Titel: Ueber die schleimige (gummige) Gährung und über die Mittel ihren Eintritt zu verhindern; von Hrn. Desfosses, Apotheker zu Besançon.
Fundstelle: Band 34, Jahrgang 1829, Nr. CI., S. 432
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CI. Ueber die schleimige (gummige) Gaͤhrung und uͤber die Mittel ihren Eintritt zu verhindern; von Hrn. Desfosses, Apotheker zu Besançon. Aus dem Journal de Pharmacie, Nov. 1829, S. 602. Desfosses, uͤber die schleimige Gaͤhrung. Nach den Hauptprodukten, welche sich waͤhrend der freiwilligen Zersezung der organischen Koͤrper bilden, wenn dieselben unter guͤnstigen Umstaͤnden sich selbst uͤberlassen werden, glaubten die Chemiker bisher viererlei Arten von Gaͤhrungen annehmen zu muͤssen, naͤmlich die zukerige, die weingeistige, die essigsaure und die faule; wahrscheinlich wuͤrde man deren noch mehrere kennen lernen, wenn man alle neuen Verbindungen, welche waͤhrend der freiwilligen Veraͤnderung organischer Substanzen entstehen, sorgfaͤltig untersuchen wuͤrde. Eine solche zeigt sich z.B. bei mehreren technischen Operationen zu oft, als daß man ihre Existenz laͤugnen konnte, naͤmlich bei der Bearbeitung der Zukerstoffe, welche sie in eine schleimartige Substanz umaͤndert. Derselben Art von Gaͤhrung muß man ohne Zweifel die Krankheit der Weine zuschreiben, welche man sehr uneigentlich das Umschlagen derselben genannt hat und die Veraͤnderung gewisser zukerhaltigen Gemenge, die zum aͤrztlichen Gebrauche vorgeschrieben sind. Diese Veraͤnderung ist wohl bekannt, denn einige Chemiker haben schon vorgeschlagen, sie klebrige Gaͤhrung (fermentation visquese) zu nennen; ich glaube die Benennung schleimige Gaͤhrung (fermentation muquese) waͤre passender. Da man bis auf den heutigen Tag weder die Umstaͤnde kennt, welche diese Gaͤhrung veranlassen, noch die Produkte, welche sich dabei bilden, so stellte ich einige Versuche in dieser Hinsicht an, deren Resultate ich nun der Société de Pharmacie zur Beurtheilung uͤbergebe. Ich habe zu meinen Versuchen den Rohrzuker gewaͤhlt, weil man bei ihm die gummige Gaͤhrung am haͤufigsten zu beobachten Gelegenheit hat und er einer derjenigen naͤheren Bestandtheile des Pflanzenreichs ist, welche man sich am leichtesten in sehr reinem Zustande verschaffen kann. Vor Allem glaubte ich mich versichern zu muͤssen, ob sehr reiner Zuker sich veraͤndern kann, wenn man ihn in sehr verduͤnnter waͤsseriger Aufloͤsung aufbewahrt, und ich kann es gegen die allgemein angenommene Meinung bestaͤtigen, daß dieses Aufbewahrungsmittel thierischer und vegetabilischer Substanzen sich volle zwei Jahre lang erhalten kann, ohne seine Natur zu veraͤndern, selbst wenn es in einer sehr großen Menge Wasser aufgeloͤst worden ist. In der That behalten Aufloͤsungen des weißesten Kandis- und Hutzukers in seinem acht- oder zehnfachen Gewicht Wasser, wenn sie achtzehn Monate und sogar zwei Jahre lang sich selbst uͤberlassen werden, ihre Durchsichtigkeit, ihren zukerigen Geschmak und die Eigenschaft zu krystallisiren, nach diesem langen Zeitraͤume noch bei. Wenn eine Aufloͤsung von sehr reinem Zukerstoff unveraͤnderlich ist, so verhaͤlt es sich hingegen ganz anders mit einem nicht hinreichend gereinigten. Wenn sich daher der Zukerstoff im Aussuͤßwasser von der Laͤuterung bei den Zukerbaͤkern und Raffinirern so schnell veraͤndert, so muß man dieses den beigemengten fremdartigen Substanzen zuschreiben. Ich glaubte Anfangs daß die Zersezung des Rohrzukers einem Ruͤkhalt von Eiweiß zugeschrieben werden muß, das er entweder von Natur aus enthaͤlt, oder welches ihm bei dem Raffiniren beigebracht wird; allein durch Aufweichen von Eiweiß in Zukerwasser konnte ich die gummige Gaͤhrung nicht hervorbringen und ich glaubte nun, daß die Veranlassung derselben in einigen Spuren von Ferment zu suchen sey, welches immer den Zukerstoff in den Pflanzensaͤften begleitet und wovon eine geringe Menge dem rohen oder unvollkommen raffinirten Zuker beigemengt bliebe. Wenn auch diese Substanz nicht einzig und allein die Zersezung des Zukers veranlassen kann, so ist es doch nach dem folgenden Versuche nicht mehr zu bezweifeln, daß sie dabei eine Hauptrolle spielen. Wenn man Bierhefe, welche zuvor durch reichliches Auswaschen mit kaltem Wasser gereinigt wurde, mit Wasser auskocht und sodann in dem filtrirten Decoct eine gewisse Quantitaͤt Zuker aufloͤst, so daß die Aufloͤsung ungefaͤhr 6 bis 8 Grade am Syruparaͤometer zeigt, so wird man finden, daß, wenn die Temperatur der Atmosphaͤre hoch genug ist, die Fluͤssigkeit sich in wenigen Tagen truͤbt und bisweilen so fadenziehend wird, wie ein Leinsamendecoct. Wenn man ein solches Gemenge in einer Gloke auf die Queksilberwanne, oder in eine Flasche bringt, welche mit einer Roͤhre versehen ist, wodurch man die Gasarten aufsammeln kann, so wird man finden, daß diese Gaͤhrung, welche stille vor sich zu gehen scheint, eine mehr oder weniger betraͤchtliche Quantitaͤt Gas entwikelt, welches bestaͤndig ein Gemenge von Kohlensaͤure mit reinem Wasserstoffgas ist; seine Menge so wie das Volumverhaͤltniß der beiden Gasarten ist wandelbar, wie man dieses aus folgenden Versuchen ersieht. Am 12. September 1829 brachte ich vier Grammen sehr reinen Kandiszuckers mit 80 Grammen Wasser, welche uͤber gereinigter Bierhefe gekocht worden waren, unter eine Gloke auf die Queksilberwanne; ich erhielt daraus 95 Kubikcentimeter Gas, welche aus 37 Kubikcentimeter Wasserstoff und 58 Kubikcentimeter Kohlensaͤure bestanden; die Gasarten wurden bei einer Temperatur von 15° C. und bei einem Barometerstand von 0,752 Meter gemessen. Den 22. Maͤrz 1829 gaben 4 Grammen Kandiszuker, welche in 80 Grammen mit Hefe gesaͤttigten Wassers aufgeloͤst worden waren, 40 Kubikcentimeter Gas, welche 30 Theile Kohlensaͤure und 10 Theile Wasserstoff enthielten. Bei anderen Versuchen war das Volum und die Zusammensezung des Gases immer wandelbar, je nachdem das Wasser mehr oder weniger Hefenstoff aufgeloͤst enthielt, oder je nachdem die Hefe mehr oder weniger ausgewaschen worden war, oder je nach der Temperatur der Atmosphaͤre. Gleiche Quantitaͤten Zuker, in gleichen Raumtheilen desselben mit Hefe gesaͤttigten Wassers aufgeloͤst, geben jedoch gewoͤhnlich identische gasartige Produkte. Ich habe sehr haͤufig bemerkt, daß diese Gaͤhrung zwoͤlf Tage lang dauert, denn nach Verlauf dieser Zeit entwikelt sich kein Gas mehr. Bei einer Temperaturerhoͤhung von 25 bis 30 Graden erfolgt sie schleuniger und vollstaͤndiger; sie findet gleichmaͤßig mit oder ohne Luftzutritt Statt. Es scheint auch, daß so wie bei der geistigen Gaͤhrung, nur eine sehr geringe Menge Hefenextract noͤthig ist, um den Zuker in die schleimige Gaͤhrung uͤberzufuͤhren; ich habe oͤfters eine Quantitaͤt des angewandten Hefenextracts abgedampft und aus einem Hectogramm immer nur einige Centigrammen Ruͤkstand erhalten. Die Hefe selbst, welche mit kaltem und siedendem Wasser ausgewaschen worden ist, kann ebenfalls die gummige Gaͤhrung erregen, aber sie schien mir immer langsamer zu wirken als das Extract. Die Bierhefe und ihr Extract sind nicht die einzigen Substanzen, welche sich zur Erregung dieser Gaͤhrung des Zukers eignen; der Kleber liefert bei Behandlung mit siedendem Wasser eine Fluͤssigkeit, welche eine der wirksamsten ist. Ich beobachtete oͤfters, daß eine Aufloͤsung von Zuker in dem Decoct des Klebers bei einer Temperatur von 25° C. von einem Tage bis zum anderen eine schleimige Consistenz annahm. Hinsichtlich der Einwirkung des mit Kleber gekochten Wassers auf Zuker gaben meine Versuche das merkwuͤrdige Resultat, daß man immer weniger Gas als mit dem Hefenwasser erhaͤlt und daß dieses Gas mehr Wasserstoff enthaͤlt und gleichfoͤrmiger in seiner Zusammensezung ist. Folgende Beobachtungen sezen dieses außer Zweifel. 4 Grammen Kandiszuker wurden in 80 Grammen vorlaͤufig mit Kleber gekochten und filtrirten Wassers aufgeloͤst; ich erhielt 14 Kubikcentimeter Gas, welches aus 10 Theilen Wasserstoff und 4 Theilen Kohlensaͤure bestand. Bei einem zweiten Versuche erhielt ich mit denselben Quantitaͤten 12,50 Kubikcentimeter Gas, welche aus 9,20 Theilen Wasserstoff und 3,30 Theilen Kohlensaͤure bestanden. (Ich verstehe unter diesem Gasvolum dasjenige, welches sich freiwillig entwikelt, nebst der Kohlensaͤure, welche die Fluͤssigkeit aufgeloͤst zuruͤkhaͤlt und die ich daraus durch Sieden verjagte.) Es ist also hiernach klar, daß das Gas, welches die zukerhaltige Kleberaufloͤsung nach einigen Tagen liefert, bestaͤndig aus zwei Raumtheilen Wasserstoff und weniger als Einem Raumtheile Kohlensaͤure besteht. Ich habe diesen Versuch sehr oft wiederholt und immer aͤhnliche Resultate erhalten. Sollte der Unterschied in der Menge und Zusammensezung des Gases bei Anwendung von Kleber- und Hefenaufloͤsung nicht daher ruͤhren, daß leztere etwas Alkohol erzeugt? Ich habe dieses nicht im Großen versucht. Wenn man die zukerhaltige Fluͤssigkeit nach der schleimigen Gaͤhrung untersucht, so findet man, daß sie noch einen sehr suͤßen Geschmak hat, was anzeigt, daß ein Theil des Zukers der Veraͤnderung entging; sie ist aber klebrig und bisweilen so dik geworden, daß sie beim Abgießen in langen Faͤden ausfließt. Durch Schuͤtteln scheint ihre Klebrigkeit vermindert zu werden; dieß bemerkt man auch bei den umgeschlagenen weißen Weinen, und es scheint mir daher zu ruh? reu, daß der durch die Gaͤhrung erzeugte Schleim, so zu sagen ein organisches Nez bildet, dessen Atome im Augenblik ihrer Bildung sich verbinden und durch die Bewegung sich trennen. Durch, dieses Schuͤtteln wird der Schleim nicht zerstoͤrt, er wird bloß zertheilt und dadurch weniger fuͤhlbar. Die schleimig-zukerige Aufloͤsung, auch sehr stark abgedampft, krystallisirt nicht und rectificirter Alkohol scheidet daraus eine gummige, elastische Substanz aus, welche auch nach haͤufigem Auswaschen mit Alkohol noch etwas Zuker zuruͤkhaͤlt. Um dieses Gummi nach seiner Abscheidung durch Alkohol rein zu erhalten, muß man es in Wasser wieder aufloͤsen und mit Bierhefe (welche vorlaͤufig mit kaltem Wasser gereinigt worden ist) in Beruͤhrung bringen, um seinen Zuker zu zerstoͤren. Wenn man sodann die Fluͤssigkeit nach dieser Gaͤhrung filtrirt und bei einer gelinden Waͤrme abdampft, so erhaͤlt man eine gelbliche Substanz, welche zu halbdurchsichtigen Stuͤken von fadem Geschmak austroknet, sich in Wasser viel weniger leicht als arabisches Gummi aufloͤst, und einen dikeren Schleim als dieses gibt. Bei Behandlung mit Salpetersaͤure gibt es keine oder fast keine Schleimsaͤure, sondern im Gegentheil Kleesaͤure; in dieser Hinsicht verhielt sie sich also wie das Gummi, welches sich bei Einwirkung der Schwefelsaͤure auf Staͤrke bildet. Durch folgenden Versuch suchte ich das Verhaͤltniß zwischen dem zersezten Zuker und dem waͤhrend dieser Gaͤhrung entstandenen Gummi auszumitteln; ich wandte dabei Kleberaufloͤsung an Statt Hefenaufloͤsung an, weil erstere gleichfoͤrmigere gasartige Producte gibt und man dabei weniger zu befuͤrchten hat, daß sich waͤhrend der schleimigen Waͤhrung etwas Alkohol bildet. 4 Grammen des reinsten Kandiszukers wurden unter eine Gloke gebracht, welche auf der Queksilberwanne stand und 80 Grammen mit Kleber gekochten Wassers enthielt. Ich hatte vorlaͤufig ausgemittelt, daß dieses Quantum Wasser 0,05 Grammen Extractivstoff enthielt. Nach Verlauf von zwanzig Tagen bestand das Gas aus 9,20 Kubikcentimeter Wasserstoff, und 3,30 Kubikcentimeter Kohlensaͤure, im Ganzen 13,50 Kubikcentimeter. Die Fluͤssigkeit wurde theilweise in Untersuchung genommen, wobei man folgende Resultate erhielt. Ich dampfte den vierten Theil davon ab, und erhielt 1,04 Grammen gehoͤrig getrokneten Ruͤkstand; dieß ergibt fuͤr die ganze Fluͤssigkeit 4,16 Grammen, welche sich nach Abzug von 0,05 Gr. fuͤr das Kleberextract, auf 4,11 Gr. reduciren. Eine andere Portion, der Haͤlfte dieser Fluͤssigkeit entsprechend, ließ ich mit Bierhefe gaͤhren, um den dem Gummi beigemengten Zuker zu zerstoͤren. Als die Gaͤhrung vollstaͤndig beendigt war, dampfte ich die Fluͤssigkeit ab und erhielt 0,66 Grammen Ruͤkstand nach Abzug der zugesezten Hefe. Die ganze Fluͤssigkeit enthielt folglich zwei Mal so viel oder 1,32 Grammen Gummi. Davon muͤssen 0,05 Gr. fuͤr den in der Fluͤssigkeit gebliebenen Extractivstoff des Klebers abgezogen werden, so daß also bei der schleimigen Gaͤhrung in der That nur 1,27 Gr. Gummi entstanden. Wir sehen also, daß die 4 Grammen Zuker nach der schleimigen Gaͤhrung 4,11 Grammen sowohl Zuker als Gummi gaben. Diese 4,11 Grammen hatten sich durch die geistige Gaͤhrung auf 1,27 Grammen Gummi reducirt und mußten folglich noch 2,84 Grammen unveraͤnderten Zuker enthalten. Da nun von 4 Grammen 2,84 Grammen in ihrem natuͤrlichen Zustande zuruͤkblieben, so wurden nur 4 weniger 2,84 Grammen oder 1,10 Grammen davon zersezt; hieraus folgt, daß man aus 1,16 Grammen Zuker 1,2 7 Grammen oder aus 100 Theilen Zuker 109,48 Theile schleimige Substanz erhaͤlt. Waͤhrend der Umaͤnderung des Zukers in Gummi findet also eine große Gewichtsvermehrung Statt, welche man der Aufnahme einer gewissen Quantitaͤt Wasser unter die Elemente des Zukers zuschreiben kann; dieß machen wenigstens die bisher angestellten vergleichenden Analysen des Gummis und des Zukers sehr wahrscheinlich. Die Entbindung von Wasserstoff und Kohlensaͤure laͤßt sich am wahrscheinlichsten so erklaͤren, daß eine gewisse Quantitaͤt Wasser zersezt wird, dessen Sauerstoff zum Theil von dem Ferment zuruͤkgehalten wird, und zum Theil mit etwas Kohlenstoff von demselben Kohlensaͤure bildet, waͤhrend der Wasserstoff frei wird. Die Hefe wuͤrde also durch ihre Oxydation die Eigenschaft erhalten, die Umaͤnderung des Zukers in Gummi zu veranlassen. Die Kohlensaͤure koͤnnte auch dadurch entstehen, daß der Zuker eine geringe Menge Kohlenstoff verliert. Wenn wir die vorhergehenden Thatsachen auf die freiwillige Zersezung von Farinzuker-Aufloͤsungen anwenden, so finden wir, daß sie vielmehr durch Spuren von Ferment als durch solche voll Kleber veranlaßt wird, weil die dabei sich entwikelnden Gasarten sich hinsichtlich ihrer Menge und Zusammensezung demjenigen naͤhern, welche zukerhaltige Hefenaufloͤsung gibt. Sie bestehen wie diejenigen, welche man bei Versuchen mit Kleber und Hefen erhaͤlt, bloß aus Kohlensaͤure und Wasserstoff. Die Zukerbaͤker erleiden durch die gummige Gaͤhrung oft betraͤchtlichen Verlust an dem Aussuͤßwasser von der Klaͤrung; ich habe gefunden, daß man ihr durch Zusaz einiger Tropfen Schwefelsaͤure, Salzsaͤure oder schweflicher Saͤure leicht begegnen kann; da die Saͤuren aber der Krystallisation des Rohrzukers hinderlich sind, so suchte ich sie durch Alaun zu ersezen; und ich habe mich durch Versuche mit betraͤchtlichen Quantitaͤten Zukerwasser uͤberzeugt, daß man es bloß mit einigen Grammen dieses sauren Salzes zu versezen braucht, um es Monate lang aufbewahren zu koͤnnen. Wenn auch diese Substanz wegen ihres Saͤurenuͤberschusses die Eigenschaft hat, den Zuker schmierig zu machen, so braucht man davon eine so geringe Menge im Verhaͤltniß zu der Quantitaͤt des im Wasser aufgeloͤsten Zukers, daß man von ihr im Großen kaum eine Wirkung verspuͤren wird, besonders wenn diese Fluͤssigkeiten sodann zum Klaͤren des Zukers vermittelst thierischer Kohle verwandt werden, deren kohlensaurer Kalk bald die uͤberschuͤssige Saͤure des Salzes absorbiren wird. Ich glaube, daß die schwefliche Saͤure, der Alaun und die Saͤuren, welche man gewoͤhnlich anwendet, um die Gaͤhrung zu hemmen, auf eine andere Art wirken, als man allgemein annimmt. Man glaubte bisher, daß die schwefliche Saͤure, welche am haͤufigsten angewendet wird, um die Gaͤhrung aufzuhalten, dadurch wirkt, daß sie den Sauerstoff der Luft, welchen die Fluͤssigkeit aufgeloͤst enthaͤlt, oder womit sie in Beruͤhrung kommen kann, absorbirt und daß sodann das Ferment, der Beruͤhrung mit Sauerstoff beraubt, die Gaͤhrung nicht mehr bedingen kann. Wenn diese Hypothese aber haltbar seyn sollte, so muͤßte man vorerst beweisen, daß die schwefliche Saͤure, in Beruͤhrung mit Sauerstoff und Wasser, sich schnell in Schwefelsaͤure umaͤndert; dieß geschieht aber nur sehr langsam und nach einigen Chemikern ganz und gar nicht. Auch mochte es scheinen, daß die Koͤrper, welche unter denselben Umstaͤnden den Sauerstoff staͤrker anziehen, als die schwefliche Saͤure, auch die Eigenschaft besizen muͤßten die Gaͤhrung zu verhindern; wenn man aber ein mit Schwefelwasserstoff gesaͤttigtes Zukerwasser mit Bierhefe versezt, so tritt die Gaͤhrung sehr rasch ein. Ich glaube, daß die schwefliche Saͤure weniger durch ihre Verwandtschaft zum Sauerstoff als durch ihre sauren Eigenschaften wirkt; denn wenn man ein ganz klares Decoct von Bierhefe oder Kleber, mit etwas schweflicher Saͤure, Schwefelsaͤure, Salpetersaͤure, Salzsaͤure oder Alaunaufloͤsung versezt, so truͤbt sie die Fluͤssigkeit und sezt bald darauf weiße Floken ab, die aus der Saͤure und einer animalisirten Substanz bestehen; filtrirt man sodann die Fluͤssigkeit und saͤttigt ihre Saͤuren mit einem Alkali, so kann sie reinen Zuker nicht mehr in Gaͤhrung versezen. Was noch mehr zu beweisen scheint, daß die schwefliche Saͤure bloß durch ihre sauren Eigenschaften wirkt, ist dieses, daß der schweflichsaure Kalk und die anderen schweflichsauren Salze, wenn sie ganz neutral sind, die Gaͤhrung eines Gemenges von Wasser Zuker und Hefe gar nicht verhindern. Wenn diese Salze so gute Dienste leisten, um die geistige Gaͤhrung des Runkelruͤbensaftes zu verhindern, so ist die Ursache davon diese, daß diese Frucht freie Weinsteinsaͤure enthaͤlt, welche das schweflichsaure Salz zersezt und die schwefliche Saͤure zum Theil frei macht; auch gaͤhrt der Traubensaft, wenn man seine freie Saͤure mit Kreide gesaͤttigt hat, in Beruͤhrung mit schweflichsaurem Kalk. Hieraus schloß ich der Analogie nach, daß die schwefliche Saͤure durch Schwefelsaͤure mußte ersezt werden koͤnnen, um die Gaͤhrung aufzuhalten; allein wegen der leichten Zersezbarkeit der weinsteinsauren Salze durch Schwefelsaͤure, wird diese Saͤure sodann neutralisirt und es bleibt nur Weinsteinsaͤure in freiem Zustande vorhanden, welche nicht aber so auf das Ferment wirkt. Daher haͤlt auch die Schwefelsaͤure, welche die Gaͤhrung eines Gemenges von Wasser, Zuker und Hefe verhindert, sie nicht mehr auf, wenn man sie vorher mit etwas Weinstein versezt hat. Man hat also mit Recht der schweflichen Saͤure in der Praxis den Vorzug gegeben. Da die starken Mineralsaͤuren die Hefe aus ihrer waͤsserigen Aufloͤsung faͤllen, so ist es mir sehr wahrscheinlich, daß sie die Gaͤhrung dadurch hemmen, daß sie sich mit dem Gaͤhrungsstoff vereinigen (gerade so wie mit dem Eiweiß, welches sie gerinnen machen) und daß sie mit ihm eine weniger aufloͤsliche Verbindung bilden, deren Cohaͤsion ihre Wirksamkeit auf den Zuker verhindert. Das Ferment verliert auch wahrscheinlich in Folge einer VermehrungVermehrrung seiner Cohaͤsion an Kraft, wenn man es in siedendes Wasser taucht. Diese Erklaͤrungsart hat den Vortheil, daß sie ganz allgemein anwendbar ist; man kann sich hiernach auch von der Wirkungsart des Senfes Rechenschaft geben, welcher an einigen Orten angewandt wird, um weißen Weinen den suͤßen Geschmak zu erhalten. Seine Wirkung wird dadurch bedingt, daß er eine freie Saͤure enthaͤlt, welche in Wasser aufloͤslich ist und deren Aufloͤsung das Hefendecoct nach Art der Mineralsaͤuren faͤllt. Hiernach sieht man auch leicht ein, welche Dienste der Alaun leistet, den einige Weinhaͤndler anwenden, um das Umschlagen des Weines zu verhindern: dieses Salz dient nicht nur, um die Farbe zu beleben, sondern auch um die Fluͤssigkeit zu klaͤren und gegen Gaͤhrung zu schuͤzen, indem es die Hefentheile, welche sie truͤben oder darin noch aufgeloͤst seyn koͤnnen, faͤllt. Hieraus folgt auch, daß eines der besten Mittel die Waͤhrung zu verhindern, dieses ist, die Fluͤssigkeiten, welche derselben faͤhig sind, mit sauren Substanzen, hauptsachlich aus dem Mineralreiche, zu vermischen; es scheint jedoch, daß auch einige Pflanzensubstanzen ein Mittel gegen diese freiwillige Veraͤnderung abgeben koͤnnten, wenigstens nach der Wirkung des Senfes zu urtheilen.