Titel: Ueber Traubentreiberey.
Fundstelle: Band 7, Jahrgang 1822, Nr. XXXI., S. 220
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XXXI. Ueber Traubentreiberey. Ueber Traubentreiberey. In dem frostigen neblichten England, wo die Reben im Freyen kaum zu bluͤhen beginnen, waͤhrend sie im Suͤden bereits schmakhafte Trauben bringen, hat jeder wohlhabende Guͤterbesizer sein Traubenhaus, um seinen Nachtisch mit Trauben zu zieren und zu wuͤrzen, und mancher Privatgaͤrtner in der Naͤhe von London zieht jaͤhrlich aus seinen auf bloße Speculation gebauten Traubenhaͤusern 10–12000 fl. Wir Altbaiern entbehren allein unter allen Voͤlkern Europens, die zwischen dem 47 und 48° N. B. leben, auf unserem Alpenplateau den Genuß der Traube, waͤhrend unsere oͤstlichen und westlichen Nachbarn bei ihrer niedrigeren Lage in demselben schwelgen, und selbst unsere noͤrdlichen Nachbarn am Maine und Rheine sich noch derselben erfreuen. Zwar fuͤhren uns im Spaͤtjahre noch die Tiroler Trauben zu; allein diese Trauben muͤssen vor ihrer vollen Reife gepfluͤkt werden, und was ist eine unreife, oder auf dem Strohe gereifte Traube fuͤr den Genuß anderes, als eine Missionspredigt uͤber die große Weintraube in Kanaan! Und fuͤr diese unschmakhaften Trauben geht jaͤhrlich eine nicht unbedeutende Menge Geldes in das Ausland. Wir werden hier nicht die jedem Freunde und Kenner der Gartenkunst ohnehin bekannte Weise Trauben in sogenannten Traubenhaͤusern so zu ziehen, daß eine Rebe nahe an einen Eimer Wein traͤgt, beschreiben, und beschraͤnken uns, diejenigen, die diese Methode noch nicht kennen, auf des alten Ph. Miller unsterbliches Gaͤrtner-Lexikon zu verweisen, in welchem sie dieselbe mit eben so viel Wahrheit als Kenntniß beschrieben finden werden. Nur das neue verbesserte Verfahren des Herrn Dan. Judd, Reben in Treibhaͤusern zu pflanzen Account of an improvel Methode of planting Vines for forcing. By Mr. Dan. Judd in den Transactions of the London Horticultural Society, auch im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. N. CCXXXVI. Januar 1822. S. 104., wollen wir hier im gedraͤngten Auszuge unseren Lesern mittheilen, in der sicheren Ueberzeugung, daß jeder wohlhabende Gartenbesizer in der Naͤhe einer großen Stadt, wie Muͤnchen, Augsburg etc., wo es an schmakhaften Trauben durchaus fehlt, von einem gut eingerichteten Traubenhause nicht bloß Vergnuͤgen, sondern auch nicht unbedeutenden Nuzen erwarten koͤnnte. Die Erdemischung, deren Hr. Judd sich bediente, und die er zwei Winter vorher bereitete, ehe er sie anwandte, bestand aus fruchtbarem, etwas sandigen Lehme, in welchem der Sand die Porositaͤt der Mischung, welche den so noͤthigen Abzug des Wassers beguͤnstigt, vermehren hilft; aus Kalkschutt, der gut zerkleint und gesiebt wurde; aus alter Lohe; aus Lauberde; aus sehr reichem alten Duͤnger, der bereits in Mistbeeten diente. Diese im Winter herbeigeschafften Materialien blieben den Somwer uͤber auf abgesonderten Haufen liegen, und wurden waͤhrend desselben fleißig umgestuͤrzt; im Herbste wurden sie in folgendem Verhaͤltnisse gemischt: die Haͤlfte Lehmes, ein Viertel Duͤnger, ein Viertel Kalkschutt mit Lauberde und Lohe gemengt, und durch fleißiges oft wiederholtes Umstuͤrzen im Winter bei kaltem trokenen Wetter sorgfaͤltig gemengt, aber nicht gesiebt. Hr. Judd nahm nicht so viel Duͤnger, als man oͤfters zu nehmen pflegt, weil er bemerkte, daß zuviel Duͤnger dem Wachsthume der Rebe schadet, indem es dasselbe verspaͤtet. Die ungewoͤhnliche Lohe empfiehlt er aus dem Grunde, weil er die Reben darin freudiger, als in irgend einer anderen Substanz wurzeln sah. Im Maͤrz darauf ließ er vor dem Traubenhause ein Bet fuͤr die Reben etwas mehr als drei Fuß tief ausgraben und mit obiger Erdemischung bei schoͤner Witterung bis zur Hoͤhe des Bodens des Traubenhauses fuͤllen: der Erde ließ er zwei Monate Zeit sich zu sezen, ehe er die jungen Reben in dieselbe pflanzte. Diese hatte er im Maͤrz des vorhergegangenen Jahres aus einzelnen Augen gezogen, im Sommer, wie gewoͤhnlich, behandelt, und im Winter vor Frost geschuͤzt, dann im Maͤrz bis auf ein Auge niedergeschnitten und in das Ananasbeet gethan, um junge Triebe zu erhalten, die lang genug waͤren um zur Pflanzzeit in das Haus gezogen werden zu koͤnnen. Nachdem sie zwei Fuß lange Triebe gebildet hatten, stellte er sie in ein Glashaus, wo sie ungefaͤhr 60° F. (ungefaͤhr + 16° R.) fanden, und ließ sie daselbst so lang, bis sie zu 3–4 Fuß heran wuchsen und abgehaͤrtet genug waren, um ins Freye verpflanzt werden zu koͤnnen. Fruͤhe im Maien, nachdem obiges Beet vor dem Traubenhause bis zur Hoͤhe der Loͤcher, durch welche die Reben aus dem Garten in das Traubenhaus hineingezogen werden, so daß kein Theil des Stammes derselben der aͤußeren Luft ausgesezt bleibt, erhoͤhet wurde, oͤffnete Hr. Judd diese Loͤcher, und ließ sie eine Woche lang offen, um alle allenfalls schaͤdliche Eigenschaften der Erdemischung zu entfernen, in welche die Reben ihre Wurzeln schlagen sollten. Obschon Hr. Judd mit seiner Pflanzung bis zum 13. Mai fertig war, glaubt er doch, daß jede schoͤne Witterung vom 10. Mai bis 10. Juni dazu benuͤzt werden kann. In jedes der obigen Loͤcher leerte er eine gewoͤhnliche Radtruhe voll Lohe aus dem Ananas-Hause, und mitten in dieser alten Lohe mußten die jungen Reben wurzeln, nachdem er sie auf folgende Weise behandelt hatte. Er schnitt zuerst die Blaͤtter an dem unteren Theile der Pflanze weg in einer Laͤnge von ungefaͤhr 2 1/2 Fuß, und ließ ungefaͤhr ein Zoll von jedem Blattstiche uͤbrig. Nun zog er die Rebe sorgfaͤltig durch das Loch unter dem Boden des Hauses, und huͤthete sich irgend einen zarten Theil des Schoͤßlinges zu verlezen. Jezt nahm er den Topf weg, und sezte den Ballen oder die Wurzeln in einer Entfernung von 2 Fuß von der Fronte des Hauses auf seiner Seite in die Erde, so daß der Stamm horizontal und ungefaͤhr einen halben Fuß unter der Oberflaͤche des Beetes zu liegen kam. In dieser Lage wurde der ganze Stamm, ehe er mit Erde bedekt wurde, bei jedem Auge, wie Nelkenableger, eingeschlizt, indem ein scharfes Messer drei Viertel Zoll unter jedem Auge an der Seite desselben bis zu einem Drittel der Dike des Holzes und aufwaͤrts gegen den Mittelpunkt des Gelenkes eingesenkt wurde. Hierauf ließ er dann die so beschnittenen Reben 4 Zoll hoch mit alter Lohe bedeken, und die noch uͤbrigen zwei Zolle mit der Erde des Beetes auffuͤllen. Es ist wesentlich, daß dieses Einschlizen erst am Ende des Pflanzens und nach dem Niederlegen der Rebe geschieht; denn sonst koͤnnte der Stamm nur zu leicht gebrochen werden. Die Wirkung dieses Einschlizens des Stammes ist reichliche Wurzelbildung aus jedem Auge; das Wachsthum geht zwar, bis die Wurzeln nicht gebildet sind, nicht sehr schnell von statten; sind aber diese einmal getrieben, dann wachsen diese Reben auch auf eine ganz unglaubliche Weise. Im ersten Monate nach dem Verpflanzen gab Hr. Judd ein wenig, aber nur sehr sparsam, Feuer in dem Hause, das bestaͤndig geluͤftet blieb, bis die Reben außen in dem Beete gehoͤrig eingewurzelt hatten; dann gab er aber nur mehr bei Tage Luft im Hause, und schloß dasselbe bei der Nacht. Bei dieser Behandlung erhielt er in anderthalb Jahren Triebe von 25–30 Fuß Laͤnge und verhaͤltnißmaͤßiger Staͤrke. Er laͤßt auf dem Beete, wo die Reben gepflanzt sind, nichts anderes bauen, damit der Boden nicht erschoͤpft wird, und dekt dasselbe im Winter mit alter Lohe ungefaͤhr einen Zoll hoch, um die Wurzeln vor Frost zu schuͤzen, und findet diese Deke besser als jede andere. Bei uns duͤrfte sie jedoch einen Fuß hoch noͤthig seyn. Referent glaubt, daß man, unter aͤhnlicher Behandlung, aus den gewoͤhnlichen sogenannten Fechsern dasselbe Resultat und vielleicht noch schneller Fruͤchte erhalten wuͤrde.