Titel: Ueber die Dehnbarkeit des Glases und verschiedene mit derselben verbundene Umstände. Von Joh. Deuchar etc. in Edinburgh.
Fundstelle: Band 10, Jahrgang 1823, Nr. X., S. 55
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X. Ueber die Dehnbarkeit des Glases und verschiedene mit derselben verbundene Umstände. Von Joh. Deuchar etc. in Edinburgh. Aus einem Schreiben desselben an den Herausgeber der Annals of Philos. November 1822. S. 358. Mit Abbildungen auf Tab. I. Deuchar uͤber die Dehnbarkeit des Glases. Die große Dehnbarkeit des Glases scheint schon in den fruͤhesten Zeiten von feineren Beobachtern bemerkt worden zu seyn; allein sie uͤbersahen mehrere wichtige Umstaͤnde, die bei derselben Statt haben. Sie bemerkten bei Verfertigung eines Thermometers und anderer Instrumente, daß eine hohle Glaskugel in die feinsten hohlen Roͤhren sich ausdehnen laͤßt, suchten aber nicht zu bestimmen, wie weit eine solche Roͤhre sich ziehen laͤßt, ohne aufzuhoͤren, hohl zu seyn, und wie die Durchmesser derselben sich aͤndern. Alles, was sie hieruͤber wußten, scheint sich darauf zu beschraͤnken, daß man eine geschmolzene Glasroͤhre bis zur Feinheit eines Haares ziehen kann, und daß sie dennoch noch hohl bleibt. Ueber dichtes, d.i. nicht hohles, Glas hat man in fruͤheren Zeiten gar keinen Versuch angestellt; erst vor 40–50 Jahren versuchte man mit den Fingern Glas zu spinnen, und der seel. Hr. Knee war der Einzige, der diesen Versuch zu Edinburgh etwas im Großen trieb. Vor ungefaͤhr 20 Jahren machte man den Versuch, Glas auf dem Rade mit groͤßerer Schnelligkeit als Garn zu spinnen: Hr. Gheri that dieß in Schottland im Jahr 1808, Hr. Finn im J. 1811, Hr. Davidson im J. 1812, und ich verdanke der Huͤlfe derselben einige in folgenden Versuchen angefuͤhrte Muster. Der Unterschied, der zwischen Glasfaden, die aus einem Fensterglase mit scharfen Kanten und aus einem kreisfoͤrmigen Stuͤke Krystallglas, das vollkommen durchsichtig war, gezogen wurden. Statt hatte, und wovon der erste sehr glaͤnzend, und der andere matt war, bestimmten mich zu diesen Versuchen. Obschon bereits 13 Jahre verflossen sind, seit ich dieselben begann, und ich 8 Jahre lang dieselben in meinen Vorlesungen jaͤhrlich wiederholte, kam mir doch nichts hieruͤber zu Gesichte, das diesen Gegenstand naͤher beleuchtet haͤtteDieser Umstand bewog Hrn. Deuchar, den gegenwaͤrtigen Aufsaz in der Wernerian Society vorzulesen.. 1ter Versuch. Einige hohle Glasfaden wurden in destillirtes Wasser gestellt, und dann unter den Recipienten einer Luftpumpe gebracht. Nachdem die Luft ausgepumpt war, stiegen aus den Enden der Glasfaden Lufblaͤschen auf, die so lang anhielten, als man die Luft auszog. 2ter Versuch. 20 Grane Glasfaden, aus einer Roͤhre, wie Fig. 14, gezogen, wurden an dem Boden eines Glases unter der Luftpumpe unter Queksilber gehalten, und die Luft ausgepumpt. Das Glas wurde nach dem Versuche gewogen, und man fand es mehr als noch einmal so schwer, wie vorher, weil das Queksilber in den Raum eindrang, aus welchem die Luft entwich. Hohle Glasfaden sind gebrechlicher, als dichte. 3ter Versuch. Eine Thermometer-Roͤhre von sehr duͤnnem Kaliber wurde in sehr feine Faden gezogen. Das Rad, um welches die Faden gesponnen wurden, hatte 3 Fuß im Umfange, und da dieses Rad in einer Minute 500 Umdrehungen machte, so wurden 30,000 Yards (90,000 Fuß engl.) Glas waͤhrend einer Stunde auf demselben aufgewunden, und da der Zustand von Schmelzung und die Menge des auf einmal geschmolzenen Glases unwandelbar ist, das Spinnen mag schnell oder langsam geschehen, so folgt, daß in diesem Fasse der Faden sehr fein gewesen seyn muß, und seine Hoͤhlung beinahe unendlich klein. Einige Stuͤke dieses Fadens wurden 1 1/2 Zoll lang geschnitten, und oben an einem Recipienten einer Luftpumpe so angebracht, daß das eine Ende derselben in dem Recipienten, das andere außerhalb sich befand, und einige dieser Stuͤke hatten ihre unteren Enden von den uͤbrigen weggebogen. Nun wurde Queksilber auf die oberen Enden dieser Glasfaden gegossen, und die Luft hierauf aus dem Recipienten ausgezogen, worauf alsogleich das Queksilber durch die Glasfaden in den Recipienten floß. Ich versuchte nun die Dehnbarkeit des Gases in Hinsicht auf die verschiedene Gestalt der Glasstaͤbe, und erhielt hier sonderbare Resultate. 1. Das Muster A wurde aus einem kleinen Stuͤke einer Fensterscheibe gezogen, das mit Demant ausgeschnitten war, und folglich sehr scharfe Kanten hatte, wie Fig. 9 und 12 zeigen. Dieser Faden zeigte, unter einem starken Vergroͤßerungsglase, ein laͤngliches Parallelogram mit 4 sehr ausgezeichneten rechten Winkeln. Vergl. Fig. 9. Wahrscheinlich ist diese besondere Gestalt die Ursache des groͤßeren Glanzes an Glasfaden, welche aus Fensterglas gezogen sind: runde Krystallglas-Staͤbchen geben immer matte Faden, und der Glanz derselben nimmt in dem Maße zu, als das Staͤbchen mehr ekig wird. Fig. 15 ist ein vierkantiges Glasstuͤk, und die Faden sind gleichfalls vierkantig. 2. B ward aus einem gewundenen vierekigen Glasstuͤke, Fig. 17, gezogen. Unter dem Vergroͤßerungsglase zeigte der Faden sich gleichfalls vierekig, verlor aber das Gewundene des Stuͤkes, aus dem er genommen wurde. 3. C ward aus einem Krystallglase mit 4 Furchen gezogen: (Vergl. Fig. 10 und 11). Dieses gefurchte Ansehen ist auch an dem gesponnenen Glasfaden sehr deutlich noch unter dem Mikroskope. Siehe Fig. 10. 4. Das Muster D ward aus einem gewundenen gefurchten Stuͤke Glases gezogen (siehe Fig. 13). Die Faden behielten dieselbe Form, man hatte aber ein starkes Vergroͤßerungsglas noͤthig, um die Furchen zu bemerken, die gerade waren. Aus diesen und mehr dann 50 anderen Versuchen erhellt, daß das Glas die Eigenschaft hat, seine urspruͤngliche Form, auch wenn es geschmolzen und noch so fein gezogen wird, zu behalten, und es scheine dasjenige, was man an den aͤußeren Theilen desselben wahrnimmt, auch von den innern zu gelten. Man hat ferner in einem und demselben Glasstaͤbchen mehrere Farben mit einander vereint, und dasselbe dann zu Faden gezogen. Fig. 16. Man fand, daß die Faden die Farben des Staͤbchens unveraͤndert behielten, und auch nicht die mindeste Unterbrechung oder Vermengung in denselben zeigten. Man hat oͤfters 2, 3, ja sogar 10 Farben in einem und demselben Staͤbchen angebracht: eine Erscheinung, die fuͤr die Atomistiker hoͤchst wichtig seyn muß, indem die Atome des Glases eine Tendenz zur Beibehaltung ihrer urspruͤnglichen Form zeigen, wenn auch ihre Groͤße noch so sehr vermindert wird: die vierekigen, ovalen, kreisfoͤrmigen, gefurchten und hohlen Roͤhren behalten ihre urspruͤnglicheurspruͤgliche Gestalt, auch wenn sie in Faden, die duͤnner als Seide sind, gezogen werden. Ist es die Figur der Atome oder die Gewalt der Anziehungskraft, die dieses Phaͤnomen veranlaßt? Die Farbe schien bei dem lezten Versuche jedoch etwas matter, zumal die gelbe, die bei einigen Versuchen gaͤnzlich verschwand. Die schwarze Farbe ward braun, und die purpurrothe und gruͤne wurden etwas veraͤndert: die blaue gar nicht. Weißes, mit Arsenik gefaͤrbtes, Glas ward sehr bruͤchig. Die meisten gesponnenen Glasfaden waren auffallend weich, wie Seide, und konnten wie Garnfaden aufgerollt, und zu allerlei Zierrathen geplaͤttet werden. Sie fuͤhlen sich wie Kopfhaare an, und die aus schwarzem Glase gesponnenen Faden wurden oft fuͤr braunes Haar gehalten. Sie gleichen dem Haare auch darin, daß sie sich mit heißem Eisen zu Loken kraͤuseln lassen, und diese Kraͤuselung behaltenDer Uebersezer will nicht hoffen, daß man diese Glasfaden als Zierrath tragen wird. Man hat bereits zu traurige Erfahrungen uͤber die gefaͤhrlichen Folgen derselben..

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Tafel Tab. I
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