Titel: Ueber Perkins's Dampfmaschine. Von J. A. Uthe in Dresden.
Autor: Johann Andreas Uthe [GND]
Fundstelle: Band 29, Jahrgang 1828, Nr. XLV., S. 178
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XLV. Ueber Perkins's Dampfmaschine. Von J. A. Uthe in Dresden. Uthe, uͤber Perkins's Dampfmaschine. Bis zum Ueberdruß ist das Publikum mit der Perkins'schen Dampfgeschichte, ja ich moͤchte sagen, mit jedem Winde, den er fahren ließ, behelligt worden. Schon fruͤher fand ich es einmal noͤthig, in diesem Journale (Bd. XV. S. 448) uͤber diese Angelegenheit zu sprechen, und Hrn. Perkins sein zwekwidriges Verfahren in der Dampferzeugung zu zeigen, wie ich das auch in einem Briefe an ihn selbst gethan habe. Ob nun dieses oder seine Erfahrungen ihn veranlaßten, seinen fruͤheren unsinnigen Dampferzeuger zu verlassen und andere Wege einzuschlagen, ist nicht meine Sache zu untersuchen; nur so viel ist gewiß, daß er von einem Extreme auf das Andere gerathen ist. Merkwuͤrdig bleibt es, wie Hr. Perkins von seinem ersten Dampferzeuger behaupten konnte, daß dieses der einzig rechte Apparat sey, der allen Anforderungen genuͤge. Recht haͤtte er gehabt, wenn seine Behauptung, naͤmlich 9/10 Ersparung an Kohlen, durch die Erfahrung sich bestaͤtigt haͤtte. Da die Erfahrung ihn aber das Gegentheil gelehrt, und zwar so, wie ich es vor vier Jahren oͤffentlich aussprach, so nahm er seine Zuflucht zu solchen Huͤlfsmitteln, die schon Andere, fruͤher als er, als wirksam erkannt hatten, naͤmlich zu einem Dampfapparate aus Roͤhren bestehend. Auf diesem Wege ist er nun zwar der Wahrheit etwas naͤher geruͤkt, wenn ich aber sagte, sein Apparat entspraͤche den Gesezen der Natur, so behauptete ich eine Unwahrheit. Aus allem dem, was wir von Hrn. Perkins und seinen Versuchen (denn fuͤr etwas mehr kann ich seine Bemuͤhungen in dieser Sache nicht halten) bis jezt gelesen oder sonst erfahren habe, geht nur so viel hervor, daß ihm sehr ansehnliche Summen muͤssen zu Gebote gestanden haben. Was die Versuche zum Werfen von Kugeln anbelangt, so habe ich diese gleich der Explosionsmaschine nur als eine gelehrte und unzeitige, mit Zeit- und Geldverlust verbundene Spielerei betrachten muͤssen. Haͤtte Hr. Perkins durch diese Summen, die ich als verspielt ansehe, die einzig wahre Grundbasis der Dampferzeugung, so wie die moͤglichst vortheilhafteste Anwendung desselben, und diese in das Geschaͤftsleben uͤberzutragen gesucht, so haͤtte er sich den Dank der gesammten Geschaͤftswelt verdient; alles Uebrige waͤre dann von selbst daraus hervorgegangen. Obgleich mein Apparat erlaubt, Dampf von 1 bis 100 Atmosphaͤren Expansion und daruͤber zu erzeugen, ja so hoch, als Hr. Perkins es je treiben kann und wird, so halte ich es doch unter meiner Wuͤrde, mit dieser Naturkraft Jagd auf Menschen zu machen. Hrn. Perkins Advocaten prahlen mit der großen Ersparniß an Kohlen, welche die im Gange sein sollende Maschine gegen eine Watt'sche Maschine gewaͤhre; man behauptet davon, daß sie bei gleichem Kohlenaufwande das Doppelte leiste. Um aber das Doppelte einer Watt'schen Maschine zu leisten, gehoͤren fuͤrwahr keine so oft und so laut gepriesenen Erfindungen dazu; denn dieses wuͤrde bei doppelten Cylindern, wie er jezt angewendet, wo der große Cylinder 8 × Groͤße, auch jeder nur gewoͤhnlich construirte Kessel leisten; also ein großer Abstand von 9/10. Ein Kessel, dessen Bau den Gesezen der Natur ganz entspricht, wird mit derselben Menge Kohlen, welche die genannte Perkinssche Maschine verbrauchen soll (1200 Pfund in 12 Stunden), doppelt so viel Dampf liefern, als Hr. Perkins durch seinen Kessel erhaͤlt, wie ich aus der Erfahrung weiß. Hr. Perkins hat, so lange wir von ihm hoͤren, bewiesen, daß er das Ungewoͤhnliche oder große Spruͤnge sehr liebt, und von einmahl ergriffenen Vorurtheilen sich nicht los machen kann oder will; dieses sehen wir jezt auf's Neue bei seinen Roͤhrenkesseln, wo er an seinem uͤberhizten Dampfe, wie er ihn nennt, sein Heil zu finden hofft, und aus diesem Grunde den Apparat ohne Noth und Nuzen complicirter macht, als er seiner Natur nach schon ist. Mir kommt sein hier eingeschlagener Weg so vor, als ob jemand, anstatt auf dem rechten Wege und der rechten Thuͤre in ein Haus zu gelangen, erst um das Haus herum geht, und von hinten durch das Dach einsteigt, und wie natuͤrlich wird er endlich auch in dem Hause seyn. Man wird sich erinnern, daß ich in diesem Journale a. a. O. Hrn. Perkins Vorwuͤrfe machte, daß er den hohen Dampf so schlecht benuͤze, und die Wirkung der Atmosphaͤre ganz verschmaͤhe. Mag es nun seyn, daß das Unvermoͤgen seines Dampferzeugers oder seine Erfahrungen und Einsichten ihm gelehrt haben, darauf mehr Ruͤksicht zu nehmen, genug, wir sehen an seiner Maschine fuͤr bessere Benuͤzung des Dampfes zu hohem und niederem Druke zwei Cylinder, und fuͤr die Wirkung der Atmosphaͤre auch einen Condensator angebracht. Mittel, die er zuvor verschmaͤhte, weil sie von Anderen vor ihm angewendet wurden. In diesem Augenblike habe ich weder Zeit noch Muße, Hrn. Perkins zu beweisen, daß, um die von seiner Maschine genannte Wirkung hervorzubringen, durch dasselbe Dampfvolumen, bei weitem nicht die Haͤlfte der von ihm angewendeten Expansion noͤthig sey; ja ich kann ihm durch die That beweisen, daß durch dieselbe Kohlenmenge und nur 5, sage fuͤnf Atmosphaͤren Druk, dasselbe Kraftmoment zu erreichen ist. Ferner legt er eine große Wichtigkeit darauf, die Luftpumpe weggeschafft zu haben. Obwohl schon lange vor ihm mehrere solcher Vorrichtungen existirten, auch von mir selbst schon angewendet wurden, so wuͤrden wir ihm doch Dank schuldig seyn, wenn er uns bekannt gemacht haͤtte, bis zu welchem Grade sein Vacuum steige, und bis er dieses nicht gethan, muß er mir erlauben, an der großen Wirkung desselben zu zweifeln; denn jeder Sachkenner weiß, wie viel Wasser dazu gehoͤrt, Dampf von circa 10 Atmosphaͤren vollkommen zu condensiren; und ich schaͤme mich nicht hinzuzufuͤgen, daß nur die Thorheit eine solche Anordnung treffen kann, naͤmlich Dampf von so hoher Temperatur zu condensiren. Viele stehen in dem Wahne, als ob die Luftpumpe uͤberfluͤssig sey; obgleich ich selbst kein großer Freund derselben bin, so rathe ich doch dieselbe beizubehalten, zumahl, wenn man das Wasser nicht zu weit hat. Ist die Condensation gut, so ist die Wirkung ganz vortrefflich; denn ich habe Faͤlle gesehen, wo die Expansion des Dampfes kaum 1/2'' war, und die Maschine durch die Condensation allein vollkommen arbeitete. Ein guter Metallkolben ist bei hohem Dampfe eine unerlaͤßliche Bedingung, und ich habe bei meinem Hochdrukkessel auf Seraing einen Metallkolben angewendet, der keines Oehles oder Fettes bedarf, ohne so großes Gewicht darauf zu legen, als Hr. Perkins. Das was uͤbrigens meine Bemuͤhungen uͤber diesen Gegenstand mit denen des Hrn. Perkins gemein haben, besteht nicht in der Aehnlichkeit der Maschinen, sondern in den Schwierigkeiten, welche zu beseitigen waren, und die nur der kennen kann, der selbst Hand an diese Sache legte; und von meiner Seite war der Jahre lange Kampf, ohne die noͤthigen Mittel, die Hauptschwierigkeit; und dieses allein ist der Grund, warum meine so wichtigen Entdekungen noch nicht in das Leben uͤbergehen konnten, aber bald wird der Augenblik kommen, wo ich uͤber meine Arbeiten ausfuͤhrlich sprechen kann. Dresden, den 10. Juli 1828.