Titel: Ueber Bereitung der Flußspathsäure und Anwendung derselben zum Aezen des Glases. Von Professor Silliman.
Fundstelle: Band 13, Jahrgang 1824, Nr. XLVIII., S. 241
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XLVIII. Ueber Bereitung der Flußspathsäure und Anwendung derselben zum Aezen des Glases. Von Professor Silliman. Aus dem American Journal of Science and Arts. Vol. VI in Gill's technical Repository. September 1823. S. 153. (Im Auszuge). Mit Abbildungen auf Tab. IV. Silliman, über Bereitung und Anwendung der Flußspathsäure. Der zur Bereitung der Flußspathsaͤure empfohlene Blei-Apparat ist so sehr dem Schmelzen unterworfen, und, außer dem daß Apparat und Materiale dabei zu Grunde geht, sind die aufsteigenden Daͤmpfe so schaͤdlich, und selbst so gefaͤhrlich daß wir uns zu dem Gebrauche von Gefaͤßen aus reinem Silber entschlossen. Wir ließen daher einen Destillir-KolbenDer Kolben ward dik und schwer verfertigt, und mit einer silbernen Kappe versehen, so daß er, ohne Helm, als großer Schmelztiegel gebraucht werden konnte. Der ganze Apparat, Kolben, Helm, Roͤhre; Kappe und Vorlage kosteten ungefaͤhr 60 Dollar. A. d. O. der 16 Unzen Fluͤssigkeit fassen konnte, mit einem Helme und mit einer Roͤhre von 2 1/2 Unze Inhalt verfertigen, und die Roͤhre so einrichten, daß sie genau in die Muͤndung einer silbernen Vorlage paßte, die 3 1/2 Unzen faßt. Lezterer gaben wir die Form einer Flasche (siehe Fig. 27.), und versahen sie mit einem silbernen luftdicht eingeriebenen Stoͤpsel, so daß sie zugleich als Vorlage und als Aufbewahrungs-Gefaͤß dienen konnte, wodurch man zugleich das Uebergießen in ein anderes Gefaͤß erspart. Nun wurden 2 Unzen sehr reinen Flußspathes in den Kolben gethan, und vier Unzen Schwefelsaͤure darauf gegossen: man darf keine uͤberschuͤssige Saͤure zugießen, denn sonst wuͤrde sie das Silber angreifen. Der ganze Apparat ward unter einen Zug gestellt, und die Vorlage in Eis gekuͤhlt. Unter den Kolben wurden einige lebendige Kohlen gelegt, damit die Saͤure sich entwikeln konnte, die dann in der Vorlage ohne Wasser verdichtet wurde. Man hoͤrte bald ein Sieden in dem Kolben, und zuweilen stieß eine dichte Dampfwolke von Flußspathsaͤure bei der Muͤndung der Vorlage heraus, welche man, zur Vermeidung aller Explosion, etwas loker um die Roͤhre anbrachte. Wir haben die Saͤure nicht gemessen, die wir erhielten, glauben aber, daß sie ungefaͤhr Eine Unze betrug. Diese Daͤmpfe, welche gelegentlich aus dem Apparate ausgestoßen wurden, fraßen augenbliklich und maͤchtig die Glaͤser an, die in der Naͤhe waren: die Beruͤhrung derselben mit den Lungen und mit der Haut ward auf das Sorgfaͤltigste vermieden: die Haͤnde wurden daher mit diken Handschuhen bedekt, und die Saͤure nie, außer unter einem Zuge, aus der Flasche gegossen. So oft die Flasche geoͤffnet wurde, zeigte sich eine dichte Wolke weißer Daͤmpfe, und wenn man einen Tropfen Saͤure in Wasser fallen ließ, erregte derselbe beinahe eine Bewegung und ein Zischen, wie roth gluͤhendes Eisen, mit großer Hize und Aufbrausen. Wenige Tropfen auf einer kleinen hohlen kupfernen Tasse entzuͤndeten augenbliklich Potassium, das mit hellem Lichte brannte und augenbliklich zerstreut wurde. Ein Tropfen Saͤure, den man in ein trokenes Weinglas fallen ließ, oder auf eine trokene Glastafel, zerfraß und loͤste die Oberflaͤche schnell und eben so kraͤftig auf, wie Schwefelsaͤure die Pottasche. Um Flußspathsaͤure zum Glasaͤzen zu erhalten, arbeiteten wir, wie vorher, mit dem Unterschiede, daß eine halbe Unze Wasser in der Vorlage vorgeschlagen wurde. Diese Saͤure war indessen noch zu stark hierzu, denn sie zerfraß und zerstoͤrte den Firniß, den man zum Schuze des Glases brauchtDer gewoͤhnliche Kupferstecher-Firniß wird, selbst von schwachen Saͤuren, sehr leicht zerstoͤrt; wir fanden aber, daß der von den HHrn. Gay-Lussac und Thenard empfohlene Firniß aus zusammengeschmolzenem Terpenthine und Wachs, bei gehoͤriger Staͤrke der Saͤure, hinlaͤnglichen Schuz gewaͤhrte. A. d. O.. Mit drei bis vier Theilen Wasser vermischt, wirkte er auf die gluͤklichste Weise. Glasplatten, die mit der Composition aus Bienenwachs und Terpenthin gehoͤrig zubereitet, und an den Kanten mit einem Rande von derselben Substanz versehen waren, waren in ein paar Minuten vollkommen geaͤzt. Das Fortschreiten des Anfressens an den von der Aeznadel entbloͤßten Stellen konnte deutlich gesehen werden. Dieselbe Menge Saͤure, die schon ein Mahl gebraucht wurde, konnte nach und nach von einer Platte auf die andere gegossen werden, um sie alle zu aͤzen, und selbst wenn diese Saͤure sehr verduͤnnt ist, muß man bei diesem kraͤftigen Mittel noch sehr auf seiner Huth seyn, damit die Anaͤzung nicht zu weit geht, und die stachen Theile des Glases angreift. Auf diese Weise ward das herrliche und reiche Gemaͤhlde, der Oto-Rath, (the Oto-Council) aus dem Atlas der Reisen des Major Long, sehr niedlich in zwei Minuten geaͤzt. Wir haben durch mehrere Jahre viele Versuche uͤber das Glasaͤzen mit schwefelsauren Daͤmpfen angestellt, und sie sind uns, mehr oder minder, vollkommen gelungen; wir koͤnnen aber mit Zuversicht die reine verduͤnnte Flußspathsaͤure empfehlen, indem sie sowohl in Hinsicht auf Staͤrke und Nettigkeit, als auf Leichtigkeit der Anwendung weit vorzuziehen ist. Obschon die starke Saͤure heftig und gefaͤhrlich wirkt, und die Haut weder im tropfenfoͤrmigen Zustande, noch in Gestalt von Daͤmpfen beruͤhren darf, so kann die verduͤnnte Saͤure doch mit Leichtigkeit und Sicherheit behandelt werden. Ein Zoͤgling, der unvorsichtig, selbst die leztere uͤber seine Hand goß, hatte sechs Wochen lang Ungelegenheit davon zu erfahren, und erst nach dieser Zeit heilte sein Geschwuͤr. Wir muͤssen noch bemerken, daß, so oft die Saͤure aus der Vorlage ausgegossen wurde, leztere mit eigenen Zangen fest gegriffen wurde, um alle Gefahr zu vermeiden, daß nichts davon auf die Hand kommt. –––––––––– (Es waͤre sehr zu wuͤnschen, daß die Bereitung der Flußspathsaͤure erleichtert und vereinfacht wuͤrde, nicht um Taͤndeleien, sondern um Maßstaͤbe auf physikalische Instrumente mit Sicherheit und Leichtigkeit aͤzen zu koͤnnen. Uebers.)

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