen Koͤpfe oder Helme, welche zugleich als Kondensatoren dienen; ferner die Helme, welche zugleich Maischwaͤrmer sind u.s.w. Im uͤbrigen steuerte fortwaͤhrend (im Koͤnigreich Hannover) nur der kubische Inhalt der Blase, mit einigem Abzug fuͤr den Hals und die Woͤlbung, bis zum 1. Oktober d. J. 1820. Von diesem Tage an, sind ganz veraͤnderte Grundsaͤze und Bestimmungen eingetreten, welche, wie Referent glaubt, allen s. g. verbesserten Brenn-Apparaten die Vernichtung drohen. Man vergleiche die koͤniglich hannoversche Verordnung, in Betref der Konsumtionssteuer vom inlaͤndischen Brandwein: d. d. 29. August 1820, in der Gesez-Sammlung, I. Abtheilung, Nr. 20. Nach dieser Verordnung §. 3. 4. 5. werden vermessen und versteuert: a) der Kessel bis zum Ueberlaufen. b) der Helm inclus. der Helm-Roͤhre. c) Jeder andere Apparat oder Theil des Apparats (ausser Blase und Helm), welcher zum Abtreiben der sich darin entwikelnden Daͤmpfe benuzt wird! – die – nach dem hiedurch ausgemittelten cubischen Inhalte der fraglichen Raͤume und Gefaͤße – zu entrichtende Steuer ist sechsfacher Art. 1) Wenn geluttert und nachher besonders geweinet (gut gebrannt) wird, steuert n (eine beliebige Zahl von Kubikzollen des oberwaͤhnten Gesammtinhalts der Blase, des Helms etc.) ohne Maischwaͤrmer 14 kr., mit Maischwaͤrmer 18 kr. 2) Wenn nicht gelutterk, sondern in einem Prozesse Brandwein gemacht wird, steuert n ohne Maischwaͤrmer 18 kr., mit Maischwaͤrmer 22 kr. 3) Wenn Spiritus in der Vorlage erscheint, mit Maischwaͤrmer 24 kr., ohne selbigen 20 kr. per n in 24 Stunden, die auf einander ohne Unterbrechung folgen. – Wem es um genannte Zahlen zu thun ist, der seze fuͤr n = 392 Paris. Kubikzoll und fuͤr x = 1 Pfenning Conv. Muͤnz. In der preußischen Monarchie ist die Finanz-Behoͤrde (auch ganz kuͤrzlich) von dem System der Fabrikations- oder Gefaͤße-Besteurung gaͤnzlich abgegangen, und hat einen – voͤllig verschiedenen – Weg betreten: es soll naͤmlich dort fuͤr die Zukunft bloß die Maische (das Brenngut), betrachtet, controllirt und nach Quantitaͤt besteuert werden. Wer also viel maischt, steuert viel, und man uͤberlaͤßt es ihm (dem Fabrikanten) auf welche Weise? – wozu? – Wie schnell etc. er diese Maische in Verkaufswaare verwandeln will und kann? freies Spiel fuͤr die Industrie und Chemie! Diese beiden Steuersysteme – in Hinsicht der Brandweinfabrikation – sind hier deshalb zusammen gestellt, um zu zeigen, wie verschieden in zwei benachbarten Laͤndern die Ansichten und Systeme der einsichtsvollsten Techniker und Sachverstaͤndigen seyn muͤssen; indem nicht zu bezweifeln steht, daß beide Regierungen (Finanz-Behoͤrden) vielfache Gutachten eingefordert und verglichen haben werden, ehe sie solche wichtige Beschluͤsse faßten, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit von entscheidender Wichtigkeit fuͤr einen sehr interessanten Zweig des Gewerbes sowohl – als fuͤr die Staats-Einnahme ist. – Das Vorstehende wird keinen Zweifel uͤber die Wahrheit der geaͤußerten Meinung uͤbrig lassen, daß einem jeden Einwohner oder Fabrikanten von geistigen Fluͤssigkeiten – in Laͤndern wo Tranksteuern eingefuͤhrt oder uͤberhaupt denkbar sind – anzurathen ist – sich wohl vorzusehen, ehe er seine Brennerei einstellt, und neue, kostspielige Apparate anschafft; indem eine baldige neue Steuer-Verordnung diesen Apparat ergreifen, und ihn in großen Schaden bringen kann: gerade so, wie gegenwaͤrtig in vielen Laͤndern – wo bis lang keine oder nur geringe Grundsteuer bestanden, bei den neuen Katastern niemand uͤbler daran ist, als der, welcher große Meliorationen, Abwaͤsserungen, Stallfuͤtterung, Wechselwirthschaft, kuͤnstliche Wiesen u.s.w. gemacht und angelegt hat: er moͤge es aus eignen Mitteln oder mit angeliehenem Gelde gethan haben: er hat oft gar keinen reinen Gewinn, oft nicht einmahl gewoͤhnliche Zinsen von seiner Auslage: dennoch muß er nach dem Bruttoertrage des Status quo steuern, waͤhrend sein traͤger Nachbar vielleicht nur zu 1/4, im Verhaͤltniß besteuert wird, und freie Hand behaͤlt, nach geschlossenem Kataster zu melioriren so viel er will! Also caute et prudenter!Den brieflich geaͤußerten Wuͤnschen des Hrn. Verfassers werden wir, so viel es in unserer Moͤglichkeit liegt, zu entsprechen suchen. Mit dem Danke fuͤr die interessanten Abhandlungen vereinigen wir den Wunsch, uns noch oͤfter und eben so freimuͤthig zu begegnen, denn bei uns Baiern findet die Wahrheit immer gute Aufnahme, wenn sie gleich ohne Huͤlle erscheint. D.