Titel: Ueber den Chlorkalk, von Hrn. A. Morin, Pharmaceut in Genf.
Fundstelle: Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XII., S. 41
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XII. Ueber den Chlorkalk, von Hrn. A. Morin, Pharmaceut in Genf. Aus den Annales de Chim. et de Phys. Febr. 1828, S. 139. Mit einem Zusaze von Emil Dingler. Morin, uͤber den Chlorkalk. Die Verbindungen des Chlors mit dem Kalk, Kali und Natron sind ein wichtiger Fabrikationszweig geworden. Ihre Anwendung hat sich vervielfacht. Das Bleichen der baumwollenen, leinenen und hanfenen Zeuge, der Druk dieser Zeuge, das Bleichen des Papierzeuges haben nach einander den Fabrikanten chemischer Producte neue Absazquellen fuͤr die Chloralkalien verschafft. Dieselben Koͤrper spielen seit Kurzem auch in medicinischer Hinsicht eine sehr nuͤzliche Rolle: zur Erhaltung der Gesundheit bei der Fabrikation der Darmsaiten: als luftreinigende und Arzneimittel. Es haben sich mehrere Chemiker mit diesen Verbindungen beschaͤftigt, um ihre Theorie und Bereitungsart aufzuklaͤren. Dalton hat zuerst die Zusammensezung des Chlorkalks ausgemittelt. Welter hat das Verhaͤltniß seiner Bestandtheile bestimmt. Er fand, daß dieser Koͤrper in festem Zustande besteht aus: 1 Aequivalent Chlor; 2      –2      – KalkWasser oder 2 Aeq. Kalkhydrat; daß er bei der Aufloͤsung in Wasser die Haͤlfte des Kalks verliert, und in der Fluͤßigkeit 1 Aeq. Chlor; 1   – Wasser bleiben. Erstere Verbindung hat er basischen, leztere neutralen Chlorkalk genannt. Er hat die Eigenschaft des Chlorkalks, die schwefelsaure Indigoaufloͤsung zu entfaͤrben, benuzt, um auf eine bequeme Weise die Quantitaͤt des in dem kaͤuflichen Bleichpulver enthaltenen Chlors zu bestimmen. Spaͤter hat Dr. Ure in dem Quarterly Journal die Resultate von Versuchen bekannt gemacht, welche mit der von Welter gefundenen Zusammensezung in Widerspruch zu stehen scheinen. Er nimmt an, daß sich bei der Behandlung des Chlorkalks mit Wasser zwei verschiedene Verbindungen bilden, wovon die eine mit großem Ueberschuß an Chlor, in Wasser aufloͤslich, die andere, mit großem Ueberschuß an Kalk, in dieser Fluͤßigkeit unaufloͤslich ist. Hr. Gay-Lussac hat das von Hrn. Welter angegebene Verfahren, die Guͤte des Chlorkalks zu bestimmen, durch sein Chlorometer allgemein anwendbar gemacht. Die Einrichtung dieses Instrumentes gruͤndet sich darauf, daß das Chlor sein zehnfaches Volum einer Indigaufloͤsung von gehoͤriger Staͤrke entfaͤrbt. Diese 10 Vol. sind selbst wieder in 100 Theile eingetheilt. Die Entfaͤrbung eines dieser Theile wird 1 Grad genannt und zeigt an, daß ein Kilogramm des Chlorkalkes ein Liter Chlor enthaͤlt. Das beste Chloruͤr entfaͤrbt 100 Theile, das heißt, es zeigt 100 Grade und enthaͤlt 100 Liter Chlor auf das Kilogramm. Die einzige Unvollkommenheit des Chlorometers beruht auf der Probefluͤßigkeit; sie erhaͤlt sich nicht mehr vollkommen unveraͤndert, wenn sie in dem fuͤr den Versuch geeigneten Verhaͤltnisse verduͤnnt ist, und auch abgesehen davon kann bei ihrer Anwendung nach den Beobachtungen Welter's durch folgenden Umstand leicht ein Irrthum begangen werden. Wenn man die Fluͤßigkeit in die Aufloͤsung des Chlorkalks gießt, bemaͤchtigt sich die Schwefelsaͤure des Kalks und entbindet das Chlor, welches bei seinem Entweichen den Indigo entfaͤrbt. Je schneller man die Aufloͤsung des Chloruͤrs zusezt, desto mehr Indigo wird auch entfaͤrbt, aber nur bis zu einem gewissen Puncte, und sobald dieser uͤberschritten ist, vermindert sich diese Menge. Dieses macht das Verfahren sehr unsicher, und ich habe oft Unterschiede von 33 Procent bei der Pruͤfung derselben Chlorkalkaufloͤsung gefunden. Durch diese Differenzen werden Streitigkeiten veranlaßt, und die allgemeine Anwendung des Chlorometers wird dadurch verzoͤgert. Ich habe in der Aufloͤsung des salzsauren Manganoxyduls ein Mittel gefunden, diese Unsicherheiten zu beseitigen, ohne daß die Form des Instrumentes abgeaͤndert wird. Da Ein Vol. dieser Fluͤßigkeit 10 Vol. Indigaufloͤsung repraͤsentirt, so braucht man bei dem Versuche einzig und allein die Abaͤnderung zu machen, daß man 10mahl mehr Chlorkalkaufloͤsung nimmt, als bei demjenigen mit Indigo, waͤhrend man uͤbrigens die Grade seiner Staͤrke auf dieselbe Art schaͤzt. Wenn man die Aufloͤsung des salzsauren Manganoxyduls in den Chlorkalk gießt, bemaͤchtigt sich die Salzsaͤure des Kalks, das braune Manganoxyd faͤllt nieder und das Chlor entbindet sich. Die Quantitaͤt der zersezten Fluͤßigkeit entspricht genau derjenigen des entbundenen Chlors. In diesem Falle wird durch die Reaction Chlorgas entbunden. Man kann uͤbrigens die Reaction sehr langsam oder ununterbrochen erfolgen lassen, ohne daß sich bei der Pruͤfung ein merklicher Unterschied zeigt. Diese Probefluͤßigkeit zeigte jedoch mit solchen Chloruͤren, die anscheinend auf gleiche Weise bereitet wurden, etwas abweichende Erscheinungen, so daß man an ihrer Genauigkeit zweifeln koͤnnte. Ich habe Untersuchungen uͤber die Ursache dieser Verschiedenheiten angestellt. Folgendes sind die Hauptresultate dieser Arbeit. Zuerst suchte ich auszumitteln, mit welchen Verhaͤltnissen von Chlor, Wasser und Kalk man bei dem moͤglich geringsten Volumen die groͤßte Menge Chlor in festen Zustand versezen, oder mit anderen Worten, den die groͤßte Anzahl von Graden anzeigenden Chlorkalk erhalten kann. Ich habe Kalkhydrate dargestellt, mit 2 Aequivalenten Kalk und 1 Wasser. 2      –   –  – 2    – 2      –   –  – 3    – 2      –   –  – 4    – Ich habe sie nach einander gesaͤttigt, indem ich sehr langsam einen Strom Chlor hindurchstreichen ließ. Die erhaltenen Resultate wichen von den hier angegebenen nur unbedeutend ab: das aus 2 Aeq. Kalk und 1 Wasser gebildete Hydrat nahm davon auf 1/2 Chlor. Das aus 2 Kalk und 2 Wasser bestehende absorbirte 1 Chlor. Das aus 2 Kalk und 3 Wasser bestehende, nahm davon auf 1 Chlor. Das aus 2 Kalk und 4 Wasser bestehende, absorbirte 1 Chlor. Daraus geht hervor: daß das aus 2 Aeq. Kalk und 2 Wasser bestehende Hydrat, welches auch Hr. Welter vorschrieb, am meisten Chlor aufnimmt; daß, sobald das Hydrat auf andere Art zusammengesezt ist, das Chlor demjenigen dieser beiden Koͤrper proportional bleibt, welcher in geringerer Menge vorhanden ist; daß in diesem Falle der Ueberschuß an Kalk oder Wasser unnuͤz in dem Chloruͤr bleibt. Nun wollen wir sehen, wie man in den meisten Fabriken verfaͤhrt. Der gebrannte Kalk wird in gitterartig geflochtene Koͤrbe gebracht und so in Wasser getaucht; nachdem er davon so viel verschlukt hat, als er konnte, nimmt man ihn heraus, und oft sogar noch fruͤher; man haͤuft ihn sodann an der Luft auf, worauf er bald zu Pulver zerfallt. In diesem Zustande haͤlt er Wasser zuruͤk und dieses Hydrat sezt man nun der Einwirkung des Chlors aus. Ich habe gefunden, daß der gebrannte Kalk, welcher hier bereitet wird, bei dieser Behandlung auf zwei Aeq. auch zwei Aeq. Wasser verschlukt, aber nachdem er zerfallen war, nur noch etwas weniges mehr als Ein Aeq. davon enthielt. Der Fabrikant muß also nothwendiger Weise besorgt seyn, das auf die angegebene Weise bereitete Hydrat wieder mit eben so viel Wasser zu versezen, als verdampft ist. Man kann ohne großen Nachtheil einen kleinen Ueberschuß davon zusezen, weil er, wenn man die Quantitaͤt verdoppelt, nur 13 Procent von dem Chloruͤr betraͤgt, waͤhrend hingegen durch die Verdampfung Eines Aeq. Wasser 25 Procent uͤberschuͤßiger Kalk entstehen. Meine Resultate stimmen mit denjenigen von Dr. Ure nicht uͤberein. Es war mir nicht moͤglich, den Kalk mit einer groͤßeren Menge Chlor, als Hr. Welter angibt, zu verbinden. Zersezung des Chlorkalks. Diese Zersezung kann je nach den verschiedenen Ursachen auf mehrfache Art Statt finden. Unter diese Ursachen gehoͤren die Waͤrme und die Luft. Durch die Einwirkung der Waͤrme kann der Chlorkalk entweder ohne besonderes Hinzuthun, waͤhrend der Vereinigung des Chlors mit dem Kalk, oder durch Erhizen des bereits gebildeten Chloruͤrs zersezt werden. Ueber die bei der Vereinigung des Chlors mit dem Kalk Entstehende Waͤrme. Wenn man einen Strom Chlor sehr langsam in Kalkhydrat leitet, erhoͤht sich die Temperatur dieses Koͤrpers nicht uͤber diejenige der umgebenden Luft. Wenn die Entbindung des Chlors beschleunigt wird, erhoͤht sich die Temperatur des Hydrats an der Stelle, wo die Vereinigung Statt findet um so mehr, je lebhafter die Chlorentbindung, und je diker die Masse ist. Davon kann man sich uͤberzeugen, wenn man ein Thermometer in das Hydrat stekt. Chlorkalk, welchen ich in der Kaͤlte bereitete, zeigte immer 100 Grad; ich habe auch Chloruͤr in der Waͤrme bereitet und als ich den Durchmesser des glaͤsernen Cylinders verschieden abaͤnderte und das Hindurchstroͤmen des Chlors mehr oder weniger beschleunigte, zeigte der Thermometer 30, 40, 60, 87, 87, 119° (C.); es entband sich aber kein Sauerstoff. Das erhaltene Chloruͤr zeigte 66°. Ich habe Chloruͤr zum Theil in der Waͤrme, zum Theil aber in der Kaͤlte und umgekehrt, dargestellt. Das zu dem Versuch verwandte Chloruͤr zeigte bei dem in der Kaͤlte bereiteten Theil 100°  –   –   –   – Waͤrme bereiteten   66° in den, den Abaͤnderungen der Temperatur entsprechenden Graͤnzen oder in den Gemengen beider Theile 75°,83° etc. In diesem Falle schwankte der Gehalt immer zwischen 66° u. 100° Ich habe bei jedem Versuche die Quantitaͤt des verschlukten Chlors bestimmt; sie war immer in dem Verhaͤltniß von 1 Aequivalent Chlor auf 2 Aequivalent Hydrat. Wenn Unterschiede Statt fanden, zeigten sie gewoͤhnlich einen geringen Ueberschuß von Chlor an, und waren unbedeutend. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß wenn man in der Kaͤlte arbeitet, das Chlor unveraͤndert mit Kalk in Verbindung bleibt; daß aber, wenn man in der Waͤrme arbeitet, 33 Procent oder 1/3 des Chlors nicht mehr als Chlorkalk auf die Fluͤssigkeit im Chlorometer wirken; und daß. wie groß auch die freiwillige Erhoͤhung der Temperatur seyn mag, der Verlust niemals 33 Procent uͤberschreitet. Ich fuͤhre diesen lezteren Umstand ausdruͤklich an, weil ich anfangs der Meinung war, daß der Verlust mit der Erhoͤhung der Temperatur in geradem Verhaͤltnisse stehe, so wie man bei der Bereitung des chlorsauren Kalis um so weniger Chlorkali und um so mehr chlorsaures Salz erhaͤlt, je concentrirter die Kaliaufloͤsung ist, und je mehr sich die Temperatur bei der Vereinigung erhoͤht. Dieß ist wenigstens die Meinung von Berthollet, welche seitdem in den meisten chemischen Lehrbuͤchern wiederholt wurde. Ueber die Wirkung der Waͤrme, welche nach der Vereinigung des Chlors mit dem Kalk, angewandt wird. Die Wirkung der Waͤrme auf das trokne Chloruͤr ist von mehreren Chemikern, unter anderen von Welter und Ure untersucht worden. Ich will hier nur in Erinnerung bringen, daß Welter durch Erhizen ein Vol. Sauerstoff entband, welches dem mit dem Kalkhydrat verbundenen Chlor entsprach; daß hingegen Dr. Ure durch Anwendung der Waͤrme zuerst Chlor, dann Euchlorine und endlich Sauerstoff erhielt, jedoch in veraͤnderlichen Verhaͤltnissen. Als ich diese Versuche sowohl mit solchem Chlorkalk, welcher in der Kaͤlte, als auch mit solchem, welcher in der Waͤrme bereitet war, wiederholte, erhielt ich in einigen Faͤllen Sauerstoff ohne merkliche Beimengung von Chlor, und aus beiden Chloruͤren, gleiches Volum. Ein anderes Mahl erhielt ich Chlor und Sauerstoff in derselben Folge wie Dr. Ure, ohne daß ich uͤbrigens bestimmen konnte, ob diese Gasarten mit Euchlorine vermischt waren, oder nicht. Ich glaubte zu bemerken, daß, wenn das Chloruͤr sehr gelinde erhizt wird, man anfangs betraͤchtlich viel Chlorgas erhaͤlt, und daß man bei einem sehr schnellen Erhizen, sogleich mit sehr wenig Chlor vermischtes Sauerstoffgas erhaͤlt. Es ist jedoch sehr schwer, eine große Genauigkeit in diese Versuche zu bringen. Nun wollen wir sehen, was bei dem fluͤssigen Chloruͤr Statt findet und mit demjenigen von 66° den Anfang machen. Wenn man troknen Chlorkalk mit Wasser abreibt, wird Ein Aequiv. Kalk abgeschieden; man kann diesen mit der Fluͤssigkeit in Beruͤhrung lassen, oder durch Filtriren abscheiden. Fuͤllt man mit der einen oder anderen dieser Fluͤssigkeiten, einen Kolben, welcher mit einem zur Aufsammlung von Gasarten geeigneten Apparate verbunden ist, ganz voll, so sammeln sich sogleich einige Blaͤschen oben in dem Gefaͤße. Wenn man erhizt, so wird die Entbindung der Blasen beschleunigt, ein kleiner Theil der Fluͤssigkeit geht in die Gloke und das Gas nimmt bald den oberen Theil derselben ein. Sobald die Temperatur bis zum Siedepuncte der Fluͤssigkeit erhoͤht ist, dauert die Gasentbindung gleich rasch etwa eine halbe Stunde lang; nach dieser Zeit vermindert sie sich und nach einigen Stunden entbindet sich nur wenig mehr. Das Gas ist reines Sauerstoffgas. Wenn man, an Statt den Ballon ganz mit der Fluͤssigkeit anzufuͤllen, im oberen Theile einen mit Luft erfuͤllten Raum laͤßt, und die Fluͤssigkeit erhizt, so bleibt sie darin, und man kann sehr genau das Vol. des Sauerstoffs messen, welchen diese Quantitaͤt Fluͤssigkeit geben kann. Man findet auf diese Art, daß der Chlorkalk bis auf ungefaͤhr 1/300. durch das Sieden zersezt wird. Waͤhrend der Bereitung des Chloruͤrs, kann die Waͤrme 1/3 seiner Bleichkraft zerstoͤren, und wenn es einmahl aufgeloͤst ist, zerstoͤrt das Sieden die zwei anderen Dritttheile. Um die in der filtirten Fluͤssigkeit (welche nicht mehr auf die Fluͤssigkeit im Chlorometer wirkte) enthaltenen Substanzen zu analisiren, habe ich damit folgende Versuche angestellt. Durch eine Aufloͤsung von einfach kohlensaurem Kali habe ich daraus den Kalk als einfachkohlensauren Kalk gefaͤllt. Beim vorsichtigen Verdampfen gab die Fluͤssigkeit nacheinander chlorsaures Kali und Chlorkalium. Das chorsaure Kali wurde durch oͤfteres Umkrystallisiren gereinigt und dann getroknet. Das Chlorkalium wurde zur Trokniß verraucht und geschmolzen. Das Mittel der erhaltenen Quantitaͤten ergibt folgende Zusammensezung:   1 Aequivalent oder Atom chlorsauren Kalk; 16      –   –    – Chlorcalcium. Man kann die filtrirte Chlorkalkaufloͤsung zur Analyse verwenden, ohne sie vorher zu sieden; langsames Abdampfen gibt dieselben Resultate. Als ich die Aufloͤsung des Chloruͤrs von 100° eben so behandelte, wie die des Chloruͤrs von 66°, erhielt ich im Mittel folgende Producte: 1 Aequivalent chlorsauren Kalk und etwas weniger als 17 Aequivalente Chlorcalcium. Diese Resultate naͤhern sich denjenigen, welche mit dem Chloruͤr von 66° erhalten wurden, so sehr, daß man daraus folgern kann, daß die Aufloͤsung des lezteren beim Erhizen ganz zersezt wird und auch eine Menge Sauerstoffgas entbindet, welche zwei Drittheilen des darin enthaltenen Chlors entspricht. Ein allgemeines Resultat dieser Zersezungen durch die Waͤrme, ist also, daß der Kalk die Eigenschaft hat, unter diesen Umstaͤnden das Chlor in Chlorsaͤure zu verwandeln. Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, daß Chlorkalk von 66°, durch die Waͤrme zwei ganz verschiedene Zersezungen erleidet: durch die bei seiner Bildung frei werdende Waͤrme, hoͤren 33 Procent Chlor auf, Chlorkalk zu seyn, ohne daß Sauerstoff entbunden wird; durch Erhizen seiner Aufloͤsung, hoͤren auch die uͤbrigen 66 Procent auf, Chlorkalk zu seyn, aber es entbindet sich dann eine ihnen entsprechende Menge Sauerstoffgas. Andererseits erhaͤlt man aus der Fluͤssigkeit 16 bis 17 Arome Chlorcalcium auf 1 chlorsauren Kalk; wenn wir annehmen, daß es deren 17 sind, und das Atom des chlorsauren Kalks hinzufuͤgen, so haben wir im Ganzen 18 Atome Chlor, welche sich auf folgende Weise vertheilen: waͤhrend der ersten Zersezung erzeugen 6 Atome Chlor Ein Atom chlorsauren Kalk und waͤhrend der zweiten entstehen mit den 12 anderen Atomen Chlor, 12 Atome Chlorcalcium. Da Chlorkalk von 100° dieselbe Menge chlorsaures Salz und Chlorcalcium gibt, so ist es erwiesen, daß seine Aufloͤsung durch das Erhizen die beiden so eben besprochenen Arten von Zersezung erleidet. Diese Chloruͤre sind also folgendermaßen zusammengesezt: Das Chloruͤr von 100°. – So wie es Welter angab, das heißt, es enthaͤlt 18  At. Chlor; 36  – Wasser; 36  – Kalk; diese geben fuͤr das trokene Chloruͤr von 66°, 12 At. basischen Chlorkalk;   5  – Chlorcalcium;   1  – chlorsauren Kalk;   6  – Kalkhydrat;   6  – Wasser. Wenn man das Chloruͤr von 66° aufloͤst, sondern sich 18 At. Kalk ab;   5 At. Chlorcalcium,   1  – chlorsaurer Kalk, 12  – neutraler Chlorkalk, bleiben in der Fluͤssigkeit. Wird diese gehoͤrig abgedampft, so verwandelt sie sich in   1 At. chlorsauren Kalk; 17  – Chlorcalcium. Diese Theorie erklaͤrt alle beobachteten Erscheinungen; sie stimmt jedoch eben so wenig wie die Thatsachen, welche ihre Grundlage bilden, mit den von Dr. Ure erhaltenen Resultaten uͤberein. Einige Versuche, welche ich in der Absicht anstellte, zu erfahren, wieviel Chlor in dem in Wasser unaufloͤslichen Theil des Chloruͤrs zuruͤkbleibt, gaben mir als Resultat 1/77 von dem ganzen Chlorgehalte. Ich uͤbergoß naͤmlich nach Dr. Ure's Vorschrift den Ruͤkstand mit verduͤnnter Salzsaͤure, um das Chlor zu entbinden. Diese Quantitaͤt kann keinesweges in Betracht kommen und wenn Ure keine betraͤchtlichere erhielt, kann sie die von Welter angegebene Zusammensezung nicht im geringsten in Zweifel sezen. Ueber die Wirkung der Luft auf den Chlorkalk. Der Chlorkalk kann entweder in fester Gestalt, oder in Wasser aufgeloͤst, der Luft ausgesezt werden. Wenn man eine Aufloͤsung von Chlorkalk, sie mag filtrirt seyn oder nicht, der Luft aussezt, bildet sich auf ihrer Oberflaͤche ein Haͤutchen von einfachkohlensaurem Kalk und sie verbreitet einen schwachen Chlorgeruch. Zerbricht man diese Kruste, so wird sie durch eine neue ersezt und es verbreitet sich wieder Chlorgeruch. Dieses Verfahren kann oͤfters mit gleichem Erfolg wiederholt werden. Man kann also annehmen, daß die Kohlensaͤure der Luft in diesem Falle das Chloruͤr auf die Art zersezt, daß sie sich des Kalks bemaͤchtigt und das Chlor austreibt. Ueberlaͤßt man hingegen die Aufloͤsung sich selbst, nachdem sie einmahl mit einem Hautchen von einfachkohlensaurem Kalk bedekt ist, so wird sie dadurch gegen die Beruͤhrung der Luft geschuͤzt. Gasblasen sammeln sich dann bald unter der Kruste, erheben sie an den Stellen, wo sich mehrere vereinigt haben, zerreißen sie und entweichen in die Luft. Diese Zersezung des Chlorkalks scheint in der Fluͤssigkeit selbst unabhaͤngig von der Luft vor sich zu gehen. Um mich dessen zu versichern, habe ich einen mit einem Apparate zum Aufsammeln der Gasarten verbundenen Kolben mit Chlorkalkaufloͤsung gefuͤllt und sich selbst uͤberlassen. Die Gasentbindung dauerte mehrere Wochen und wurde waͤhrend der heißen Tage etwas beschleunigt. Das Gas wurde nach mehreren Versuchen fuͤr reines Sauerstoffgas erkannt. Es tritt also hier dieselbe Erscheinung, wie bei Anwendung der Wanne, nur viel langsamer ein. Andererseits verloren filtrirte Aufloͤsungen, nachdem sie mehrere Monate sich selbst uͤberlassen worden waren, alle ihre bleichende Kraft, ohne daß sich ein Niederschlag bildete. Die einzige bemerkbare feste Substanz war eine Kruste von einfachkohlensaurem Kalk, welche durch das Gas in die Hoͤhe getrieben worden war und in einiger Entfernung von der Fluͤssigkeit stehen blieb. Dieselbe Erscheinung stellte sich sowohl am Licht, als in der Dunkelheit ein, was ganz mit den schon beschriebenen Wirkungen uͤbereinstimmt. Wenn man troknes Chloruͤr von 100° der Luft aussezt, bleibt es mehrere Stunden lang pulverig, bald aber faͤrbt sich seine Oberflaͤche und wird feucht. Das Chloruͤr von 66° wird in wenigen Augenbliken feucht. Die Schnelligkeit, womit diese Wirkung Statt hat, erklaͤrt sich genuͤgend durch die Gegenwart des Chlorcalciums. Chloruͤr von 100°, welches in einer schlecht verschlossenen Buͤchse aus Tannenholz vier Monate lang aufbewahrt worden war, verdoppelte dadurch sein Gewicht, zerstoß und wurde vollstaͤndig in Chlorcalcium verwandelt, so daß es auf die Fluͤssigkeit im Chlorometer nicht mehr wirkte. Der trokne und aufgeloͤste Chlorkalk scheinen also auf gleiche Weise zersezt zu werden, wenn man sie mit der Luft in Beruͤhrung laͤßt. Der Gang der Zersezung, welchen Herr Gay-Lussac angibt, findet also nur bei dem aufgeloͤsten Chloruͤr Statt, dessen Oberflaͤche man immer wieder erneuert. Nur in diesem Falle wird die Aufloͤsung des Chloruͤrs durch die Kohlensaͤure der Luft in kohlensauren Kalk und gasfoͤrmiges Chlor, welches sich in die Luft verbreitet, zersezt. Durch die Beruͤhrung des Chlorkalks von 100° mit der Luft scheint also bei der gewoͤhnlichen Temperatur der Atmosphaͤre und waͤhrend einer hinreichend langen Zeit, alles Chloruͤr geradezu in Chlorcalcium umgeaͤndert zu werden, ohne daß ein Drittel sich in chlorsauren Kalk und Chlorcalcium verwandelt, wie dieses bei Anwendung von Waͤrme Statt findet. Man erhaͤlt 1 Atom Chlorcalcium auf 1    – Chlorkalk. Durch die Zersezung des Chlorkalks von 66° an der Luft muͤssen dieselben Producte entstehen, wie bei der Zersezung durch die Waͤrme, naͤmlich:   1 Atom chlorsaurer Kalk; 17    – Chlorcalcium. Ueber das Chlorkali. Die Aufloͤsung des Chlorkalks und die des Chlorkalis wirken auf aͤhnliche Weise auf die organischen Faͤrbestoffe. Es war mir wahrscheinlich, daß ich durch die vergleichende Untersuchung dieser Koͤrper Aufklaͤrung uͤber verschiedene mir noch nicht klare Puncte erhalten wuͤrde. Um nicht unnuͤzer Weise meine Versuche verwikelt zu machen, wandte ich zu den Versuchen, wovon ich jezt die Resultate anfuͤhren will, reines kaustisches Kali anstatt des einfachkohlensauren an. Wenn man einen Strom Chlor in eine concentrirte Aufloͤsung von einfachkohlensaurem oder reinem Kali leitet, erhizt sich bekanntlich die Fluͤssigkeit und es entsteht chlorsaures Kali. Ebenso weiß man auch, wie ich bereits fruͤher bemerkt habe, daß man desto mehr chlorsaures Salz erhaͤlt, je concentrirter die Fluͤssigkeit ist. Da ich zu erfahren wuͤnschte, ob diese Behauptung gegruͤndet ist, und also die Quantitaͤten des chlorsauren Kalis dem verschiedenen Zustande der Concentration entsprechen, bereitete ich Aufloͤsungen von Kali in folgenden Verhaͤltnissen: 1 Theil Kali und   2 Wasser. 1    –   –   –   4    – 1    –   –   – 16    – Alle drei absorbirten, als ich sie mit Chlor saͤttigte, eine gleiche Menge davon, hoͤchstens etwa so viel mehr, als das Wasser aufloͤsen konnte, welches das Kali in Aufloͤsung erhielt. Die beiden ersteren erhizten sich stark. Sie hatten Krystalle von chlorsaurem Kali abgesezt, welche mit ein wenig pulverigem kohlensaurem Mangan vermengt waren, welches von der Zersezung des von dem Chlor mitgerissenen salzsauren Mangans herruͤhrten. Das chlorsaure Salz wurde durch Aufloͤsen in Wasser davon getrennt, und mit der uͤbrigen Fluͤssigkeit abgeraucht. Waͤhrend des Abdampfens bildete sich Chlorkalium, und Sauerstoff entband sich mit dem Chlor, welches die Fluͤssigkeit aufgenommen hatte. Das chlorsaure Kali und das Chlorkalium waren nach ihrer Trennung in folgendem Verhaͤltnisse: 1 Aequivalent chlorsaures Kali und ein wenig mehr als 18 Aequivalente Chlorkalium. Eine Aufloͤsung von Kali in 16 Theilen Wasser, erhizte sich nicht; sie sezte kein chlorsaures Kali ab; dieses mußte man auch erwarten, weil sie noch viel mehr verduͤnnt war, als diejenige, welche Herr Gay-Lussac als geeignet empfiehlt, um die Bildung von chlorsaurem Kali und Chlorkalium zu vermeiden. Wie die vorhergehenden abgedampft, gab sie jedoch diese beiden Koͤrper in dem Verhaͤltniß von 1 Aequivalent chlorsaurem Kali und etwas weniger als 18 Aequivalenten Chlorkalium. Das Mittel der drei Versuche ist 1 gegen 18. Daraus geht hervor: Daß es gleichguͤltig ist, ob man zur Bereitung des chlorsauren Kalis eine mehr oder weniger concentrirte Aufloͤsung nimmt; daß das Chlorkali durch die Waͤrme in chlorsaures Kali und Chlorkalium verwandelt wird, gerade so wie dieses mit der Chlorkalkaufloͤsung der Fall ist und daß jede Erwaͤrmung bei der Bereitung des Chlorkalks daher sorgfaͤltig vermieden werden muß; daß diese Koͤrper in gleichem stoͤchiometrischen Verhaͤltnisse gegen einander stehen, wie die durch Zersezung des fluͤssigen Chlorkalks entstehenden Producte. Es werden folglich: 18 Atome Chloruͤr, welche 18 Chlor enthalten, beim Abdampfen zersezt, in   1 Atom chlorsaures Kali =   1 Atom Chlor, 17    – Chlorkalium = 17    –       – ––––––––––––– Im Ganzen 18 Atome. Es findet also die vollkommenste Analogie zwischen dem Kalk- und Kalkchloruͤr Statt. Wahrscheinlich ist dasselbe auch bei dem Natronchloruͤr der Fall. Ungeachtet dieser uͤbereinstimmenden Resultate, glaube ich dennoch, daß man bei irgend einem Umstande, den ich nicht treffen konnte, eine groͤßere Menge chlorsaures Salz erhaͤlt, denn Chenevix erhielt von diesem Salze 16 Gewichtstheile auf 84 Theile Chlorkalium, also ungefaͤhr zweimahl soviel als ich. Allgemeine Folgerungen. Die erste, worauf ich bestehe, bezieht sich auf die Fluͤssigkeit des Chlorometers selbst. Als ich ihren Gebrauch vorschlug, schien sie keine hinreichend große Genauigkeit darzubieten, um zu Versuchen angewandt werden zu koͤnnen, ohne daß zuvor ihre Unvollkommenheiten, welche verschiedene Resultate herbeifuͤhrten, beseitigt worden waͤren. Ich fand in der That sehr große Unterschiede im Chlorgehalt von solchen Praͤparaten, bei deren Bereitung alle zu ihrer Saͤttigung noͤthigen Bedingungen erfuͤllt worden zu seyn schienen. Die Pruͤfung mit Indigaufloͤsung schien sehr merkliche Verschiedenheiten in der Zusammensezung anzuzeigen; aber die Fluͤssigkeit konnte selbst bei dem Versuche zu große und offenbar von ihr abhaͤngende Unterschiede anzeigen, als daß man einzig und allein auf diesem Wege einen richtigen Begriff von diesen Unterschieden haͤtte erhalten koͤnnen. Durch einen Versuch des Herrn Clement, wobei er fand, daß die waͤhrend der Vereinigung entbundene Waͤrme, den Werth (oder Chlorgehalt) des Chlorkalks vermindern kann, wurde ich veranlaßt, die beschriebenen Untersuchungen anzustellen. Ein Umstand bei dem Versuch mit der Manganfluͤssigkeit brachte mich auf die Meinung, daß die Verschiedenheiten nicht von der Fluͤssigkeit selbst herruͤhren; sie zeigte naͤmlich immer 100 Grad mit der Probefluͤssigkeit von Welter, naͤmlich mit einer Chloraufloͤsung, die ein gleiches Vol. Gas enthaͤlt. Die Versuche, wovon ich die Resultate vorgelegt habe, zeigen genuͤgend, daß die zuvor bei der Anwendung der Manganfluͤssigkeit beobachteten Verschiedenheiten, ein Beweis ihrer (der Fluͤssigkeit) Genauigkeit sind. Der haͤufige Gebrauch, welchen ich davon machte, zeigte mir, daß sie mehrere Monate lang aufbewahrt werden kann, ohne daß sie sich zersezt. Nach dieser Zeit bildet sich jedoch darin ein kleiner brauner Niederschlag; um die Entstehung des Niederschlages zu verhindern, muß man das Liter der Fluͤssigkeit mit 10 Tropfen reiner Salzsaͤure versezen. Dieser Zusaz schadet bei dem Versuche nicht und schien mir den beabsichtigten Zwek zu erreichen. Wenn sie aber sich fuͤr immer erhalten sollte, was ein laͤngerer Gebrauch zeigen wird, so muß man beruͤksichtigen, daß eine Verminderung ihrer Staͤrke bei weitem keine solchen wichtigen Folgen hat, als die Moͤglichkeit eines verschiedenen Resultates bei Versuchen, die zu gleicher Zeit angestellt werden. Dieses gilt von allen Probefluͤssigkeiten, die man jemals entdeken wird: denn in einer Chlorkalkfabrik kann man sich sehr leicht die zur Norm dienende Chloraufloͤsung verschaffen. Wenn die Probefluͤssigkeit von ihrer Staͤrke verloren und man nicht Zeit haͤtte, sie wieder auf den gehoͤrigen Grad zu bringen, so wuͤrde eine einfache Rechnung nach der Regel de Tri hinreichen, um den wirklichen Grad des Chloruͤrs zu erfahren. Die bis jezt in Vorschlag gebrachten Verfahrungsweisen, den Chlorgehalt der Chloruͤre zu bestimmen, sind zweifacher Art; die einen beziehen sich auf das schaͤzbare Instrument des Herrn Gay-Lussac, die anderen aber nicht. Diese lezteren Verfahrungsweisen haben den Nachtheil, daß sie den Gegenstand verwikeln, und obgleich sie aus der besten Absicht, der Industrie nuͤzlich zu seyn, hervorgingen, so werden ihr doch nur die ersteren wahrhaft nuͤzlich seyn koͤnnen. Fabrikation des Chlorkalks. Die Waͤrme ist die Hauptursache des Verlustes bei der Bereitung des Chlorkalks und muß also von den Fabrikanten moͤglichst vermieden werden. Die beste Art, dieses zu bewirken, ist fuͤr den Fall, daß der Chlorkalk an Ort und Stelle verbraucht wird, diese, ihn in fluͤssigem Zustande zu bereiten. Selbst in diesem Falle sind aber Vorsichtsmaßregeln noͤthig, um diesen Verlust gaͤnzlich zu vermeiden. Der Apparat des Herrn Clement, welcher in allen seinen Theilen mit großem Scharfsinn ausgedehnt ist, beseitigt alle nachtheiligen Umstaͤnde, wenn man sich anders desselben mit Verstand bedient. Will man Chlor versenden, so muß es troken seyn. Bei einer niedrigen Temperatur ist es sehr schwer, eine rasche Absorbtion des Gases zu bewirken. Es ist wesentlich noͤthig, daß man alle Umstaͤnde, welche hierzu beitragen, benuͤzt. Der erste ist, daß die anfaͤngliche Temperatur des Kalks sehr niedrig ist. Im Sommer ist es fast unmoͤglich, ein Chloruͤr zu erhalten, ohne daß selbst bei sehr langsamer Chlorentbindung Waͤrme frei wird. Im Winter ist dieses nicht so schwierig. Man muß also einen kuͤhlen Ort waͤhlen, und wenn man dieses nicht kann, waͤhrend des Sommers in einem Keller arbeiten. – Wenn der Fabrikant außer der Waͤrme noch andere Umstaͤnde, die einen Verlust verursachen koͤnnen, nicht beruͤksichtigt, wie z.B. einen Ueberschuß an Wasser oder gar an Kalkhydrat, so wird er ein Chloruͤr von sehr geringem Chlorgehalt, oft unter 50°, wie man es oft in den Handel bringt, erhalten. Der Chlorkalk muß immer an einem kuͤhlen Orte und in gut verschlossenen Gefaͤßen aufbewahrt werden, damit die freiwillige Zersezung, wodurch er in Chlorcalcium uͤbergeht, und die Beruͤhrung mit der Luft, welche ihm Feuchtigkeit verschafft, moͤglichst vermieden werden. Ueber den Chlorkalk als desinficirendes Mittel. In Aufloͤsung auf die Oberflaͤche eines Koͤrpers gebracht, wirkt der Chlorkalk energisch auf die anstekenden Stoffe desselben. Er hat vor dem gasfoͤrmigen oder fluͤssigen Chlor den großen Vortheil, in demselben Raume ein viel groͤßeres Gewicht von Chlor zu vereinigen. Man hat ihm auch eine desinficirende Wirkung auf die Luft zugeschrieben, welche aber nicht nur weit unter denjenigen des gasfoͤrmigen Chlors ist, die aber zufolge des Vorhergehenden, nur dann Statt zu finden scheint, wenn man die Fluͤssigkeit so bewegt, daß man die Wirkung der Luft auf ihre Oberflaͤche erneuert. Diese Methode, der Fluͤssigkeit eine desinficirende Wirkung auf die Luft zu verschaffen, ist viel zu wenig wirksam und zu unbequem, als daß ihr die Entbindung gasfoͤrmigen Chlors nach der Methode von Guyton-Morveau nicht bei weitem vorzuziehen seyn sollte. Ueber den Chlorkalk als Heilmittel. Fuͤr den medicinischen Gebrauch ist es wichtig, daß die Praͤparate immer auf gleiche Art zusammengesezt sind. Dieses laͤßt sich hier sehr leicht erhalten, wenn man sich nur eines in der Waͤrme bereiteten Chloruͤrs bedient. Sonst laͤuft man Gefahr, auf den Kranken eine Wirkung anszuuͤben, die um ein Drittel staͤrker oder schwaͤcher seyn kann. Man braucht nur zu erwaͤgen, daß vier Theile Chloruͤr von 66° eben so viel gelten, als 3 von 100° und man kann, wenn man ersteres verschreibt, sich darauf verlassen, daß die Unregelmaͤßigkeiten in der Wirkung nicht von dem Chloruͤr herruͤhren. Zusaz. In dieser Abhandlung des Hrn. Morin werden viele Thatsachen angefuͤhrt, welche schon seit laͤngerer Zeit vollkommen erwiesen und bereits allgemein bekannt sind. Die unrichtigen Behauptungen des Herrn Dr. Ure uͤber mehrere den Chlorkalk betreffende Puncte, habe ich vor Hrn. Morin bereits in meiner Abhandlung uͤber den Chlorkalk (in diesem Journal Bd. XXVI., S. 223) auf eine mehr evidente Weise widerlegt und berichtigt. – Herr Morin schlaͤgt den Gebrauch des salzsauren Manganoxyduls als Fluͤssigkeit im Chlorometer vor. Sein Verfahren ist aber sehr unvollstaͤndig und undeutlich beschrieben; er gibt gar nicht an, wie er sein salzsaures Manganoxydul bereitet, ob dieses freie Saͤure enthaͤlt, oder neutral ist, u.s.w.; daß es kein reines Praͤparat war, erhellt aus der Bemerkung, daß die chlorometrische Fluͤssigkeit mit der Zeit einen braunen Niederschlag (Eisenoxyd?) absezt (welches bekanntlich bei dem reinen Salze nie der Fall ist) und daher mit Salzsaͤure geschaͤrft werden muß, um keine Veraͤnderung der Staͤrke zu erleiden. Den Prozeß, welcher bei der Reaction des Chlorkalks auf salzsaures Manganoxydul Statt findet, kennt er offenbar nicht genau; Ich habe ihn S. 236 und 239 in der citirten Abhandlung beschrieben. Auf der Genauigkeit, welche sein Chlorometer gewaͤhrt, beruht aber einzig und allein die Richtigkeit eines großen Theiles seiner Angaben. – Herr Morin fuͤhrt verschiedene Versuche an, welche die Angabe des Herrn Welter bestaͤtigen sollen, daß 2 Aeq. Kalkhydrat (welche 2 Aeq. Kalk auf 2 Aeq. Wasser enthalten) nur 1 Aeq. Chlor absorbiren und sich mir Hinterlassung der Haͤlfte der Kalkerde, als neutraler Chlorkalk in Wasser aufloͤsen. Er sagt aber nicht ob er den Chlorgehalt des bei seinen Versuchen erhaltenen Chloruͤrs mittelst seines Chlorometers oder durch directe Bestimmung der Gewichtszunahme des Kalkhydrats ausgemittelt hat. Bekanntlich hat aber Herr Houton-Labillardiére (dessen Versuche ich vollkommen bestaͤtigt gefunden habe) im Journal de Chimie medicale I. p. 501 gezeigt, daß dieß Verhalten des Chlors zum Kalkhydrat unrichtig beurtheilt sey, daß bei dem gewoͤhnlichen Kalkloͤschen nicht Alles in Kalkhydrat verwandelt werde, sondern ein Theil Kalk unveraͤndert bleibe, auf welchen dann das Chlorgas nicht wirkt. Loͤscht man aber Kalk mit Wasser in Ueberschuß, den man dann durch richtige Waͤrme verjagt, und leitet Chlor uͤber dieses Hydrat, so erhaͤlt man ein in Wasser sich aufloͤsendes Chloruͤr, welches 47 p. C. Kalkerde und 53 p. C. Chlor enthaͤlt. – Herr Morin hat die Beobachtung gemacht, daß aufgeloͤster Chlorkalk beim Sieden unter Entbindung von Sauerstoffgas sich in Chlorcalcium und chlorsauren Kalk zersezt. Um das Verhaͤltniß des ersteren zum lezteren auszumitteln, hat er die Fluͤssigkeit mit kohlensaurem Kali gefuͤllt und sodann das chlorsaure Kali von dem Chlorkalium durch Krystallisation getrennt. Dieses Verfahren kann aber gar keine Genauigkeit gewaͤhren. Das Verhaͤltniß der Chlorsaͤure zur Chlorwasserstoffsaͤure in der durch Sieden zersezten Chlorkalkaufloͤsung haͤtte mittelst salpetersauren Silbers ausgemittelt werden sollen. – Herr Morin bemerkt, daß, als er Chlor durch Kaliaufloͤsung leitete, die entstandenen Krystalle von chlorsaurem Kali mit kohlensaurem Manganoxydul vermengt waren, weil das Chlor etwas salzsaures Manganoxydul mit sich in die Kaliaufloͤsung hineingezogen hatte. Dieß muß jedoch ein Irrthum seyn, weil das Mangansalz sich zufolge meiner Versuche in Beruͤhrung mit feuchtem Chlorgas oder Chlorkali in Manganhyperoxydul und Mangansaͤure verwandelt. Uebrigens haͤtte das Chlorgas bei diesem Versuche, ehe es in die Kaliloͤsung kam, durch Wasser geleitet werden sollen. – Die Entbindung gasfoͤrmigen Chlors nach der Methode von Guyton-Morveau kann dem Verfahren des Herrn Labarraque, welches sich auf die Wirkung der Luft auf die Chloralkalien gruͤndet, nicht vorgezogen werden, weil lezteres fuͤr ganz andere Umstaͤnde berechnet ist. – Ich behalte mir vor, Versuche uͤber die Angaben des Herrn Morin, welche auf der Genauigkeit seines Chlorometers beruhen, anzustellen und die Resultate in der Folge mitzutheilen. Emil Dingler.