Titel: | Mittel gegen das Erstiken durch Kohlendampf, und überhaupt durch kohlensaures Gas in Brunnen, Kellern etc. Von Hrn. Labarraque. |
Fundstelle: | Band 26, Jahrgang 1827, Nr. CV., S. 449 |
Download: | XML |
CV.
Mittel gegen das Erstiken durch Kohlendampf, und
uͤberhaupt durch kohlensaures Gas in Brunnen, Kellern etc. Von Hrn. Labarraque.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. N. 279. S. 328.
(Im
Auszuge.)
Labarraque's, Mittel gegen das Erstiken durch
Kohlendampf.
„Am 27. September l. J. wurde ich um 5 Uhr Abends von der Polizei in die
Gasse rue St. Martin, N. 91, gerufen, um mehrere
Feuerloͤscher, die durch den Kohlendampf in dem Keller dieses Hauses, wo
ein großes Faß mit Kohlen brannte, waͤhrend des Loͤschens erstikt
(asphyktisch geworden) sind, wieder in das Leben zuruͤk zu rufen. Der
Keller, in welchem die Kohlen brannten, hatte kein Luftloch; die Luft drang bloß
durch die Thuͤre ein, und man mußte durch einen 5 Klafter langen Gang, um
zu dem brennenden Fasse zu gelangen. Der Hauptmann der Loͤscher, der sich
von dem Stande der Dinge bei diesem Brande uͤberzeugen wollte, drang in
den Keller ein; allein schon auf der dritten Stufe verlosch seine Fakel, und er
fiel asphyktisch zu Boden. Der Commissaͤr des Hauses, der die
Ortsverhaͤltnisse genau kannte, gelangte zwar bis in den Keller hinab,
hatte aber kaum Zeit genug, um wieder uͤber die Stiege herauf zu kommen,
auf welcher er besinnungslos niederfiel. Mehrere Loͤscher stiegen, ihr
Gesicht mit einer Larve bedekt, und mit einer Fakel versehen, hinab, sie konnten
aber kaum ihre Sprizroͤhre ein Paar Fuß weit vorschieben, mußten eilen
wieder herauf zu kommen, und fielen oben auf der Stiege bewußtlos nieder. Ihre
Fakeln waren verloschen. Diese Ungluͤksfaͤlle vermehrten sich auf
eine schrekliche Weise, und wir hatten bereits zehn bis zwoͤlf
Asphyktische zu retten. Wir ließen sie, in dieser Absicht, mit vieler Vorsicht
Ammonium und Aether einathmen, und suchten ihnen ein halbes Glas Wasser
einzubringen, in welches wir drei Tropfen Ammonium und zehn Tropfen Aether
eingetroͤpfelt hatten. Indessen gelang es zwei Loͤschern die
Sprizroͤhre nach dem Brande hinzurichten, und das Feuer in dem Faße zu
ersaͤufen.
Das Wasser stand bereits einen halben Fuß hoch im Keller, und doch konnten diese
unerschrokenen Loͤscher kaum ein Paar Minuten in dem Keller aushalten:
sie fielen, als sie wieder herauf eilten, zu unseren Fuͤßen nieder, und
rangen mit dem Tode. Ich verlangte lebendigen Kalk; es war keiner zu haben. Ich
schikte daher nach meiner Apotheke, wo ich kaustische Soda hatte, und ließ zwei
Pfund von derselben in dem Wasserbehaͤlter der Sprize aufloͤsen.
Der Loͤsch-Hauptmann entschloß sich nun seine Leute nicht ehe
wieder in den Keller hinabsteigen zu lassen, bis die beinahe kaustische
Soda-Aufloͤsung in denselben hinabgesprizt worden waͤre.
Ich versicherte ihm, und mein Versprechen ward erfuͤllt, daß man, sobald
dieß geschehen seyn wuͤrde, in der naͤchsten Minute darauf in den
Keller steigen koͤnnte, ohne daß eine Fakel mehr verloͤschen, oder
ein Menschenleben mehr gefaͤhrdet seyn wuͤrde.Vor ungefaͤhr vier Jahren erhielt ich dasselbe Resultat, als ich
in einen Brunnen einen Scheffel (boisseau)
ungeloͤschten Kalk mit 6 Eimern (seaux) Wasser angeruͤhrt hinabgießen ließ. Am Tage
vorher wurden mehrere Arbeiter in diesem Brunnen asphyktisch, als sie
die Roͤhren in demselben ausbessern wollten. Der Brunnen war sehr
tief. Asphyxien in tiefen Brunnen erneuen sich sehr oft, und es wird
immer gut seyn, ehe man Arbeiter in dieselben hinabsteigen laͤßt,
sich zu uͤberzeugen, ob Kerzen in jeder Tiefe derselben brennen,
und, wenn diese verloͤschen, Kalkmilch in die Brunnen
hinabzuschuͤtten. A. d. O. Mit einer zweiten Aufloͤsung ließ ich die Stiege begießen, und
alles kohlensaure und andere nicht athembare Gas, welches durch die Verbrennung
der Kohlen erzeugt wurde, schien mir dadurch zerstoͤrt; denn mehrere
Personen konnten nun ohne allen anderen Nachtheil in den Keller hinabsteigen,
als daß sie in Wasser waten mußten. Die Erstikten wurden alle gerettet, obschon
einige derselben zwei bis drei Mahl alle Besinnung verloren hatten. Der Hauptmann
versicherte mich, daß er fortan nie mehr seine Loͤscher bei einer
aͤhnlichen Gelegenheit wuͤrde einsteigen lassen, ohne
vorlaͤufig von Soda- oder Kalkwasser reichlichen Gebrauch gemacht
zu haben.“
„Ich empfahl ihm zu diesem Ende 5–6 Pfund ungeloͤschten Kalk
zu nehmen, die Stuͤke zwei Minuten lang in Wasser zu tauchen, dann in
eine Kufe zu legen, und zu Staub zerfallen zu lassen, worauf man dann Wasser
zugießt, um den Kalk gehoͤrig zu verduͤnnen; man ruͤhrt
fleißig um, gießt die truͤbe Fluͤßigkeit in den Behaͤlter
der Pumpe, und sprizt sie nach dem Orte, der mit kohlensaurem Gase
erfuͤllt ist, und wo die Kohle brennt. Vielleicht waͤre es gut,
das Ende der Sprize mit einer Brause, wie an den Sprizkruͤgen zum
Begießen der Pflanzen, zu versehen.“
„Wenn man fuͤrchten sollte, daß die Sprize durch den Kalk verstopft
wuͤrde, so koͤnnte man ein Pfund kaustische Pottasche oder Soda
nehmen, und diese in einer großen Menge Wassers aufloͤsen. Man
koͤnnte vorlaͤufig die Loͤscher mit einem Pfunde der einen
oder anderen dieser Substanzen versehen. Ammonium diente eben so.“
„Dieses Mittel, das so wenig kostbar, so einfach und schon seit einem
halben Jahrhunderte bekannt ist, verdiente unter aͤhnlichen
Umstaͤnden befohlen zu werden. Auch
fuͤr den Fall, wo man in Zimmer eindringen muß, in welchen Leute
zufaͤllig oder absichtlich in Kohlendampf erstikt wurden, wobei das Leben
der Rettenden so oft in Gefahr ist, verdiente dieses Mittel angewendet zu
werden.“