Titel: Theorie der Wirkung der Hausenblase bei dem Klären. Von Hrn. Payen.
Fundstelle: Band 21, Jahrgang 1826, Nr. LII., S. 232
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LII. Theorie der Wirkung der Hausenblase bei dem Klären. Von Hrn. Payen. Aus dem Journal de Chimie médicale. Nov. 1825 im Bulletin des sciences technologiques. May. 1826. S. 279. (Im Auszuge.) Payen's, Theorie der Wirkung der Hausenblase bei dem Klären. Man suchte schon seit langer Zeit ein weniger kostspieliges Mittel zur Klaͤrung der Maͤßigkeiten, als Hausenblase, und die gelehrten Gesellschaften beinahe aller Laͤnder in Europa haben Preisaufgaben hieruͤber ausgeschrieben. Der Ausschuß fuͤr Chemie an der Société d'Encouragement sandte mir eine Abhandlung und Muster eines solchen Surrogates zur Pruͤfung zu, und bei dieser Gelegenheit glaube ich noch unbeachtete Thatsachen wahrgenommen zu haben. Die trokene, im Großen erzeugte Gallerte, die der Gesellschaft zugesendet wurde, war wenig gefaͤrbt, und von auffallender Durchscheinenheit. Bei einer Temperatur von 12 Graden in Wasser geweicht blaͤhte sie sich auf, und ward acht Mahl voluminoͤser. In ungefaͤhr 50 Theilen ihres Gewichtes heißem Wasser aufgeloͤst, stokte sie, bei einer Temperatur von 12°, wieder der zu einer consistenten Gallerte, und wirkte auf Pflanzen-Farben weder sauer noch alkalisch. Die Zaͤhigkeit oder Haltbarkeit derselben war, verglichen mit anderen Arten von Leim, wie sie in Handel vorkommen, staͤrker, als bei den meisten dieser lezteren; sie gab, mit einem Worte, alle Merkmahle einer waͤhrend ihrer Erzeugung so wenig, wie moͤglich, veraͤnderten Gallerte. Angewendet zu Sulzen in der Kuͤche und in der Apotheke, zum Schlichten feiner Gewebe, zur Fabrication falscher Perlen, zum Fassen der Edelsteine, zur Verfertigung des englischen Taffetes diente sie so gut, wie Hausenblase, und noch besser; denn sie hatte noch weniger Geschmak, und durchaus nicht den Fischgeschmak, den man an der Hausenblase immer mehr oder weniger wahrnimmt. Allein, nie gelang es uns mit dieser Gallerte BierMan sieht hieraus deutlich, daß man in Frankreich noch kein gutes Bier brauen koͤnne, weil man eines anderen Mittels zur Klaͤrung desselben bedarf, als die Gaͤhrung selbst. A. d. Ueb. zu klaren, oder irgend eine andere Fluͤßigkeit. Dieser auffallende Unterschied zwischen zwei Koͤrpern, die uͤbrigens ganz identisch zu seyn scheinen, veranlaßte uns zur genauesten Untersuchung der Ursache dieses Phaͤnomenes. Wir vermutheten hier eine mechanische Ursache, und bedienten uns daher des Euler'schen Mikroscopes von Hrn. Vinc Chevalier, um das Gefuͤge der Hausenblase in den verschiedenen Zustaͤnden, in welchen man sich derselben zum Klaren bedient, zu untersuchen. Wenn man Hausenblase in kaltes Wasser 36 Stunden lang einweicht, so erscheint sie als ein Gewebe von Faserhaͤuten; wenn man sie dann zwischen den Fingern knoͤtet, und zu einem gallertartigen Breie macht, zeigt sie gerade, wie Perlmutter schillernde, Fasern, die in der Fluͤßigkeit zerstreut sind, wenn man sie dann in weißen Wein einruͤhrt, so nimmt sie sehr an Umfang zu, und ihre gallertartige Consistenz wird fester. Sie besteht dann aus einer Menge hoͤchst feiner und biegsamer Fasern, die sich, wie ein Nez, in allen Theilen der Fluͤßigkeit ausbreiten. Dieses Nez koͤnnte nun das Klaren erklaͤren, wenn man annaͤhme, daß, waͤhrend dasselbe niedersinkt, es alle in der Fluͤßigkeit schwebenden Theilchen mit sich nimmt. Indessen, wenn man Hausenblase in reinem Wasser zerruͤhrt, behaͤlt sie einen so bedeutenden Umfang, daß es uns unmoͤglich scheint, daß sie jene Stoffe alle mit sich zu Boden fuͤhrt, welche das Bier truͤben, wenn anders irgend ein Hinderniß dabei sich zeigen sollte. Die Hausenblase darf also nicht schlaff in der Fluͤssigkeit vertheilt bleiben, sondern irgend ein chemisches Mittel scheint die Zusammenziehung derselben, eine gewisse Spannung, bewirken zu muͤssen. Um darauf zu kommen, welches chemische Mittel diese Wirkung erzeugen kann, haben wir die zubereitete Hausenblase nach und nach mit jedem Bestandteile des zu klaͤrenden Bieres in Verbindung gebracht. Wir nahmen Wasser, welches einige Kalksalze enthielt, schwache Hydrochlorat-Aufloͤsungen, schwefelsaure Pottasche, wesentliches Oehl, eine etwas gezukerte Fluͤßigkeit; Alkohol mit 15 bis 20 Gewichttheilen mit Wasser gemengt; Wasser, in welches etwas Starkmehl eingeruͤhrt wurde; eine Schleim-Aufloͤsung cc.; alle diese Fluͤßigkeiten zogen verduͤnnte Hausenblase nicht merklich zusammen. Wir dachten nun an die weniger aufloͤslichen Stoffe im Biere, und hier fielen uns die Hefen ein. Etwas weniges trokene, im Laboratorium zu Gaͤhrungs-Versuchen aufbewahrte, Hefen wurden in Wasser geweicht, und in demselben durch Reibung verduͤnnt. Einige Tropfen davon in reines Wasser gethan, machten dasselbe gleichfoͤrmig truͤbe schillern. Ein Hundertel zubereiteter Hausenblase (dem Umfange nach), wurde in diese getruͤbte Aufloͤsung gebracht, damit kraͤftig geschuͤttelt, und dann hingestellt, um sich zu sezen. Schon in einer Minute sah man deutlich faserige Floken erscheinen, die sich anhaͤuften, sich in einander zuruͤkzogen, die Fluͤßigkeit durch ihre unzaͤhlbaren Maschen gleichsam durchpreßten, bis endlich das ganze Nez sich zu Boden sezte, und die Fluͤßigkeit hell blieb. Diesen Versuch, der uns entscheidend schien, wiederholten wir oͤfters, immer mit dem besten Erfolge: nur durften weder die Hefen noch die Hausenblase im Ueberschuͤsse vorhanden seyn: denn sonst erfolgte keine Klaͤrung. Um auf eine noch entschiedenere Weise den Einfluß des Gewebes der Hausenblase bei dem Klaren zu erweisen, desorganisirte man (wenn man so sagen darf) dieselbe durch Aufloͤsung in kochendem Wasser. Auf diese Art in eine Gallerte verwandelt, schlug sie die Hefen nicht mehr nieder. Aus diesen Gruͤnden aͤnderte die Société d'Encouragement auch ihre Preis-Aufgabe ab,Siehe polyt. Journ. Bd. XIX. S. 203. und verlangte keine Gallerte mehr, die, wie Hausenblase, Bier klaren kann. Die Zusammenziehung welche Hefen auf verduͤnnte Haufenblase hervorbringen, biethet ein neues Mittel dar, Fluͤßigkeiten kalt zu klaͤren, welches unter gewissen Umstaͤnden sehr nuͤzlich seyn kann. Das Gewebe der gallertartigen Haute der Fische koͤnnte vielleicht vermuthen lassen, daß eine aͤhnlich gebildete Substanz in thierischen Stoffen, welche Gallerte liefern, vorhanden seyn, und aͤhnliche Wirkung erzeugen koͤnnte, wenn man diese Substanz ohne Desorganisation durch Sieden zu erhalten vermoͤchte. Hr. Payen behandelte in dieser Absicht Kalberfuͤße mit schwacher Salzsaͤure, wodurch er die thierische Gallerte frei von allem phosphorsauren Kalke erhielt; er ließ erstere in einem Moͤrser stoßen, erhielt aber dadurch nur grobe Faden, keine Faserchen, mittelst welcher man Bier klaren konnte.