Titel: Ueber die Fabrication der Weinsteinsäure.
Fundstelle: Band 15, Jahrgang 1824, Nr. XXXII., S. 171
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XXXII. Ueber die Fabrication der Weinsteinsäure. Aus dem Dictionnaire technologique Bd. 1. S. 135. Ueber die Fabrication der Weinsteinsäure. Scheele entdekte die Weinsteinsaͤure im J. 1770, wenigstens war er der Erste, welcher die Mittel angab, dieselbe in ihre Bestandtheile aufzuloͤsen: indessen haben Duhamel, Margraff, und Rouelle d. juͤng. schon laͤngere Zeit vorher das Dasein der Weinsteinsaͤure in dem Weinstein außer Zweifel gesezt. Diese Saͤure kann nicht so, wie viele vegetabilische Saͤuren, durch Einwirkung der Salpeter-Saͤure aus Pflanzen-Stoffen unmittelbar erzeugt werden: sie ist in den Saͤften vieler Fruͤchte, vorzuͤglich in Trauben und Tamarinden enthalten, jedoch nicht hinlaͤnglich frei, um leicht aus denselben geschieden werden zu koͤnnen. Nur ein vegetabilisches Product allein enthaͤlt sie in groͤßerer Menge, und liefert uns die Mittel sie aus demselben zu scheiden. Dieß ist der Weinstein, der sich in den Wein-Faͤssern absezt. Die Weinsteinsaͤure ist hier mit Pottasche verbunden, und bildet ein uͤbersaures Salz, saure, weinsteinsaure Pottasche oder Pottasche-Bitartrat, weil dieses Salz eine doppelte Menge der zur Saͤttigung seiner Basis noͤthigen Saͤure besizt. Die von Scheele bekannt gemachte Methode, welche zugleich noch die einzige ist, nach der man diese Saͤure erhalten kann, ist ganz dieselbe, wie man sie unter dem Artikel Citronensaͤure beschrieben findet: Dieselben Mittel, dieselben Verhaͤltnisse, mit einem Worte, das Ganze eignet sich zur Gewinnung der Weinsteinsaͤure; es waͤre daher uͤberfluͤßig es zu wiederholen, und wir wollen daher bloß von den Abweichungen sprechen, die in diesen beiden Faͤllen statt finden. Der Weinstein ist wie wir bemerkten, ein uͤbersaures Salz: wir koͤnnen daher seine Saͤure, als unter zwei Formen vorkommend, betrachten; in der einen ist sie mit ihrer Basis vollkommen gesaͤttigt; in der anderen ist sie, wie man sagt, im freien Zustande. Wenn man dieses Salz zersezt, zeigen sich folgende Phaͤnomene, welche beweisen, daß man den einen dieser beiden Theile abscheiden kann, ohne den anderen zu beruͤhren: was ein sehr gluͤklicher Umstand ist, ohne welchen die Scheidung dieser Saͤure noch weit kostbarer werden wuͤrde. Wenn man dem Weinsteine jenen Theil der Weinsteinsaͤure, welcher sich im freien Zustande befindet, entziehen will, darf man kein reines Alkali zusezen; will man aber alle Weinsteinsaͤure demselben mittelst einer Basis entziehen, und diese mit dieser neuen Basis verbinden, so wird Pottasche in kaustischem Zustande, von dieser Verbindung befreit, zuruͤkbleiben. Sie kann eine hinlaͤnglich kraͤftige Gegenwirkung auf das unaufloͤsliche weinsteinsaure Salz besizen um dasselbe vor Niederschlagung zu bewahren, und dieß geschieht auch immer, wenn der Weinstein mit Kalk behandelt wird. Der dadurch gebildete weinsteinsaure Kalk wird durch die kaustische Pottasche aufgeloͤst erhalten; und, wenn alles abgeraucht wird, erhaͤlt man nichts als eine gallertartige halbdurchsichtige Masse, welche dem Ansehen nach einer in wenig siedendem Wasser aufgeloͤsten Seife gleicht. Wir muͤssen also hier mit Entfernung des freien Theiles der Saͤure durch Anwendung des Kalkes beginnen. Man hizt in dieser Hinsicht Wasser in einem gewoͤhnlichen Kessel; wirft dann eine kleine Portion Weinstein in dasselbe, siebt Kreide gleichfoͤrmig uͤber die ganze Oberflaͤche der Fluͤßigkeit durch ein Haarsieb; und ruͤhrt sie sodann mit einem Spatel ein. Auf diese Weise entsteht ein Aufbrausen, der weinsteinsaure Kalk faͤllt zu Boden, und in der Fluͤßigkeit bleibt neutrale weinsteinsaure Pottasche Auf diese Weise wird nach und nach Weinstein und Kreide eingetragen, bis die ganze zur Bearbeitung bestimmte Menge desselben angewendet ist. Hinsichtlich des wechselseitigen Verhaͤltnisses dieser beiden Salze, muß man sich nach der Entwikelung der Kohlensaͤure richten. Solang Aufbrausen entsteht, muß Kreide zugesezt werden, wovon ungefaͤhr 4 Thle. auf 10 Thle. verbraucht werdenBesser ist es das Verhaͤltniß der Kreide zum Weinstein vorher auszumitteln, dann den gestossenen Weinstein mit der zur Saͤttigung noͤthigen Menge Kreide gut zu vermischen und diese Mischung Loͤffelweis in kochendes Wasser zu schuͤtte, wo die Neutralisation sehr schnell von Statten geht. A. d. Ueb.; Der weinsteinsaure Kalk muß hierauf gewaschen, und durch eben soviel Schwefelsaͤure zersezt werden, als Kalk angewendet wurde. Vorzuͤglich muß man dafuͤr sorgen, daß die Schwefelsaͤure, so wie zum citronensauren Kalk, mit 3–4 Theilen Wasser verduͤnnt wird: uͤbrigens geschieht Alles genau so, wie wir es bereits angegeben haben. Die Aufloͤsungen der Weinsteinsaͤure cristallisiren nicht, bevor sie nicht 36–38 Grade am Araͤometer erreicht haben: sie werden dann so schleimig, daß die Theilchen sich kaum darin bewegen koͤnnen. Die Kristallisation dieser Saͤure geschieht am besten durch Verduͤnsten in einem Wasserbade, dessen Waͤrme gehoͤrig geregelt ist, weil dadurch die Fluͤßigkeit in einem mehr fluͤßigen Zustande erhalten wird. Die auf diese Weise erhaltene Saͤure ist nicht rein; sie enthaͤlt noch immer eine bedeutende Menge Schwefelsaͤure, und ist im Allgemeinen, zu sehr gefaͤrbt, um in diesem Zustande gebraucht werden zu koͤnnen: sie wird durch eine zweite, und, zuweilen, noch durch eine dritte Kristallisation gereinigt: die dadurch erhaltenen Kristalle sind aber weniger abgeschieden, und weniger regelmaͤßig, als bei den ersten Kristallisationen. Etwas tierische Kohle gibt den Kristallen, wo sie der Mutterlauge derselben zugesezt wird, eine glaͤnzende Weiße. Wenn man diese Saͤure vollkommen rein erhalten will, d.h., vollkommen von aller Schwefelsaͤure befreit, so muß dieselbe so lang widerholten Kristallisirungen unterzogen werden, bis der Niederschlag, den sie in Aufloͤsungen von Baryt- und -Bleisalzen bildet, in reiner Salpetersaͤure vollkommen aufloͤsbar ist. Man hat als kraͤftigeres Mittel zur Reinigung derselben verglaste Bleiglaͤtte vorgeschlagen, die man der Aufloͤsung von Weinsteinsaͤure zusezen, und in derselben solang fleißig umruͤhren soll, bis alle Schwefelsaͤure gaͤnzlich abgeschieden ist. Durch diese Aufloͤsung laͤßt man sodann einen Strom geschwefelten Wasserstoffgases durchziehen, um das in derselben aufgeloͤste Blei-Oxid zu entfernen; worauf sie erhizt, filtrirt, und abgedampft wird. Wir sahen dieses Verfahren nur selten vollkommen gelingen. Wir haben bemerkt, daß, bei Anwendung des Kalkes nur die freie Weinsteinsaure abgeschieden wird, und daß in der Fluͤßigkeit noch immer neutrale weinsteinsaure Pottasche zuruͤkbleibt: ein Theil dieses Salzes kann nun wieder zersezt werden, wenn man der concentrirten Aufloͤsung eine gehoͤrige Menge Schwefelsaͤure zusezt. Die Pottasche vertheilt sich selbst zwischen die beiden Saͤuren, so daß sie auf der einen Seite die aufloͤsbare schwefelsaure Pottasche bildet, und auf der anderen Seite ein saͤuerliches weinsteinsaures Salz, welches, nur etwas weniger aufloͤsbar sich in kleinen koͤrnigen Kristallen niederschlaͤgt. Dieses Salz wieder wahrer Weinstein, wird wieder wie vorher behandelt. Man wendet noch ein anderes Mittel an, um die Weinsteinsaͤure aus der weinsteinsauren Pottasche zu erhalten: man zersezt naͤmlich die leztere durch kochsalzsauren Kalk, wo man denselben leicht in groͤßerer Menge haben kann. Diese beiden Saͤuren vertauschen wechselseitig ihre Basen, d.h. es bildet sich weinsteinsaurer Kalk und kochsalzsaure Pottasche. Auch essigsaurer KalkUnd eßigsaures Blei. A. d. Ueb. kann zu demselben Zweke und mit gleichem Vortheile angewendet werden. Die Kristall-Form der Weinstein-Saͤure ist bisher noch nicht bestimmt worden: man erhaͤlt sie nie in regelmaͤßigen Kristallen sondern entweder in Massen oder in kristallinischen Krusten, aus welchen Spizen hervorragen, welche vierseitige Prismen zu seyn scheinenSie bildet auch sechsseitige mannigfaltig modificirte Prismen.A. d. Ueb.. Der Geschmak dieser Saͤure ist sehr stark, aber angenehm und ohne Herbe. Auf gluͤhenden Kohlen verbrannt verpufft sie bedeutend, und riecht wie gebrannter Zuker. In einem geschlossenen Gefaͤße erhizt sie sich, und liefert außer den von allen Pflanzenkoͤrpern unter gleichen Umstaͤnden erhaltenen Producten noch eine andere kristallisirbare Saͤure, die sogenannte brennzelige Weinsteinsaͤure. Das, was die Weinsteinsaͤure noch besonders charakterisirt, und woran man sie leicht erkennt, ist die Eigenschaft, welche sie besizt, augenbliklich einen kristallinischen Weinstein zu bilden, und als solcher nieder zu fallen, so bald man sie im Uebermaße in eine concentrirte Pottasches Aufloͤsung gießt. Man macht diesen Versuch zuweilen mit neutraler weinsteinsaurer Pottasche, statt mit Pottasche: doch dieß ist fehlerhaft indem die meisten Saͤuren Weinstein davon abscheiden, indem sie derselben einen Theil ihrer Basis entziehen. In der Medicin sowohl als in den Kuͤnsten werden viele Verbindungen der Weinsteinsaͤure mit Alkalien und Metall-Oxiden angewendet, vorzuͤglich die einfachen Verbindungen der Weinsteinsaͤure mit Pottasche, Soda, und Eisen, und die doppelten mit Pottasche und Soda zugleich, mit Pottasche und Eisen und mit Pottasche und Spießglanz. Die Natur der Weinsteinsaͤure ist bisher nur wenig gekannt. Es scheint, daß sie wie die Sauerklee-Saͤure vorkommt, und, wie diese, eine eigene Basis besizt. Die Analyse des weinsteinsauren Kalkes und weinsteinsauren Bleies gab folgende Resultate. Die HHrn. Thenard und Gay-Lussac fanden bei ihrer Untersuchung des weinsteinsauren Kalkes die Weinsteinsaͤure gebildet aus   6,629 Wasserstoff, 24,050 Kohlenstoff, 69,321 Sauerstoff. Hr. Berzelius fand bei seiner Analyse des weinsteinsauren Bleies, daß die Weinsteinsaͤure   3,951 Wasserstoff, 36,167 Kohlenstoff, 59,832 Sauerstoff enthaͤlt. Er vermuthet daß der weinsteinsaure Kalk, dessen die HHrn. Thenard und Gay-Lussac sich bedienten, 34, 54 in hundert Theilen Wasser enthielten, es ist aber wahrscheinlicher, daß dieser ungeheure Unterschied von einer anderen Eigenheit der Saͤure in diesen beiden Salzen herruͤhrte. Die Anwendung der reinen Weinsteinsaͤure ist hoͤchst mannigfaltig, indem man dieselbe, ihrer Wohlfeilheit wegen, statt der Citronen- und Sauerkleesaͤure, mit welchen sie großen Theiles uͤberein kommt, benuͤzt. Man braucht sie daher auch beim Calico-DrukeVorschriften zur Darstellung solcher Reservagen findet man in Dingler's Journal fuͤr die Druk-Faͤrbe- und Bleichkunde.A. d. Ueb. so gut wie zu Limonaden etc.Leider auch zum Brech-Laxir-Punche auf dem festen Lande.A. d. Ueb.. R.