Titel: Ueber eine angeblich neue Erfindung zum Forttreiben der Schiffe auf dem Bodensee durch Menschenhände statt der Dampfmaschine.
Fundstelle: Band 18, Jahrgang 1825, Nr. XI., S. 61
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XI. Ueber eine angeblich neue Erfindung zum Forttreiben der Schiffe auf dem Bodensee durch Menschenhaͤnde statt der Dampfmaschine. Ueber eine angeblich neue Erfindung zum Forttreiben der Schiffe. Das Kunst- und Gewerbs-Blatt des polytechnischen Vereins fuͤr das Koͤnigreich Baiern, N. 34, S. 228–232 von gegenwaͤrtigem Jahre, gibt uns die Beschreibung und Abbildung eines von dem Kaufmann zu Lindau, Hrn. Johann Conrad Schnell erfundenen Maschinenwerkes, mittelst dessen ein 22 Fuß langes, 7 Fuß breites (beladenes) Schiff durch die Kraft von zweien an Kurbeln arbeitenden Menschen gegen Wind und Welten, selbst mit verdoppelter Geschwindigkeit, vorwaͤrts getrieben werden sollte. Der Einsender ruͤhmt diesen Maschinenbau als sehr sinnreich, einfach und gar nicht kostspielig an, und behauptet sogar, daß die mit demselben vorgerichteten Schiffe nicht nur die Vortheile mit den Dampf-Schiffen gemein haben, gegen den Wind zu aller Zeit zu fahren, sondern gegen dieselben Vorzuͤge zeugen (gewaͤhren) an der Leichtigkeit der Bewegung (?!) am bequemern Gebrauche der Segel, und an ihrer Unkostspieligkeit, die eine Concurrenz zulaͤßig macht, wenn diese zu gebrauchen verstanden wird, u.s.w. weßwegen dann diese neue Erfindung (welche uͤbrigens die Chinesen schon vor mehreren Jahrhunderten versucht haben), auf dem Bodensee als ein erwuͤnschtes Surrogat fuͤr die den Lindauer Schiffern so verhaßt gewordenen Dampf-Schiffe dienen, und diese entbehrlich machen sollte. – Es ist unbegreiflich, wie ein so barer mechanischer Unsinn in dem genannten Blatte aufgenommen werden konnte. Man braucht nur die ersten Grundgeseze des Gleichgewichtes und der Bewegung einigermassen zu kennen, um einzusehen, daß es durch keinen Mechanismus moͤglich ist, mit der Kraft von ein Paar Menschen die Wirkung einer Dampfmaschine von 12 oder mehrerer Pferde-Kraft hervorzubringen.Wenigstens so lange das in demselben Blatte (Jahrg. 1823 N. 44) von Herrn von Ranson angekuͤndigte Mobile perpetuum noch nicht zu Stande gekommen ist, wodurch freilich mit einem Mahl die ganze bisherige Mechanik als Wissenschaft uͤber den Haufen geworfen, und selbst alle Dampfmaschinen entbehrlich gemacht wuͤrden. Bis dahin duͤrften jedoch die Dampfschiffe auf dem Bodensee von der Concurrenz des Schnell'schen Hand-Raͤder-Werkleins Nichts zu befuͤrchten haben. Auch ist es jedem Anfaͤnger in der Mechanik bekannt, daß die Kraft eines Mannes beim Rudern weit vortheilhafter ausgeuͤbt, und hierbei ein groͤßerer mechanischer Effect erzielt wird, als beim Umdrehen einer Kurbel; und, da diese Kraft beim Rudern ganz auf die nuzbare Wirkung des Fortstoßen des Faͤhrzeuges, verwendet wird, waͤhrend bei einem Rade; besonders von so kleinem Durchmesser, durch den Widerstand der in schiefer Richtung auf die Oberflaͤche des Wassers eindringenden, und eben so wieder herausgehobenen Schaufeln ein bedeutender Theil der angewandten Kraft unnuͤz verloren gehet, so ist klar, daß ein Paar geuͤbte Bootsknechte mit gewoͤhnlichen Rudern dasselbe Schiff weit schneller und leichter fortschaffen wuͤrden, als 4 der staͤrksten Kerle an dem von Hrn. Schnell vorgeschlagenen complizirten Raͤderwerke, an welchem noch uͤberdieß der Widerstand der Reibungen an den doppelten Achsen und an der Kette ohne Ende uͤberwunden werden muß, und es ist daher leicht vorauszusehen, daß das Schiff des Hrn. Schnell kein Schnellschiff seyn werde. – Ueberhaupt kann es kaum einen ungereimtern Gedanken geben, als den, zu irgend einer bedeutenden Wirkung die Kraft des Wasserdampfes durch Menschenhaͤnde ersezen zu wollen, welche von allen bekannten Bewegungskraͤften die schwaͤchsten und kostbarsten sind. Vernuͤnftiger waͤre es noch, wenn die Schiffer von Lindau, um denn doch durchaus Nichts von Dampfmaschinen unter sich aufkommen zu lassen, den ihnen im 2ten Hefte des XVII. Bandes des polytechnischen Journals, S. 231–235 gegebenen Rath befolgen, und ihre Schiffe durch Ochsen treiben, oder hiezu Pferde nach dem Beispiele der Amerikaner verwenden wollten, welche dergleichen Roß-Boote (Horse-boats oder Team-boats) schon viel fruͤher, als der Franzose Guilband eingefuͤhrt haben, wie es aus dem 1816 zu Glasgow erschienenen Werke des Ingenieurs Robertson Buchanan, (a practical Treatise on propelling vessels by Steam etc.) zu ersehen ist, welches S. 70 eine Beschreibung, und auf der 27sten Kupfertafel die Abbildung eines solchen Pferde-Schiffes enthaͤlt. Muͤnchen, den 1. Sept. 1825. Joseph Ritter v. Baader.