Titel: Warnung vor dem Patente, welches den 4. Junius 1813. dem Sieur Jean Nicolet, fils, aus Friburg in der Schweiz als Brevet d'Importation auf ein von dem Apotheker Hrn. Franz Goetz, Apotheker zu Friburg bereitetes Vegetations-Pulver (poudre végétative), um Getreide und Saamen überhaupt vor dem Faulen (carie) und vor anderen Krankheiten zu schüzen, in Paris auf 15 Jahre ertheilt wurde.
Fundstelle: Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XCV., S. 386
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XCV. Warnung vor dem Patente, welches den 4. Junius 1813. dem Sieur Jean Nicolet, fils, aus Friburg in der Schweiz als Brevet d'Importation auf ein von dem Apotheker Hrn. Franz Goetz, Apotheker zu Friburg bereitetes Vegetations-Pulver (poudre végétative), um Getreide und Saamen uͤberhaupt vor dem Faulen (carie) und vor anderen Krankheiten zu schuͤzen, in Paris auf 15 Jahre ertheilt wurde. Nicolet, Warnung vor dessen Patent. Zu unserem Schreien sehen wir, daß ein so achtbares Journal, wie das Repertory of Arts, das neue Jahr in seinem Jaͤner-Hefte 1830 damit anfaͤngt, daß es eine englische Uebersezung dieses heillosen Patentes seinen lieben Landsleuten mittheilt. Es gibt die Quelle nur obenhin S. 60. mit den Worten Brevets d'Invention an, und liefert die Patent-Erklaͤrung nur im Auszuge. Wir theilen dasselbe in einer treuen Uebersezung aus dem XVI. Bd. S. 198. der Description des Machines et Procédés consignés dans les Brevets d'Invention, de Perfectionnement et d'Importation etc. par Mr. Christian mit. Daß ein solches Patent in dieser herrlichen Sammlung aufgenommen wurde, laͤßt sich insofern entschuldigen, als sie alle Patente nach ihrer urspruͤnglichen Bestimmung aufnehmen muß. Daß ein solches Machwerk nur in dem finstersten Winkel Europens, zu Friburg, von einem Pharmacopola zur Welt gefoͤrdert werden kann, ist begreiflich. Daß die medicinische Facultaͤt zu Paris im J. 1813. eine solche Giftmischung patentiren lassen konnte, ist, bei dem Zustande der medicinischen Polizei in dieser Stadt, erklaͤrbar. Wie aber die Redactoren des Repertory of Patent-Inventions aus einem so diken Quartanten, wie der XVI. Bd. des Description, der so viele schoͤne und nuͤzliche Sachen enthaͤlt, gerade diese Giftmischung waͤhlen konnten, nicht um ihre Landsleute dagegen zu warnen, sondern um sie denselben mit ihrer Auctoritaͤt gleichsam zu empfehlen, ist fuͤrwahr unbegreiflich. Dieses Pariser-Patent auf eine Friburger-Erfindung lautet woͤrtlich also: „Die erste Vorsicht, die man zu nehmen hat, wenn man Getreide und selbst Mehl aufbewahren will, muß dahin gerichtet seyn, daß man dasselbe gegen die Gefraͤßigkeit der Voͤgel, der Ratten und der Insecten schuͤzt. Allein, wenn man das Saamenkorn mit einer Mischung uͤberzieht, die den Geschmak desselben ganz veraͤndert, und es fuͤr die Thiere unertraͤglich macht; so muß diese Mischung zugleich von der Art seyn, daß sie dem Korne nicht schadet, und die kostbare Nahrung nicht verdirbt, die zur ersten Entwikelung desselben verwendet werden muß.“ „Folgende Mischung erfuͤllt diese Bedingungen: naͤmlich: „Roͤmischer Alaun 1 Pfd. Blauer Vitriol 1  – Eisen-Vitriol oder gruͤner Vitriol 1  – Gereinigter Salpeter 1  –“ „Man loͤst diese vier Koͤrper auf, und sezt dann dieser Fluͤssigkeit ein Gemenge aus Einem Pfunde Schwefel und eben so viel weißen Arsenik zu. Man mengt Alles wohl durch einander, und laͤßt es kalt werden, damit man es in ein feines Pulver verwandeln kann, aus welchem man Paͤkchen, jedes von Einem Pfunde verfertigt.“ Weise, wie dieses Pulver gebraucht wird.“ „Man kocht die in einem solchen Paͤkchen enthaltene Quantitaͤt fuͤnf Minuten lang in Kuhharn oder in einem anderen Harne, und gibt das Pulver nur nach und nach in das Gefaͤß, damit nicht ein starkes Aufbrausen entsteht. Nachdem die Mischung erkaltet ist, mengt man sie sorgfaͤltig in einer Kufe mit dem Korne, welches in den ersten vier und zwanzig Stunden, nachdem es mit derselben gemengt wurde, gesaͤet werden muß.“ „Es ist zu bemerken, daß man auf jedes Pfund dieses Pulvers sechzehn Flaschen oder Pinten Harn nehmen muß, und, wenn die Koͤrner noch nicht von ihren Spelzen befreit sind, oder, wie man zu sagen pflegt, noch nicht ausgehuͤlst sind, muß man noch ein Mal so viel Harn auf dieselbe Menge Pulvers nehmen.“ „Ein Paͤkchen solchen Pulvers reicht auf zwei Saͤke oder auf zwei hundert Pfund von was immer fuͤr einer Getreidesorte hin.“ „Das auf diese Weise bereitete Pulver dringt in das Innerste des Hornes, traͤnkt das Staͤrkmehl desselben, und gibt demselben, ohne die Grundstoffe in ihm zu veraͤndern, einen so bitteren Geschmak, daß die Thiere denselben unertraͤglich finden, die schon vor dem Geruche davon laufen.“ „Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Landwirthe, die sich dieses Pulvers bedienen, ein Sechzehntel an Saatkorn ersparen.“ „Nach den Versuchen, die man in der Schweiz mit diesem Pulver angestellt hat, schaͤzt man die Vermehrung des Ertrages, um welchen die Ernte durch Anwendung dieses Pulvers ergiebiger wird, auf ein Achtel.“ „Dieses Pulver schuͤzt nicht nur alle Arten von Getreide, wie Weizen, Spelz, Roken, Reiß, Gerste, Hafer, Mays, Mangkorn (meteil) vor dem Faulen und vermehrt ihre Keimungskraft, und ihren Wachsthum, sondern schuͤzt sie auch gegen andere Krankheiten, wie gegen den Rost oder Brand, den Mehlthau, das Mutterkorn etc., indem alle diese Krankheiten allgemein durch ein zu langsames und ungleiches Keimen entstehen und durch eine kraͤnkliche und fehlerhafte Negation. Dieses Pulver kann auch noch mit Vortheil zur Zubereitung der Erbsen (Pois). Erbschen (Poisettes), Bohnen und Linsen etc., welche gleichfalls verschiedenen Krankheiten unterworfen sind, deren Ursache sie zerstoͤrt, angewendet werden. Die Saamen des Klees, der Luzerne, der Esparsette etc. sind ergiebiger, wenn sie mit diesem Pulver behandelt werden, und gedeihen sicherer, indem sie nicht so leicht von den ihnen eigenthuͤmlichen Krankheiten ergriffen werden. Nur muß man hier bemerken, daß man bei diesen lezteren Saamen auf Ein Pfund derselben nur Ein Loth von diesem Pulver braucht fuͤr so viel Harn als noͤthig ist, um sie zu befeuchten.“ Es ist schwer zu sagen, was man an den HHrn. Goͤtz und Nicolet, und an denjenigen, welche ihnen ein Patent-Recht auf diese Giftmischung ertheilten, mehr bewundern soll; die groͤbste Unwissenheit, mit welcher sie in diesem Gemengsel Dinge zusammenmischen, die sich nach den ewigen Gesezen chemischer Verwandtschaft wechselweise zersezen; oder die Frechheit, mit welcher sie die Erfahrungen Jaͤger's, Link's, John's, Marcet's, Macaire, Prinseps u.a. uͤber die toͤdtliche Wirkung des Arseniks auf Pflanzen weglaͤugnen, und dafuͤr luͤgenhaft behaupten, Arsenik sey ein Mittel die Vegetation zu foͤrdern; oder den bodenlosen Leichtsinn, mit welchem sie eines der gefaͤhrlichsten Gifte unter einer Classe von Menschen verbreiten, die, in der Regel, eben so huͤlflos als unwissend ist; in einer Waare verbreiten und diese dadurch vergiften, die in hundert verschiedene Haͤnde gelangen kann, und die nur zu oft zu anderen Zweken verwendet wird, als zu denjenigen, fuͤr welche sie urspruͤnglich bestimmt war. Abgesehen von allen Gefaͤhrlichkeiten, welche hierdurch durch unmittelbaren Genuß der vergifteten Saamen fuͤr den Menschen entstehen koͤnnen, wird es zureichen, daß Thiere dadurch vergiftet werden koͤnnen, deren Genuß dann wieder den Menschen toͤdtet. Wer auf einem Felde, das mit solchem Saatkorne gesaͤet wurde, kleines Federwild schießt, die kleinen Voͤgelchen, die mit ihren Eingeweiden gebraten und gespeiset werden, kann, wenn diese kurz nachher, nachdem sie solche vergiftete Saamen aufgepikt haben, geschossen und verspeiset werden, seine lezte Mahlzeit daran genommen haben. Wenn die frommen Jesuiten zu Friburg ihren Schuͤlern und Mitbuͤrgern keinen besseren Unterricht in der Naturgeschichte und in der Landwirthschaft zu ertheilen wissen, als einen solchen, so wuͤrden sie besser thun, ihre Haͤuser zu schließen, ehe die Regierungen gezwungen seyn werden, dasselbe zum zweiten Male zu thun.