Titel: Ueber die Entwikelung von salpeterigem Gase während der Gährung der Runkelrüben-Syrupe und der Methode, Runkelrüben-Syrup vortheilhaft auf Weingeist zu benüzen. Von Hrn. Tilloy, Apotheker zu Dijon. Eine am 17. Sept. 1825 an Academie royale de medicin, section de Pharmacie, vorgelesene Notiz.
Fundstelle: Band 20, Jahrgang 1826, Nr. CXXV., S. 485
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CXXV. Ueber die Entwikelung von salpeterigem Gase während der Gährung der Runkelrüben-Syrupe und der Methode, Runkelrüben-Syrup vortheilhaft auf Weingeist zu benüzen. Von Hrn. Tilloy, Apotheker zu Dijon. Eine am 17. Sept. 1825 an Academie royale de medicin, section de Pharmacie, vorgelesene Notiz. Aus dem Journal de Pharmacie. 1826. Maͤrz. p. 183. Tilloy, über die Entwikelung von salpeterigem Gase während der Gährung der Runkelrüben-Syrupe etc. Hr. Descroisilles schreibt die Entwikelung von salpeterigem Gase aus den Runkelruͤben-Syrupen der Zersezung der salpetersauren Salze durch Schwefelsaͤure zu, und stuͤzt seine Theorie auf folgende Erscheinungen. „Man bringe,“ sagt dieser Chemiker, „soviel von einem salpetersauren Salze, als man will, in die heiße Aufloͤsung eines zukerhaltigen Extractes, und man wird, bei den Graden von Concentration und von Waͤrme, die man gewoͤhnlich bei diesen Kochungen anwendet, kein salpeteriges Gas erhalten etc.“ „In mehreren Runkelruͤbenzuker-Fabriken wird Aezkalk angewendet; dieß erfordert spaͤter die Anwendung von Schwefelsaͤure, und zwar wahrscheinlich um den Kalk zu saͤttigen, nachdem er die verlangte Wirkung hervorgebracht hatDiese Ansicht ist eben so irrig, als das Verfahren fuͤr die Zukerausbeute nachtheilig. Der Zusaz des Kalkes geschieht beim beginnenden Einkochen des frisch ausgepreßten Runkelruͤbensaftes als Mittel zum Klaͤren desselben. Ein beobachtender Runkelruͤben-Zukerfabrikant kennt schon aus Erfahrung, wie viel er dem in Arbeit befindlichen Safte zur voͤlligen Klaͤrung zuzusezen hat, welches bedingte Verhaͤltniß auf den Syrup und den daraus durch Koͤrnung oder Kristallisation abzuscheidenden Zuker nicht nachtheilig wirkt. Wird dagegen dem Safte mehr Kalk (wie dieß in Frankreich der Fall zu seyn scheint), als zur Klaͤrung desselben erforderlich ist, zugestzt, und derselbe darauf durch Schwefelsaͤure als Gyps (schwefelsaurer Kalk) aus der Fluͤßigkeit gefaͤllt, dann werden die in dem Runkelruͤbensafte befindlichen Pflanzensaͤuren (Weinsteinsaͤure, Aepfelsaͤure u.s.w.), welche mit dem Kalke unaufloͤsliche Verbindungen eingingen, durch die Schwefelsaͤure wieder von ihrer Verbindung mit dem Kalke getrennt, welche darauf dem Koͤrnen oder Kristallisiren des Zukers aus dem eingedikten Syrupe sehr hinderlich sind, und die Ausbeute an wirklichem Zuker bedeutend vermindern, wie dieses in der fruͤher hier in Augsburg bestandenen Runkelruͤben-Zukerfabrike vielfaͤltig beobachtet worden ist. A. d. Red.; uͤbersteigt aber das Verhaͤltniß der Saͤure jenes des Kalkes, so kann diese uͤberschuͤßige freie Saͤure gegen das Ende des Kochens offenbar ein salpetersaures Salz, vorzuͤglich wenn es aus salpetersaurem Kalke besteht, zersezen, so daß sich dann salpeteriges Gas entwikeln wird. Am Ende dieses AufsazesDen wir seiner Zeit in Bd. XVIII. S. 398, des polytechn. Journals mittheilen. A. d. Red. befindet sich im Journal de Pharmacie eine Note von Hrn. Robiquet, der die Theorie des Hrn. Descroisilles fuͤr unwahrscheinlich haͤlt, und vielmehr glaubt, die Entwikelung des salpeterigen Gases entstehe durch die Einwirkung der organischen Produkte auf die salpetersauren Salze; als Beleg hierzu fuͤhrt er folgende Thatsachen an: „Hr. Derosne bemerkte eine aͤhnliche Entwikelung von salpeterigem Gase waͤhrend der Gaͤhrung von Runkelruͤbensaft, dem weder Kalk noch Schwefelsaͤure zugesezt worden war. „Hr. Guibourt sah ein schlecht gekochtes Boretsch-Extract, aus welchem beim Umruͤhren mit einem Spatel Blasen von roͤthlichem Gase aufstiegen. „Hr. Chevallier bemerkte endlich, daß auch Waid-Blaͤtter nach einer Gaͤhrung von 2–3 Tagen salpeteriges Gas gaben.“ Zu diesen, von Hrn. Robiquet angefuͤhrten, Thatsachen will ich nun noch zwei andere hinzufuͤgen. Es wurde gruͤner Wermuth, der nur einen Tag lang aufgehaͤuft lag, mit der gehoͤrigen Menge Wassers in eine Destillir-Blase gebracht, um die Essenz aus demselben auszuziehen; in dem Augenblike, wo die Destillation anfing, entwikelte sich viel salpeteriges Gas daraus. Hr. Chauvelin hatte im J. 1820 wenigstens 12 Tonnen Syrup von seiner Runkelruͤbenzuker-Fabrication; er wollte dieselben benuͤzen, und ließ einen Apotheker von Dijon kommen, um diesen Syrup in Gaͤhrung zu versezen und Brantwein daraus zu gewinnen. Dieser Apotheker verduͤnnte einen Theil der Melasse mit Wasser, sezte ihr Bier-Hefen zu; die Fluͤßigkeit gerieth in Bewegung; es entwikelte sich etwas Kohlensaͤure, hierauf salpeteriges Gas, und die Gaͤhrung hoͤrte auf. Da er dieses Mißlingen bloß der schlechten Qualitaͤt der Hefen zuschrieb, so wiederholte er sein Verfahren mit neuem Syrupe und frischen Hefen; allein er war darob nicht gluͤklicher. Nach mehreren anderen mißlungenen Versuchen gab er endlich das Ganze auf, und ließ den Eigenthuͤmer noch mehr mit seiner Waare in Verlegenheit. Sie wurde nun mir angetragen, und ich verlangte 25 Kilogramme davon zur Probe. Dieser Syrup besaß einen etwas ammoniakalischen Geruch, und enthielt noch viel krystallisirbaren Zuker. Ich hielt es fuͤr zwekmaͤßig, denselben mit einer Saͤure zu saͤttigen, ehe ich ihn in Gaͤhrung versezte. Ich verduͤnnte daher diese 25 Kilogr. Syrup mit 7–8 Mahl soviel Wasser, und sezte soviel Schwefelsaͤure zu, daß die Fluͤßigkeit, wo nicht sauer, doch neutral war; hierauf vertheilte ich Bierhefen in derselben. Die Gaͤhrung zeigte sich bald, ging gut, und ich erhielt durch Destillation eine solche Menge Brantwein, als nur die, beste Zukerrohr-Melasse gegeben haben wuͤrde (wenigstens das Volumen des Syrupes). Dieser Versuch veranlaßte mich, mit dem Eigenthuͤmer um die ganze Partie zu unterhandeln. Ich arbeitete nun auf dieselbe Weise mit 50 Kilogr. Die Gaͤhrung stellte sich bald ein, allein, es entwikelte sich dabei soviel rothliches Gas, daß man sich nicht naͤhern konnte, und die Gaͤhrung hoͤrte auf. Erstaunt uͤber diese Erscheinung, welche bei meinem ersten Versuche nicht Statt hatte, glaubte ich, daß diese Melasse von jener verschieden sey, die ich zur Probe bekommen hatte. Ich konnte nicht annehmen, daß das salpeterige Gas das Resultat der Zersezung eines salpetersauren Salzes durch Schwefelsaͤure sey; denn der Syrup war mit 7 Theilen Wasser verduͤnnt, so daß die Salpetersaͤure, die von ihren Basen durch die Schwefelsaͤure abgeschieden wurde, in der Aufloͤsung geblieben und nicht zersezt worden waͤre. Ich verwarf daher diese Theorie, und da ich keine andere Ursache, als die Wirkung der organischen Producte auf die Salpetersaͤure, die durch die Bierhefen beguͤnstigt wird, ausfindig machen konnte, so hielt ich es fuͤr zutraͤglich, diesen Zustand des Syrups oder dieses zukerhaltigen Gemenges umzuaͤndern. In dieser Absicht nahm ich 100 Kilogr. davon, verduͤnnte sie hlpß mit der doppelten Menge Wasser (dem Gewichte nach), und sezte soviel Schwefelsaͤure zu, als noͤthig war, um die Fluͤßigkeit merklich sauer zu machen. Es entstand lebhaftes Aufbrausen, wobei sich bloß eine große Menge Kohlensaͤure entwikelte; ich ließ hierauf das Ganze bis zum Sieden erhizen, und 1/6 Stunde lang sieden, waͤhrend welcher Zeit ich keine Entwikelung von salpeterigem Gase bemerkte. Hierauf zog ich die Fluͤßigkeit vom Feuer zuruͤk, verduͤnnte sie mit 4 Raumtheilen Wasser, und sezte dann Bierhefen zu. Die Gaͤhrung entwikelte sich bald darauf, wurde sehr lebhaft, und gab keine Spur von salpeterigem Gase. Nach Beendigung der Gaͤhrung nahm ich die Destillation vor, und erhielt eine verhaͤltnißmaͤßig gleiche Menge Brantwein, wie bei meinem ersten Versuche. Auf dieselbe Weise verfuhr ich mit den 10 Tonnen Syrup, die ich besaß; und die Resultate davon waren eben so entsprechend. Aus dem Gesagten geht hervor, daß, der Syrup mag sauer oder schwach alkalisch seyn, salpeteriges Gas entwikelt wird, und die Gaͤhrung aufhoͤrt, wenn der Syrup mit 6–7 Raumtheilen Wasser verduͤnnt, und mit Bierhefen gemengt ist, und daß es, zur Vermeidung dieser Gas-Entwikelung, hinreicht, den Syrup mit dem Doppelten seines Gewichtes Wasser, und beilaͤufig 3–4 per Cent Schwefelsaͤure einen Augenblik kochen zu lassen. Die Entwikelung des salpeterigen Gases laͤßt sich also nicht dieser Saͤure zuschreiben; denn bei dem lezten Versuche, wo doch die guͤnstigsten Umstaͤnde dazu zugegen sind, zeigt sich keine Spur davon, und auch bei der Gaͤhrung erzeugte es sich nicht mehr. Dieses Gas veraͤndert die Fluͤßigkeit, so wie es auch die schwefelige Saͤure etc. thun wuͤrde. Meine Geschaͤfte erlauben mir nicht mehr, Versuche hieruͤber anzustellen, um eine Theorie darauf gruͤnden zu koͤnnen; der Zwek dieses Aufsazes ist daher bloß, den Runkelruͤben-Zuker-Fabrikanten zu zeigen, wie sie mit Vortheil ihre Melassen in Gaͤhrung versezen koͤnnen.