Titel: | Ueber die Vorzüge großer Räder auf Eisenbahnen, und über die Mittel, an Anhöhen hinauf zu fahren. Von J. Murdoch, Maschinen-Zeichner. |
Fundstelle: | Band 34, Jahrgang 1829, Nr. XC., S. 391 |
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XC.
Ueber die Vorzuͤge großer Raͤder
auf Eisenbahnen, und uͤber die Mittel, an Anhoͤhen hinauf zu fahren. Von
J. Murdoch,
Maschinen-Zeichner.
Aus dem Mechanics' Magazine. N. 326. 7. Nov. S.
181.
J. Murdoch, uͤber die Vorzuͤge großer Raͤder
auf Eisenbahnen etc.
Die Vortheile großer Raͤder auf Eisenbahnen183) wurden bisher zu sehr verkannt, als daß man nicht auf dieselben
zuruͤkkommen sollte: an dem Wagen der Maschine hatten sie gewoͤhnlich
4 Fuß im Durchmesser, und an den angehaͤngten Lastwagen weniger als 3 Fuß. Um
einen Begriff von der Wichtigkeit dieser Vortheile zu geben, will ich hier nur die
Resultate zweier Versuche des Hrn. Wood in seinem Treatise on Rail-Roads anfuͤhren.
Ein Dampfwagen mit Raͤdern von 3 Fuß im Durchmesser zog 9 Lastwagen mit 731
Ztr. 36 (engl.) Meilen weit in 9 Stunden 35 Minuten. Als man an demselben Wagen
Raͤder von 4 Fuß anstekte, zog er dieselbe Last 48,8 (engl.) Meilen weit in 9
Stunden 2; Minuten. Kohlen wurden in beiden Fallen gleich viel verbraucht,
naͤmlich 2534 Pfund. Bei gleicher Last und gleichem Kohlenverbrauche
verhaͤlt sich also, an demselben Dampfwagen, der in einer gegebenen Zeit
durchlaufene Raum, wie die Durchmesser der Raͤder dieses Wagens: denn 3 : 4 :
: 36 : 48. Durch Vergroͤßerung des Durchmessers des
Rades vermehrt man also die Geschwindigkeit des Dampfwagens, und vermindert
zugleich den Kohlenbedarf. Denn wenn in beiden Faͤllen 36 Bushels
Kohlen verbrannt wurden, so kommt im ersten Falle 1 Bushel auf die (engl.) Meile; im
zweiten aber 36/48 oder 3/4. Die Geschwindigkeit war dabei im ersten Falle 3,7 Meile
(engl.) auf die Stunde; im zweiten 5,15 (engl.) Meile.
Obschon dieser Versuch, in dem großen Maßstabe, in welchem er ausgefuͤhrt
wurde, entscheidend ist; so scheint das Resultat doch etwas paradox, indem Kraft und
Geschwindigkeit zugleich gewonnen wurde; und da man den Durchmesser der
Raͤder nach Belieben vergroͤßern kann, so sollte man glauben, daß die
Kraft dadurch ins Unendliche vergroͤßert werden koͤnnte; indessen,
wenn wir die reine mechanische Wirkung bei der Bewegung eines Wagens auf
horizontaler Ebene betrachten, verschwindet alles Paradoxe und die Gesetze der
Bewegung bleiben unerschuͤttert.
Der Widerstand bei der Bewegung eines Wagens (abgesehen von jenem der Luft) ist ein
doppelter: an den Felgen oder am Umfange, und auf der Achse. Ersterer entsteht durch
die Unebenheiten des Bodens, uͤber deren jede die ganze Last des Wagens
weggehoben werden muß, wozu nun eine Kraft gehoͤrt, die dieser Last gleich
ist. Auf einer gut gelegten horizontalen Eisenbahn ist dieser Widerstand hingegen so
gering, daß man ihn gaͤnzlich vernachlaͤssigen kann, und nur der
Widerstand auf der Achse mehr uͤbrig bleibt.
Dieser leztere ist die Reibung des Rades waͤhrend seiner Umdrehung auf seiner
Achse, und die Groͤße dieser Reibung waͤhrend einer gegebenen Zeit
haͤngt von der Schwere ab, mit welcher der Wagen auf die Achsen
druͤkt. Der Raum, auf welchem dieser Druk wirkt, und die Groͤße der
Reibung, die in einer gewissen Zeit uͤberwunden wird, sind das wahre Maß der
mechanischen Wirkung waͤhrend dieser Zeit. Wenn also die Schwere des Wagens
immer dieselbe ist, und die Raͤder dieselbe Anzahl von Umdrehungen in einer
gegebenen Zeit machen, so wird die Reibung oder die mechanische Wirkung immer
dieselbe bleiben, und nur denselben Kraftaufwand fordern. Allein der Raum,
uͤber welchen die Raͤder bei jeder Umdrehung um ihre Achse rollen,
verhaͤlt sich wie ihre Durchmesser, und wenn die Umdrehungen in allen Fallen
waͤhrend derselben Zeit geschehen, so muß die horizontale Geschwindigkeit des
Wagens sich gleichfalls wie der Durchmesser verhalten. Hieraus ergibt sich, daß das
wirkliche Maß der Wirkung bei dem Ziehen der Wagen auf einer horizontalen
Flaͤche sich verhaͤlt, wie der Druk auf die Achse multiplicirt mit der
Zahl der Umdrehungen, und nicht wie das Gewicht des Wagens multiplicirt mit dem
Raͤume, den er durchlaufen hat, was nur dann der Fall seyn wuͤrde,
wann der Wagen sich vertical. Statt horizontal, bewegt haͤtte. Wenn aber der
Wagen uͤber eine schiefe Flaͤche hinan muß, kommt, außer der Reibung
auf der Achse, auch noch die Gravitationskraft des Wagens zu betrachten, die sich
wie die Schwere desselben und die senkrechte Hoͤhe der schiefen
Flaͤche verhaͤlt; und da es nur die Reibung auf der Achse ist, welche
durch Vergroͤßerung des Durchmessers vermindert wird, so wird die
Vergroͤßerung der Geschwindigkeit sich nicht, wie die Vergroͤßerung
des Durchmessers verhalten, sondern wie diese Vergroͤßerung des Durchmessers
getheilt durch das
Verhaͤltnis, in welchem die Reibung zur Gravitationskraft der Last steht. So
wird man, wenn z.B. auf horizontaler Ebene eine Kraft von 16 Ztr. noͤthig
ist, um die Reibung eines Wagens von 200 Ztr. Last zu uͤberwinden, und man
dieselbe Last uͤber eine schiefe Flaͤche hinauf foͤrdern will,
die nur 100 Fuß lang und 2 Fuß hoch ist, noch eine Kraft hinzuthun muͤssen,
die gleich ist 200 Ztr., welche 2 Fuß, oder 2 Ztr., welche 100 Fuß hoch herabfallen;
im Ganzen 3 Ztr. fuͤr 100 Fuß. Ueberdieß wird, da die Reibung nur ein 1/3 des
ganzen Widerstandes ist, die vergroͤßerte Geschwindigkeit, die man durch
Vergroͤßerung des Durchmessers des Rades hier erhaͤlt, nur die
Haͤlfte derjenigen seyn, die man auf einer horizontalen Flaͤche
gewinnt.
Ein anderer Vortheil bei großen Raͤdern aus Eisenbahnen ist der, daß sie
weniger glitschen oder sich drehen, ohne dem Wagen weiter zu helfen, und diesen
Vortheil hat Hr. Wood gaͤnzlich uͤbersehen.
Denn in seinen Versuchen zur Bestimmung des Grades der Adhaͤsion des Rades
auf den Schienen sagt er, sie betruͤge 1/25 des Gewichtes des Wagens, ohne
die Groͤße der Raͤder zu beruͤksichtigen. Nun haͤngt
aber die Adhaͤsion offenbar von dem Gewichte des Wagens und dem Durchmesser
der Raͤder zugleich ab; denn die Kraft, mit welcher der Umfang des Rades von
dem Wagen gegen die Schiene gedruͤkt wird, kann als ein Gewicht betrachtet
werden, das auf das Ende eines Hebels wirkt, dessen Laͤnge die Laͤnge
des Halbmessers des Rades ist, und der Widerstand wird sich verhalten, wie der
Halbmesser zu der Laͤnge der Kurbel, durch welche das Rad gedreht wird; oder,
da der Betrag der Reibung wie der Druk und der Raum, auf welchem derselbe wirkt,
sich verhaͤlt, so wird die Reibung des Rades im Glitschen waͤhrend
eines Theiles der Umdrehung sich verhalten wie der Durchmesser des Rades. Man kann
also die Schwere des Dampfwagens vermindern, oder das
Gewicht der Last, welches er ziehen soll, vermehren, wenn der Durchmesser der
Raͤder vergroͤßert wird, vorausgesezt, daß die Kraft der Maschine
immer in demselben Verhaͤltnisse zur Last steht. Da die Vortheile großer
Raͤder so einleuchtend sind, so zweifle ich nicht, daß man bei Eisenbahnen in
Zukunft hierauf mehr Ruͤksicht nehmen, und die Raͤder an den Wagen,
die auf denselben laufen, so sehr vergroͤßern wird, als es Staͤrke und
Schwere gestattet. Wie weit die Graͤnzen dieser Vergroͤßerung reichen,
ist nicht so leicht zu bestimmen: die Raͤder des Hrn. T. Jones aus geschlagenem Eisen, die an Staͤrke und
Leichtigkeit alle anderen Raͤder uͤbertreffen, scheinen diese
Graͤnzen zu erweitern. Wir duͤrfen erwarten, Raͤder von 8 bis 9
Fuß in Anwendung kommen zu sehen. An Holzwagen und an den franzoͤsischen
Diligencen haben wir sie bereits 6 Fuß hoch, und sie halten aus, obschon sie von Holz sind
und auf den schlechten franzoͤsischen Straßen durch Seitenstoͤße viel
zu erleiden haben. Acht Fuß scheint also nicht zu viel fuͤr eiserne
Raͤder auf Eisenbahnen, wo keine Kraft von der Seite wirkt184) . Die Sicherheit gegen Umwerfen wird dadurch nur noch mehr gewinnen, indem
der groͤßere Durchmesser der Raͤder erlauben wird, den Kessel und den
uͤbrigen Apparat unter der Achse, Statt uͤber derselben
anzubringen.
Was das Hinanfahren auf Abhaͤngen betrifft, die zu steil sind, als daß sie
durch die Adhaͤsion der Raͤder uͤberwunden werden
koͤnnten, so zieht man hier gewoͤhnlich die Wagen mittelst eines
Seiles auf, das um eine Trommel laͤuft, welche von einer feststehenden
Dampfmaschine getrieben wird: allein die Reibung des Seiles, obschon dasselbe durch
Reibungswalzen unterstuͤzt ist, betraͤgt in manchen Fallen ein volles
Drittel des gesammten Widerstandes. Es sind noch andere Mittel uͤbrig, Lasten
bergan zu foͤrdern: 1) ein Zahnstok oder eine gezaͤhnte Schiene, die
nach der ganzen Laͤnge des Abhanges hinlaͤuft, und in welche ein
Zahnrad eingreift, das an dem Dampfwagen angebracht ist, wie auf dem Middleton
Kohlenwerke bei Leeds. 2) eine Kette, die der ganzen Laͤnge des Abhanges nach
hinlaͤuft, und an jedem Ende befestigt ist. Ein Zapfenrad an dem Dampfwagen
greift in die Glieder dieser Kette ein. Auf diese Methode ließ Hr. Chapman sich ein Patent ertheilen, das vielleicht schon
verfallen ist. Nach diesen beiden lezteren Methoden wird die Reibung des Seiles
vermieden und die feststehenden Dampfmaschinen werden uͤberfluͤssig,
was von hohem Belange ist, vorzuͤglich wenn Eisenbahnen neben den Chausseen
angeleg werden sollten185) .