Titel: Zur Kenntniß des Chinins, Cinchonins und der Chininsäure, von den HHrn. Henry, Sohn und Plisson, Apothekern.
Fundstelle: Band 25, Jahrgang 1827, Nr. CXXII., S. 420
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CXXII. Zur Kenntniß des Chinins, Cinchonins und der Chininsaͤure, von den HHrn. Henry, Sohn und Plisson, Apothekern. (Beschluß von Bd. XXV. S. 137. dieses polyt. Journals.) Aus den Annales de Chimie et de Phys. Jul. 1827. S. 165. Henry, zur Kenntniß des Chinins, Cinchonins und der Chininsaͤure. Ausscheidung der natuͤrlichen chininsauren Salze des Chinins und Cinchonins. Die durch anhaltendes Auskochen der gelben und grauen Chinarinde mittelst Wasser erhaltene FluͤßigkeitDiese natuͤrlichen Salze koͤnnen auch durch Digestion mit Alkohol ausgezogen werden; durch dieses Menstruum loͤst sich aber auch viel Harz und rother Faͤrbestoff auf, daher wir es nicht vorzogen. A. d. O. wird im Marienbade zur Syrupsconsistenz abgedampft: sezt man ihr dann etwa ihr dreifaches Gewicht kaltes Wasser zu, so scheidet sich eine ziegelrothe Substanz aus, von welcher weiter unten gehandelt wird. Die Fluͤßigkeit, welche davon abfiltrirt wird, ist sauer, rosenroth, sehr bitter; man dampft sie zur Haͤlfte ihres Raumes ab, und saͤttigt die freie Chininsaͤure fast ganz durch etwas basisch kohlensauren Kalk; hierauf versezt man sie mit einer geringen Menge Bleioxyd-Hydrat, und wenn sie dann ganz hellgelb und neutral geworden ist, filtrirt man sie. Aus der so erhaltenen Fluͤßigkeit wird das Blei durch Schwefelwasserstoff entfernt, dieselbe sodann im Marienbade zur Syrupsconsistenz abgedampft, und mit Alkohol von 36° behandelt, welcher den chininsauren Kalk und das Gummi nebst etwas chininsaurem Chinin oder Chinchonin ausscheidet. Die geistige Aufloͤsung laͤßt beim Abdampfen einen neuen Ruͤkstand, aus welchem, wenn er oͤfters nach einander in Wasser und Alkohol aufgenommen wird, sich die chininsauren Salze mit organischer Basis krystallisirt darstellen lassen, wobei man aber die Fluͤßigkeit laͤngere Zeit der Luft ausgesezt lassen muß, so wie bei den kuͤnstlich dargestellten chininsauren Chinin und Cinchonin. Wird das Product uͤber freiem Feuer abgeraucht, so verwandelt es sich in ein klebriges Extract, schmilzt, ehe es sich zu zersezen anfaͤngt, und bildet anfangs eine durchsichtige Masse, die nach gebranntem Zuker riecht, worauf sie verbrennt, ohne daß ein merklicher Ruͤkstand bleibt, besonders wenn man die Verbrennung durch reine Salpetersaͤure beguͤnstigt hat. Waͤhrend dieser Operation verbreitet sich der aromatische Geruch des Chinin's oder Cinchonins, den man sehr leicht erkennt, wenn man sich mit diesen Alkaloïden beschaͤftigt hat. Die chininsauren Salze des Chinins und Cinchonins, welche die Fluͤßigkeit enthaͤlt, krystallisiren nur sehr schwer, wegen einer geringen Menge eines gelben Faͤrbestoffes und einer eigenthuͤmlichen pechartigen Substanz, deren Natur wir nicht kennen, welche beide wir bis jezt nicht ganz von den chininsauren Salzen abscheiden konnten. Nur durch wiederholte Aufloͤsungen gelang es uns, sie krystallisirt zu erhalten. Auch das Verdunsten im leeren Raume gab uns keine besseren Resultate. Von dem gelben Faͤrbestoffe haben wir auch eine geringe Menge durch etwas reine Alaunerde abgeschieden. Diese chininsauren Salze, welche wir bis jezt nur auf eine Weise ausscheiden konnten, die vielleicht viel zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt, wird man wahrscheinlich in Zukunft in reineren und weißeren Krystallen erhalten koͤnnen; wir glauben jedoch, daß sie auch in dem Zustande, worin wir sie erhielten, nicht ohne alles Interesse sind. Natuͤrliches chininsaures Chinin. Diese Verbindung deren Krystallform wir wegen der Faͤrbung derselben, nicht bestimmen konnten, ist im Wasser leicht aufloͤslich, sehr bitter, und loͤst sich in Alkohol von 36° nur in geringer Menge auf. Durch Erhizen zersezt sie sich, ohne einen merklichen Ruͤkstand zu hinterlassen. Beim Abdampfen bildet sie in dem Gefaͤße einen klebrigen Ueberzug, der befeuchtet und der Luft ausgesezt, krystallinische Koͤrner gibt. – Ammoniak, Kali, Kalkwasser zersezen es, Chinin wird frei, und chininsaures Kali, chininsaures Ammoniak u.s.w. gebildet. Natuͤrliches chininsaures Cinchonin. Dieses Salz verhaͤlt sich wie das vorhergehende. Ammoniak bringt darin einen weniger flokigen Niederschlag hervor, welcher in Alkohol aufgeloͤst, krystallisiren kann. Anmerkung. Wir haben gefunden, daß diese Verbindungen durch Kalkbrei so zersezt werden, daß Chinin und Cinchonin frei werden, und chininsaurer Kalk, welcher sehr leicht davon abgeschieden werden kann, entsteht. Dieß ist der deutlichste Beweis, daß diese Salze wirklich chininsaure waren. Um uns aber auch noch auf anderem Wege davon zu uͤberzeugen, zersezten wir sie noch auf zweierlei Art: 1) so, daß mit der Basis ein aufloͤsliches Salz, und 2) so, daß damit ein sehr schweraufloͤsliches gebildet wurde. 1) Das Salz mit organischer Basis wurde in Alcohol aufgeloͤst, und dann tropfenweise mit in Alkohol aufgeloͤstem essigsaurem oder salzsaurem Kalke versezt. Dadurch entstand ein reichlicher Niederschlag von chininsaurem Kalke, welcher gereinigt wurde. Die alkoholische Aufloͤsung, obgleich sie viel essigsaures oder salzsaures Chinin enthielt, krystallisirte nach dem Abdampfen dennoch nicht, wegen einer pechartigen Substanz, welche sie ebenfalls enthielt. Wir schlugen daher das umgekehrte Verfahren ein. 2) Zu diesem Ende loͤsten wir das chininsaure Chinin in reinem Wasser auf, und versezten die Aufloͤsung vorsichtig mit neutralem sauerkleesauren Kali in geringem Ueberschusse. Nach gelindem Erwaͤrmen erhielt man koͤrnige weiße Krystalle, welche mit Wasser ausgewaschen, und dann in Alkohol von 32° wieder aufgeloͤst, sauerkleesaures Chinin in schoͤnen, seidenartigen, perlmutterglaͤnzenden Krystallen gaben, ein Salz, das sich durch Reagentien leicht erkennen laͤßt. Chininsaures Kali gab uns viel krystallisirten, chininsauren Kalk, als wir es mit essigsaurem Kalke in ein Kalksalz umaͤnderten, und den gebildeten chininsauren Kalk mit Alkohol von 36° isolirten. Beweis, daß die organischen Alkalien urspruͤnglich vorhanden sind, und sich nicht erst waͤhrend ihrer Darstellung erzeugen. Die Anwendung von Saͤuren und Metalloxyden zur Ausscheidung der Alkaloïde brachte mehrere geschikte Chemiker auf die Meinung, daß die Alkaloïde dieser neuen naͤheren Bestandtheile des Pflanzenreiches vielleicht eine Folge der Einwirkung der angewandten Reagentien sey. Hr. Robinet hat schon, um diesem Einwurfe zu begegnen, in einer Arbeit uͤber die Anwendung der neutralen Salze zur Pflanzen-Analyse, die Praͤexistenz dieser Alkalien durch Versuche hoͤchst wahrscheinlich gemacht, indem er naͤmlich Salze mit organischer Basis mittelst Zersezung durch doppelte Wahlverwandtschaft darstellte. Da diese Abhandlung aber Gegenstand mehrerer Streitigkeiten wurde, so glaubten wir die China-Arten auf eine, dem Verfahren des Hrn. Robinet ganz analoge Weise behandeln zu muͤssen, mit der Vorsicht, daß wir zuerst den Faͤrbestoff moͤglichst abscheiden wuͤrden. Gelbe Chinarinde wurde also mit destillirtem Wasser ausgekocht, das Product zur Syrupconsistenz abgedampft, sodann wie oben angegeben wurde, mit kaltem Wasser versezt, der Niederschlag abfiltrirt, und die Fluͤßigkeit mit Thierleim gekocht; man dampfte nun im Marienbade zur Extractdike ab, und zog mit Alkohol von 35° das chininsaure Chinin, und ein wenig gelben Faͤrbestoff aus. Dieses Product war nach dem Abrauchen schwach sauer. Wir saͤttigten es sorgfaͤltig mit etwas kohlensaurem Kalke, brachten es in die Enge, und nahmen es nacheinander in Alkohol und Wasser auf (es enthielt keine merkliche Quantitaͤt Kalkfalz); die klare Fluͤßigkeit wurde sodann mit einer Aufloͤsung von neutralem sauerkleesaurem Kali versezt. Da aber das sauerkleesaure Salz mit rosenrothem und gelbem Faͤrbestoffe gemengt war, so hatte man anfangs viele Muͤhe, es gut krystallirt zu erhalten; doch gelangte man dahin. Es konnte uns also kein Zweifel mehr bleiben, daß das Chinin urspruͤnglich als Alkali vorhanden ist, weil wir ein neues Chininsalz durch doppelte Zersezung eines bloßen China-Decoctes erhielten, welches zuvor weder mit Saͤuren, noch mit Metalloxyden behandelt worden war; weil wir außerdem auch die natuͤrlichen Verbindungen des Chinins und der Chininsaͤure ausschieden, freilich durch Anwendung des Bleioxydes, das aber, wie der vorhergehende Versuch beweist, keinen Einfluß auf dieselben haben konnte. Anmerkung. Wir haben aͤhnliche Versuche uͤber das Opium und die Brechnuß angefangen. Wenn die vor uns angestellten Versuche kein Resultat gaben, so ruͤhrt dieß unserer Meinung nach daher, weil man mit dem Chinine ein in Wasser aufloͤsliches (schwefelsaures, salzsaures u.s.w.) Salz darzustellen suchte, welches dann mit dem Faͤrbestoffe gemengt blieb, und eben deßwegen nicht krystallisiren wollte. Da wir nach unserm Versuche uͤber das urspruͤngliche Vorhandenseyn der Alkaloïde die Wirkung der Oxyde und Saͤuren in diesem Falle als Null betrachten koͤnnen, so glauben wir die Anwendung der verduͤnnten Schwefelsaͤure beim Auskochen der Chinarinde, um das natuͤrliche chininsaure Salz auszuziehen, empfehlen zu koͤnnen; die Operation wird dadurch nur erleichtert, und das chininsaure Salz vollstaͤndiger ausgezogen. Weiter oben haben wir gesagt, daß wir in den ChinarindenChinarinrinden noch eine andere Chinin- oder Cinchonin-Verbindung vermuthen, als die mit Chininsaͤure. Diese Verbindung entsteht durch die Vereinigung dieser organischen Basen mit dem Faͤrbestoffe. Diese Substanz ist in den Chinadecocten nicht ohne großen Einfluß, weil ihre Gegenwart selbst in sehr geringer Menge, bekanntlich die Krystallisation des in der Fluͤßigkeit aufgeloͤsten schwefelsauren Chinins verhindern oder aufhalten kann. Man weiß ferner aus den Versuchen des Hrn. Henry Vater, uͤber die Einwirkung des schwefelsauren Chinins oder Cinchonins auf gewisse Weine, daß mehrere dieser Fluͤßigkeiten zum Theile entfaͤrbt werden, indem sich eine gewiße Quantitaͤt des Chinins in sehr inniger Verbindung mit dem Faͤrbestoffe niederschlaͤgt; eine Verbindung, welche die Saͤuren nicht gaͤnzlich zersezen koͤnnen. Andere Versuche, welche uns angehoͤren, und wovon wir sogleich sprechen wollen, befestigen uns noch mehr in unserer Meinung uͤber die Rolle, welche sowohl der unaufloͤsliche, als der aufloͤsliche Faͤrbestoff in den Chinarinden spielt. Ehe wir jedoch von diesen eigenthuͤmlichen Verbindungen handeln, wollen wir nur einige Versuche anfuͤhren, welche erst spaͤter ihre Anwendung finden. Nachdem wir in schwach gesaͤuertem siedendem Alkohole eine gewisse Quantitaͤt Chininroth aufgeloͤst hatten, schlugen wir es durch viel destillirtes Wasser nieder, und suͤßten es aus, bis die Fluͤßigkeit rein davon abging; der Faͤrbestoff enthielt jezt weder Chinin noch Cinchonin. Er wurde neuerdings mit Alkohol behandelt, und die rothe Fluͤßigkeit filtrirt. Dann versezten wir ihn mit schwefelsaurem Chinine, welches gar nicht sauer war, und nachdem wir durch Erwaͤrmung eine vollstaͤndige Aufloͤsung bewirkt hatten, rauchten wir das Ganze bei gelinder Waͤrme zur Trokniß ab. Der trokne Ruͤkstand, sehr sorgfaͤltig gepulvert, und mit sehr viel reinem Wasser behandelt, gab durch langsames Abdampfen dieser Fluͤßigkeit, saures schwefelsaures Chinin, waͤhrend das Pulver, nachdem es so lange ausgesuͤßt worden war, bis alle Schwefelsaͤure ausgezogen war, Chinin enthielt. Denn, nachdem wir es noch einmahl in Alkohol aufgeloͤst hatten, versezten wir die filtrirte Fluͤßigkeit mit aͤzendem Kalke oder Bittererde in Ueberfluß, worauf der daruͤberstehende Alkohol, nach dem Filtriren und Abrauchen eine betraͤchtliche Menge Chinin gab, welches sodann in ein schwefelsaures Salz umgeaͤndert wurde. Wenn wir statt des neutralen schwefelsauren Chinins, sehr saures, schwefelsaures Chinin, in Alkohol aufgeloͤst, anwandten, so zeigte sich neuerdings eine der vorhergehenden aͤhnliche Wirkung, jedoch weniger stark. Der Faͤrbestoff hatte also dem schwefelsauern Chinine eine gewisse Quantitaͤt seiner Basis entzogen, um ein saures Salz und eine eigenthuͤmliche Verbindung, auf welche die Saͤure keine Wirkung hatte, zu geben. Dasselbe geschieht mit gewissen Faͤrbestoffen der Weine. Die Fluͤßigkeit enthielt also zu gleicher Zeit ein saures Chininsalz, und eine Verbindung von Chinin mit uͤberschuͤssigem Faͤrbestoffe. Dieselbe Erscheinung findet bei dem waͤsserigen Decocte der Chinarinden Statt, welches, wie wir schon bemerkt haben, zugleich saures, chininsaures Chinin und Faͤrbestoffe, zum Theile in Verbindung mit dem organischen Alkali enthaͤlt. Diese Verbindungen wollen wir jezt untersuchen. Von dem gelben Faͤrbestoffe. Diese Substanz, welche wir mittelst Schwefelaͤther ausgezogen hatten, der sodann destillirt wurde, erhielten wir aus dem Ruͤkstande dieser Destillation durch Behandlung desselben mit kaltem Wasser. Zugleich wurde dadurch eine rosenrothe Substanz in geringer Quantitaͤt abgeschieden, welche sich auf dem Boden des Gefaͤßes absezte: die gelbe Substanz war mehr adstringirend als bitter. Als wir sie in Verbindung mit einem Ueberschuße reiner gallertartiger Alaunerde mit siedendem Alkohole behandelten, entzog ihr dieses Menstruum kein Chinin daher aus das gelbe Pigment mit dem Alkaloïde keine Verbindung einzugehen scheint. Von dem rothen aufloͤslichen Faͤrbestoffe.Nach verschiedenen Versuchen, die wir mit der grauen Chinarinde anstellten, glauben wir, daß es sich mit den Verbindungen des aufloͤslichen oder unaufloͤslichen Faͤrbestoffes mit dem Cinchonin ebenso verhaͤlt. A. d. O. (Seine Verbindung mit dem Chinin.) Wenn man das waͤsserige Chinadecoct zur Syrupdike abdampft, hierauf mit kaltem Wasser behandelt und filtrirt, so erhaͤlt man eine Fluͤßigkeit, in welcher diese Verbindung enthalten ist; außerdem enthaͤlt sie auch noch besonders, sauren chininsauren Kalk und saures chininsaures Chinin und die gelbe Substanz. Es ist dieselbe Fluͤßigkeit, aus welcher wir das natuͤrliche chininsaure Chinin ausgeschieden haben. Um das Vorkommen obiger Verbindung zu beweisen, befolgten wir zwei Verfahrungs-Arten: 1) Nachdem wir die freie Chininsaͤure vermittelst vorsichtig zugesezten kohlensauren Kalkes fast ganz neutralisirt hatten, erhizten wir die Fluͤßigkeit mit Thierleim, worauf wir sie im Marienbade zur Extract-Consistenz verdunsteten, den Ruͤkstand mit Alkohol von 30° oder 32° uͤbergossen, filtrirten, und diese Fluͤßigkeit abrauchten. Der jezt gebliebene Ruͤkstand gab durch Behandlung mit kaltem Wasser chininsaures Chinin und das Chinin blieb zuruͤk. Anmerkung. Das Chininsalz konnte nur durch oͤftere Behandlung mit Wasser ganz ausgezogen werden, denn es war mit einer pechartigen, nach Leim riechenden Substanz vermengt, welche seine Ausziehung sehr erschwerte. 2) Das klare Chinin-Decoct, welches fuͤr sich sauer reagirte, wurde bei gelinder Waͤrme mit Bleioxyd-Hydrat so lange versezt, bis die Fluͤßigkeit ganz entfaͤrbt und neutral war. Nachdem sie filtrirt und das Blei ausgefaͤllt war, enthielt sie die sauren chininsauren Salze von Kalk und Chinin; aus dem Niederschlage zog Alkohol etwas Chinin aus; er enthielt uͤbrigens keine bemerkenswerthe Quantitaͤt basisch chininsaures Blei, aber wohl den Faͤrbestoff in Verbindung mit dem Oxyde dieses Metalles. Dieses laͤßt uns glauben, daß ein Theil des aufloͤslichen rothen Faͤrbestoffes mit einer geringen Menge Chinin verbunden ist. Diese Verbindung ist roͤthlich-orange, beim Erkalten wird sie dunkler und truͤbt sich; es scheidet sich dabei ein rothes Pulver daraus ab; sie ist ferner in Wasser, Alkohol und den Saͤuren aufloͤslich, welche leztere sie merklich entfaͤrben. Von dem unaufloͤslichen rothen Faͤrbestoffe (Cinchoninroth). Verbindung des Chinins mit dieser Substanz. Diese Verbindung, welche characteristischer ist, als die vorhergehende, ist in reichlicher Menge in dem Chinadecocte enthalten; im Wasser loͤst sie sich kaum, im Alkohol aber reichlich auf; wird sie in der Waͤrme durch verduͤnnte Saͤuren aufgeloͤst, so schlaͤgt sie sich großen Theils beim Erkalten nieder; der ziegelrothe Niederschlag, welchen kaltes Wasser in dem waͤsserigen zum Extracte eingeengten Chinadecocte hervorbringt, wovon im ersten Theile dieser Abhandlung die Rede war, besteht fast ganz aus dieser Substanz. Getroknet und gepulvert ist sie falb roth; ihre Bitterkeit entwikelt sich im Wunde nur nach und nach. Die Saͤuren scheinen sie nicht merklich zu zersezen; die Alkalien allein isoliren die Basis derselben, indem sie mit dem Faͤrbestoffe neue Verbindungen eingehen. Dadurch kann man leicht das Alkaloid daraus abscheiden; man braucht naͤmlich bloß die Verbindung in siedendem Alkohole aufzuloͤsen, sie mit reiner Bittererde oder geloͤschtem Kalke in Ueberschuß zu versezen, worauf der filtrirte Alkohol beim Abdampfen eine sehr merkliche Quantitaͤt Chinin gibt, das sich leicht in schwefelsaures Chinin verwandeln laͤßt. Diese eigenthuͤmliche Verbindung, welche sich in der Waͤrme in schwachen Saͤuren aufloͤst, wird durch das Auskochen der Chinawurzel mit Wasser, da die freie Chininsaͤure in dem Decocte nicht sehr wirksam ist, nur zum Theile aufgeloͤst, und sezt sich beim Erkalten wieder ab. Schwefelsaͤure und Salzsaͤure im verduͤnnten Zustande koͤnnen sie ganz aufloͤsen, wie dieß bei der Bereitung des schwefelsauren Chinins geschieht; aber die Fluͤßigkeiten truͤben sich beim Erkalten, werden gelblichroth, und lassen diese Verbindung fallen. Man kann sie sammeln, genau auswaschen und sich durch das oben angegebene Verfahren uͤberzeugen, daß sie Chinin enthaͤlt. Wenn man, anstatt das saure Chinadecoct mit uͤberschuͤßigem Alkali zu versezen, nur eine sehr geringe Menge davon zusezt, so entsteht ein roͤthlicher Niederschlag; wenn man diesen Niederschlag abscheidet, aussuͤßt und untersucht, so findet man, daß er aus Chinin und Cinchoninroth besteht; durch Saͤuren kann er also nicht zersezt werden, sondern bloß durch Alkalien und Metalloxyde, wie z.B. das Bleioxydhydrat. Man muß daher nothwendig bei der Bereitung des schwefelsauren Chinins die mittelst Schwefelsaͤure oder Salzsaͤure dargestellten Decocte mit Kalk oder Bittererde in Ueberschuß versezen, weil sonst die Verbindung des Chinins mit dem Cinchoninroth, welche mit dem Chinin und dem Kalk- oder Bittererdelak gefaͤllt wird, sich im Alkohole zugleich mit dem Alkaloid wieder aufloͤsen, und eine rothe geistige Tinctur geben wuͤrde, welche destillirt, mit dem Chinin obige Verbindung als ein roͤthliches Pulver zuruͤklassen wuͤrde. Allgemeine Betrachtungen. Das einfache Chinadecoct kann also mit einer Art von Aufloͤsung verglichen werden, worin eine salzfaͤhige Grundlage mit mehreren Saͤuren vorkommt, die alle mit ihr Verbindung eingehen, und dann zwei oder drei salzartige Verbindungen nebst freien Saͤuren bilden koͤnnen; denn bekanntlich muß man, um eine Saͤure ganz aus einer ihrer Verbindungen auszutreiben, von einer anderen Saͤure bei weitem mehr zusezen, als die Basis zu ihrer Saͤttigung davon noͤthig haͤtte. Diese Art, sich die Thatsachen vorzustellen, ist ohne Zweifel vielleicht problematisch; gleichwohl kann man nicht laͤugnen, daß in dem Chinadecocte zu gleicher Zeit Verbindungen von Chinin mit dem Faͤrbestoffe und der Chininsaͤure, worin diese beide in Ueberschuß vorhanden sind, vorkommen. Sollte dieses urspruͤnglich in dieser Pflanze so seyn? Dieß moͤchte sich schwer entscheiden lassen; um Einiges daruͤber zu erfahren, muͤßte man, was schwierig ist, die Fortschritte der Vegetation verfolgen. Gewiß ist, daß, da die Verbindung des unaufloͤslichen rothen Faͤrbestoffes mit dem Chinin von den Saͤuren sehr schwer angegriffen wird, die Chininsaͤure keine merkliche Wirkung auf diese Verbindung haben konnte. In Betreff dieser unaufloͤslichen Verbindung kann man sagen, daß sie das Resultat der Einwirkung des Cinchoninrothes auf das chininsaure Chinin ist? Dieses ist nicht leicht zu entscheiden; soviel ist indessen klar, daß, wenn sich die Sache wirklich so verhaͤlt, diese Einwirkung waͤhrend des Vegetations-Actes Statt finden muß. Denn, wenn man die fein gepulverte Chinarinde oͤfters nach einander mit heißem Wasser infundirt, so entzieht man ihr dadurch nur die chininsauren Salze des Kalkes und Chinins u.s.w., ferner die Verbindung des aufloͤslichen rothen Faͤrbestoffes mit dem Chinin, und ein wenig von der unaufloͤslichen Verbindung, welche durch die freie Chininsaͤure aufgeloͤst worden ist; die so erschoͤpfte Wurzel enthaͤlt eine sehr große Quantitaͤt von dieser leztern Verbindung; deßwegen sollte man glauben, daß sie wirklich praͤexistirt, denn das siedende Wasser muß offenbar ihre gegenseitige Einwirkung, wodurch dieses neue Product entsteht, beguͤnstigen. Wir wollen noch zwei neue Versuche anfuͤhren, welche die Praͤexistenz der Verbindung des Cinchoninrothes mit dem Chinin wahrscheinlich machen. 1) Wir nahmen eine Quantitaͤt dieses Rothes, welches sehr rein war, und nachdem wir es in Alkohol aufgeloͤst hatten, vermischten wir denselben mit einer alkoholischen Aufloͤsung von schwefelsaurem Chinine, das mit einigen Tropfen Saͤure versezt war; nachdem das Ganze sorgfaͤltig filtrirt worden war, goßen wir das 10- oder 12fache Gewicht destillirten Wassers hinzu. (Die alkoholische Aufloͤsung des schwefelsauren Chinins, als sie fuͤr sich mit einem aͤhnlichen Verhaͤltnisse von Wasser behandelt wurde, gab keinen Niederschlag). Das Gemenge truͤbte sich sogleich, und ließ ein in flokiges rothes Pulver fallen, welches mit der groͤßten Sorgfalt ausgesuͤßt wurde. Dieses Pulver gesammelt, neuerdings in Alkohol aufgeloͤst, und sodann mit einem Ueberschuße aͤzender Bittererde behandelt, gab einen unaufloͤslichen Niederschlag, worin der Faͤrbestoff fixirt war; der uͤberstehende Alkohol war wenig bitter: man verdunstete ihn im Marienbade, und das Product war eine gruͤnliche, pechartige, in sehr schwacher Schwefelsaͤure, die davon nicht neutralisirt wurde, kaum aufloͤsliche Substanz; als sie sodann mit Wasser verduͤnnt wurde, erhielt man in der durchgeseihten Fluͤßigkeit kaum Spuren von Chinin: man darf daher annehmen, daß bei dieser Faͤllung das Cinchoninroth nicht merklich auf das Chininsalz gewirkt hatte, waͤhrend es bei dem Versuche, wo Alles zur Trokniß abgeraucht worden war, einen Theil desselben an sich gezogen hatte. 2) Eine sehr gesaͤttigte Tinctur von gelber Chinarinde wurde wie oben mit ihrem 10- bis 12fachen Gewichte reinen Wassers versezt. Der entstandene Niederschlag gab, gut ausgesuͤßt, und auf dieselbe Art wie der vorhergehende behandelt, eine sehr betraͤchtliche Quantitaͤt Chinin. Es ist daher wahrscheinlich, daß hier das Wasser die zwischen dem Alkaloïde und dem Cinchoninrothe bestehende natuͤrliche Verbindung nicht zersezte, und daß es eben so wenig die Bildung desselben, indem es diesen Faͤrbestoff auf das saure chininsaure Chinin einwirken ließ, bewirken konnte, indem der vorhergehende Versuch das Gegentheil zu beweisen scheint. Alles vereinigt sich also, uns in der Meinung zu bestaͤrken, daß die Verbindungen des Chinins mit dem Cinchoninrothe und der Chininsaͤure neben einander urspruͤnglich in der Wurzel enthalten sind. Folgerungen. Aus diesen Versuchen scheint hauptsaͤchlich hervorzugehen: 1) Daß die Alkalitaͤt den alkalischen Substanzen, welche man Alkaloïde nennt, urspruͤnglich eigen ist; 2) daß in den Chinarinden die vegetabilischen Basen zugleich mit der Chininsaͤure in Ueberschuß und dem aufloͤslichen und unaufloͤslichen rothen Faͤrbestoffe vereinigt zu seyn scheinen; 3) endlich, daß die natuͤrlichen Verbindungen des Chinins und Cinchonins mit der Chininsaͤure isolirt werden koͤnnen, und daß man sie, wenn auch schwer, doch krystallisirt erhalten kann.