Titel: Bericht der HHrn. Thenard und de Blainville, in der Sizung der Académie des Sciences am 19. Junius 1826, über eine neue Art auf Stein zu zeichnen, die Hr. Paul Laurent, Mahler, ehemaliger Zögling der polytechnischen Schule und Professor der Zeichenkunst an der Forstschule zu Nancy der Akademie mittheilte.
Fundstelle: Band 23, Jahrgang 1827, Nr. LXII., S. 254
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LXII. Bericht der HHrn. Thenard und de Blainville, in der Sizung der Académie des Sciences am 19. Junius 1826, uͤber eine neue Art auf Stein zu zeichnen, die Hr. Paul Laurent, Mahler, ehemaliger Zoͤgling der polytechnischen Schule und Professor der Zeichenkunst an der Forstschule zu Nancy der Akademie mittheilte. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Septbr. 1826. S. 89. Thenard's, Bericht uͤber eine neue Art auf Stein zu zeichnen. Man hat bereits oͤfters versucht, die Lythographie, dieses einfache und wohlfeile Mittel Original-Zeichnungen zu vervielfaͤltigen, auf Gegenstaͤnde der Naturgeschichte anzuwenden; ungluͤklicher Weise wollte es bisher, wenigstens in Frankreich, nicht gelingen, das feinere Detail in Abbildungen von Thieren und Gewaͤchsen, vorzuͤglich im Baue der lezteren, und besonders, wenn die Gegenstaͤnde sehr klein waren, durch Lythographie darzustellen, was ausschließlich davon herruͤhrt, daß die lythographische Tinte nie fluͤßig genug ist, um mit sehr feinen Federn aufgetragen werden zu koͤnnen. Ueberdieß brauchte man immer viele Zeit, um auch die einfachste feinere Zeichnung zu vollenden. Die Arbeit brauchte um so laͤnger, und verlor uͤberdieß noch um so mehr an Genauigkeit, als die Art, wie man die Original-Zeichnung auf den Stein uͤbertrug, sehr mangelhaft war. Man mußte naͤmlich mit Roͤthel pausen, d.h. den Ruͤken der Original-Zeichnung mit Roͤthel uͤberstreichen, und alle Striche derselben mit einer troknen Spize uͤberfahren, wodurch dann dieselben auf dem Steine roth erschienen. Man mußte ferner dieselben rothen Striche wieder mit der lythographischen Tinte uͤberfahren, und erst, nachdem alles dieses geschehen war, konnte man die Zeichnung weiter ausarbeiten und vollenden. Die Zeichnung war also hier die dritte Copie des Originales, das durch soviele Uebertragungen nothwendig mehr oder minder gelitten haben mußte. Man brauchte hierzu viel Zeit, und erhielt doch meistens nur grobe Striche, und gewoͤhnlich eine merkliche Vergroͤßerung der Zeichnung selbst. Herr Laurent suchte alle diese verschiedenen Nachtheile zu beseitigen, und, nach vielen fruchtlosen Versuchen, die er in seiner Eingabe an die Akademie erzaͤhlt, fand er endlich folgendes Verfahren, welches, eine Nachahmung desjenigen ist, dessen sich die Kupferstecher bedienen, am zwekmaͤßigsten. Er paust die Original-Zeichnung auf Leim-Papier durch, das durchsichtig wie Glas ist, (weßwegen man es auch Spiegel-Papier, papier glace, nennt,) so wie die Kupferstecher bei ihren Aez-Arbeiten es zu thun pflegen, indem er Strich vor Strich mit einer troknen, mehr oder minder feinen, Spize nachfaͤhrt; statt aber die dadurch in dem Leim-Papiere entstehenden Furchen mit gepuͤlvertem Roͤthel auszufuͤllen, nimmt er dazu die lythographische Kreide. Er klebt hierzu das Leim-Papier mit der sorgfaͤltig durchgepausten Zeichnung auf Pappendekel oder auf ein Brett auf, und traͤgt mittelst feiner Leinwand einen ziemlich harten Teig aus lythographischer Tinte in Terpenthin-Essenz aufgeloͤst (den man sich in einem Loͤffel uͤber der Flamme einer Kerze bereiten kann,) auf die Zeichnung auf dem Leim-Papiere auf, worauf dann dasselbe mit weißer Leinwand solang abgewischt wird, bis es vollkommen rein ist, und nur die Furchen allein mehr Schwaͤrze enthalten. Diese, nun auf obige Weise geschwaͤrzte, Zeichnung wird mittelst der Presse, wie es die Kupferstecher bei dem Uebertragen ihrer Pausen auf Kupfer thun, auf den Stein uͤbergetragen. Hr. Laurent bedient sich hierzu der senkrechten Presse der Papiermacher, unter welche er den Stein und auf diesen die auf Leim-Papier gepauste Zeichnung bringt, auf welche er 20 bis 25 Blaͤtter Papier legt, das er in Wasser tauchte, in welchem kochsalzsaurer Kalk aufgeloͤst ist. Auf dieses leztere Papier kommt ein Stein, und, um dem Zerbrechen des lezteren vorzubeugen, so wie desjenigen, auf welchem die Zeichnung abgedrukt werden soll, legt man beide zwischen zwei Lagen Papier von der Dike wenigstens eines Zolles. Die Presse wird nun angezogen, und man laͤßt den Stein Eine Stunde lang unter der Wirkung derselben. Bei dem Herausnehmen des Steines und des Leim-Papieres wird man finden, daß das lezte Blatt Papier unter dem Leim-Papiere dicht mit demselben zusammenhaͤngt, und daß das Leim-Papier selbst mehr oder minder an dem Steine anklebt. Mag sich uͤbrigens dieses Leim-Papier leicht von dem Steine abloͤsen, oder mag es so stark an demselben kleben, daß man es mit heißem Wasser aufloͤsen muß, die Zeichnung bleibt einmahl auf dem Steine. Ehe man nun die Zeichnung auf diesem lezteren retouchirt, darf man nur, wenn es nothwendig seyn sollte, den Stein mit kaltem Wasser solang waschen, bis keine Spur von Leim sich mehr auf demselben zeigt. Die lythographische Kreide wird sich, sagt Hr. Laurent, nicht dadurch aufloͤsen, indem der kochsalzsaure Kalk dieß hindert. Die Basis desselben, der Kalk, bildet naͤmlich mit dem Oehle der Seife eine unaufloͤsbare Seife, und die Kochsalzsaͤure verbindet sich mit der Soda der Seife, und bildet mit derselben ein aufloͤsliches Salz, das sich wegwaschen laͤßt. Dieser kochsalzsaure Kalk wirkt ferner auch dadurch, daß er das Leim-Papier befeuchtet, und dasselbe sich desto leichter von der fetten lythographischen Tinte loͤsen laͤßt. Dieß ist die sinnreiche und leichte Methode, durch welche Hr. Laurent eine vollendete Zeichnung der Umrisse mit lythographischer Tinte auf dem Steine erhaͤlt. Durch Retouchiren mit dem Griffel und Schraffiren mit dem Stifte kann man der Zeichnung alle erforderliche Genauigkeit und Nettigkeit geben. Hr. Laurent hat, als Muster, einige nach dieser Methode verfertigte Zeichnungen eingesendet, die beinahe so gut gerathen sind, als wenn sie geaͤzt waͤren. Die oben angefuͤhrten Commissaͤre ließen, aber, dessen ungeachtet, unter ihren Augen Versuche von Hrn. Prevost, Mahler fuͤr Naturgeschichte und Zoͤgling des Hrn. Huet (Zeichenmeisters au Jardin du Roi) und von Hrn. Noel, einem sehr geschikten Lythographen, anstellen. Nach mehreren Versuchen erhielten sie Resultate, die jenen des Hrn. Laurent vollkommen glichen. Sie konnten aber nie die Pause unmittelbar abdruken; sie mußten dieselbe immer vorlaͤufig retouchiren. Sie suchten selbst ein Mittel ausfindig zu machen, wodurch sie eine reinere Pause erhalten, und das Retouchiren sich zum Theile ersparen koͤnnten. Sie fanden dieses in der Anwendung folgender lythographischer Tinte, die aus Seife, 1/4 Loth; Schoͤpsen-Talg, 1/2, Loth; gelbem Wachs, 1 Loth; Mastix in Thraͤnen, 1/2 Loth; und aus einer hinlaͤnglichen Menge Kienruß (noir de fumée) besteht. Alle diese Materialien werden bei gelindem Feuer geschmolzen, gehoͤrig gemischt, und mit gleichen Theilen Terpenthin- und Lavandel-Oehl zur Consistenz eines diken Rahmes angeruͤhrt. Sie glaubten ferner ein dikes Brett statt des von Herrn Laurent vorgeschlagenen Steines unter der Presse anwenden zu muͤssen. Sie halten die von Hrn. Laurent vorgeschlagene Methode wirklich fuͤr sehr vortheilhaft fuͤr Zeichnungen anatomischer, naturhistorischer, architektonischer Gegenstaͤnde und sogenannter Ornamente, und uͤberhaupt fuͤr Zeichnungen sehr kleiner und verwikelter Gegenstaͤnde; sie finden sie schneller und bequemer, und zugleich viel genauer. Sie glauben, daß Hr. Laurent sein Verfahren nicht bald genug bekannt machen kann, damit dasselbe durch die weiteren Versuche der Lythographen zu jener Vollkommenheit gelangen kann, deren es noch faͤhig ist.