Titel: Ueber die Säure, die man bei der Destillation des Terpenthines im freien Feuer erhält. Praktische Beobachtung von Giuseppe Pessina, Apotheker in Mailand.
Fundstelle: Band 11, Jahrgang 1823, Nr. LXXV., S. 463
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LXXV. Ueber die Säure, die man bei der Destillation des Terpenthines im freien Feuer erhält. Praktische Beobachtung von Giuseppe Pessina, Apotheker in Mailand. Aus dem Giornale di Fisica, Chimica etc. T. VI. Dec. II. Secondo Bimestre. Marze e Aprile. 1823. Seite 145. Giuseppe Pessina's Beobachtungen über Erlangung der Säure bei der Destillation des Terpenthines. Schon mehrere Pharmacenten warfen das Phlegma, das bei der Destillation des Terpenthines im freien Feuer erhalten wird, nicht weg, sondern verwendeten es zu dem sogenannten empyreumatischen Oele. Einige ausgezeichnete Chemiker glaubten in demselben eine eigene Saͤure zu finden; andere wollten eine, der Bernsteinsaͤure gleiche, Saͤure darin entdeken. Hr. Prof. Giuseppe Moretti zeigte, im J. 1807, in einer eigenen Abhandlung, daß dieses Phlegma keine andere Saͤure, als Essig-Saͤure enthaͤlt. Um die Identitaͤt dieses Terpenthin-Phlegma's mit der Essigsaͤure noch mehr zu beweisen, habe ich verschiedene Versuche angestellt Der Hr. Verfasser hat den Hrn. Herausgebern mehrere Praͤparate der essigsauren Neutral- und Mittelsalze uͤbersendet, die er auf diese Weise erhielt, und diese Herren bezeugen die Schoͤnheit und Guͤte derselben. A. d. Ueb. . Nachdem ich mir durch wiederholte Destillationen von Terpenthin eine bedeutende Menge dieses sauren Phlegma's verschafft hatte, behandelte ich dasselbe auf folgende Weise. Ich filtrirte die saure Materie, um sie von dem empyreumatischen Oele zu befreien, welches noch auf demselben schwamm, durch Filtrirpapier, welches ich vorher mit Wasser befeuchtet hatte. Hierauf brachte ich sie in einer Retorte ins Sandbad, und destillirte beinahe bis zur Trokenheit; das Product der Destillation war zwar weiß, aber doch ein wenig truͤbe; ich sezte demselben daher etwas gepuͤlverte vegetabilische Kohle Aus hartem Holze und islaͤndischer Flechte, die zu diesem Zweke am beßten dient. A. d. O. und filtrirte es, worauf es so klar wurde, wie Wasser. Das specifische Gewicht dieses Destillates war, bei der gewoͤhnlichen Temperatur, 1065 nach dem allgemeinen Araͤometer. Es hatte einen starken Geruch nach Essigsaͤure, vermischt mit jenem des brennzeligen Terpenthinoͤles. Mit essigsaurem Baryte und essigsaurem Bleie gab es keine Truͤbung. Diese Saͤure saͤttigte ich mit basischer kohlensaurer Pottasche, dampfte sie in einem irdenen Gefaͤße bis zur Trokenheit ab, und sezte sie einen Augenblik der Wirkung des Feuers aus, um das Empyreumatische zu verfluͤchtigen. Das Salz, welches ich erhielt, loͤste ich in kaltem Wasser auf, versezte es mit gepuͤlverter thierischer Kohle, und bekam, nachdem ich es filtrirt und abgedampft hatte, ein ganz weißes Salz ohne empyreumatischen Geruch, welches alle Eigenschaften der essigsauren Pottasche besaß. Ich habe es auch geschmolzen, und in ein geeignetes Gefaͤß gegossen, wodurch ich zulezt ein sehr schoͤnes Product von silberartig glaͤnzenden Schuppen bekam, das ganz gleich mit der Terra foliata Tartari, und in Alkohol vollkommen aufloͤslich war. Ich habe die obengenannte Saͤure auch mit basischer kohlensaurer Soda gesaͤttigt, und die Verbindung auf die angegebene Weise behandelt. Ich erhielt dadurch ein weisses Salz, welches gar keinen empyreumatischen Geruch hatte; war die Soda in diesem Salze im Ueberschusse, so kristallisirte es vollkommen, und verwitterte an der Luft. Ich behandelte geschmolzenes Blei-Protoxid auf die bekannte Art mit dieser Saͤure, und erhielt dadurch kristallisirtes, ganz weisses, essigsaures Blei (protacetas plumbi) ohne empyreumatischen Geruch. Bei der Zersezung der erhaltenen essigsauren Soda mit Schwefelsaͤure bekam ich eben so guten und ganz gleichen Radical-Essig, wie aus der kaͤuflichen essigsauren Soda. Wenn man eine concentrirte Aufloͤsung der genannten essigsauren Pottasche in eine Aufloͤsung von salpetersaurem Queksilberoxidul gießt, so erhaͤlt man ein sehr schoͤnes, in kleinen silberartig glaͤnzenden Schuppen krystallisirendes, Salz, welches essigsaures Queksilberoxidul ist. Zinkspaͤne loͤsen sich in dieser Essigsaͤure unter Entwikelung von Wasserstoffgas vollkommen auf, und die Aufloͤsung gibt beim Abdampfen ein Salz, welches in sechsseitigen Tafeln kristallisirt, und ein talkartiges Aussehen hat, und sich an der Luft nicht veraͤndert. Durch Saͤttigung dieser Essig-Saͤure mit kohlensaurem Baryte erhielt ich bei langsamem Abdampfen ein Salz in prismatischen Nadeln, ganz wie der gewoͤhnliche essigsaure Baryt. Man kann also schließen, daß das sogenannte Phlegma, welches man bei der Destillation des Terpenthines im freien Feuer erhaͤlt, in der Hauptsache nur aus Essigsaͤure besteht, indem die dadurch gebildeten Salze von jenen, die mit gewoͤhnlichem Essige bereitet wurden, gar nicht verschieden sind. Bei wiederholtem Destilliren des Terpenthines bemerkte ich einigemal einige weiße nadelfoͤrmige Kristalle im Halse der Retorte, die der verdiente Professor Mirabelli vor einigen Jahren fuͤr Bernsteinsaͤure hielt. Jezt stimmen die HHrn. Lecanu Sohn und Lerbat (Journal de Pharmacie. Nov. 1822. p. 541. und Giornale di Pavia. Bimestre I, 1823) mit den Ansichten des genannten Hrn. Professors uͤberein. Ich konnte wegen der geringen Quantitaͤt desselben, keine Beobachtungen uͤber dieses Salz anstellen; ich untersuchte nur diese Saͤure im Allgemeinen, in der ich aber (vielleicht aus den von den HHrn. Lecanu und Serbat angegebenen Gruͤnden) keine Spur von Bernsteinsaͤure gefunden habe, wie die essigsauren Salze, die ich daraus darstellte, und von denen ich noch Proben zur Einsicht besize, beweisen. Da der Terpenthin im Handel so verschieden ist, indem er aus verschiedenen Arten von Fichten, und in verschiedenen Klimaten gewonnen wird, und bald mehrere Sorten gemengt sind, bald nur eine allein ist, so kann es sehr wohl seyn, wie Hr. I. I. Virey bemerkt, (Journal de Pharmacie. Mars 1822 p. 112), daß eine solche Eigenschaft des Terpenthines, im Gegensaze zu anderen Sorten desselben, hervortritt, welche eine hinlaͤngliche Menge kristallinischer Materie darbiethet, um die Identitaͤt derselben mit dem Bernsteinsalze daran zu finden, und daß von der Gegenwart oder Abwesenheit einer solchen Eigenschaft des Terpenthines in der Masse, die man zu Versuchen anwendet, die Verschiedenheit der Erscheinungen abhaͤngt, die sich den verschiedenen Beobachtern darbiethen. Ich behalte es mir vor, so viel moͤglich, verschiedene Arten von Terpenthin zu sammeln, um sie besonders zu untersuchen, und das Resultat der einzelnen Producte bekannt zu machen.