Titel: | Bericht des Hrn. de Lasteyrie im Namen des Ausschusses der ökonomischen Künste über die feststehenden und tragbaren Nachtstühle der HHrn. Tiremarche und Morand, Klempner und Lampenmacher: ersterer rue St. Honoré. N. 357., lezterer rue Grenetat. N. 24, beide aus Paris. |
Fundstelle: | Band 15, Jahrgang 1824, Nr. CI. C. , S. 436 |
Download: | XML |
CI.
C.
Bericht des Hrn. de Lasteyrie im Namen des Ausschusses der
ökonomischen Künste über die feststehenden und tragbaren Nachtstühle der HHrn. Tiremarche und Morand, Klempner und
Lampenmacher: ersterer rue St. Honoré. N. 357.,
lezterer rue Grenetat. N. 24, beide aus
Paris.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. N. 240. S. 176.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Morand, Bericht über die feststehenden und tragbaren
Nachtstühle.
Die Gesundheit und Reinlichkeit der Senkgruben und
Nachtstuͤhle hat seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit mehrerer
Kuͤnstler auf sich gezogen, deren Bemuͤhungen mehr oder minder
gelungen sind.
Die HHrn. Tiremarche und Morand, die mit Recht glaubten, daß alles, was, man in
Frankreich in dieser Hinsicht erfunden hat, noch weit von jenem Grade von
Vollkommenheit entfernt ist, den es erreichen koͤnnteDas ist sehr wahr; und eben so wahr ist es, daß man in keinem Lande mehr
uͤber die chaises percées und gardo-robes inodores geschrieben hat, als in
Frankreich (wo man leicht eine ganze Bibliothek von Buͤchern
hieruͤber sammeln kann) und nirgendwo stinkendere und unreinlichere
Abtritte findet, als in eben diesem Lande. Es scheint, daß in dem
Verhaͤltnisse als in irgend einem Lande viel uͤber eine Sache
geschrieben wird, es mit dieser Sache entweder schon schlecht steht, oder
schlecht zu stehen anfaͤngt. Wie koͤnnte man sonst so viele
Buͤcher uͤber Bierbrauerei im noͤrdlichen Deutschland
und in England, und keinen Tropfen trinkbaren Bieres daneben haben. Die
Unreinlichkeit auf den Altaͤren der Goͤttinn Cloacina ist eine
Erbsuͤnde aller lateinischen Voͤlker, (nations latines). und findet sich am Vaticane, wie am Escurial, am
Tajo wie in den Tuilerien und den beiden Louvre; in den
Privathaͤusern aller dieser Staͤdte ist ein Abtritt eine garde-robe, Quardaropa, d.h. zu deutsch
„Gedenke deines Rokes.“ Wir kennen einen der
beruͤmtesten Mechaniker Baierns, der im Jahr 1811 von den Boulevards bis in das Palais-royal lief, um seinen Rok in acht zu nehmen, und wenn er im Jahr
1824 zu Paris gewesen waͤre, wuͤrde er vielleicht gar aus der
Stadt haben laufen muͤssen, wenn der Gestank der latrines inodores vor derselben ihn nicht
zuruͤkgetrieben haben wuͤrde. Es ist fuͤrwahr
unerklaͤrlich, wie so elagante und fein gebildete Voͤlker, als
die nations latines, in dieser Hinsicht so
unsaͤuberlich sich benehmen koͤnnen, und noch das sind, was
sie zu Catull's und Martials Zeiten gewesen waren. Wir haben in unseren
deutschen Spitaͤlern eine sehr einfache Methode (die auch in England
hier und da Eingang fand) geruchlose Nachtstuͤhle verfertigen zu
lassen. Um den blechernen Nachttopf laͤuft am oberen Rande ein
ungefaͤhr einen Finger breiter, und eine halbe Hand hoher, Rand, der
zur Haͤlfte mit Wasser gefuͤllt ist, und in welchen der untere
Rand des Dekels paßt. Figur 15. auf
Tab. VIII. wird diesen einfachen Mechanismus erklaͤren, die denselben
im senkrechten Durschnitte darstellt. a ist der
Topf aus Eisenblech. bb der Rand, der
denselben oben umgiebt, und bis zur punctirten Linie cc, mit Wasser gefuͤllt ist. In
dieses Wasser taucht der Dekel dd mit
seinem unteren Rande, de, de, bis auf den Boden von bb, und bildet folglich eine hydraulische
Klappe oder Sperre, durch die auch nicht der mindeste Geruch entweichen
kann. Der Topf a, wird auf die
gewoͤhnliche Weiße bei den Henkeln hh, aus dem Kasten gehoben, ausgeleert und gereinigt, und frisches
Wasser in bb eingegossen. An den
Abtritten, wo die Excremente in die Senkgrube fallen, hat man in guten
Haͤusern in England einen Topf in dem Spiegel eingesezt, welcher Topf
an seinem Boden durchloͤchert ist. Nach dem Opfer, welches man der
Goͤtinn Cloacina gebracht hat, gießt man entweder Wasser aus einem
daneben stehenden Opferkruge in die Opferschale, oder man oͤffnet, in
besseren Haͤusern, blos den Hahn einer Roͤhre, die aus einem
uͤber dem Size angebrachten Wasserbehaͤlter, Wasser in die
Opferschale leitet und reinigt damit diese nach jedem Opfer. Auf
diese Weise werden die Abtritte sehr rein und geruchlos erhalten. In dem
großen Pallaste, Bedlam oder Bethlehem genannt, den man zu London den
Dehli's, den Gottgeweihten, d.i., den Wahnsinnigen erbaute, fand der
Uebersezer eine Vorrichtung an den Communal-Abtritten fuͤr diese,
halb Gluͤklichen, halb Ungluͤklichen, die eben so einfach als
sinnreich ist. Man kann sich vorstellen, wie ein solcher Ort in einem Hause
aussehen muͤßte, das fuͤr 3–400 Irrende bestimmt ist,
wenn nicht fuͤr die hoͤchste Reinlichkeit gesorgt
wuͤrde. Der Altar unserer Goͤttin besteht hier fuͤr die
Opfer in beiden Gestalten aus einer ungefaͤhr Einen Schuh breiten und
eben so tiefen Rinne, die von einer Wand des Tempels zur anderen unter einem
starken Falle laͤuft. An dem hoͤchsten Punkte dieser Rinne
befindet sich die Oeffnung einer Roͤhre, welche Wasser aus einem
unter dem Dache angebrachten Wasserbehaͤlter, in welchen das Wasser
zur Unterhaltung der noͤthigen koͤrperlichen Bewegung von den
Staͤrkeren unter den Bewohnern dieses Hauses hinausgepumpt wird,
herabgeleitet wird. Diese Wasserleitung ist nun so eingerichtet, daß wie ein
Individuum in diesen Tempel treten und opfern will, und die Thuͤre
oͤffnet, durch dieses Oeffnen der Thuͤre mittelst an derselben
angebrachter Stricke eine Art von Schleußenbrett an dem
Wasserbehaͤlter unter dem Dache gehoben wird, wodurch das Wasser in
einem Strome herabstuͤrzt, und die Rinne von allem reinigt, was von
den fruͤheren Opfern in derselben haͤtte zuruͤkbleiben
koͤnnen. Wie der Opfernde, nach vollbrachtem Opfer, den Tempel
verlaͤßt, und daher wieder die Thuͤre oͤffnet, wird
dadurch neuerdings die Schleuße an dem Behaͤlter unter dem Dache
geoͤffnet, das Wasser stuͤrzt durch die Roͤhre in die
Rinne herab, und reinigt waͤhrend seines Durchstroͤmens die
Rinne vollkommen. Wir haben diesen Tempel bei heißen Tagen oͤfters
besucht, und immer rein und geruchlos befunden. Es verdient auch bey uns in
Kasernen, Arbeits- und Waisenhaͤusern fleißige Nachahmung. A. d.
Ueb., haben geruchlose, feststehende und tragbare Nachtstuͤhle verfertigt, die in
Hinsicht auf Reinlichkeit und Gesundheit, Bequemlichkeit und Wohlfeilheit nichts zu
wuͤnschen uͤbrig lassen. (Dies ist etwas viel zu viel. Uebs.)
Das Verdienst dieser Erfindung, auf welche diese Herren sich ein Patent geben ließen,
besteht vorzuͤglich in einer Schaukel-Klappe mit einer Art von Tasse, welche
bestaͤndig an der unteren Oeffnung des Bekens oder der Recipienten
angedruͤkt bleibt, und die, mit Wasser gefuͤllt, alle Verbindung nach
aussen unmoͤglich macht, und folglich den Geruch der Excremente, die in ein
unteres Gefaͤß fallen, nicht nach aussen aufsteigen laͤßt. Diese
Klappe ist an einem ihrer Enden mit einem Gegengewichte versehen, welches dieselbe
bestaͤndig geschlossen haͤlt, sich aber jedoch oͤffnet, sobald
eine hinlaͤngliche Menge Wassers oder andere Koͤrper auf dieselbe
druͤken. Sobald diese Koͤrper, oder das zum Auswaschen des Bekens
noͤthige Wasser, auf dieselbe gefallen sind, schließt sie sich von selbst.
Das Waschen geschieht mittelst ein paar Pumpenzuͤgen an einer kleinen Pumpe,
die das Wasser mit Gewalt und im Kreise an den inneren Waͤnden des
Gefaͤsses umher sprizt. Der Wasserbehaͤlter ist aus Zink, und befindet
sich unter einer Seite des Stuhles; obschon er nicht sehr groß ist, reicht er doch
auf einige Tage hin, indem wenig Wasser zur Reinigung noͤthig ist.
Ein vollkommner Nachtstuhl, mit einem Beken aus Fayance und mit der dazu
gehoͤrigen Klappe, mit einem Untergefaͤße aus Zink, einem
Behaͤlter; einer Pumpe und einem Kasten aus Nußbaum, alles schoͤn und
rein gearbeitet, kostet 80 Franken, und fuͤr weniger Bemittelte, wo aber
weder Behaͤlter noch Pumpe bei dem Apparate ist, und das Wasser aus einem
Gefaͤße nachgegossen werden muß, kostet 50 FrankenDaß dieses etwas theuer ist, bedarf wohl keiner Erwaͤhnung. A. d.
Ueb..
Eben diese Vorrichtung laͤßt sich auch an Abtritten anbringen, und wirklich
haben die HHrn. Tiremarche und
Morand schon in mehr als
200 Haͤusern der Hauptstadt solche Abtritte eingerichtet.
Die Bemuͤhungen dieser Herren verdienen den Beyfall der Socièté,
und wir verlangen die Einruͤkung dieses Berichtes, der Beschreibung und
Abbildungen in den Bulletin.
Angenommen in der Sizung des 23. Junius 1824.
Unterzeichnet de Lasteyrie,
Berichterstatter.
Beschreibung der tragbaren und geruchlosen Nachtsthuͤle
der HHrn. Tiremarche und
Morand.
Der Apparat der an den Nachtstuͤhlen der HHrn. Tiremarche und Morand besteht aus einem Cylinder a (Fig. 8.) den man, wo man
denselben ausleeren will, mit dem Dekel b schließt. Man
faßt ihn dann bey dem Henkel c, wo er mittelst desselben
durch alle Zimmer getragen werden kann, ohne daß sich irgend ein unangenehmer Geruch
verbreitet.
In diesem Cylinder befindet sich ein Napf, in Fig. 9. im Aufrisse, in
Fig 10.
im Durchschnitte dargestellt, und am Grunde desselben ist eine Klappe angebracht,
d, die die Form einer tiefen Untertasse hat, in
welche der untere Rand, e, des Napfes paßt. Diese Klappe
ist an dem aͤußersten Ende eines Hebelarmes g,
dessen Mittelpunct der Bewegung i, am Ende des
Stuͤkes k, sich befindet, welches an dem Napfe
angeloͤthet ist. Der andere Arm des Hebels hi, den man so lang haͤlt, als der Durchmesser des Cylinders h es gestattet, in welchem er eingeschlossen ist, ist
mit einem Gegengewichte h versehen, welches die Klappe immer an die untere
Oeffnung des Napfes angedruͤkt haͤlt. Dieses Gegengewicht ist so
berechnet, daß es einer Kraft von 6 Lothen weicht, die auf das Ende des Armes g wirkt.
Der Rand ll, Fig. 9 und 10. des Ringes, der den
Napf umgibt, laͤuft in einer tiefen Furche, die in dem oberen Rande des
Cylinders angebracht ist. Diese Furche ist immer voll Wasser, und bildet eine
hydraulische Klappe, die es den uͤblen Geruͤchen unmoͤglich
macht, auf diesem Wege zu entweichen.
Am oberen Rande des Napfes ist eine geloͤthete Roͤhre m, angebracht, die in Fig. 13 besonders
dargestellt ist, und au deren unterem Ende sich ein horizontaler Einschnitt, u befindet, aus welchem das Wasser, das durch die
Drukpumpe n gehoben wird, heraussprizt. Dieses Wasser,
welches mit Gewalt gegen dir Waͤnde des Napfes geschleudert wird, der
kegelfoͤrmig ist, saͤubert diese vollkommen, und laͤßt keinen
Schmuz zuruͤk. Es faͤllt dann auf die Klappe, die es durch seine
Schwere niedersinken macht, und fließt hinaus; es bleibt aber noch immer genug davon
uͤbrig, um eine hydraulische Klappe an dieser Stelle zu bilden, und alles
Entweichen eines uͤblen Geruches zu verhindern.
Dieser, hier beschriebene, Apparat ist in einem Kasten von Nußbaum- oder Acajouholze
vv, den ein Dekel xx schließt, und der mit Handhaben yy,
versehen ist, um ihn weiter tragen zu koͤnnen. Fig. 12 zeigt diesen
Nachtstuhl von oben. Man sieht daran den Stempel der Drukpumpe, der in ein in dem
Brette q angebrachtes Loch paßt, welches Brett den
ganzen Apparat deket, und den Dekel p des Spiegels (de la lunette!)
An einer Seite des Apparates ist ein Behaͤlter r,
Fig. 11
welcher 8 Liters Wasser enthaͤlt, das man mittelst der Pumpe n in den Napf hinaufsteigen macht. Dieses Wasser steigt
durch die Seitenroͤhre s, Fig. 10. auf, und
verbreitet sich mit Gewalt an den Waͤnden des Napfes mittelst der
gekruͤmmten Roͤhre m.
Wenn man das Brett q wegnimmt, wird man eine
Buͤchse t, gewahr, deren Boden mit einer Menge
kleiner Roͤhren versehenAnmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Ein Litre =
0,7068 Wien. Mast. A. d. Ueb.
ist; in diese
Buͤchse gießt man das Wasser um den Behaͤlter zu fuͤllen, Diese
Art von Sieb haͤlt die fremden Koͤrper auf, die sich in dem Wasser
befinden, und die Pumpe verlegen koͤnnten.
Wo es sich um Ausleerung des Cylinders handelt, hebt man das Brett q sammt seinem Dekel p ab,
und dann findet man den Henkel c an der Seite des
Napfes. Man hebt den Henkel, nimmt die kleine gekruͤmmte Roͤhre, und
dann den Cylinder aus dem Napf zugleich heraus. Dann hebt man den Dekel b ab, der sich unter dem Cylinder befindet, stellt ihn
auf den Napf, und leert diesen aus. Nachdem alles gehoͤrig gereinigt
wuͤrde, bringt man es wieder an seine Stelle.
Die HHrn. Tiremarche und
Morand verfertigen auch
Nachtstuͤhle, an welchen die Zug- und Drukpumpe durch eine Luftpumpe ersezt
ist. Die Luft, die in dem oberen Theile des Behaͤlters r zusammengedruͤkt wird, treibt durch ihre Elasticitaͤt das
Wasser in einer Roͤhre hinauf, die bis auf den Grund reicht, und dieses
verbreitet sich mit Gewalt durch die gekruͤmmte Roͤhre, sobald man den
Hahn oͤffnet. Die Stelle der Klappen an der Luftpumpe werden durch Streifen
von gummirtem Taffent ersezt.
Die einfacheren „(und besseren, Ueb.)“ Nachtstuͤhle haben
keinen Wasserbehaͤlter; man schuͤttet das Wasser aus einem
Gefaͤße mit der Hand hinein, und sie bestehen blos aus dem Napfe und Cylinder
in einem Kasten.
An den Abtritten faͤllt der Cylinder weg, dessen Stelle die Senkgrube
vertritt. In dem Napfe wird eine Abzugsroͤhre aus Zink oder irgend einem
anderen Metalle z angebracht, und an der Seite oder
hinter dem Spiegel ein Wasserbehaͤlter. Fig. 14. zeigt diese
Vorrichtung.
Diese, an vielen oͤffentlichen Orten und in Privathaͤusern
aufgestellten Apparate entsprechen den Absichten ihrer Behaͤlter vollkommen,
sind vollkommen geruchlos, und leicht zu bedienen.
Die HHrn. Tiremarche und
Morand haben auch
Nachtstuͤhle fuͤr 120 Franken.