Titel: Litteratur.
Fundstelle: Band 6, Jahrgang 1821, Nr. LXXII., S. 435
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LXXII. Litteratur. Litteratur. Darstellung des Fabrik- und Gewerbswesens im oͤsterreichischen Kaiserstaate. Vorzuͤglich in technischer Beziehung. Herausgegeben von Steph. Edlem v. Keeß, erstem Kommissare bei der k. k. niederoͤsterr. Fabriken-Inspection. Nach der Grundlage seines technischen Kabinettes. I. Theil. Enthaltend die Beschreibung der rohen Materialien, welche in den Fabriken, Manufakturen und Gewerben des oͤsterreich. Kaiserstaates verarbeitet werden. Mit Angabe der Vorarbeiten, der nuzbaren Abfaͤlle u.s.w. 8. Wien 1819 gedr. u. in Commission bei A. Strauß. Auch unter dem Titel: Beschreibung der rohen Materialien, welche in den Fabriken, Manufakturen und Gewerben des oͤsterreich. Kaiserstaates verarbeitet werden. Herausgegeben von Steph. Edl. v. Keeß etc. Nach der Grundlage seines technischen Kabinettes. 8. Wien. 1819. S. 688. II. Theil. Enthaltend die Beschreibung der Fabrikate, welche in den Fabriken, Manufakturen, und Werkstaͤtten des oͤsterr. Kaiserstaates erzeugt werden. Mit einem vollstaͤndigen Grundrisse der Technologie. I. Band. 8. Wien. 1820. Ebendas. S. 658. Wenn wir dieses herrliche Werk nicht fruͤher anzeigten, so geschah es nicht durch unsere Schuld, sondern durch jene Verhaͤltnisse, welche, wie der eben so geistreiche als fromme Abbé Raynal schon vor 60 Jaͤhren bemerkte, die oͤsterr. Litteratur eben so schwer uͤber die Graͤnze ihres Landes kommen lassen, als die auslaͤndische. Seit die Chronik der oͤsterr. Litteratur mit den vaterlaͤndischen Blaͤttern zu Grabe ging, erfahren wir im Auslande nur dann von solideren oͤsterr. Werken Kunde, wann sie bereits mehrere Auflagen erlebt haben, und wir wuͤrden es sehr bedauern, wenn von diesem Werke nicht der erste Theil laͤngst vergriffen seyn muͤßte, bis der lezte Band desselben erscheinen und bei uns bekannt seyn wird: denn wir haben nicht bald ein Buch unter unsere Haͤnde bekommen, welches nicht bloß fuͤr den Gewerbsmann im Kleinen und fuͤr den Fabrikanten und Manufakturisten im Großen, sondern auch fuͤr den Kaufmann und vorzuͤglich fuͤr den Financier, der Geseze zu entwerfen hat, durch welche Industrie und Handel gehoben, und nicht, wie es aus reiner Unkunde desselben in den vermeintlichen Kleinigkeiten des technischen Faches (des rohen Technicismus, wie unsere jezigen Professoren der Staatswirthschaft das Studium der Technologie zu benennen belieben, um zu demselben Lust zu machen) so oft geschieht, Geseze, durch welche der gewerbfleißige Buͤrger zugleich mit dem akerbauenden Landmann und dem spekulirenden Handelsmanne zu Grunde gerichtet wird. Es war eine sehr schoͤne und reine Verstandes-Idee des Hrn. v. Keeß, sich ein sogenanntes technologisches Kabinet anzulegen, um uͤber die Dinge, uͤber welche er referiren soll, sich eine anschauliche Kenntniß zu verschaffen; eine Idee, die, so einfach und natuͤrlich sie ist, unseres Wissens vor ihm noch kein anderer Fabriken-Inspektor in Oesterreich hatte, und in manchem anderen Lande noch jezt kein Fabriken-Inspektor hat. Die technologischen Kabinette auf Universitaͤten sind, selbst auf jenen wenigen Lehranstalten dieser Art, auf welchen man sich bis zur Idee der Nothwendigkeit einer solchen Sammlung emporgeschwungen hat, hoͤchst erbaͤrmlich, und mehr pedantische Taͤndeley, als brauchbare Unterrichts-Anstalt fuͤr den kuͤnftigen Leiter der Fabriken und Gewerbe. Desto mehr verdient Hr. v. Keeß den Dank aller Techniker, eine so vollstaͤndige technische Sammlung waͤhrend des kurzen Zeitraumes von 9 Jahren veranstaltet, und durch eine so lehrreiche Beschreibung, wie die gegenwaͤrtige, auch fuͤr diejenigen allgemein nuͤzlich gemacht zu haben, welche dieselbe nicht in jedem Augenblike des Bedarfes unter ihren Augen haben koͤnnen, wie dieß einst den Buͤrgern Pesth's zu Theile werden wird, fuͤr deren National-Museum dieses aus 9000 Stuͤken bestehende Kabinet bestimmt ist. In dem ersten Bande, welcher die rohen Materialien enthaͤlt, sind aus dem Pflanzenreiche 622, aus dem Thierreiche 276, aus dem Mineralreiche 404 verschiedene zur Verarbeitung bestimmte Stoffe beschrieben. Wir wollen zum Beweise, daß wir das ganze Werk aufmerksam durchlasen, versuchen hier eine gedraͤngte Uebersicht, nach den Rubriken, unter welchen der Hr. Verf. seine Sammlung brachte, zu geben: 1. Pflanzenreiche Hoͤlzer zur Verarbeitung, 153 Numern; Torf, 5; Holz-, Torf- und Steinkohlen, 14; Schilf und Rohr 5; Stroh, 11; Flachs und Hanf, und aͤhnliche Pflanzenstoffe, 40; Papier-Materialien, 17; Baumwolle und Baumwollen aͤhnliche Materialien, 60; Lohe oder Gaͤrbe-Materialien, 20; Faͤrbe-Materialien, 78; Feldfruͤchte und Mehl, 41; Fruͤchte und Samen zur Erzeugung der fetten Oele, 17; Wachs, 32; Zuker-Materialien, 8; Gummi, Harze und Balsame, 35; verschiedene Pflanzenstoffe zu mannigfaltigem Gebrauche, 84. – 2. Thierreich. Menschenhaare, 4; Thierhaare und Felle, 80; Wolle und Thierhaare, 105; Federn, 9; Seide, 4; Gedaͤrme und Blasen, 8; Leim-Materialien, 3; Fett, 8; Horn, Klauen, Knochen, Zaͤhne, Perlen, Muscheln, Schalen etc. 55. 3. Mineralreich. Erden und Steine, 161; Metalle; 155; Salze, 57; brennliche Mineralien, 32. „Außer diesen 1302 in wirklichen Mustern vorhandenen Artikeln sind noch sehr viele minder wichtige im Voruͤbergehen beschrieben oder beruͤhrt worden, so daß der erste Theil als eine vollstaͤndige, moͤglich genaueste, systematische Materialien-Kunde der, oͤsterreichischen Gewerbe angesehen werden kann. Außer dem enthaͤlt dieses Werk viele mit dem Hauptinhalte verwebte naturhistorische, neue statistische, geschichtliche, merkantilische u.a. Notizen, die fuͤr jeden Leser Interesse haben werden.“ Dieses in der Vorrede gemachte Versprechen hat bei Hr. Verf. auf eine Weise erfuͤllt, die seinen Kenntnissen und seinem Eifer hohe Ehre bringt, und auch der strengsten Kritik nur wenig, allenfalls bloß in naturhistorischer Hinsicht, zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Je mehr Oesterreich in statistischer, technischer und merkantilischer Hinsicht bisher eine terra incognita war, desto mehr hat Hr. v. Keeß in diesem schaͤzbaren Werke geleistet, das nicht bloß jedem Techniker und Kaufmanne, jedem Statistiker und Financier, sondern auch sogar dem Arzte und uͤberhaupt jedem, der auf gruͤndliche Bildung und Kenntniß des Voͤlker-Verkehres Anspruch machen will, unentbehrlich ist. Ja wir glauben sogar, daß derjenige, der sich schoͤner und ausgebreiteter Kenntnisse im Fache der Technik und des Handels erfreut, dieses Werk noch mit Belehrung und mit Nuzen und Vergnuͤgen durchlesen wird. In dem I. Bande des II. Theiles finden wir folgende Fabrikate nebst der Art ihrer Erzeugung abgehandelt: 1. Hutmacher-Arbeiten und Zustand der Fabrikation der Filzhuͤte in Oesterreich, nebst 46 Muster-Nummern. 2. Lederbereitung: Lohgaͤrberei oder Rothgaͤrberei; Weißgaͤrberei; Saͤmischgaͤrberei. Eigentliches Zurichten, des Leders; Satiren und Faͤrben desselben; Fabrikation des Bruͤsseler Leders. Zustand der Lederfabrikation im oͤsterreich. KaiserstaateWir werden den Artikel der den Zustand einer jeden Fabrikation in Oesterreich betrifft, nicht mehr bei jedem Abschnitte wiederholen, da er bei jedem derselben vorkoͤmmt. 258 Muster. 3. Pergament und Chagrin-Bereitung: 25 Muster. 4. Produkte der Spinnerei: Flachs und Hanfgespinnste, 170 Muster; Baumwollgespinnste, 392 Muster; Schafwollgespinnste, 218 Muster; filirte und weiter zubereitete Seide, 97 Muster. 5. Produkte der Weberei: Leinenstoffe, 174 Muster; Baumwollenstoffe, 726 Muster (wo auch Faͤrberei und Drukerei, wie oben bei der Leinwand vorkommt); Schafwollstoffe, 316 Muster; Seidenstoffe, 901 Muster; Halbleinen- und Halbbaumwollstoffe, 38 Muster; Teppiche, 26 Muster; Halbseidenstoffe, 355 Muster. 6. Posamentirer-Handarbeiten aus freier Hand, 138 Muster. 7. Posamentirer-Arbeiten auf dem Stuhle, mit Inbegriffe der Bandarbeiten aus allen Stoffen, 1138 Muster. 8. Gestrikte-Arbeiten: Lizenstrikerei und Hakeln, 29 Muster. 9. Strumpfwirker-Arbeiten: glatte, Ketten- und Petinets-Arbeiten; Tricots, 259 Muster. 10. Die tuͤrkischen Kaͤppchen, 9 Muster. 11. Spizen-Fabrikate: Gold-, Silber-, Zwirn- und Seidenspizen, 47 Muster. 12. Gestikte Arbeiten: Weiß-, Woll-, Seiden- und reiche Stikerei; Perlenstikerei; Leder-Stikerei, 53 Muster, 13. Seiler-Arbeiten, 97 Muster. 14. Schnuͤrmacher-Arbeiten, 81 Muster. 15. Geflechte und Gewebe aus Stroh und Bast, 226 Muster. 16. Geflechte und Gewebe aus Menschen- und Thierhaaren, 26 Muster. 17. Siebmacher-Arbeiten, 65 Muster. 18. Buͤrstenbinder-Arbeiten auch Pinselfabrikation, 15 Muster. 19. Papier und Papierfabrikate: Pappendekel, Preßspaͤne, Kartenpapier, 37 Muster; Loͤsch-weißes und im Zeuge gefaͤrbtes Papier, 452 Muster; gefaͤrbtes und gedruktes Papier, 166 Muster; gepreßtes Papier, 223 Muster; Dosen aus Papiermaché und andere aͤhnliche Arbeiten, 16 Muster; Visitkarten und Galanterie-Arbeiten aus Pappe, 60 Muster. 20. Papiertapeten, 129 Muster. 21. Spielkarten, 31 Muster. Das aͤltere bereits bekannte Technische aller dieser Fabrikate ist mit gedraͤngter Kuͤrze, das Neuere mit der noͤthigen Klarheit erlaͤutert, so daß wir diesen Theil als eines der brauchbarsten Handbuͤcher zum Unterrichte in der Technologie Lehrern wie Schuͤlern gleich kraͤftig empfehlen koͤnnen. Ohne Eitelkeit und falschen Stolz macht der Hr. Verf. die Verdienste der oͤsterreich. Fabrikanten geltend, und bemerkt mit redlicher Offenheit und zarter Bescheidenheit gegen sein Land dort, wo es noch fehlt, das Mangelhafte und Fehlerhafte. Wenn hier und da das Allerneueste der Erfindungen des Auslandes vermißt wird, so erklaͤrt sich dieß sehr natuͤrlich aus den oben erwaͤhnten Gruͤnden des sel. Abbè Raynal, und der unterrichtete Leser wird um so leichter hieruͤber wegsehen koͤnnen, als er in dieser Technologie dasjenige, was den meisten Technologien bisher fehlte, das Merkantile, groͤßtentheils trefflich behandelt finden wird. Hr. v. Keeß erwaͤhnt in der Vorrede, wie es einem Ehrenmanne ziemt, dankbar der Beitraͤge, welche ihm die angesehensten Handelsleute, Fabrikanten und Gelehrt Wien's bei seinem schoͤnen Werke schenkten. Es freute uns unter diesen wuͤrdigen Maͤnnern auch die Nahmen des, nun leider schon seligen, Hr. v. Ribini, des großen Waarenkenners v. Pittoni, des Hrn. J. C. Hippenmeyer, und vorzuͤglich jenen des geistreichen Hrn. W. G. Wabruschek-Blumenbach zu finden, „dessen eifriger Mitwirkung“ der Hr. Verf., wie er selbst in der Vorrede sich aͤußert, „den so schnellen Fortgang dieses“ wahrhaft herrlichen „Werkes verdanken muß.“ L'Art du Filateur de Coton par F. Vautier, filateur. Paris 1821. 320 Seit. in 8. mit 10 Kupfertafeln. Unter diesem Titel ist im Oktober dieses Jahrs ein spezielles Werk uͤber die Baumwollenspinnerey erschienen. Bei der großen Wichtigkeit dieses Industriezweigs, der hochgestiegenen Vervollkommnung dieser Kunst, und der Menge sinnreicher mechanischer Vorrichtungen, welche sie darbietet und auch Wissenschaftlich sehr interessant macht, kann es allerdings wundern, daß noch keine Darstellung derselben existirt. Unstreitig ist eine solche bereits zu einem nicht wenig schwierigen Unternehmen geworden. Sie erforderte nicht nur Einsicht, die beinahe nur ein Inhaber einer Spinnerey sich erwerben kann, sondern ebenso daß dieser aufmerksam alle Verbesserungen allmaͤhlig verfolgt, und die verschiedene Systeme, so wie die neuesten Erfindungen kennen gelernt habe; endlich eine Darstellungsgabe, die dem Praktiker nur zu oft fehlt, und fuͤr diese Aufgabe nicht gering seyn duͤrfte. – Nicht nur Deutschland, sondern auch England und Frankreich haben bis jezt nichts nur einigermassen befriedigendes uͤber diesen Gegenstand aufzuweisen. Das Martinische von Poppe uͤbersezte Werk gibt eine nur ganz oberflaͤchliche Idee von dieser Kunst. Obgleich obiges Werk nun ungleich mehr leistet, so befriedigt es doch keineswegs. Fast die Haͤlfte der Schrift handelt, nach einigen kurzen nichts neues enthaltenden historischen Notizen, von der Baumwolle, und dieser Abschnitt scheint wirklich kein unbedeutender Beitrag zur Waarenkunde dieses wichtigen Produkts zu seyn. Das folgende entspricht aber lange nicht den Forderungen an eine nur einigermassen vollstaͤndige Darstellung. Es duͤrfte am schaͤzbarsten, als eine Sammlung von allerley guten Rathschlaͤgen uͤber die Fuͤhrung dieses Gewerbs, und so etwa angehenden Spinnern empfehlungswerth seyn. Die Beschreibungen der Maschinen sind theils sehr mangelhaft, theils undeutlich durch die Sprache schon; zumal aber noch dadurch daß der Text nirgends auf die Kupfer hinweiset. Diese, so viel 10 große Platten erwarten lassen, enthalten nur wenige, meist unganze Maschinen nach einem uͤbergroßem Maaßstabe gezeichnet; zwei stellen den Dixsonschen Batteur dar, doch ohne alle Erklaͤrung, und unvollstaͤndig. Die uͤbrigen enthalten meist aͤltere Maschinen. Auch hier wird vergebens die Zeichnung einer Mule-jennys gesucht, es findet sich nur eine interessante Vorrichtung abgebildet, (aber verkehrt) um die Spindeln mir zweierlei Geschwindigkeit zu treiben. Des verbesserten Kardaͤtschsystems, wo die Grobkardenschon Baͤnder liefern, die durch verschiedene Maschinen wieder in Watten vereinigt werden, ist zu kurz gedacht, obschon die Carderie noch am gruͤndlichsten behandelt ist. Bei den folgenden Operationen sind durchaus keine abweichende Mechanismen angefuͤhrt. – Von mehreren ist endlich kaum oder gar nicht die Rede, zum Beispiel vom Abwaͤgen, dem Haspeln, Zwirnen, von der sinnreichen Knaulmaschine, der Pakmaschine und andern mehr. Eben so fehlt denn durchaus alles was die Verfertigung der Maschinen betrifft, die in einem vollstaͤndigen Werke uͤber mechanische Spinnerey um so eher einen Plaz finden duͤrfte, da so viele Anstalten ihre Maschinen selbst zu erbauen ihren Vortheil finden. Sehr vieles erwartet man von einem Werke, daß vor kurzem Herr Christian, Direktor des großen Modellkabinetes in Paris, unter dem Titel: Mécanique industrielle. angekuͤndigt hat. Dieses Werk soll in 3 starken Quartbaͤnden mit 60 Kupfertafeln erscheinen, und zwar im Laufe des Jahres 1822. Der Subscriptionspreis ist auf 70 Frank. gesezt. Dem Prospektus zufolge werden darin die verschiedene mechanischen Vorrichtungen, je nachdem sie aͤhnliche Zweke beachsichtigen zusammengestellt, und der Plan demnach demjenigen aͤhnlich seyn, den Herr Poppe bei seiner „allgemeinen Technologie“ wovon so eben eine neue Umarbeitung herausgekommen ist, befolgt hat. Allerdings enthaͤlt auch die Mécanique appliquée aux Arts von Borgnis in 8 Baͤnden einen aͤhnlichen Gang; indessen ist gerade der Theil der industriellen Mechanik ziemlich oberflaͤchlich ausgefallen. Schon von der guͤnstigen Stellung des Herrn Christian laͤßt sich aber eine eben so gruͤndlich als ausfuͤhrliche Behandlung hoffen.