Titel: Bericht über die Fortschritte in den Gräflich Einsiedelschen Eisenwerken Lauchhammer und Grödiz, in Beziehung auf die daselbst im Jahre 1825 verfertigten eisernen Geschüze; ein Beitrag zu Deutschlands Gewerbskunde.
Autor: Friedrich Gustav Rouvroy [GND]
Fundstelle: Band 18, Jahrgang 1825, Nr. LVI., S. 315
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LVI. Bericht uͤber die Fortschritte in den Graͤflich Einsiedelschen Eisenwerken Lauchhammer und Groͤdiz, in Beziehung auf die daselbst im Jahre 1825 verfertigten eisernen Geschuͤze; ein Beitrag zu Deutschlands Gewerbskunde. Vom Friedr. Gustav Rouvroy, Commandanten der Militaͤr-Akademie zu Dresden, und Obersten der Artillerie. Rouvroy's, Bericht uͤber die Fortschritte in Verfertigung der eisernen Geschuͤze. Als ein vorzuͤglicher Beweis von den großen Fortschritten der technischen Kuͤnste, und insbesondere der Bearbeitung des Eisens in Deutschland, verdient es gewiß sehr zur Kenntniß des Publikums gebracht zu werden, daß im Jahre 1825 auf dem Graͤflich Einsiedelschen Eisenwerken Lauchhammer und Groͤdiß eiserne Geschuͤzroͤhre verfertigt wurden, welche nicht nur in der Guͤte des Eisens, sondern auch in der Genauigkeit der Construction, und der Dimensionen nichts zu wuͤnschen uͤbrig lassen, und besonders in lezterer Hinsicht, weder den sorgfaͤltigst gearbeiteten metallnen Geschuͤzen, noch den bisher in der Genauigkeit der Bearbeitung fuͤr fast unerreichbar gehaltenen englischen eisernen Geschuͤzen, nachstehen; ja die leztern vielleicht selbst noch uͤbertreffen duͤrften; indem bei den in Lauchhammer gegossenen Kanonen bloß solche kleine Abweichungen von der gegebenen Vorschrift Statt finden, so daß dieselben nur mit Huͤlfe nicht allgemein bekannter Vergroͤßerungs-Instrumente, wie z. B. der saͤchsischen Stuͤkpruͤfungsgabel wahrzunehmen sind. Fuͤr die koͤniglich-saͤchsische Militaͤr-Akademie zu Dresden, wurden naͤmlich von dem Verfasser, mit Genehmigung Sr. Majestaͤt des Koͤnigs, im Jahre 1824, 4 Stuͤk eiserne Exercirgeschuͤze, als 3 Stuͤk dreipfuͤndige Kanonenroͤhre und 1 vierpfuͤndiges Haubizrohr auf den Graͤflich Einsiedelschen Eisenwerken bestellt, und von denselben so vorzuͤglich gut abgeliefert, daß Sr. Koͤnigliche Majestaͤt zur Vervollstaͤndigung einer Batterie von 6 Stuͤken, den Ankauf einer vierten Kanone und einer zweiten Haubize Allerhoͤchst genehmigten. Die Bedingungen zur Verfertigung dieser Geschuͤze waren in doppelter Beziehung gestellt, naͤmlich erstens in Hinsicht der guten Beschaffenheit des Eisens, und zweitens in Hinsicht der Genauigkeit der Dimensionen. In ersterer Hinsicht wurde verlangt: a) Daß das Eisen zu den Rohren durch zwekmaͤßige Gattirung der dazu verwendeten Eisenerze, und insbesondere durch Zusaz von Magneteisenstein, von guter Beschaffenheit und hinlaͤnglicher Zaͤhigkeit seyn muͤsse, was durch folgende Zusammensezung der Erzgichten erlangt wurde: 6 Theile kupferhaltiger Magneteisenstein, 4 Rotheisenstein, 4 Brauneisenstein, 1/15 manganhaltiges Wiesenerz.Ob man schon im Allgemeinen den Sumpf- und Wiesenerzen den Vorwurf macht, daß sie wegen ihres Phosphorgehalts ein sproͤdes Eisen geben, so trifft dieß doch nicht das hier angewendete Wiesenerz, welches nur 3 pr. C. Phosphor enthaͤlt, der bei der geringen Quantitaͤt, in welchen dieses Erz den Gichten beigemischt wird, und bei einem hinlaͤnglichen Zuschlag von Kalk ganz unschaͤdlich wird. Auf der andern Seite gewaͤhrt aber dieses manganhaltige Wiesenerz den Vortheil, daß der aus Manganoxyd entwikelte viele Sauerstoff, den Kohlengehalt des ausgeschmolzenen Roheisens verengert, und dieses Eisen dadurch dichter und harter macht, als anderes Roheisen. Auch haͤlt man dafuͤr, daß der Kupfergehalt des Magneteisensteines dem Eisen mehr Zaͤhigkeit gebe, indem sich das Kupfer vermoͤge des den Erzen beigemischten Schwefels, beim Ausschmelzen des Eisens damit chemisch verbinde, was allerdings nicht erfolgt, wenn man Kupfer und Eisen in regulinischem Zustande zusammen schmelzen will. b) Daß das Eisen hinlaͤngliche Haͤrte und Dichtheit habe, und folglich nach dem Ausschmelzen im Hochofen, nochmahls umgeschmolzen seyn muͤsse, welches in einem Kupoloofen geschah. c) Daß die Roͤhre mit einem hinlaͤnglichen verlornen Kopf, mit dem Steigrohre, massiv gegossen und gebohrt wuͤrde; damit sie keine Gruben und Gallen bekaͤme, und man von der Dichtheit und Zaͤhigkeit des Eisens um so sicherer uͤberzeugt seyn koͤnne. Alles dieß geschah dem Verlangen gemaͤß. d) Endlich daß die Geschuͤzroͤhre, die durch das Reglement vorgeschriebene Beschießung, und zwar die Kanonenroͤhre durch 2 Schuß mit 2 Kugeln, 2 Vorschlaͤgen und 1/2 kugelschwerer Ladung, die Haubizen durch 2 Schuß mit einer Grenade und kammervoller Ladung, ohne die mindeste Beschaͤdigung aushallten muͤßten. Dieß war denn auch bei den in Dresden mit allen Roͤhren angestellten Proben stets der Fall, und uͤberdieß sind nun auch aus diesen Roͤhren bereits eine bedeutende Zahl von gewoͤhnlichen scharfen Schuͤssen (mit ordinaͤrer Feldladung) gethan worden, ohne daß an ihnen auch nur die mindeste Veraͤnderung wahrzunehmen ist. In der zweiten Ruͤksicht, naͤmlich in Betreff der Genauigkeit der Arbeit und der Dimensionen der bestellten eisernen Geschuͤzroͤhre, wurden den Eisenwerken folgende fuͤr das weit leichter zu bearbeitende metallene Geschuͤz reglementsmaͤßig guͤltige Bedingungen gemacht: a) Die Bohrung darf hoͤchstens 0,05 Zoll zu enge oder zu weit, und hoͤchstens um 0,3 Zoll zu lang oder zu kurz seyn. b) Die Schellzapfen duͤrfen hoͤchstens um 0,25 Zoll zu weit vor- oder ruͤkwaͤrts, und hoͤchstens um 0,125 Zoll zu hoch oder zu tief stehen. c) Beide Schellzapfen eines Rohres muͤssen genau ein und dieselbe Achse haben, und diese Achse muß die Bohrungsachse, oder wenigstens eine Vertikalebene durch dieselbe genau recht-winklich schneiden. d) Die Metallstaͤrken duͤrfen hoͤchstens um 0,2 Zoll zu groß oder zu klein, das Rohr muß gerade gebohrt seyn. e) Die Staͤrke der Schellzapfen darf hoͤchstens um 0,05 Zoll vom Gußriß abweichen. f) Das Zuͤndloch muß die Bohrungsachse rechtwinklich schneiden, und darf hoͤchstens um 0,1 Zoll zu weit vor- oder ruͤkwaͤrts stehen. Alle diese Bedingungen wurden auf das genaueste erfuͤllt, die saͤmmtliche Roͤhre waren nicht nur auswendig, sondern auch in der Bohrung vollstaͤndig glatt, und ohne alle Gruben und Gallen, und die Bohrungen in ihrer ganzen Laͤnge genau von gleicher Weite, und mit dem vollstaͤndig richtigem halbkugelfoͤrmigen Schluß versehen. Die wenigen Abweichungen, in den Dimensionen und Constructions-Verhaͤltnissen, welche bei Uebernahme der vier bis jezt abgelieferten Roͤhre, und bei der allersorgfaͤltigsten und genauesten Pruͤfung gefunden wurden, waren uͤberaus klein, wie folgender Auszug aus den Uebernahmeprotokollen zeigt: I. 3 Pfuͤnder Nr. 1. 1) Der Bohrungs-Durchmesser um 0,005 Zoll zu groß. 2) Die Laͤnge der Bohrung um 0,015 Zoll zu groß. 3) Die Laͤnge des Rohres vollstaͤndig richtig. 4) Der Stand des Zuͤndlochs vollstaͤndig gut. 5) Beide Schellzapfen genau in einer Achse und von richtigem Durchmesser. 6) Die Schellzapfenachse um 0,02 Zoll zu weit vorwaͤrts, aber die Achse des Rohres vollstaͤndig, und genau rechtwinklich schneidend. 7) Die Bohrungsachse mit der Achse des Rohres vollstaͤnzusammen fallend. 8) Der Metallunterschied der Kopf- und Bodenfriesen um 0,059 Zoll zu groß. II. 3 Pfuͤnder Nr. 2. 1) Der Bohrungs-Durchmesser vollstaͤndig richtig. 2) Die Laͤnge der Bohrung deßgleichen. 3) Die Laͤnge des Rohres deßgleichen. 4) Der Stand des Zuͤndlochs deßgleichen. 5) Beide Schellzapfen genau in einer Achse, und von richtigem Durchmesser. 6) Die Schellzapfenachse in vollstaͤndig richtiger Entfernung von Boden des Rohres, und die Vertikalebene der Seelenachse voͤllig rechtwinklich schneidend, aber um 0,05 Zoll unter der Seelenachse. 7) Die Bohrungsachse zwar 0,005 Zoll von der Achse bei Rohres entfernt, aber mit ihr parallel (mithin das Rohr nicht schief gebohrt). 8) Der Metallunterschied um 0,066 Zoll zu groß. III. 3 Pfuͤnder Nr. 3. 1) Der Bohrungs-Durchmesser um 0,01 Zoll zu groß. 2) Die Laͤnge der Seele vollstaͤndig richtig. 3) Die Laͤnge des Rohres deßgleichen. 4) Der Stand des Zuͤndlochs deßgleichen. 5) Beide Schellzapfen genau in einerlei Achse und von richtigem Durchmesser. 6) Die Schellzapfenachse genau in der richtigen Entfernung vom Boden des Rohres, die Seelenachse genau, und vollstaͤndig rechtwinklich schneidend. 7) Die Bohrungsachse mit der Achse des Rohres vollstaͤndig zusammenfallend. 8) Der Metallunterschied vollstaͤndig richtig. IV. 4 Pfuͤnder Haubize Nr. 1. 1) Der Durchmesser des Flugs um 0,05 Zoll zu groß. 2) Der Durchmesser der Kammer vollstaͤndig richtig. 3)Die Laͤnge des Rohres um 0,08 Zoll zu groß. 4) Die Laͤnge der Bohrung um 0,08 Zoll zu groß. 5) Der Stand des Zuͤndlochs vollstaͤndig richtig. 6) Beide Schellzapfen genau in einerlei Achse, und von richtigem Durchmesser. 7) Die Schellzapfenachse 0,04'' zu weit vom Boden des Rohres abstehend, uͤbrigens die Seelenachse vollstaͤndig, und genau rechtwinklich schneidend. 8) Die Bohrungsachse um 0,006 Zoll außerhalb der Achse des, Rohres, jedoch mit ihr parallel (mithin das Rohr nicht schief gebohrt.) 9) Die Friesendurchmesser vollstaͤndig richtig. Uebrigens kann es auch bei diesen so hoͤchst unbedeutenden Abweichungen nicht unbemerkt gelassen werden, daß sie wenigstens groͤßten Theils ihren Grund in der Veraͤnderung her Gußrisse gehabt haben duͤrften; denn fuͤr die wenigen Geschuͤzroͤhre, welche nach ihnen gefertigt werden sollten, konnten diese Risse ohne zu große Kosten nicht auf Blech bezeichnet, sondern sie mußten auf Papier aufgetragen werden, welches auf ein troknes Bret aufgezogen war, und blieben so den unvermeidlichen Einfloͤßen der Temperatur und Feuchtigkeit der Luft lange Zeit ausgesezt, ehe alle Roͤhre vollendet waren. Dresden am 1. October 1825.