Titel: Ueber die Ziegenkäse von Mont d'or. Von Herrn Grognier, Professor der Thierarzneikunde zu Lyon.
Fundstelle: Band 8, Jahrgang 1822, Nr. XII., S. 104
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XII. Ueber die Ziegenkäse von Mont d'or. Von Herrn Grognier, Professor der Thierarzneikunde zu Lyon. Aus den Anales d'Agriculture française, im Repertory of Arts, Manufactures et Agriculture. Nr. 240. Mai 1822. S. 381. Grognier über die Ziegenkäse von Mont d'or. Die Kaͤse von Mont d'orDem wakeren Hrn. Redacteur des Repertory of Arts scheint ein Aufsaz des Hrn. Grognier in dem trefflichen Compte rendu des travaux de la Société d'Agricult. d'hist. nat., et arts utiles de Lyon depuis Tevier 1819. Maͤrz 1820, Lyon 1820. S. 25. (einer Sammlung schaͤzbarer kleiner Abhandlungen uͤber oͤkonomische und technische Gegenstaͤnde, die wir unseren Lesern nicht genug empfehlen koͤnnen) uͤber Wartung und Pflege der Ziegen am Mont d'or unbekannt geblieben zu seyn, sonst wuͤrde er denselben sicher mit gebuͤhrendem Lobe angefuͤhrt haben. Der Uebersezer glaubt dieses Citat um so mehr hier nachholen zu muͤssen, als in seinem Vaterlande, Baiern, die Ziegenzucht eben so wenig gekannt und verstanden ist, als Schafzucht, und ungeachtet der herrlichen Alpenweiden Baierns vom Koͤnigs-See bis an den Boden-See, die die Schweizer-Alpen an Guͤte weit uͤbertreffen, kein Land erbaͤrmlichern und theurern Kaͤs aufzuweisen hat, als Baiern, und kein Land fuͤr Kaͤse mehr Geld in's Ausland schikt, als Baiern. Die Ziegen am Mont d'or, die 20–36 Franken kosten, kommen nie aus dem Stalle, außer um belegt zu werden; sie werden im Sommer mit allem, was gruͤn ist, sogar mit Disteln und Heidekraut bei armen Leuten, im Winter großen Theils mit Weinblaͤttern, die eingesalzen, und wie das Sauerkraut bei uns, in eine Art von Gaͤhrung gebracht werden. Dieses Futter muß vom November bis April waͤhren! Man rechnet auf jede Ziege taͤglich 24–25 Pfund gruͤnes Futter. In zwoͤlf Gemeinden des Mont d'or werden ungefaͤhr 12,000 Ziegen gehalten. Wenn man nun waͤhrend 9 Monaten auf jede Ziege taͤglich zwei Kaͤse, im Werthe von 8 Sous rechnet, so gibt dich fuͤr diese 12 Gemeinden mehr als eine Million Kaͤse des Jahres, und 4 Millionen Sous reinen Gewinn, ohne den herrlichen Duͤnger! Wie viel koͤnnten unsere Kleinhaͤusler, wenn sie das Beispiel der aͤrmeren Leute am Mont d'or befolgen wollten, nicht durch Ziegenkaͤse gewinnen. Die Ziegenkaͤse von Mont d'or sind durch ganz Frankreich beruͤhmt, und werden sogar als Lekerbissen nach Westindien verfuͤhrt; vor einem baierischen Ziegenkaͤse haͤlt sich gewoͤhnlich jeder die Nase zu, der noch eine hat. „Es handelt sich nicht,“ sagt Grognier, „um eine eigene Raçe von Ziegen, wenn man Kaͤse von Mont d'or haben will; es handelt sich um den Fleiß, um die Reinlichkeit der Bewohner der Gegenden von Mont d'or. Mancher kauft sich Ziegen aus den Gemeinden am Mont d'or, und hoffte nun auf solche goldene Kaͤse; er erhielt aber Quark, statt Kaͤse von Mont d'or, weil seine Ziegenwirthschaft eine Sauwirthschaft gewesen ist.“ A. d. V. verdanken ihre Guͤte und ihren Ruf sowohl der Wartung und Pflege der Ziegen und dem Futter derselben, als der Weise, nach welcher die Milch behandelt wird, sie werden auf folgende Art bereitet: Der Milchkeller wird so rein, als es nur immer moͤglich ist, gehalten, und befindet sich stets an einem kuͤhlen Orte, wohin die Sonne nie durchzudringen vermag. Die Ziegen werden im Sommer dreimal des Tages gemolken, sehr fruͤhe am Morgen, Mittags, und am spaͤten Abende. Gute Milch-Ziegen geben bei jedem Melken eine Maß (un pot) Milch, und diese gibt einen Kaͤse, der an Ort und Stelle, wo er erzeugt wird, vier Sous, zu Lyon aber, wo er hingebracht wird, 5–6 Sous gilt. Ziegen, die man nicht bespringen laͤßt, um auch im Winter Kaͤse von ihnen zu erhalten, geben taͤglich nur zwei Kaͤse, die aber eben so gut sind. Bei kalter Witterung laͤßt man die Milch noch im warmen Zustande, so wie sie von dem Thiere kommt, gerinnen; im Sommer laͤßt man sie nach dem Melken eine bis zwei Stunden lang abkuͤhlen, je nachdem die Luft mehr oder minder warm ist. Die Kaͤsemacherinnen sehen das Treffen des rechten Zeitpunktes, wo sie das Lab zusezen muͤssen um die Milch gerinnen zu machen, als einen Gegenstand von der hoͤchsten Wichtigkeit bei Bereitung dieser Kaͤse an. Man bedient sich verschiedener Arten, um das Lab zu bereiten, und nimmt hiezu bald Molken, bald weißen Wein, bald Essig. Mit Molken wird es auf folgende Weise bereitet: man nimmt 3 Maß (pot1 Litre = 0,7068 Wiener – also ungefaͤhr eine baierische Maß. A. d. Ueb.) sehr klare Molken, wirft ein Pfund Salz und 6 Maͤgen von Kizen in dieselben, siedet diese Mischung eine halbe Stunde lang, laͤßt sie dann abkuͤhlen, gießt sie in ein Gefaͤß, wo sie genau verschlossen wird, und bringt sie an einen kuͤhlen Ort. Ein Eßloͤffel voll von dieser Fluͤssigkeit reicht hin, um 15 Maß Milch gerinnen zu machen; bei kalter Witterung wird jedoch etwas mehr davon genommen. Man muß wohl bemerken, daß etwas zu viel Milch der Guͤte des Kaͤses gar sehr schaden. Wenn man Wein statt Molken nimmt, so verfaͤhrt man auf folgende Weise. Man nimmt auf 5 Maß weißen Wein 5 Kizen-Magen, einen starken Eßloͤffel voll Salz, ein Loth Pfeffer, und eine Prise aromatische Blaͤtter; laͤßt dieß 8 Tage lang weichen, seiht dann die Fluͤssigkeit durch, und bewahrt sie zum Gebrauche auf. Ein Eßloͤffelvoll reicht auf vier Maß Milch hin. Auf einigen Kaͤsereien ist es Sitte, zu dem Lab auch Zimmt, Gewuͤrznelken, Petersilie zu nehmen. Man glaubt, daß es im Sommer besser ist, Molken- und selbst Essig-Lab zu nehmen; im Winter hingegen Wein-Lab. Die auf diese Weise zum Gerinnen gebrachte Milch gerinnt im Sommer in einer Viertel-, im Winter in einer Halben Stunde. Sie wird sodann in Gefaͤße aus Stroh oder aus gebrannter Erde gethan, welche unten wie Schaum-Loͤffel durchloͤchert sind, und so gestellt, daß die Molken leicht ablaufen koͤnnen. Diese Molken werden mit der hoͤchsten Sorgfalt gesammelt, und die Gefaͤße, in welchen sie aufbewahrt werden, sehr fleißig gewaschen, damit ja nicht der geringste saͤuerliche Geruch zuruͤk bleibt, und die Guͤte des Kaͤses dadurch leidet. Im Sommer werden die kleinen Kaͤse nach einer halben Stunde, im Winter nach zwei Stunden gesalzen. Sie werden 5–6 mal des Tages, im Winter oͤfter als im Sommer, umgekehrt. Im Sommer werden sie in 24 Stunden, im Winter erst im 3–4 Tagen fest. Wenn sie fest geworden sind, kommen sie in offene Koͤrbe, welche mittelst Rollen an der Deke aufgehaͤngt, und immer an einem kuͤhlen Orte gehalten werden. Sie werden zuweilen mit weissem Weine befeuchtet, um sie, wie man sagt, reif zu machen, und man streut Petersilie uͤber sie, und bringt sie zwischen zwei Platten. Diese Kaͤse werden in kleinen Schachteln durch ganz Frankreich verfuͤhrt, und dieser scheinbar unbedeutende Zweig von Industrie traͤgt nicht wenig zu dem Wohlstaͤnde der Gemeinden des Mont d'or bei.