Titel: Hrn. Francouer's Bericht im Namen des Ausschusses der mechanischen Künste über Hrn. Destigny's von Rouen Compensations-Methode bei Taschen-Uhren.
Fundstelle: Band 13, Jahrgang 1824, Nr. XXXVII., S. 187
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XXXVII. Hrn. Francouer's Bericht im Namen des Ausschusses der mechanischen Künste über Hrn. Destigny's von Rouen Compensations-Methode bei Taschen-Uhren. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement im Repertory of Arts and Manufactures, January 1824 S. 114Obschon die Erfindung des Hrn. Destigny bereits sehr alt ist, so glauben wir doch, da man sie in England noch nicht kennt und der Bekanntmachung werth haͤlt, auch, unseren deutschen Uhrmachern durch eine Uebersezung dieses Aufsazes einen Dienst zu erweisen. A. d. Ueb.. Mit Abbildungen auf Tab. V. Francouer über Destigny's Compensations-Methode bei Taschenuhren. Die genauesten Zeitmesser sind Uhren, welche von einem Gewichte in Gang gebracht und von einem Pendel regulirt werden. Wenn das Raͤderwerk gut gearbeitet und die Hemmung leicht ist, so ist die Reibung unbedeutend und regelmaͤßig; und wenn das Pendel nicht dem Einflusse der Temperatur unterliegt, so kann man auf gleichfoͤrmigen Gang rechnen. Taschen-Uhren sind weit entfernt diesen Erwartungen zu entsprechen. Die Feder, die hier als Triebkraft wirkt, soll in jedem Grade ihrer Spannung dieselbe Kraft entwikeln; und doch scheint diese Bedingung, die so hart zu erfuͤllen ist, noch beinahe unbedeutend, wenn man bedenkt, daß der Wechsel der Temperatur maͤchtig auf alle Theile derselben wirkt, und daß das bestaͤndige Zittern, welches denselben durch den Gang der Uhr mitgetheilt wird, die Regelmaͤßigkeit der Schwingungen unterbricht. Wie wichtig ist nicht Gleichfoͤrmigkeit der Bewegung an einer Taschen-Uhr? Wir muͤssen uns derselben uͤberall bedienen, wo wir keine Pendel-Uhr mit uns fuͤhren koͤnnen, und das Leben so vieler Schiffenden haͤngt lediglich von der Schiffs-Taschen-Uhr ab. Die geschiktesten Uhrmacher haben ihre Kunst an diesen kostbaren Maschinen versucht, und bei der Sorgfalt, die man darauf verwendet hat, bleibt beinahe nichts mehr zu wuͤnschen uͤbrig, als der Temperatur und den Stoͤßen, die die Taschen-Uhr bei dem Gehen zu erleiden haben, Meister zu werden. Um den ersteren dieser Nachtheile zu beseitigen, hat Hr. Destigny der Société d'Emulation zu Rouen einen Aufsaz uͤberreicht, den sie mit ihrem Beifalle beehrte. Um unsere Gesellschaft in den Stand zu sezen, auch noch den ihrigen beizufuͤgen, muß ich die bisher gewoͤhnliche Compensations-Methode hier erklaͤren, und dieselbe sodann mit jener des Hrn. Destigny vergleichen. Der Regulator der Bewegung der Taschen-Uhren ist eine Feder, die so duͤnn ist, wie ein Haar und schneken- oder spiralfoͤrmig gebogen ist, woher sie auch ihren Namen, Spiral-Feder, Schneken-Feder bekommen hat. Sie ist mit einem Ende an der Muschel, einem unbeweglichen Theile der Uhr, mit dem anderen an der Achse eines Zapfens befestigt, welcher mit zwei Fluͤgeln versehen ist, die abwechselnd durch den Gang der Raͤder dagegen gedruͤkt werden. Dieser Druk macht, daß der Zapfen sich dreht und die Schneken Feder mehr um die Achse aufwindet, und die Kraft vermehrt, welche dieselbe davon abzuwinden strebt. Wenn diese bis auf einen gewissen Punct gekommen ist, macht die Spannung, daß der Zapfen sich ruͤkwaͤrts dreht, waͤhrend die Spiralfeder sich abwindet. Nach und nach wird die Kraft derselben schwacher, bis endlich der Druk des Zuges der Raͤder dieselbe sammt der erlangten Geschwindigkeit uͤberwindet, und der Zapfen wieder seine vorige Bewegung annimmt. Dieser Zapfen ist mit einem leichten Kreise beschwert, den man die Unruhe nennt, welcher die Traͤgheit desselben vermehrt. Bei jeder Schwingung geht ein Zahn des Hemmrades an einem der Fluͤgel voruͤber, und sind diese Schwingungen gleich lang (isochronisch), so hat die Taschen-Uhr eine gleichfoͤrmige Bewegung. Ueberdieß sind noch zwei Stuͤzen dazwischen angebracht, um welche die groͤßte Windung der Spiral-Feder in einem ihrer Puncte laͤuft, und woran sie abwechselnd anschlaͤgt. Diese Stuͤzen (die Gabel genannt, und von einem beweglichen Stuͤke das die Sperre heißt, getrieben) verkuͤrzen die Spiral-Feder um so viel als noͤthig ist, damit die Schwingung die gehoͤrige Dauer erhaͤlt. Kaͤlte zieht die Spiral-Feder und die Unruhe zusammen, und vermehrt die Staͤrke der Spannung. Sie beschleunigt die Schwingungen der Unruhe, und macht die Uhr zu schnell laufen, außer wenn das Oehl durch seine Erstarrung einen Theil dieser Bewegung aufbebt. Mann kann also annehmen, daß durch diese doppelte Wirkung vielleicht eine natuͤrliche Compensation entstehen kann, und daß, je nachdem die eine oder die andere vorherrscht, die Uhr zu fruͤhe oder zu spaͤt geht. Daher nun die verschiedene Wirkung der Temperatur auf den Gang der Taschen-Uhren, vorzuͤglich auf diejenigen, die, wie die meisten im Handel vorkommenden Taschen-Uhren, weniger fein gearbeitet sind. Wenn wir aber auch annehmen, daß die Uhr vollkommen gut gemacht ist, daß die Reibung beinahe unmerklich ist, und das Oehl keine Wirkung aͤußert, so ist es offenbar, daß Kaͤlte die Taschen-Uhr, so wie auch die Pendel-Uhr schneller und Hize dieselbe langsamer gehen machen muß. Um diesen Nachtheil zu beseitigen, hat man Compensationen ausgedacht. Man denke sich zwei Stangen, die eine aus Stahl, die andere aus Kupfer, die der ganzen Laͤnge nach zusammen geloͤthet sind. Es ist bekannt, daß Stahl in der Hize sich mehr ausdehnt, als Kupfer; folglich wird die aus Kupfer und Stahl zusammengesezte Stange in diesem Falle sich kruͤmmen. Man befestige demnach an der Kante des zahnlosen Rades, das man die Unruhe nennt, kleine, vorlaͤufig in einen Bogen gekruͤmmte, und aus diesen zwei Metallen zusammengesezte Stangen, und bringe an ihrem freien Ende zwei kleine goldene Kugeln an. Der Wechsel der Temperatur wird die Kruͤmmung der Staͤngelchen und folglich die Entfernung der Kuͤgelchen von dem Mittelpunkte der Bewegung der Unruhe veraͤndern; wenn daher diese Kuͤgelchen gehoͤrig angebracht sind, so entsteht eine Compensation, indem die Kaͤlte die Kraft der Spiralfeder vermehrt und die Schwingungen beschleunigt, zugleich aber auch die goldenen Kuͤgelchen weiter von dem Mittelpunkte entfernt, so daß sie auf denselben als laͤngere Hebel wirken, und dadurch die Schwingungen langsamer machen. Da diese Goldkuͤgelchen so eingerichtet sind, daß man sie an ihren Stangen anschrauben kann, so kann man ihre Entfernung von dem Mittelpunkte nach Belieben verlaͤngern und verkuͤrzen, und diese Kuͤgelchen durch wiederholte Versuche genau auf jenen Punct stellen, wo sie eine wahre Compensation erzeugen. Diese Compensation muß bei jeder Temperatur und bei jeder Lage der Uhr Statt haben: allein man erhaͤlt sie immer nur auf eine unvollkommene Weise. Hr. Bréguet brachte die Compensation, statt an der Unruhe an der Spiral-Feder selbst an. Diese Feder schlagt bei ihren Schwingungen zwischen den beiden Armen der Gabel. Wenn diese Graͤnzpuncte sich zugleich mit der Sperre bewegen, die sie fuͤhrt, so wird die Laͤnge der Spiral-Feder sich aͤndern, und dadurch auch eine Veraͤnderung in der Dauer der Schwingungen erzeugen. Es handelt sich nun darum, diese Veraͤnderungen nach dem Wechsel der Temperatur einzurichten. Man denke sich einen geraden Streifen, der aus zwei Stuͤken, einem Streifen aus Stahl und einem anderen aus Kupfer, der Laͤnge nach zusammen geloͤthet ist. Man biege diesen Streifen in Gestalt zweier paralleler Arme, die auch, um mehr Raum zu ersparen, in concentrische Bogen gekruͤmmt seyn koͤnnen. Eines der Ende desselben ist an den Platten befestigt, das andere ist frei, und liegt neben den Lagern der Sperre leicht auf der Spiralfeder auf. Die Hize wird nun, indem sie die Form des doppelten, aus zwei Metallen bestehenden Bogens aͤndert, auch den Beruͤhrungspunct mir der Spiralfeder aͤndern, ohne dieselbe zu beschranken; und dadurch wird eine Veraͤnderung in der Laͤnge der Spiralfeder entstehen, je nachdem die Temperatur verschieden ist, und, wenn das gehoͤrige Verhaͤltniß der Theile gegen einander getroffen ist, so wird eine Compensation entstehen. Man kann diese indessen nur durch Annaͤherung auf die oben angegebene Weise erhalten, welche der vorigen weit nachsteht, und Hr. Bréguet bedient sich derselben nur bei Uhren vom zweiten Range. Hr. Destigny, der wohl einsah, daß die Hauptschwierigkeit bei dieser Vorrichtung die Erlangung einer genauen Compensation ist, hatte die gluͤkliche Idee das freie Ende des doppelten Doppel-Metallbogens nicht an der Spiralfeder, sondern an einem Arme eines gebogenen Hebels anzubringen, der sich auf der Spiralfeder selbst befindet. Das befestigte Ende des Compensations-Stuͤkes ist nicht an der Platte der Uhr befestigt, sondern an einem beweglichen Stuͤke, dessen Lage in Hinsicht auf den gekruͤmmten Hebel wandelbar ist. Das Resultat dieser Vorrichtung ist die groͤßte Leichtigkeit die gehoͤrigen Versuche anzustellen. Man bringt die Uhr in die entgegengesezten Temperaturen, und wenn sie in der einen, z.B., fuͤr den Null-Punct, regulirt ist, in der entgegengesehen Temperatur aber zu spaͤt geht, so kann man schließen, daß die Spiralfeder bei diesem zweiten Falle zu kurz war, und durch eine leichte Veraͤnderung in der Stelle des Compensations-Stuͤkes und durch neue Versuche wird man bald die erwuͤnschte Wirkung erhalten. Diese Methode besizt ferner den Vortheil, daß durch dieselbe eine der groͤßten Nachtheile der Compensation vermieden wird. Wenn das Oehl sich verdikt, (was auf langen Reifen mehr oder minder der Fall seyn muß) laͤst sich. durch keines der bisher bekannten Mittel, die Compensation laͤnger mehr erhalten. Man muß die Lage und Verhaͤltnisse der Theile gegen einander veraͤndern. Versuche anstellen, mit einem Worte, so wie bei der ersten Verfertigung der Uhr verfahren: dieß kann aber nur durch einen sehr geschikten Uhrmacher geschehen. Das Compensations-Stuͤk des Hrn. Destigny laͤßt sich dagegen so leicht von seiner Stelle bringen, daß jeder nur etwas verstaͤndige Uhrmacher die Compensation wieder herstellen kann; denn die Einrichtung ist ganz derjenigen aͤhnlich, welche an allen Taschen-Uhren zur Regulirung der Zeit gewoͤhnlich angebracht ist. Es ist uͤberfluͤssig zu bemerken, daß diese Art von Compensation sich nur an Chronometern anbringen laͤßt, welche mit der groͤßten Sorgfalt gearbeitet sind, eine gehoͤrige Hemmung besizen, und deren Zapfen in Loͤchern laufen, die mit Demant ausgelegt sind. Unsere gemeinen Taschen, Uhren unterliegen so vielen Ursachen von Unregelmaͤßigkeiten, daß es vergebens waͤre den Einwirkungen der Temperatur abhelfen zu wollen, die hier ohnedieß nicht die bedeutendsten Abweichungen veranlassen. Beschreibung des Compensations-Systemes. A in Fig. 4. stellt die Muschel dar; CC, die Unruhe; BB, ist der untere, an der Muschel befestigte Kloben, dessen Mittelpunct der Bewegung mit jenem der Unruhe uͤbereinkommt. An diesem befindet sich in o das Stuͤk m, n, o, welches an dem Puncte n gebrochen ist, und mittelst eines Stiftes eine Art von Angel bildet. Das Ende m an diesem Hebel kann geoͤffnet oder geschlossen, und folglich der Schraube u u ist im Originale als a gezeichnet. A. d. Ueb. genaͤhert oder von derselben entfernt werden: leztere fuͤhrt einen excentrischen Stift, dessen Gebrauch wir erklaͤren wollen. Die kleine Feder P strebt das Ende m des Hebels von u weg zu druͤken. Hi ist ein Theil eines Kreises mit Eintheilungen, welcher einen Theil des Klobens BB bildet; ein anderer Kloben, eD, ist an dem ersteren befestigt, und hat, wie dieser, eine concentrische Bewegung mit der Unruhe. An diesem Kloben ist in q das Compensations-Stuͤk q, r, s befestigt, so daß das Ende s auf dem Hebel mm liegt. LL ist die bei K befestigte Spiralfeder, deren aͤußerste Windung zwischen dem Puncte n und dem Ende des Hebels mn durchlaͤuft. LL ist ein Kreisbogen mit Eintheilungen, uͤber welche das Ende des Klobens nach Belieben gefuͤhrt werden kann, um die Uhr schneller oder langsamer gehen zu machen. Wenn die respective Lage der beiden Kloben bestimmt ist, so dient der ausgeschnittene Theil des oberen um beide mittelst einer Schraube, die man an dem unteren Kloben sieht, an einander fest zu halten, tt sind zwei excentrische Schrauben, welche das Aufsteigen des Klobens hindern. Es ist zur gluͤklichen Ausfuͤhrung dieser Vorrichtung wesentlich nothwendig, daß der Theil des Hebels mn vollkommen concentrisch ist, so daß, wenn man abwechselnd das Ende s des Compensations-Stuͤkes auf allen Theilen des Hebels umher fuͤhrt, und den Kloben gegen i oder H bewegt, das Ende m dieses Hebels unbeweglich bleibt, vorausgesezt naͤmlich, daß diese Operation waͤhrend einer bestimmten Temperatur geschieht. Fig. 5. stellt dasselbe System von der unteren Seite dar. Beide Figuren sind in halber natuͤrlicher Groͤße gezeichnet. Wirkungen dieses Systemes. Vor Allem muß die Uhr mittelst eines Oefchens einer Temperatur ausgesezt werden, die wenigstens jener einer Hosentasche gleich kommt, und in dieser Temperatur muß man untersuchen, ob die Spiralfeder das gehoͤrige Spiel zwischen m und n hat: dieses Spiel muß so klein wie moͤglich seyn, ohne jedoch die Feder zu beschraͤnken. Dieses wird durch die Schraube u bewirkt, welche den excentrischen Stift fuͤhrt. Es ist uͤberfluͤssig zu bemerken, daß die lezte Windung der Spiralfeder in dem Raͤume, uͤber welchen der Kloben laͤuft, so gekruͤmmt seyn muß, daß sie genau denselben Bogen bildet, wie der kleine Zwischenraum mu, wenn der Kloben veraͤndert wird. Wir wollen nun sezen, daß die Uhr bei der Temperatur von 25° am hundertgraͤdigen Thermometer (= 46° F.So heißt es im Originale; 25° am hundertgraͤdigen Thermometer sind aber = 20 R. oder 77 F. Vergl. Neumann Phys. T. II. S. 697. (= 20° R.)) und in der Lage der Kloben, die Fig. 3. zeigt, regulirt worden sey, und daß die Temperatur ploͤzlich auf o (= 32° F.) falle, so wird die Uhr, in Folge der Wirkung der Kaͤlte auf die Spirale und auf die Unruhe, zu fruͤhe laufen. Da aber zugleich auch das Compensations-Stuͤk, q, r, s, geschlossen wird, so wird das Ende m des Hebels sich von dem Stifte u entfernen, und dadurch der Raum, in welchem die Feder spielt, erweitert, und folglich die Schwingung langsamer werden. Wenn nun die Groͤße der Veraͤnderung an den Schwingungen, die durch diese beiden entgegengesezten Wirkungen hervorgebracht wird, dieselbe ist, so hat man eine genaue Compensation hervor gebracht. Wenn aber, im entgegengesehen Falle, die Compensation zu groß oder zu klein ist, kann sie dadurch genau hergestellt werden, daß man die Wirkung des Compensations-Stuͤkes vergroͤßert oder vermindert, was dadurch geschehen kann, daß man die Lage desselben in Hinsicht auf den Hebel aͤndert, und das Ende des Klobens ed gegen H schiebt, wenn man die Compensation vergroͤssern, und gegen i, wenn man sie vermindern will, je nachdem der Gang der Uhr das Eine oder das Andere erfordert. Diese Veraͤnderung kann der Besizer der Uhr selbst vornehmen. Einige Monate nach dem Auspuzen der Uhr wird die Reibung sich vermehren, indem das Oehl sich verdikt; und die Compensation wird dadurch zu stark werden. Dieser Nachtheil laͤßt sich hier alsogleich beseitigen, wenn man das Compensations-Stuͤk dem Puncte m des Hebels um so viel naͤhert, als die Beobachtung an der Uhr erfordert.

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