Titel: Ueber das Färben der Wolle mittelst Berlinerblau und den mittelst dieser blauen Substanz hervorzubringenden andern Farben.
Autor: Dr. phil. Johann Gottfried Dingler [GND]
Fundstelle: Band 31, Jahrgang 1829, Nr. XV., S. 67
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XV. Ueber das Faͤrben der Wolle mittelst Berlinerblau und den mittelst dieser blauen Substanz hervorzubringenden andern Farben. Als Zusatz zu vorstehender Abhandlung vom Herausgeber. Ueber das Faͤrben der Wolle mittelst Berlinerblatt. Hr. P. Raymond, Sohn, theilt in der vorstehenden Abhandlung ein Verfahren mit, Wolle mittelst Berlinerblau zu faͤrben. Was die Anspruͤche auf die Prioritaͤt dieser Erfindung betrifft, so gebuͤhren sie dem Herrn Raymond nur in so weit, als er der erste ist, welcher dieses Faͤrbeverfahren sehr ausfuͤhrlich durch den Druk bekannt gemacht hat. Bei dem franzoͤsischen Industrieberichte im polytechnischen Journale Bd. XVIII, S. 259, wo zuerst des von Hrn. Raymond mit Berlinerblau gefaͤrbten Tuches Erwaͤhnung geschah, sagte ich ebendaselbst in der Note 79: „Das Faͤrben der Wolle und Wollenfabrikate mittelst eisenblausauren Kalis, habe ich seit Kurzem zu einem so hohen Grade von Vollkommenheit gebracht, daß ich jede Nuͤance von Blau und zwar vom lichtesten Azurblau bis zum tiefsten Schwarzblau, in dem hoͤchsten Luͤster ganz nach Willkuͤhr mittelst eisenblausauren Kalis hervorbringe. Dieser Faͤrbungsproceß ist sehr einfach und weicht, so wie mein Verfahren, Scharlachroth mit Krapp zu faͤrben, von den bisherigen Faͤrbungsweisen wesentlich ab. Proben von so gefaͤrbten Fabrikaten stehen jedem Sachverstaͤndigen zu Diensten.“ Am 14ten Februar 1825 benachrichtigte ich Se. Excellenz den koͤnigl. preußischen Minister des Handels und der Gewerbe, Hrn. Grafen v. Buͤlow in Berlin, in einem Schreiben von diesem Faͤrbeverfahren, welcher mir am 5ten April darauf in Antwort sagte, „daß, wie ich in meinem Schreiben selbst einraͤumte, die Kunst mit eisenblausaurem Kali Wolle blau zu faͤrben, keineswegs neu, auch hier (in Berlin) bereits ausgefuͤhrt ist, jedoch haben die in dieser Art gefaͤrbten Tuͤcher in der Kuͤpe nachgefaͤrbt werden muͤssen, um dunkle Nuͤancen und Widerstand der Farbe gegen Seife und Alkalien hervorzubringen u.s.w.“ Ich habe auf das Begehren des Hrn. Ministers an das Ministerium des Handels und der Gewerbe in Berlin zwei Drittels Tuch-Stuͤke eingesandt, wovon das eine mittelblau und das andere dunkelblau gefaͤrbt war. Der Hr. Graf v. Buͤlow starb indessen und die eingesandten blau gefaͤrbten Tuͤcher fanden auf den Grund ihrer Faͤrbebasis kein großes Interesse, was mich veranlaßte, das Ganze einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Auf die oben erwaͤhnte Anzeige in dem polytechnischen Journale begehrten indessen mehrere Faͤrber und Tuchfabrikanten Muster von so gefaͤrbten Tuͤchern, die ich ihnen sandte und auch einigen derselben das Faͤrbeverfahren brieflich mittheilte. Nach dem eigenen Berichte des Hrn. Raymond hatten die von ihm im Jahre 1823 mit Berlinerblau gefaͤrbten und auf die Ausstellung gegebenen Tuͤcher noch nicht die gehoͤrige Vollkommenheit, und er sezte erst im Jahre 1827 seine Faͤrbeversuche wieder fort, um dem Verfahren die ihm noch noͤthige Vollkommenheit zu geben, deren es faͤhig schien, und das Verfahren, welches er dann ausfindig machte, hat er in der vorstehenden Abhandlung ausfuͤhrlich beschrieben. Sein Faͤrbeverfahren weicht von dem meinigen bloß darin ab, daß er zur Erzielung des Dunkelblau die Tuͤcher in dem schwefelsauren Eisenbade einige Zeit kochen laͤßt, was ich bei einem etwas staͤrkeren oxydirt schwefelsauren Eisenbade durch laͤngeres Hin- und Herhaspeln in demselben bei einer Temperatur von 60 bis 65° R. bezweke, wodurch das Blau ein hoͤheres Luͤfter bekommt. Da nur wenige Tuchfaͤrber im Besize von Dampfkoch-Einrichtungen sind, und da dieses Faͤrbeverfahren nun, weil es uͤber Frankreich nach Deutschland zuruͤkkommt, ein groͤßeres Interesse erregen duͤrfte, als es bei meiner fruͤheren Anzeige der Fall war, so theile ich im Nachstehenden die Methode mit, wie man auch ohne Dampfkochapparat dieses Blau in allen Nuͤancen, vom hellsten bis zum dunkelsten Blau darstellen kann. Bereitung des schwefelsauren Eisenoxydes. Man bringt in einen geraͤumigen eisernen, am besten einen gut emaillirten eisernen KesselIm Kleinen kann man sich auch glaͤserner Kolben oder Haͤfen von Steingu oder Porzelain bedienen, die man, um den Inhalt zu erhizen, in ein Sandbad stellt. 20 Pfund gestoßenen Eisenvitriol 15 1/2 Pfund Wasser und   2 1/2 Pfund concentrirte Schwefelsaͤure (Vitrioloͤhl). Die Mischung wird unter bestaͤndigem Umruͤhren so lange erhizt bis sie anfaͤngt zu sieden, worauf man allmaͤhlich 2 Pfund 26 Loth Salpetersaͤure von 36° Bek (33° Beaume) zusezt. Es entwikeln sich alsbald rothe Daͤmpfe und die Masse faͤngt daher an zu steigen, was besonders gegen das Ende, wo die lezten Antheile von Salpetersaͤure zersezt werden, noch weit mehr der Fall istVon diesem schwefelsauren Eisenoxyd habe ich die erste technische Anwendung gemacht und dasselbe seit 1824 in den Handel gebracht.. So wie die Entwikelung der rothen Daͤmpfe nachlaͤßt, muß man die Fluͤssigkeit in ein hoͤlzernes oder großes Steingutgefaͤß ausschoͤpfen. Weinstein-schwefelsaures Eisenoxyd. Waͤhrend die vorgehende Operation zu Ende geht, bringt man in einen kupfernen Kessel 16 Pfund Wasser und   8 Pfund gestoßenen rohen Weinstein. Wenn die Aufloͤsung des Weinsteins durch Huͤlfe der Waͤrme erfolgt ist, sezt man der Aufloͤsung noch 1 Pfund Schwefelsaͤure, die man mit 2 Pfund Wasser vorher verduͤnnt hat, hinzu, und gießt dann diese Loͤsung sogleich zu dem schwefelsauren Eisenoxyd, ruͤhrt das Ganze gut um, worauf das so gewonnene weinstein-schwefelsaure Eisenoxyd zum Gebrauche fertig ist. Rostbad (Ansud). Dieses Bad kann man fuͤglich in einem gewoͤhnlichen kupfernen Faͤrbekessel geben. Bei allgemeinerer Einfuͤhrung dieser Faͤrbemethode wuͤrde ich den Faͤrbern vierekige Kessel von gewalztem Blei empfehlen. Da man jezt das Blei sehr breit walzt, so kann man sich diese Kessel von ziemlicher Groͤße verfertigen lassen. Um das Flekigwerden der Tuͤcher zu verhindern, ist es nothwendig, daß man in dem Kessel einen von geschaͤlten Weiden verfertigten Korb befestigt, welcher zur Raumersparung die Groͤße des inneren Raumes des Kessels haben muß. Um ein klares Bad zu erhalten, fuͤllt man den Kessel beinahe voll Wasser, und bringt auf hundert Pfund Wasser, Ein Pfund concentrirte Schwefelsaͤure in denselben, welche man zuvor in einem Gefaͤße von Steingut oder Blei mit der dreifachen Quantitaͤt Wasser verduͤnnt hat; die Fluͤssigkeit ruͤhrt man Nun in dem Kessel recht gut durcheinander, damit die Schwefelsaͤure mit dem Wasser gleichfoͤrmig gemischt wird. Nun schoͤpft man ein, Ein Pfund Fluͤssigkeit fassendes, Trinkglas voll aus dem Kessel und gießt einen halben Eßloͤffel voll von dem weinstein-schwefelsauren Eisenoxyd hinzu. Bleibt die Fluͤssigkeit klar, so ist eine hinreichende Menge Schwefelsaͤure angewandt worden, truͤbt sie sich aber, so muß man noch den achten Theil der angewandten Saͤure zusezen. Um helle Nuͤancen von Blau hervorzubringen, gießt man nun auf jede 100 Pfund Wasser 5 Pfund von dem weinstein-schwefelsauren Eisenoxyd in den Kessel; fuͤr Mittelblau 8 Pfund, fuͤr Dunkelblau 12 Pfund und fuͤr Schwarzblau 16 Pfund. Man erwaͤrmt das Bad auf 18 bis 20 Grad Reaumuͤr und haspelt sodann das vorher gut durchnaͤßte Tuch in dasselbe. Zu hellen Nuͤancen darf man die Temperatur des Bades nur bis auf 30 bis 35 Grade nach und nach erhoͤhen, zu Mittelblau bis auf 40 bis 45, zu Dunkelblau bis auf 55 und zu Schwarzblau bis auf 65 Grad Reaumuͤr. Die Tuͤcher muͤssen auf dem Haspel immer gleich breit gehalten und das Hin- und Herhaspeln muß ununterbrochen fortgesezt werden. Die Tuͤcher zu hellen Nuͤancen werden nach einer Stunde hinlaͤnglich Eisenbasis aufgenommen haben, die zu mittelblauen erfordern eine Stunde mehr und die zu Dunkelblau und Schwarzblau bestimmten verhaͤltnißmaͤßig mehr. Im uͤbrigen Detail richtet man sich nach der vorstehenden Abhandlung des Hrn. Raymond, nur mit dem Unterschiede, daß das Bad selbst fuͤr Schwarzblau nicht zum Kochen kommen darf, weil das Tuch durch das Kochen rauh und das Blau nicht lebhaft wird. Das in dem Kessel bleibende Bad muß man, wenn man es ferner benuͤzen will, sogleich aus dem kupfernen Kessel in hoͤlzerne Gefaͤße bringen, damit es in dem Kessel nicht zu kupferhaltig wird; bei Anwendung bleierner Kessel faͤllt diese Vorsichtsmaßregel weg. Bei wiederholtem Gebrauche dieses Bades wird dann keine oder nur sehr wenig Schwefelsaͤure mehr zugesezt. Faͤrben. Die Tuͤcher, welche nach der vorhergegangenen Impraͤgnirung mit dem weinstein-schwefelsauren Eisenbade gut gereinigt worden sind, werden ganz auf die vorherbeschriebene Weise mit eisenblausaurem Kali gefaͤrbt. Dieses Faͤrben kann fuͤglich in kupfernen oder bleiernen Kesseln geschehen. Das Schoͤnen ist nach dieser Faͤrbungsweise nicht immer nothwendig; noͤthigen Falles geschieht es gleichfalls nach der vorher beschriebenen Weise. Außerdem kann man sich zum Schoͤnen und zur Erreichung einer groͤßeren Soliditaͤt der Farbe eines klaren Chlorkalk-, Chlorkali- oder Chlornatron-Bades bedienen. Um diesem Blau eine noch groͤßere Soliditaͤt zu geben, nicht aber um die Farbe mehr zu dunkeln, ist nach dem Faͤrben ein kurzes Durchnehmen durch die warme Indigkuͤpe sehr zutraͤglich. Die Indigkuͤpe kann zu diesem Behufe ganz schwach seyn; auch laͤßt sich hiezu fuͤglich eine Waidkuͤpe (ohne Indigzusaz) anwenden. Die so gefaͤrbten hell- und mittelbauen Tuͤcher kann man gleich wie das Kuͤpenblau mit Blauholz dunkeln. Dem Ansud aus Eisenvitriol, Kupfervitriol und Weinstein muß man aber ein wenig Schwefelsaͤure zusezen. Auch kann man die auf oben beschriebene Weise blau gefaͤrbten Tuͤcher nach der bekannten Methode in dem Gelbholzbade mit Zusaz von schwefelsaurer Indigaufloͤsung sehr schoͤn gruͤn faͤrben. Ich behalte mir vor, in der Folge auf diese Faͤrbeoperation wieder zuruͤkzukommen und sie noch mit einigen neuen Thatsachen zu bereichern. Dingler.