Titel: Ueber Eisenbahnen.
Fundstelle: Band 17, Jahrgang 1825, Nr. III., S. 40
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III. Ueber Eisenbahnen.Man vergl. hiemit polyt. Journal Bd. VII. S. 1. und Bd. XVI. S. 310. Ferner, auch eine kleine eben in der Lentner'schen Buch handlung in Muͤnchen erschienene Schrift „Ueber die neuesten Verbesserungen und die allgemeinere Einfuͤhrungen der Eisenbahnen, von J. Ritter von Baader.“ 8. 32 S. D. Aus dem Scotsman Dec. 8. 1824. im Philosophical Magazine and Journal. Februar 1825. S. 143. Ueber Eisenbahnen. Auf einer gut gebauten Straße zieht ein Pferd eine Last von Einer Tonne (20 Ztr.) in einem 7 Ztr. schweren Karren zwei „(englische)“ Meilen (eine deutsche Post-Stunde) weit in Einer Stunde. (Leslie's Elements p. 253). Die ganze Staͤrke des Pferdes wird lediglich auf Ueberwindung der Reibung angewendet. Eine Zugkraft von 100 Pfund bewegt folglich, ein Gewicht von 3000 Pfund auf einer solchen Straße, oder die Reibung betraͤgt 1/30 der Ladung (den Karren mit eingerechnet). In einem fruͤheren Aufsaze wurde erwiesen, daß ein Pferd in derselben Zeit auf derselben Streke einer Eisenbahn von bestem Baue 15 Tonnen (das Fuhrwerk mit eingerechnet) zu ziehen vermag. In diesem Falle bewegt demnach eine Zugkraft von 100 Pfund eine Last von 33,600 Pfund; die Reibung betraͤgt folglich 1/336, oder, in runden Zahlen, 1/300, der Last. Auf einem Canale zieht ein Pferd, welches 2 englische Meilen in Einer Stunde zuruͤklegt, 30 Tonnen in einem Bothe, welches vielleicht 15 Tonnen wiegt. (Zuweilen fuͤhrt ein Both nur 15 oder 20 Tonnen, zuweilen 35, wie die Kohlen-Bothe im Union-Canale; im ersten Falle geht das Pferd schneller, in dem zweiten langsamer, als obige Annahme.) Die Tonne zu 2000 Pfund in runden Zahlen gerechnet, wie oben, zieht eine Zugkraft von 100 Pfund eine Last von 90,000 Pfund, d.h. der Widerstand, welchen das Wasser der Bewegung des Schiffes entgegengestellt, ist 1/900, der Last oder des ganzen Gewichtes. Zur See, wo der Wasserweg eine unbestimmte Breite hat, ist der Widerstand wahrscheinlich noch um 1/3, geringer: allein, bei Anwendung einer Dampfmaschine geht wahrscheinlich ein Drittel an Kraft verloren, weil diese auf eine unvortheilhafte Weise angebracht ist. Die Wirkung der Zugkraft eines Pferdes ist demnach zehnmal groͤßer auf einer Eisenbahn, und dreißigmal groͤßer auf einem Canale, als auf einer gut gebauten Straße. Eine Eisenbahn kostet aber nur dreimal soviel, als eine gute ChausseeIn Hrn. Telford's Schaͤzungen fuͤr Anlage einer neuen Chaussee zwischen Edinburgh und Wooller finden wir die Auslage fuͤr Eine (englische) Meile, („eine halbe deutsche Poststunde“) zwischen 1000 und 1100 Pfunde angegeben, den Werth des Grundes mit eingerechnet. A. d. Orig. und ein Canal kostet 9 oder 10mal so viel. Die Auslagen fuͤr die Unterhaltung einer Eisenbahn und eines Canales sind wahrscheinlich geringer, im Verhaͤltnisse zu den urspruͤnglichen Kosten der Anlage, als bei einer Straße. Es ist daher offenbar, daß, wenn Eisenbahnen allgemein eingefuͤhrt waͤren, 2/3, und mehr der Transport-Kosten erspart werden wuͤrden. Wenn man ferner die Vortheile der Canaͤle und Eisenbahnen untereinander vergleicht, so kann man, nachdem gegenwaͤrtigen Stande der Dinge, nicht umhin zu bemerken, daß, wenn ein Pferd auf einem Canale dreimal so viel zieht, als auf einer Eisenbahn, der Canal auch dreimal mehr kostet, und daß man folglich um eben so viel fuͤr die Tonne sich mehr bezahlen lassen muß, wenn das daran gewendete Capital dieselben Zinsen tragen soll. Man darf indessen bei dieser Rechnung den hoͤchst wichtigen Umstand nicht vergessen, daß es sich nur um eine Geschwindigkeit von zwei Meilen in Einer Stunde handelt. Wenn die Reibung, welche die Bewegung eines Karrens oder eines Fuhrwerkes, und der Widerstand, welchen das Wasser dem Fortschreiten des Schiffes entgegenstellt, denselben Gesezen unterlaͤgen, so wuͤrde man, die Geschwindigkeit moͤchte was immer fuͤr eine seyn, denselben Schluß auf beide anwenden koͤnnen. Dieß ist aber, wie wir sogleich sehen werden, durchaus nicht der Fall. Es wird bei Erlaͤuterung dieses Punctes bequemer seyn, statt die Wirkung nach dem wandelbaren Maßstabe der Zugkraft eines Pferdes zu schaͤzen, alles auf eine bestimmte und bestaͤndige Zugkraft von einer bekannten Staͤrke zuruͤkzufuͤhren. Wir wollen also hier annehmen, daß der zu bewegende Koͤrper von einer Kraft vorwaͤrts getrieben wird, die einem Gewichte von 100 Pf. gleich ist, welches an dem Ende der Flaͤche, uͤber welche der Koͤrper sich bewegt, uͤber eine Rolle laͤuft. Wir wollen nun zuerst die Bewegung des Koͤrpers auf dem Wasser betrachten. Man weiß aus der Beschaffenheit fluͤssiger Koͤrper und aus Versuchen, daß der Widerstand, welchen ein schwimmender Koͤrper waͤhrend seiner Bewegung durch eine Fluͤssigkeit erleidet, sich wie das Quadrat der Geschwindigkeit verhaͤlt.Playfair'sOutline B. 1. S. 198. Leslie's Elements, S. VII. article „Resistance“ Encycl. Brit. Wenn man nun die bekannten Wirkungen einer Zugkraft von 100 Pfund zu zwei Meilen (engl.) in einer Stunde als Basis annimmt, so laͤßt sich hieraus die Kraft bestimmen, welche denselben Koͤrper mit einer groͤßeren Geschwindigkeit bewegt. Wir haben gesehen, daß auf einem Canale oder auf einem Arme der See ein 90,000 Pfund schwerer Koͤrper von einer Kraft von 100 Pfund zwei Meilen weit in Einer Stunde bewegt wird; um daher denselben Koͤrper 4 engl. Meilen in Einer Stunde zu foͤrdern, sind 400 Pf. Kraft nothwendig, und folglich fuͤr   6 engl. M. in Einer Stunde zu foͤrdern, sind   900 Pf.   8   –   –    –     –  – 1600 12   –   –    –     –  – 3600 –; oder, umgekehrt, werden 100 Pf. eine Last von 90,000 Pf.   2 M. in Einer Stunde   –   –  – 22,500   4   –    –   –   –  – 10,000   6   –    –   –   –  –   5,620   8   –    –   –   –  –   2,500 12   –    – foͤrdern. Wir sehen demnach, daß, bei Gewaͤltigung des Widerstandes des Wassers, eine bedeutende Verstaͤrkung der Kraft die Geschwindigkeit nur unbedeutend vermehrt. Wenn man z.B. ein Schiff dreimal schneller segeln machen will, muß man neunmal so viel Kraft anwenden, und wenn dasselbe sechsmal schneller segeln soll, muß man die Kraft um nicht weniger als 36mal erhoͤhen. Man seze z.B. daß, unter der Voraussezung, ein Pferd zoͤge ein Both mit 30 Tonnen zwei Meilen in Einer Stunde, die Zahl der Pferde zu bestimmen waͤre, die dasselbe Both in derselben Zeit 4 Meilen weit ziehen. Man wird dann finden, daß, da das Both zweimal so schnell bewegt werden soll, viermal so viel absolute Kraft, oder 400 Pfund nothwendig sind. Da aber ein Pferd, das 4 Meilen in einer Stunde laͤuft, nur mit einer Kraft von 64 Pfund zieht, so wird man sechs Pferde noͤthig haben, um mit einer Kraft von 400 Pfund das Both unter obigen Bedingungen zu foͤrdern. Wir wollen nun sehen, welche Summe von Kraͤften aͤhnliche Wirkungen auf einer Eisenbahn hervorzubringen vermag. Ehe wir uns in eine besondere Untersuchung einlassen, wollen wir annehmen, daß der durch die Reibung entstehende Widerstand, statt, wie der Widerstand fluͤssiger Koͤrper, im quadratischen Verhaͤltnisse der Geschwindigkeit zuzunehmen, bloß im einfachen Verhaͤltnisse der Geschwindigkeit zunimmt. Wir haben gesehen, daß eine Zugkraft von 100 Pfund auf einer ebenen Eisenbahn eine Last von 30,000 Pfund im Verhaͤltnisse von 2 Meilen in einer Stunde fordert. Hiernach laͤßt sich die Wirkung einer groͤßeren Kraft berechnen. 30,000 Pf. werden   2 (engl.) M. in 1 St. von einer Kraft v. 100 Pf.   –   4   –   –   – 200   –   6   –   –   – 300   –   8   –   –   – 400   – 12   –   –   – 600 bewegt; oder, umgekehrt, eine Kraft von 100 Pf. bewegt 30,000 Pf. in 1 Stunde   2 (engl.) M.  –   –  –  –    – 15,000    –   4   –  –   –  –  –    – 10,000    –   6   –  –   –  –  –    –   7,500    –   8   –  –   –  –  –    –   5,000    – 12   – Hieraus erhellt, daß, obschon eine bewegende Kraft von 100 Pfund eine dreimal groͤßere Wirkung auf einem Canale, als auf einer Eisenbahn, bei einer Geschwindigkeit von 2 Meilen in Einer Stunde hervorbringt, dieser Vortheil des Wasser-Fuhrwerkes bei einer Geschwindigkeit von 6 Meilen in einer Stunde verloren geht; und daß bei allen groͤßeren Geschwindigkeiten derselbe Aufwand von Kraft eine groͤßere Wirkung auf einer Eisenbahn hervorbringt, als auf einem Canale, Flusse, oder auf der See. Diese Berechnung gruͤndet sich auf die Hypothese: daß die Reibung in geradem einfachen Verhaͤltnisse mit der Geschwindigkeit zunimmt. Dieser Meinung waren Ferguson, Musschenbrock und noch andere Schriftsteller; allein die neueren und genaueren Versuche Coulomb's und Vince's haben diese Lehre umgestuͤrzt, und ganz andere Schluͤsse aufgestellt, wovon wir hier einen Auszug mittheilen.Leslie'sElements p. 188. Playfair'sOutlines Bd. 1. S. 88. Journal de Phisique 1785. Philosophical Transactions 1785. Dr . Bruster hat das Resultat der Versuche Coulomb's in dem Artikel Mechanics seiner Encyclopaedia in tabellarischer Form mitgetheilt. A. d. O. 1. Wenn Eisen auf Eisen hin schleift, so betraͤgt die Reibung 28 per Cent des Gewichtes, wird aber auf 25 p. C. herabgebracht, wenn der Koͤrper einmal in Bewegung ist. 2. Die Reibung nimmt beinahe in gleichem Verhaͤltnisse mit dem Druke zu. Wenn man die Last auf einem Schlitten oder auf einem Fuhrwerke um das Vierfache vergroͤßert, so ist die Reibung beinahe, aber nicht ganz, viermal groͤßer. 3. Die Reibung ist beinahe dieselbe, der Koͤrper mag sich auf einer kleineren oder auf einer groͤßeren Oberflaͤche bewegen; sie ist aber auf einer kleineren Flaͤche ehe etwas geringer. 4. Die Reibung sich umdrehender, rollender, oder schleifender Koͤrper befolgt beinahe, aber nicht ganz, dasselbe Gesez hinsichtlich der Geschwindigkeiten, daß naͤmlich die Reibung fuͤr alle Geschwindigkeiten dieselbe ist. Mit diesem lezten Geseze haben wir es gegenwaͤrtig allein zu thun, und es ist merkwuͤrdig, daß die außerordentlichen Resultate, zu welchen es fuͤhrte, soviel wir wenigstens wissen, von allen Schriftstellern uͤber Straßen und Eisenbahnen uͤbersehen wurden. Diese Resultate scheinen in der That so sehr paradox, daß sie den Glauben praktischer Straßenbauer er schuͤttern werden, obschon der Grundsaz, aus welchem sie fließen, ohne allen Anstand von allen wissenschaftlichen Mechanikern zugegeben wird. 1tens. Es folgt aus diesem Geseze, daß (Umgang genommen von dem Widerstande der Luft), wenn ein Karren auf einer ebenen Eisenbahn mittelst einer staͤtigen Kraft in Bewegung gesezt wird, welche in irgend einem Grade groͤßer ist, als zur Ueberwindung der Reibung noͤthig waͤre, der Karren mit einer ununterbrochen beschleunigten Bewegung fortlaufen wird, wie ein fallender Koͤrper, auf welchen die Schwerkraft wirkt; so klein auch die urspruͤngliche Schnelligkeit seyn mag, so muß sie mit der Zeit uͤber alle Maße zunehmen. Nur der Widerstand der Luft allein, der wie das Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt, hindert diese unbestimmte Beschleunigung, und macht am Ende die Bewegung gleichfoͤrmig. 2tens. Den Widerstand der Luft (dessen Wirkung wir sogleich schaͤzen werden) wieder bei Seite gestellt, wird dieselbe Summe staͤtiger Kraft, welche einen Karren auf einer Eisenbahn 2 Meilen in Einer Stunde treibt, denselben 10 oder 20 Meilen in Einer Stunde treiben, wenn Anfangs eine besondere Kraft angewendet wuͤrde, um die Traͤgheit des Karrens zu uͤberwinden, und die verlangte Geschwindigkeit zu erzeugen. So sonderbar dieser Saz scheinen mag, so ausgemacht ist er als nothwendige Folge der Geseze der Reibung. Wenn wir den Widerstand der Luft bei Seite sezen, und eine horizontale Eisenbahn um den Erdball laufend uns denken; wenn wir ferner annehmen, daß die Maschine, mit einer Kraft versehen, die der Reibung vollkommen gleich kommt, auf dieser Eisenbahn sich befaͤnde, und durch irgend eine Kraft mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortgestoßen wuͤrde, so wuͤrde sie sich mit der ihr auf diese Weise ertheilten Geschwindigkeit fuͤr immer fortbewegen, und in der That ein zweiter Planet fuͤr unseren Erdball seyn. Es wird immer leicht seyn, diese beschleunigte Bewegung in eine gleichfoͤrmige, von irgend einer bestimmten Schnelligkeit zu verwandeln, und aus der Natur des Widerstandes wuͤrde eine sehr große Schnelligkeit eben so wenig Muͤhe kosten, als eine geringe. Fuͤr alle Geschwindigkeiten uͤber 4 oder 5 engl. Meilen in einer Stunde werden Eisenbahnen ganz ungeheure Vortheile vor Canaͤlen und See-Armen zur Foͤrderung darbieten.