Titel: Bericht des Hrn. Mérimée, im Namen des Ausschusses der chemischen Künste, über eine Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff über das in Rußland gebräuchliche Verfahren bei dem Gärben des Leders.
Fundstelle: Band 27, Jahrgang 1828, Nr. LII., S. 188
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LII. Bericht des Hrn. Mérimée, im Namen des Ausschusses der chemischen Kuͤnste, uͤber eine Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff uͤber das in Rußland gebraͤuchliche Verfahren bei dem Gaͤrben des Leders. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement. N. 280. S. 551. Mérimée's Bericht uͤber das in Rußland gebraͤuchliches Gaͤrben des Leders. Hr. Graf Kartzoff, correspondirendes Mitglied dieser Gesellschaft, versprach bei seiner Ruͤkkehr nach Rußland uns Aufklaͤrung uͤber jeden beliebigen Zweig der Industrie seines Vaterlandes zu geben. Der Ausschuß der chemischen Kuͤnste benuͤzte das guͤtige Anerbiethen, und wuͤnschte genaue Nachricht uͤber die Behandlung der Haͤute. Hr. Graf Kartzoff hat sein Versprechen treu erfuͤllt, und Alles, was wir zu wissen verlangten, ist in seiner Abhandlung klar entwikelt. Diese Abhandlung ist nicht das Resultat verschiedener Auskuͤnfte, die von mehr oder minder unterrichteten Individuen gegeben wurden; sie ist die Frucht eigener Beobachtungen des Verfassers, der absichtlich mehrere Gaͤrbereien in der Naͤhe von Moskau, und in dem Inneren von Rußland besuchte. Die Kenntnisse des Beobachters sind uns Buͤrge, daß kein wichtiger Umstand vernachlaͤßigt wurde. Die Bearbeitung der Haͤute ist eine der aͤltesten Kuͤnste, die ihre Verbesserungen lediglich aus der Erfahrung allein erhalten hat; es darf uns also nicht wundern, daß das rußische Leder im Handel beruͤhmt war, ehe noch die Gaͤrbereien dieses Landes den mindesten Unterricht aus civilisirteren Laͤndern erhielten. Rußland hat jezt in seiner Bevoͤlkerung beinahe alle Grade von Civilisation: man findet jezt daselbst Gaͤrbereien mit allen Einrichtungen, welche eine hoͤhere wissenschaftliche Aufklaͤrung in die Werkstaͤtten der Gaͤrber in Deutschland und England allmaͤhlich eingefuͤhrt hat, und auch noch solche, wo man das Verfahren der Baschkiren aus den Zeiten der Kindheit der Gaͤrberei angewendet und befolgt sieht. In einigen Gegenden des Ural-Gebirges „(so glauben wir wenigstens die contrées des monts Oukals uͤbersezen zu muͤssen),“ werden die Haͤute noch heute zu Tage dadurch gefaͤrbt, daß man sie eine lange Zeit uͤber der Einwirkung des Rauches aussezt, und sie werden bei diesem rohen Verfahren so dicht, so undurchdringlich gegen Naͤsse, daß man sich derselben als Gefaͤße bedienen kann. Undurchdringlichkeit fuͤr Naͤsse ist eine der Haupteigenschaften des rußischen Leders; es verdankt diese Eigenschaft nicht sowohl dem eigentlichen Gaͤrben, das in Rußland von der gewoͤhnlichen europaͤischen Verfahrungsweise bei dieser Arbeit wenig abweicht, als den weiteren Kunstgriffen bei dem Zurichten des Leders. Man bedient sich hierzu des Seehund-Thranes (l'huile de veau marin), und des brennzeligen Oehles, welches man durch Destillation der weißen Birkenrinde erhaͤlt. Man hat vor einigen Jahren in dem Bulletin unserer Gesellschaft ein Verfahren beschrieben, dieses Oehl auf eine sehr einfache Weise mittelst zweier eiserner Kessel per descensum zu bereiten.Polytechn. Journ. Bd. VII. S. 181. und Bd. VIII. S. 386. A. d. R. Das Verfahren des Grafen Kartzoff ist noch einfacher; es bedarf keiner Kessel, ja nicht einmahl des Brennens des Holzes. Man nimmt irdene Toͤpfe mit einem Loche am Boden, und sezt sie auf Kufen, die als Recipienten dienen. In diese Toͤpfe gibt man die weiße Birkenrinde, die man so fest eintraͤgt, als moͤglich; zuͤndet die Rinde an, die leicht Feuer faͤngt: bedekt den Topf mit einem aͤhnlichen Topfe, dessen Boden gleichfalls mit einem Loche versehen ist, durch welches der dike Rauch ausfaͤhrt, waͤhrend das empyreumatische Oehl nach und nach bei dem Loche an dem unteren Boden ausfließt.Es ist sonderbar, daß weder der Hr. Graf Kartzoff, noch der gelehrte Hr. Mérimée bemerkt, daß der alte ehrliche Schwede Kalm diese Methode in seiner Westgothischen Reise schon vor bald 100 Jahren beschrieben hat. (Vergleiche Boͤhmer's techn. Gesch. d. Pfl. 2. Th. S. 400. A. d. Ueb. Bei dieser Verfahrungs-Weise geht allerdings Oehl durch den Rauch verloren;Kalm a. a. O. lehrte diesen Verlust vermeiden. A. d. Ueb. allein, da die Rinde so leicht zu haben ist „(in Baͤrenlaͤndern, aber nicht bei uns),“ so darf man eben nicht sparen. Man beschaͤftigt sich mit dieser Arbeit gewoͤhnlich im Fruͤhjahre. Einige Birkenoͤhlbrenner nehmen auch duͤnne Reiser mit Birken-Knospen dazu, wodurch der Ausfluß des Oehles beguͤnstigt und weniger Ruß erhalten wird. Wenn man diese duͤnnen Zweige in einem gewoͤhnlichen Destillir-Apparate mit frischer Rinde und etwas Wasser destillirt, so erhaͤlt man ein sehr fluͤßiges, wenig gefaͤrbtes, und angenehm riechendes Oehl, das beinahe wie Rosen riecht. In den Regierungs-Bezirken von Archangel, Wologda, Novogorod, Wiatka, und in mehreren anderen beschaͤftigt man sich mehr oder minder mit dieser Oehlbrennerei; die Ausfuhr desselben ist bedeutend. Die Englaͤnder kaufen viel solches Oehl zu Archangel. Daher kann man sich auch erklaͤren, warum man in England so viel Leder findet, das nach Juften riecht. Die Englaͤnder sind zu kluge Kaufleute, als daß sie in Rußland zugerichtetes Leder kaufen sollten. Sie kaufen nur die Materialien, die man zur Zurichtung des Leders braucht, und erhalten dasselbe um einen hoͤchst wohlfeilen Preis. (das Kilogramm zu 55 Centim. [„2 Pfund um etwas mehr als 14 Kreuzer.“]). Wo man keine Eichenrinde hat, nimmt man Weidenrinde. Diese Rinde ertheilt dem Leder einen eigenen aromatischen Geruch, der sich nicht leicht verliert. Diesen Geruch findet man an dem daͤnischen und schwedischen Handschuhleder („das davon braͤunlich wird“). Hr. Graf Kartzoff schikte solche Weidenrinde,Man weiß in Deutschland laͤngst, daß Weidenrinde ein gutes Gaͤrbe-Material ist. Boͤhmer, Beckmann, Burgsdorf, und auch Pallas haben uns dieß vor 50 Jahren gelehrt. A. d. Ueb. eine Flasche Birkenoͤhl, und eine Flasche Seehund-Thran etc. Auszug aus der Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff uͤber das in Rußland gebraͤuchliche Verfahren bei dem Gaͤrben des Leders. Von Hrn. Mérimée. „Die wichtigsten Gaͤrbereien Rußlands liegen in den Regierungs-Bezirken Nischney-Novogorod, Orlow, Moskau, Perm, Kursk und Wladimir. Kasan besizt eine von Peter dem Großen gegruͤndete ungeheuere Gaͤrberei, die der Regierung gehoͤrt, und deren Leder zum Dienste der Flotte bestimmt ist.Das ist eine schlechte Wirtschaft. Staaten sollen keine Fabriken auf ihre Rechnung betreiben. A. d. Ueb. Was Bok- und Kalbfelle zur Bereitung des Maroquins und Buchbinderleders (Basane) betrifft, so hat Kasan sich dieses Zweiges der Industrie ausschließlich bemaͤchtigt. Es sind vorzuͤglich Tartaren, die in den zahlreichen Werkstaͤtten dieser Stadt arbeiten. Die Weise, wie sie die Ziegenfelle bearbeiten, weicht von den gewoͤhnlichen Verfahrungs-Weisen nur darin ab, daß sie sich saurer Stutenmilch bedienen, in welche sie die Haͤute nach dem Abhaaren bringen. Diese Bereitungsart gibt dem Maroquin jene Weichheit, die ihn so sehr auszeichnet, und zu dem verschiedenen Gebrauche, den man von demselben zu machen pflegt, so sehr eignet. Wenn die Haͤute troken sind, taucht man sie in Wasser, damit sie weich werden. Der Grad ihrer Trokenheit und die Temperatur der Luft bestimmt die Dauer dieser Operation. Im Sommer laͤßt man sie ungefaͤhr 4 bis 5 Tage lang im Wasser; im Winter zwei Mahl so lang. Hierauf werden die Haͤute gewaschen, um sie vom Blute und von allen Unreinigkeiten auf ihrer Oberflaͤche zu saͤubern. Man zieht sie in dieser Hinsicht nach allen Seiten hinaus, und schreitet dann zum Abhaaren, welches auf folgende Weise geschieht. Mall legt die Haͤute in Wasser, welchem man vorlaͤufig geloͤschten Kalk zugesezt hat, und laͤßt sie mehr oder minder lang in dieser Kalkkufe, je nachdem die Kaltmilch mehr oder minder stark ist. Anfangs bringt man 80 Kilogramm Kalk in jede Kufe, und wenn man bemerkt, daß die Kalkmilch zu schwach geworden ist, sezt man neuen Kalk zu. Diese Kufen sind aus Tannen- oder Fichten-Holz verfertigt, und jede Kufe haͤlt ungefaͤhr 26 Decimeter im Durchmesser, und 22 Decimeter in der Hoͤhe. Man beschlaͤgt sie mit eisernen Reifen, und senkt sie einige Zoll tief in den Boden der Werkstaͤtte, um sie dann mit Brettern umlegen zu koͤnnen. Diese Art Abzuhaͤren (das Abpaͤlen) wird bei den schweren Haͤuten nicht angewendet. Man bringt dieselben in Kasten, wo man sie uͤbereinander ausbreitet, und, um die Gaͤhrung zu verhindern, mit Salz bestreut. Man bereitet auch, zumahl fuͤr duͤnnere Haͤute, ein saures Bad aus Roken-Kleie. Man sieht oͤfters des Tages bei den Haͤuten nach, um den Augenblik nicht zu versaͤumen, wo die Haare anfangen abzugehen. Man nimmt diese zugleich mit der Oberhaut ab, indem man die Haut auf einem halbwalzenfoͤrmigen Boke („dem Gaͤrber- oder Schabebaume“) mittelst eines Messers mit zwei Griffen, dessen Schneide rund und stumpf ist, abschabt. Hierauf werden sie an der inneren oder Fleischseite mittelst eines scharfen Messers („des Streicheisens“) ausgestrichen, Ochsenhaͤute werden nicht ausgestrichen, weil man der Haut gern ihre ganze Dike belaͤßt; man begnuͤgt sich Haare und Oberhaut abgeschabt zu haben. Um den Kalk wegzuschaffen, der waͤhrend des Enthaarens in die Haͤute eingedrungen ist, waͤscht man sie mehrere Mahle aus. Zu diesem Ende bringt ein Arbeiter dieselben, eine nach der anderen, in eine seichte Kufe, tritt sie mit den Fuͤßen, und kehrt sie dabei immer um, und begießt sie so lange mit heißem Wasser, bis dieses ganz klar weglaͤuft, worauf sie in kaltem fließenden Wasser einen oder zwei Tage lang eingehaͤngt werden. Auf das Enthaaren folgt das Gaͤrben. Damit aber die aufloͤsbaren Theile der Eichenrinde in die Haute eindringen koͤnnen, oͤffnet man die Poren, indem man die Haͤute auftreibt. In dieser Absicht taucht man sie in eine, aus Mehl bereitete, saure Fluͤßigkeit („die Treib- oder Schwell-Farbe“). Fuͤr eine Kufe von obigem Durchmesser und halber Tiefe, werden bald 500 Kilogramm Rokenmehl und 2 oder 3 Kilogramm Salz in laues Wasser eingeruͤhrt; bald 200 Kilogramm Habermehl, 3 Kilogramm Salz und etwas Sauerteig; in einigen Gaͤrbereien nimmt man an der Stelle obiger Bruͤhen einen Aufguß von Gaͤrberlohe in lauem Wasser. Sobald saure Gaͤhrung eingetreten ist, bringt man die Haͤute in die saure Fluͤßigkeit, und laͤßt sie 48 Stunden lang, oder noch laͤnger in derselben. Auf eine Haut von mittlerer Groͤße nimmt man 8 Kilogramm (ungefaͤhr 16 Pfund) Mehl. Die auf diese Weise zur Gaͤhrung vorbereiteten Haͤute werden nun der Einwirkung eines schwachen Eichen- oder Weiderinde-Aufgusses ausgesezt: leztere zieht man vor, weil man sie fuͤr reicher an Gaͤrbestoff haͤlt.Dieß ist zuverlaͤßig nicht der Fall. Sie dient aber deßwegen besser, weil sie weniger Gaͤrbestoff enthaͤlt. Der Hr. Verf. wuͤnscht ja selbst, wie gewiß jeder Gaͤrber mit ihm, einen schwachen Aufguß, eine schwache Lohbruͤhe zum ersten Gaͤrben der Haͤute. A. d. Ueb. Nachdem die Haͤute aus dieser ersten Lohebruͤhe gekommen sind, werden sie auf einen hoͤlzernen Rahmen in der Lohegrube, in welcher die Lohe sich befindet, mit der Narbenseite nach außen ausgebreitet. Man legt sie daselbst uͤbereinander, indem man jede Haut gleichfoͤrmig mit einer Lage grob gestoßener Lohe uͤberstreut, und in dem Maße, als der Haufen groͤßer wird, laͤßt man den Rahmen immer tiefer in die Grube hinab, bis er endlich auf dem Boden aufstoͤßt, den man vorlaͤufig mit einer Schichte Lohe bedekte. Wenn die Grube endlich voll geworden ist, begießt man die Haͤute mit Wasser, oder besser mit der Lohebruͤhe, die von der vorigen Arbeit uͤbrig bleibt, bedekt sie dann mit Brettern, die man mit Steinen beschwert, oder mittelst senkrechter Stangen befestigt, die man gegen die Deke der Werkstaͤtte stuͤzt. In diesem Zustande laͤßt man alles 14 bis 18 Tage, wo man dann die Haͤute herausnimmt, abkehrt, und die Lohe wechselt. Diese Arbeit wird, nach Art des Leders, drei bis sechs Mahl wiederholt: sehr duͤnne Haͤute duͤrfen bloß zwei Mahl gewechselt werden. Wenn das Leder aus der Lohgrube kommt, hat es eine gewisse Steifheit, welcher man dadurch abzuhelfen sucht, daß man es 24 bis 38 Stunden lang in eine Fluͤßigkeit taucht, die aus 60 Kilogramm Habermehl und 4 Kilogramm Salz in Wasser bis zur Consistenz eines duͤnnen Breies eingeruͤhrt einweicht. Diese Masse reicht fuͤr 150 Haͤute von mittlerer Groͤße hin. Hierauf werden die Haͤute ausgewaschen, und man laͤßt sie abtraͤufeln, um ihnen die lezte Zurichtung, das Fett, zu geben. Seehunde-ThranDas wissen wir laͤngst aus dem alten Ritschkow. Sonderbar ist es indessen, daß ein Drukfehler in der deutschen Uebersezung Ritschkow's in alle Handbuͤcher der Technologie, selbst in Beckmann's, uͤberging. Der unsterbliche Beckmann konnte nicht begreifen, wie „Schundefett“ zu Juften kommt. Das Schundefett ist Seehundefett. A. d. Ueb. und reiner Birkentheer oder Birkenoͤhl sind die Substanzen, deren man sich zur Zurichtung des Leders bedient. Sie werden auf folgende Weise angewendet. Das noch nasse Leder kommt verkehrt auf einen großen Tisch. Der Arbeiter taucht seine Hand in die Mischung, faͤhrt mit derselben uͤber das Leder, und verbreitet sie daruͤber so gleichfoͤrmig, als moͤglich. Das Gelingen dieser Arbeit haͤngt vorzuͤglich von der Uebung und Geschiklichkeit des Arbeiters ab. Das Verhaͤltniß des Birkentheeres zum Thrane ist nach der Natur und Eigenschaft des Leders verschieden. Gewoͤhnlich nimmt man Ein Drittel Theer, und zwei Drittel Thran. Zuweilen nimmt man zwei Drittel Theer, und traͤgt noch eine zweite Lage auf die aͤußere Oberflaͤche auf, um sie dem Wasser noch mehr widerstehen zu machen. In einigen Werkstaͤtten, wo man dem Leder so viel Weiße, als moͤglich zu erhalten wuͤnscht, begnuͤgt man sich mit reinem Oehle, und sezt demselben etwas Rindfett zu. Ein halb Pfund reicht auf eine Haut von mittlerer Groͤße hin. Nachdem die Haͤute eingefettet worden sind, werden sie auf einem luftigen Haͤngeboden aufgehaͤngt, wo sie so lange bleiben, bis sie vollkommen troken geworden sind. Im Winter laͤßt man sie frieren, wodurch sie sehr weiß und schoͤn werden. Die Baschkiren und Kirgisen bedienen sich des Rauches zur Bereitung ihres Leders, der ihnen gewisser Massen statt des Gaͤrbestoffes dient. Sie spannen die Haͤute, waͤhrend sie noch gruͤn sind, zwischen Pfaͤhlen aus, die in die Erde eingetrieben sind, und nehmen hierauf das Haar mittelst einer gebrochenen Sichel weg, die sie in ein Stuͤk Holz in Form eines Boͤttcher-Messers einpassen. Die in der Sonne getrokneten Haͤute werden bis zum naͤchsten Fruͤhjahre aufbewahrt. Bei Wiederkehr der schoͤnen Jahreszeit graͤbt man eine Grube von solcher Groͤße, wie die Anzahl der Haute sie fordert, in die Erde, und zieht daruͤber Strike oder Stangen parallel gegen einander, die mit ihren Enden auf dem Rande der Grube ruhen. Hierauf wird, in Entfernung von 1 1/2 Meter, ein rundes Loch gegraben, welches mittelst eines Canales mit der Grube in Verbindung steht. In das Loch kommt das Brennmaterial, vorzuͤglich faules Holz, das viel Rauch gibt. Wenn das Holz angezuͤndet worden, wird das Loch zugemacht; der Rauch tritt durch den unterirdischen Canal in die Grube, und verbreitet sich uͤber den Haͤuten. Wenn diese Raͤucherung 12 bis 14 Tage lang unterhalten wurde, sind die Haͤute hinlaͤnglich mit den fluͤchtigen Producten der Verbrennung durchdrungen, um einige wesentliche Eigenschaften des gegaͤrbten Leders zu erhalten; sie werden sogar dadurch fuͤr Naͤsse undurchdringlicher, als europaͤisches Leder; denn die Baschkiren bedienen sich dieses Leders nicht bloß zu Schuhen, sondern sie verfertigen daraus sogar Gefaͤße und Schlaͤuche.Dieses Verfahren ist in dem Bulletin de la Soc. d'Encour. XII. Jahrg. S. 211. umstaͤndlich beschrieben. A. d. O. Das Zurichten des Leders geschieht in Rußland auf die uͤberall gewoͤhnliche Weise, nur daß das Leder mit einer 7–8 Zoll langen, und 3 Zoll breiten kupfernen gefurchten Platte gestrichen wird, auf welche der Arbeiter sich mit der Hand stuͤzt. Dadurch wird die Oberflaͤche außerordentlich koͤrnig. Die Seehunde, die den Thran zur Lederbereitung liefern, finden sich im caspischen Meere in sehr großer Menge. Man siedet dieses Fett in Kesseln aus Gußeisen aus, und gießt es in Faͤsser. In diesem Zustande kann es nur mehr bei einer Temperatur von 12° am hundertgradigen Thermometer stoken, und wird so im Handel unter dem Namen Seehunde-Thran oder Seehunde-Oehl (huille de veau marin) verkauft. Man bereitet es zu Kaluma, und sezt dort gewoͤhnlich noch das Fett eines Fisches zu, der Beluga heißt.Beluga ist nichts anderes als der Hausen, Acipenser Huso. A. d. Ueb. Im Fasse wird dieser Thran nie vollkommen klar; wenn man aber denselben in einer Flasche der Einwirkung der Sonnenstrahlen aussezt, so bildet sich nach ungefaͤhr 24 Stunden ein leichter Bodensaz, der Thran wird sehr klar, und faͤrbt sich nach und nach. Ein anderer Thran zu demselben Gebrauche wird aus verschiedenen Seehunden bereitet, die man im Eismeere faͤngt, und nach Archangel fuͤhrt. Man nimmt zwei verschiedene Operationen mit demselben vor. Die erste, das rohe Schmelzen (fonte crue) geschieht in freier Luft mittelst Sonnenwaͤrme in großen hoͤlzernen geneigt liegenden Rinnen, in welchen das von der Sonne geschmolzene Fett ablaͤuft; die zweite, das Aussieden (fonte cuite) geschieht in kupfernen Kesseln. Den Birken-Theer, der um 55 Centimen das Kilogramm verkauft wird, muß man so rein als moͤglich zu erhalten suchen. Man erhaͤlt dieses fluͤchtige Oehl aus der korkartigen Oberhaut der Birke, die man von dem darunter gelegenen rindenartigen Theile des Baumes abloͤst, und dann destillirt.“ (Nun wird die Destillatio per descensum in diesem Auszuge mit denselben Worten, wie oben im Berichte, beschrieben, die wir nicht wiederholen wollen.) „Dieses Verfahren ist noch einfacher, als jenes, welches Joh. Fischerstroͤm beschrieben hat, und welches sich im Bulletin de la Société d'Encouragement November, 1822, S. 374 befindet; es gibt aber weniger. In den Provinzen, in welchen man sich dieses Verfahrens im Großen bedient, wie in den Regierungsbezirken von Archangel, Wologda, Novogorod, Wiatka, bedient man sich hierzu vorzugsweise gegossener eiserner Kessel. Da man bei Anwendung der Reiser mit der Rinde zugleich weniger Ruß und weniger dunkel gefaͤrbten Theer erhaͤlt, so zieht man aus eben diesem Grunde frische Rinde auch der troknen vor. Man erzeugt in Rußland nicht bloß so viel Birkenoͤhl, als man braucht, sondern fuͤhrt auch davon noch aus.Unsere deutschen Gaͤrber und Leder-Fabrikanten werden aus dieser Abhandlung des Hrn. Grafen Kartzoff nichts gelernt haben, gar nichts, was sie nicht schon wuͤßten, oder aus Beckmann, Boͤhmer etc. wissen koͤnnten. Indessen ist es nichts weniger als ausgemacht, daß das rußische Leder und vorzuͤglich Juften auf die hier angegebene Weise bereitet wird. Die Berichte uͤber Juften-Bereitung, welche uns Ritschkow, Pallas, Lepechin u.a. gegeben haben, weichen so sehr von einander ab, daß wir hieruͤber noch nichts weniger als im Reinen sind. Graf Kartzoff gibt das von Ritschkow laͤngst beschriebene Verfahren an. Lepechin laͤugnet aber, daß man Birkenoͤhl, oder auch Post (Ledum palustre), wie einige sagen, zur Bereitung braucht. Wer hat nun Recht? So viel wissen wir indessen mit Gewißheit, daß es rußischen Schriftstellern ehemahls nicht erlaubt war, die Wahrheit uͤber gewisse Gegenstaͤnde der Industrie und des Handels zu schreiben, und daß ihre Manuscripte gottlos durchstrichen, und sogar verfaͤlscht wurden. Das war die ehemahlige rußisch-chinesische Politik; ob sie jezt noch so ist? Auffallend war es uns hier in einer Abhandlung uͤber Gaͤrberei kein Wort uͤber die Haͤute selbst zu finden, aus welchen doch eigentlich das Leder wird. Wenn die Buenos-Ayres-Haͤute immer ein besseres Leder liefern werden, als die Haͤute unserer Mast-Ochsen und unseres verkruͤppelten Stallviehes, deren Haͤute so schwammig sind, wie ihr Fleisch, so laͤßt sich, wie es scheint, mit Recht vermuthen, daß auch der russische Ochs, der, zumahl im suͤdlichen Rußland, so wie der ungarische Ochs, den groͤßten Theil seines Lebens uͤber unter freiem Himmel und seiner Ochsennatur gemaͤßer lebt als unser Stallvieh, eine staͤrkere und kraͤftigere Haut bekommen wird, als dieses; eine Haut, die jener der Ochsen in Suͤdamerica, die, so zu sagen, im Ochsenparadiese auf Erden leben und nie unter Dach kommen, weit naͤher kommt, als die Haͤute unseres verkruͤppelten Hornviehes. Nur diejenigen Laͤnder, in welchen die Cultur noch auf der niedrigsten Stufe steht, und wo die Thiere ihrer Natur gemaͤß leben koͤnnen, koͤnnen uns gute Haͤute liefern, die, selbst bei schlechterer Gaͤrbung, besseres Leder liefern werden, als unsere verzaͤrtelten Rinder bei der hoͤchsten Gaͤrbekunst. A. d. U.