Titel: Ueber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen, und jedes Individuum in den Stand zu sezen, sich die für seine Augen paffenden Brillen selbst zu wählen. Von Hrn. Joh. H. Hawkins.
Fundstelle: Band 29, Jahrgang 1828, Nr. CXXXI., S. 449
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CXXXI. Ueber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen, und jedes Individuum in den Stand zu sezen, sich die fuͤr seine Augen paffenden Brillen selbst zu waͤhlen. Von Hrn. Joh. H. Hawkins. Aus dem Supplement to Vol. III. of the Repertory of Patent-Invent. S. 385. (Fortsezung von S. 130 des XXIV. Bandes des polytechn. Journ.)Es ist nicht unsere Schuld, daß wir diese Fortsezung erst nach einem Jahre liefern. Es ist bei den englischen Journalen jezt Sitte, das lezte Heft zu jedem Bande, in welchem das Register zu demselben und einige kleine Abhandlungen enthalten sind, als Supplement herauszugeben, und sich besonders bezahlen zu lassen. Da hierauf von den Posten aus dem festen Lande, die monatlich nur ein Heft bringen, keine Ruͤksicht genommen wird, so bleiben die Praͤnumeranten, selbst bei wiederholten Bestellungen der Supplemente, wie in unserem Falle, oft ein Jahr lang außer dem Besize der Fortsezung einer Abhandlung. A. d. R. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Hawkins, uͤber die Mittel, den wahren Zustand der Augen zu bestimmen. Es ist offenbar, daß wenn eine Brille die lezt erwaͤhnte Weite der Fassung von 2 7/16 Zoll hat, und eine Person, deren Augen die Weite oder die Entfernung von 2 1/8 Zoll haben, mit einem Auge durch den Mittelpunct des einen dieser Glaser sieht, das andere Auge nahe an dem Umfange dieses Glases durchsehen muß. Es bedarf nur einer kleinen Wendung des Auges, und der Blik faͤllt auf die Fassung, statt daß er durch das Glas durchginge, was dem Auge nothwendig schaden muß. Und doch sieht man, wo man Brillen kauft, so selten auf diese Weite der Augen und auf die Weite der Brille, und daher die vielen Unannehmlichkeiten bei dem Gebrauche so vieler Brillen. Ein anderer hoͤchst wichtiger Umstand bei der Auswahl der Augenglaͤser ist dieser, daß die beiden Glaͤser genau von einer und derselben Farbe sind, und daß die Farbe selbst so unmerklich ist, als moͤglich. Nie sollte, man diesen wichtigen Umstand aus den Augen lassen, zumahl da man mit demselben bald in's Reine kommen kann: man legt die beiden Brillenglaͤser auf ein Blatt weißes Papier, und sieht ob dieses unter dem Glase eben so weiß ist, als außerhalb desselben. Auch die Groͤße der Brillenglaͤser muß beruͤksichtigt werden. Unsere Voreltern haben ihren Augen sehr dadurch geschadet, daß sie Brillenglaͤser von 1 1/2 Zoll im Durchmesser brauchten. Man hat sie nach und nach kleiner gemacht. Gegenwaͤrtig haben sie im Durchschnitte Einen Zoll im Durchmesser, oder halten, wenn sie oval sind, 1 1/3 Zoll in der Laͤnge und 7/8 in der Breite. Wo man nur Ein Paar Glaͤser in Einer Brille hat, wuͤrde ich Einen Zoll in der Laͤnge und 3/4 in der Breite empfehlen, weil es besser ist, den Kopf zu drehen, als zu schief durch die Glaͤser zu sehen. Wenn man, nach Dr. Franklin's Erfindung, zwei Paar Glaͤser in einer Brille traͤgt (die man mit Unrecht entzwei geschnittene Glaͤser (bisected glasses) nennt, da sie nicht ein entzwei geschnittenes Glas sind), so sollte die Oeffnung dieser Glaͤser Ein Zoll auf 7/8 seyn, und nicht groͤßer. Wenn man drei Paar Glaͤser in Einer Fassung hat (was ich vor Allem empfehle und durch diesen Aufsaz einzufuͤhren wuͤnsche) und sich meiner Trifocalbrillen (Brillen mit drei Brennpuncten, trifocal Spectacles) bedient, so sollte die Oeffnung ein Kreis von einem Zolle im Durchmesser seyn. Die Breite, oder vielmehr die Hoͤhe des oberen Glases, des Glases mit der laͤngsten Brennweite, sollte 5/12, des Durchmessers der Fassung, jene des mittleren Glases 4/12, und die des untersten, oder des Glases mit der kuͤrzesten Brennweite, 3/12, dieses Durchmessers betragen. Fuͤr ein Paar Augen, die 2 3/8 Zoll weit von einander entfernt stehen, sollten die Mittelpuncte der oberen Glaͤser, die fuͤr entfernte Gegenstaͤnde bestimmt sind, beinahe 2 3/8 Zoll weit von einander entfernt seyn. Wenn die mittleren Glaͤser denjenigen, der die Brille traͤgt, auf 16 Zoll weit von dem Auge weg deutlich sehen machen sollen, so muͤssen die Mittelpuncte dieser Glaͤser etwas weniger als 2 1/4 Zoll von einander entfernt seyn; und wenn die untersten Glaͤser so sehr vergroͤßern, daß sie in einer Entfernung von 3 Zoll deutlich sehen, so sollten die Mittelpuncte dieser Glaser etwas weniger als zwei Zoll von einander entfernt stehen. Fig. 14. zeigt eine Trifocalbrille von vorne. Die Mittelpunkte der concentrischen Kreise bezeichnen die Stelle, wo die diksten Theile oder die Achsen der drei Glaͤser zu liegen kommen muͤssen, wenn die Brennweite des oberen Glases 26 Zoll, die des mittleren 12 Zoll, und die des unteren 7 Zoll betraͤgt. Solcher Glaser bediene ich mich gegenwaͤrtig. Fig. 15. zeigt dieselbe von der Seite, und die Neigung, die die senkrechten Flaͤchen, welche durch die mittleren Glaͤser gehen, gegen einander haben muͤssen. Die punctirten Linien zeigen die Neigungen, die den oberen, mittleren und unteren Glaͤsern gegeben werden muͤssen. a ist die Richtung der Flaͤchen der oberen, b     –     –  – mittleren, c     –     –  – unteren Glaͤser. Diese drei Richtungen koͤnnen erhalten werden, wenn man die Fassung der mittleren Glaser zu jeder Seite gleich schleift, und an den oberen und unteren Glaͤsern die Fassung an der entgegengesezten Seite des Glases schleift. Fig. 16. ist ein senkrechter Durchschnitt durch die Mitte der drei Glaͤser in ihrer Fassung und zeigt, wie dieselben gegen einander geneigt seyn muͤssen, und wie die Brillen getragen werden muͤssen, wenn das Auge durch jedes dieser drei Glaser nach Belieben unter einem rechten Winkel durchsehen soll. Die coincidirenden Achsen der Glaͤser und des Sehens sind durch die punctirten Linien, a, b, c, ausgedruͤkt. Obschon ich meinem Optiker eine solche Zeichnung gab, und auf der absoluten Nothwendigkeit bestand, die drei Glaͤser fuͤr jedes Auge unter der hier gezeichneten Neigung zu fassen, so daß man bloß das Auge drehen darf, um unter allen Entfernungen deutlich zu sehen, so konnte ich ihn doch nicht vermoͤgen, nach meinem Wunsche zu arbeiten. Er fuͤgte die drei Glaͤser in einer und derselben Flaͤche ein, und ich konnte folglich nicht deutlich sehen. Ich klopfte mir die Fassung selbst zu, brachte die Glaser in die hier verzeichnete Lage, und habe nun seit einem Jahre das Vergnuͤgen, mit einer Klarheit und Leichtigkeit zu sehen, wie ich in meiner Jugend nicht sah. Meine Augen werden nicht muͤde, obschon ich des Tages 16 Stunden lang, mehrere Stunden bei Kerzenlicht, mit seinen Arbeiten mich beschaͤftigen muß. Der Optiker machte mir auch einen schlechten Buͤgel, der auf meine Nase nicht paßte, und wollte den alten nicht abaͤndern, weil er besorgte, daß das Silber durch das Umarbeiten zu weich werden wuͤrde. Ich machte mir spaͤter unter dem schlechten Buͤgel, a, Fig. 17., einen Huͤlfsbuͤgel, b, aus einem Streifen Silberblech, dessen Form man in, c, sieht; ein solcher Huͤlfsbuͤgel fuͤgt sich leicht nach jeder Nase. Als ich vor 20 Jahren anfing, mich der Brillen zu bedienen, bekam ich Kopfweh wegen des Drukes der Brille auf der Nase. Ich brachte also an der Brillenfassung noch ein Paar Extraarme an die auf dem Vorhaupte ruhten, und so die Brillenglaͤser in der Hoͤhe hielten, ohne daß sie die Nase druͤkten. Fig. 18. zeigt diese Vorrichtung. a, ist ein Theil der eigentlichen Brillenfassung. b, ein gewoͤhnlicher Doppelarm. c, ein Bloͤkchen, welches an der inneren Seite des gewoͤhnlichen Armes bei seinem Hauptgefuͤge aufgenietet oder aufgeloͤthet ist. d, der Extraarm, der sich in einem Schraubengewinde in diesem Bloͤke dreht. Ich schließe mit einigen Bemerkungen uͤber Brillen uͤberhaupt, und die Bi- und Trifocalbrillen insbesondere. 1) Leute, die in großer Entfernung und in einem Abstaͤnde von 4 bis 16 Zoll deutlich sehen, beduͤrfen keiner. Brillen. 2) Leute, die in einem Abstande von 4 bis 12 Zoll, aber nicht in einer groͤßeren Entfernung deutlich, sehen, brauchen einfache (unifocal) concave Brillen mit geringer Verkleinerungskraft, die etwas hoch getragen werden muͤssen, um unter denselben lesen zu koͤnnen. 3) Leute, die nicht uͤber drei bis vier Zoll weit deutlich zu sehen vermoͤgen, werden sich mit Vortheil bifocaler Hohlbrillen bedienen, wovon das obere Glas maͤßig, das untere wenig verkleinert. 4) Leute, die nicht uͤber zwei Zoll weit, deutlich sehen koͤnnen, brauchen Trifocal-Hohlbrillen, wovon das oberste Glas stark, das mittlere maͤßig, das untere wenig verkleinert. 5) Leute, die in die Weite und 16 Zoll vom Auge weg, aber nicht naͤher, deutlich sehen, sollen nur einfache (unifocal) convexe Glaͤser mit schwacher Vergroͤßerung brauchen, naͤmlich 36–24 zoͤllige Glaser, und dieß nur, wenn sie Federn schneiden, kleinen Druk lesen, oder undeutliche Gegenstaͤnde zu betrachten haben. 6) Leute, die in die Ferne und bis auf 16–24 Zoll deutlich sehen, aber nicht naͤher, koͤnnen sich der Bifocal-Convex-Brillen von 24 bis 36 Zoll zum Lesen, von 12–16 Zoll zum Federnschneiden bedienen, und die Brille muß niedrig getragen werden, um uͤber dieselbe in die Ferne wegsehen zu koͤnnen. 7) Leute, deren Focus uͤber 24 Zoll betraͤgt, die aber noch immer gut in die Ferne sehen, brauchen Bifocalbrillen von noch staͤrkerer Vergroͤßerungskraft, als die der VI. Classe: wenn sie aber kleine Gegenstaͤnde bearbeiten muͤssen, rathe ich ihnen Trifocalbrillen. 8) Leute endlich, die, so wie ich, einen so laugen Focus haben, daß er sich gar nicht mehr in ihrem Auge zu bilden scheint, koͤnnen ohne Trifocalbrillen gar nicht bequem arbeiten. Vor 25 Jahren stieß ich auf eine sonderbare Ausnahme von obigen Regeln. Ein sehr kurzsichtiger junger Mann aus Philadelphia versuchte vergebens alle Lorgnetten oder Concavglaͤser. Zufaͤllig nahm er gewoͤhnliche Convexbrillen vor das Auge und sah nun deutlich, und noch deutlicher, als er noch staͤrker vergroͤßernde Brillen brauchte. Mochte Rubens Peale uns Nachricht uͤber den fruͤheren und gegenwaͤrtigen Zustand seiner Augen geben.

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