Titel: Nachtrag zur Abhandlung über die senkrechten Räder mit krummen Schaufeln, in den Annales de Chimie et de Physique, T. XXX. p. 136. Von Hrn. Poncelet.
Fundstelle: Band 19, Jahrgang 1826, Nr. CXIX., S. 540
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CXIX. Nachtrag zur Abhandlung uͤber die senkrechten Raͤder mit krummen Schaufeln, in den Annales de Chimie et de Physique, T. XXX. p. 136. Von Hrn. Poncelet. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Decbr. 1825. S. 388.Wir erhielten diesen Nachtrag erst am Ende des Druks der Abhandlung im ersten Maͤrz-Hefte, wie wir am Schlusse in der Note 146. S. 482. bemerkten. D. Poncelet's, Nachtrag zur Abhandlung uͤber die senkrechten Raͤder mit krummen Schaufeln. Diese Abhandlung ist allerdings nach der Abschrift, welche ich im December 1824 der Académie royale des Sciences eingesendet habe; da ich dieselbe aber in großer Eile abfassen mußte, und seit dieser Zeit dieselbe nicht mehr durchsehen, auch bei dem Abdruke der ersteren zwei Theile nicht die Aufsicht fuͤhren konnte, blieben einige Fehler stehen, wovon die reinen Redactions-Fehler zwar wenig zur Sache machen, die anderen hingegen, welche sich auf die Theorie und die Grundsaͤze des Baues des neuen Rades beziehen, alsogleich berichtigt werden muͤssen, damit diejenigen, die sich eines solchen Rades bedienen wollen, nicht dadurch in Irthum gefuͤhrt werden. Dieß scheint mir um so wichtiger, als einige dieser Berichtigungen auch in der im Recueil de la Société académique de Metz hieruͤber gegebenen Notiz angebracht werden muͤssen, und als ich, seit meiner Einsendung dieser Abhandlung an das Institut, Gelegenheit fand, mehrere Beobachtungen anzustellen, die nicht ohne Interesse hier aufgenommen werden koͤnnen. So habe ich z.B. an den Stampfmuͤhlen der Pulver-Fabrik zu Metz Versuche angestellt, welche auf eine sehr positive Art beweisen, daß, bei den gewoͤhnlichen Schaufel-Raͤdern mit geringem Spiele, im Laufe, die Verstaͤrkung der Wirkung, welche durch Morosi's Randleisten entsteht, nicht ein volles Fuͤnfzehntel der ganzen Wirkung betraͤgt, obschon der Vorsprung dieser Randleisten ungefaͤhr 8 C. oder 3 Zoll maß. Um zu diesem Resultate zu gelangen, suchte ich die Mengen der Kraft zu bestimmen, welche man nothwendig auf das Rad aufwenden muß, um in beiden Faͤllen eine aͤhnliche brauchbare Wirkung hervorzubringen, oder dieselbe Anzahl von Stoͤßen der Staͤmpel in derselben gegebenen Zeit. Nachdem ich nun durch langes Versuchen auf Gerathewohl die Kraft des auf das Rad verwendeten Wassers um eine dem beobachteten Unterschiede gleiche Menge wechseln ließ, habe ich mich uͤberzeugt, daß dieser Unterschied keinen solchen Einfluß auf die Bewegung der Maschine hatte, daß diese dadurch auf eine merkliche Weise veraͤndert wurde. Man koͤnnte also, in aller Strenge, die Verstaͤrkung der Wirkung durch die Randleisten im gegenwaͤrtigen Falle vernachlaͤßigen. Diese Schluͤsse scheinen mir richtiger, als jene, welche man aus den in den vorlaͤufigen Betrachtungen der Abhandlung angefuͤhrten Versuchen des Hrn. Christian ableiten koͤnnte, und sie bestaͤtigen dasjenige, was man daselbst behauptete, daß naͤhmlich die Leisten nur an jenen Raͤdern wahrhaft nuͤzlich sind, welche viel Spiel im Laufe darbiethen, oder sich in einer uneingeschraͤnkten Fluͤßigkeit bewegen. Man koͤnnte selbst, der Theorie nach, glauben, daß diese Leisten dann die vortheilhafteste Wirkung hervorbraͤchten, wann die Raͤder horizontal, und mit flachen Schaufeln versehen sind, wie man sie an mehreren Oertern findet, und wann das Wasser, sobald es seinen Stoß vollbracht hat, frei nach allen Seiten entweichen kann; allein, dann kommt man auf die Loͤffelraͤder (roues à cuillers) zuruͤk, deren Vorzuͤge vor den Raͤdern mit flachen Schaufeln allgemein erkannt und eingesehen sind. Wir wollen nun zu den angegebenen Verbesserungen uͤbergehen, und uns bloß auf die wichtigeren beschraͤnken; es waͤre z.B. uͤberfluͤßig, Versehen im Ausdruke, wie N°. 3, 4, 10. zu bemerken, wo es ((Vv)/2g)³ statt (Vv)³/2g heißt, und die Gleichung: P = 203, 8943 DV Kil., statt P = 101, 9472 DV Kil. Solche Fehler sind leicht zu verbessern. Anders aber verhaͤlt es sich mit folgenden. Artikel 6. enthaͤlt vorzuͤglich einige Fehler in Ziffern und im Ansaze. Da der Winkel, c' b d, nach der Berechnung, 46° uͤbersteigt, so kann die mittlere Neigung der Krummen auf den Umfang des Rades auf 24° statt auf 23° gebracht werden. Die Angabe der Winkel, c' b d und cbd, oder, L und B, ist uͤberdieß fehlerhaft, und der genaue Ausdruk der, nach der senkrechten auf die Flaͤche des Stoßes verlornen, Geschwindigkeit ist, V sin. (LB) – v sin. L; die Graͤnze der verlornen lebendigen Kraft ist also 0,05 sin. V², statt 0,04 sin. V². In N°. 7. heißt es: man soll als Neigung des ersten Elementes der Krummen einen Winkel von 10 bis 15° statt 23 nehmen; als ich diesen Saz schrieb, dachte ich nicht an die Nothwendigkeit, dem Eintritte des Wassers auf das Rad und dem Austritte desselben eine gewisse Leichtigkeit zu geben. Man wird begreifen, daß die Verminderung dieses Winkels, alles Uebrige ungeaͤndert belassen, die Oeffnung zwischen den Krummen zu verkleinern strebt; nun wird aber der dadurch entstehende Nachtheil mit der Dike der in den Lauf eingelassenen Wasserschichte zunehmen. Man wird also sehr gut thun, wenn man sich an einen mittleren Winkel von 24° haͤlt, wenn diese Schichte das Rad in einem Bogen von 25° umfaßt, und man kann uͤberhaupt als Neigung des ersten Elementes der Krummen einen Winkel waͤhlen, der etwas kleiner ist, als jener, der mit dem Bogen correspondirt, welcher von der Schichte des Wassers in verschiedenen Faͤllen umfaßt wird; einen Bogen, welcher offenbar das Maß des Winkels ist, den der obere Faden, DE, (Fig. 4.) dieser Wasserschichte mit dem aͤußeren Umfange des Rades bildet, oder die Tangente auf, E, an diesem Umfange. Hiernach wird es leicht seyn, den N°. 9. angezeigten Entwurf der Krummen abzuaͤndern; denn, statt, wie es angegeben wurde, den Winkel, cbe = 10° zu nehmen, kann man denselben demjenigen ungefaͤhr gleich sezen, welchen der obere Faden, DE, des in den Lauf eingeleiteten Wassers in, E, mit der Tangente des aͤußeren Umfanges des Rades bildet, oder, was einerlei ist, ungefaͤhr gleich dem Winkel auf, E, von dem Halbmesser, AE, und der Senkrechten auf, DE, gebildet. Die Nothwendigkeit, dem Winkel, cbe, eine gewisse Oeffnung zu geben, bestaͤtigt sich uͤbrigens durch die Erfahrung, welche Hr. Marin zu Briey, bei Metz, neulich zu machen Gelegenheit hatte. Dieser Fabrikant ließ fuͤr seine Spinnereien ein Schaufel-Rad nach den Grundsaͤzen von N°. 9. verfertigen. Er erhielt vortreffliche Resultate, so lang die in den Lauf eingelassene Wasserschichte nur drei bis vier Zoll Dike hatte; sobald man aber um eine bedeutende Menge mehr Wasser einfließ, konnte dieselbe nicht mehr ganz in die Troͤge gelangen, und die Wirkung ward schwaͤcher, statt staͤrker. Hr. Marin beseitigte diesen Nachtheil dadurch, daß er die Schaufeln weniger auf den Umfang des Rades neigte, und erhielt, als Resultat, ein Drittel mehr Arbeit, als mit dem alten Rade, welches uͤbrigens gut gebaut war, indem die auf die Halbmesser geneigten Schaufeln zwischen zwei hohlen Kegeln eingeschlossen wurden, und sich in einem kreisfoͤrmigen Stuͤke des Laufes bewegten. Nach den Bemerkungen, welche Hr. Marin mir selbst mittheilte (denn ich muß bedauern, daß ich mich nicht selbst an Ort und Stelle begeben konnte), waͤre das Schuzbrett und Zugehoͤr nicht nach vorwaͤrts geneigt gewesen, und man haͤtte die verschiedenen in dieser Abhandlung gegebenen Vorsichts-Maßregeln nicht vernachlaͤßigt. Es ist uͤberdieß noch nothwendig zu bemerken, daß der oben erwaͤhnte Nachtheil bei den Versuchen, welche auf das in Fig. 1, 2, 3. Tab. X. dargestellte Modell sich beziehen, nicht Statt hatte. Man hatte wirklich den Schaufeln eine Neigung von 30° auf den aͤußeren Umfang des Rades gegeben, was fuͤr alle Diken der Wasserschichten, die nach und nach in den Lauf eingeleitet wurden, hinreichte. Dieselbe Beobachtung gilt auch in Bezug auf das zu Falck erbaute Rad, wovon weiter unten die Rede seyn wird. Dieses Rad wurde nach den Zeichnungen gebaut, die zur Verfertigung des Modelles im Kleinen dienten. In N°. 10 und 11. der Abhandlung suchte man die Lage der Schwelle des Laufes nach der Zeit zu bestimmen, welche das Wasser braucht, um laͤngs den Krummen hinanzusteigen und aus dem Rade abzulaufen; da man nun aber annahm, daß das Wasser in diesem Rade in senkrechter Richtung aufstiege, waͤhrend es wirklich eine Krumme beschreibt, so folgt, daß man fuͤr die Entfernung, in welcher die Schwelle angebracht werden muß, nur die Graͤnze fand, innerhalb welcher sie nicht gelegen seyn darf. Die Schwierigkeit, durch Rechnung selbst nur annaͤherungsweise den Punct zu finden, wo die Schuͤttung des Wassers geschieht, veranlaßte uns, die Lage der Schwelle nach folgenden Betrachtungen zu bestimmen: 1) Da die Richtung, BC, (Fig. 1 und 4. Tab. X.) des Bodens des Laufes nothwendig Tangente in C, auf den aͤußeren Umfang des Rades ist, und das Wasser fortfaͤhrt, auf jede Krumme wenigstens so lang zu wirken, bis die vorausgehende nach, C, gekommen ist, so darf die Schwelle, F, nicht innerhalb dieses Punctes liegen, sondern außerhalb, in einer Entfernung, CF, die nicht kleiner seyn darf, als der Zwischenraum an dem Umfange des Rades zwischen zwei auf einander folgenden Schaufeln. 2) muß das Rad von, C bis F, in einem kreisfoͤrmigen Stuͤke des Laufes, tangential auf den Boden desselben, BC, eingebettet seyn, damit das Spiel, durch welches das Rad unter den Krummen entweichen koͤnnte, so gering als moͤglich ist, und nie dasjenige, welches durchaus unerlaͤßlich ist, uͤberschreitet. 3) der Verlust an Wirkung, welcher dadurch entsteht, daß das Wasser jenseits des niedrigsten Punctes des Rades schuͤttet, kann, außerdem, daß er natuͤrlich sehr gering ist, in jedem einzelnen Falle noch dadurch sehr vermindert werden, daß man die Graͤthe, F, der Schwelle etwas unter den Spiegel des Ablauf-Canales legt, oder den Boden des Laufes, BC, gehoͤrig neigt, so daß man den Beruͤhrungspunct, C, dieses Bodens und des Rades der Schleuse naͤhert. Hiernach werden die Bemerkungen in N°. 12. der Abhandlung gleichfalls uͤberfluͤßig. Was den uͤbrigen experimentalen Theil dieser Abhandlung betrifft, so enthaͤlt er keine Unrichtigkeit, die bedeutend genug waͤre, um hier von derselben zu sprechen; eben dieß gilt auch von der Abbildung, wo man jedoch in Fig. 1 und 2. vergessen hat, daß aͤußere Schleusenthuͤrchen darzustellen, welches im Modelle vorhanden war. Auch ist, in Fig. 5., der geradelinige Boden des Laufes nicht Tangente auf seinen kreisfoͤrmigen Theil, wie es seyn sollte. Ferner fehlt in Fig. 4. der Buchstabe, C, bei dem Anfange des kreisfoͤrmigen Stuͤkes. Die Lage der Baken des Laufes in Fig. 1, 2, 3, 5 und 6. bezieht sich einzig und allein auf den gebrauchten Apparat, d.h., sie wurden auf den Punct, C, beschraͤnkt, waͤhrend man ohne Nachtheil sie auch bis, F, an der Schwelle des Laufes verlaͤngern kann, damit das Wasser nicht seitwaͤrts von, C nach, F, entweichen kann. Ich werde diese Bemerkungen mit Anfuͤhrung der Resultate beschließen, welche Hr. Robert zu Falck an einer kleinen Muͤhle erhielt, an welcher er dieses neue Rad anbrachte. Diese Resultate wurden mir von Hrn. de Gargan mitgetheilt, der Ingenieur bei den Bergwerken des Mosel-Departements ist, und der sie an Ort und Stelle aufnahm. Die Muͤhle ging ehemahls mit einem Trog-Rade bei ziemlich starkem Falle; der Eigenthuͤmer hatte aber das obere Wasser zu anderem Gebrauche abgeleitet, und der Fall betrug nun kaum ein Drittel oder Viertel des vorigen; da der aͤltere Muͤhlenbau nicht geaͤndert wurde, so blieb aber der Widerstand derselbe. Nach den waͤhrend der Arbeit genommenen Messungen betrug die Hoͤhe des Wassers uͤber der Schwelle der Schleuse 0 Meter, 84, waͤhrend die Flaͤche der Schleuse 0 Meter, 35 breit, und 0 Meter, 135 hoch war. Das Wasser floß also mit einer Geschwindigkeit von 3 Meter, 89 aus, und erzeugte, nach der Theorie, 0 Meter, 184 oder 184 Kilogr. Aufwand in Einer Secunde, welchen es dienlich seyn wird, auf 0,67. 184 = 123 Kilogramme zu reduciren, weil die Zusammenziehung nur oben und an den Seiten der Muͤndung Statt hatte. Auf der anderen Seite muß man mit Hrn. Navier (Architecture hydraulique de Bélidor, Note dn, §. 3.) voraussezen, daß die theoretische Geschwindigkeit, 3 Meter, 89, auf 0,89. 3,89 = 3 Meter, 46 in der Naͤhe des Rades reducirt wurde. Da die dieser Geschwindigkeit zugehoͤrige Hoͤhe = 0 Meter, 61 ist, so war die Menge der Kraft, die das Wasser bei seinem Eintritte in das Rad besaß, 123 Kilogr. 0 Meter, 61 = 75 Kilogr. erhoben auf 1 Meter in der Secunde. Da Hr. de Gargan fand, daß stuͤndlich 31 Kilogramme Mehl, oder 0 Kilogr. 0086 in Einer Secunde erzeugt wurden, so kommt dieß, nach einer Schaͤzung des Hrn. Montgolfier (Vergl. Bélidor a. a. O. Note di) einer Menge der Kraft von 750000/117 . 0,0086 = 55 Kilogr. erhoben auf 1 Meter gleich, alle Widerstaͤnde mit inbegriffen. Das Verhaͤltniß der benuͤzten Menge der Kraft zu der aufgewendeten ist also 55/75 = 0,73; ein Resultat, wodurch diejenigen Resultate, welche durch Versuche im Kleinen nach der Abhandlung angestellt wurden, bestaͤtiget werden. Man wird uͤbrigens bemerken, daß das nach unseren Erfahrungen gebaute Rad 4 Meter, 05 im Durchmesser hatte, und 10 Umdrehungen in Einer Minute machte; was eine Geschwindigkeit von 2 Meter, 12 in Einer Secunde voraussezt, = 212/346 = 0,61 derjenigen Geschwindigkeit, die das Wasser bei seinem Eintritte auf das Rad besaß; diese Geschwindigkeit war also etwas groͤßer. Wenn man, uͤbrigens, die benuͤzte Wirkung, 55 Kilogr., mit der, in Folge des ganzen Falles, angewendeten Wirkung vergleicht, die hier 0 Meter, 92 war, so findet man ein Verhaͤltniß, welches sich wenig von 1/2, entfernt, und welches noch vortheilhafter gewesen waͤre, wenn man von der Kraft des Wassers mehr Vortheil haͤtte ziehen koͤnnen, indem man die Zusammenziehungen vermieden, und den Mechanismus der neuen Muͤhle und die Dimensionen der Muͤhlsteine der Kleinheit der Kraft angepaßt haͤtte. Metz den 14. Dezbr. 1825.