Titel: Ueber das Verfahren, die Mauern an öffentlichen Gebäuden, Denkmälern etc. rein zu halten, und denselben die schmuzige schwärzliche Farbe zu benehmen. Von Hrn. A. Chevallier.
Fundstelle: Band 36, Jahrgang 1830, Nr. LXXX., S. 382
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LXXX. Ueber das Verfahren, die Mauern an oͤffentlichen Gebaͤuden, Denkmaͤlern etc. rein zu halten, und denselben die schmuzige schwaͤrzliche Farbe zu benehmen. Von Hrn. A. Chevallier. Aus den Annales de l'Industrie. T. V. N. 1. S. 1. (Im Auszuge.) Chevallier, uͤber das Verfahren, Mauern, Denkmaͤler etc. rein zu halten. Wir haben von dem Verfahren des Hrn. Chevallier, die alten schwarzen haͤßlichen Mauern an oͤffentlichen Gebaͤuden etc. zu reinigen, ohne sie zu uͤbertuͤnchen, bereits im Polyt. Journ. Bd. XXXIII. S. 486. Nachricht gegeben. Die Annales de l'Industrie liefern jezt die 18 Seilen lange Abhandlung des oben genannten achtenswerthen Chemikers uͤber diesen Gegenstand, aus welcher wir einen gedraͤngten Auszug liefern wollen. Der Hr. Verf. findet die Ursache der schnellen Schwaͤrzung der Waͤnde an großen Gebaͤuden vorzuͤglich 1) in den Spinnengeweben der Aranea senoculata und atrox die die Mauern von außen uͤberziehen, und in welchen die Koͤrper der Insecten sowohl, die den Spinnen zur Nahrung dienen, als andere leichte Koͤrper, die der Wind an die Mauern weht, haͤngen bleiben. Die Menge dieser Gewebe ist nicht so unbedeutend, als man glaubt: Hr. Chevallier fand an manchen Stellen 10 bis 12 solche Gewebe auf einem Flaͤcheninhalte von 120 □ Zoll. Schon D'Arcet machte in den Annales de Chimie T. 83. J. 1812 auf diese Ursache des Verderbens der Mauern aufmerksam. 2) in den Flechten und Byssus (die Hr. Chevallier faͤlschlich Moose nennt), welche dann in Folge des Duͤngers, den die Haͤute der Spinnen und die Leichen der ausgesaugten Insecten bei ihrer Verwitterung dem Staube geben, welchen Wind und Regen an die Mauern werfen, uͤppig an den Mauern wachsen. (Hr. Chevallier beschreibt recht gut die 1–1/2 Zoll im Durchmesser haltenden Flechten an dem schoͤnen Muͤnzgebaͤude zu Paris, an welchem sie bereits 6 bis 8 Linien dik geworden sind, obschon die Mauern desselben noch nicht 60 Jahre lang stehen; er scheint aber weder Lichen antiquitatis und cinereus noch murorum, noch die Byssus zu kennen.) Der Hr. Verf, untersucht ferner: welche Mittel man bisher anwendete, um die Gebaͤude und Statuen gegen dieses Verderben zu schuͤzen; welche man anwenden sollte, und wie man Gebaͤuden, die aus gehauenen Steinen aufgefuͤhrt wurden, ihre urspruͤngliche schoͤne Farbe wieder ertheilen kann. Unter den aͤlteren Mitteln fuͤhrt er 1) Bachelier's Tuͤnche (le badigeon-Bachelier) an. Diese Tuͤnche hielt drei Saͤulen des Saͤulenganges im Louvre vom J. 1775 bis jezt rein und schoͤn. Schon der unsterbliche Guyton de Morveau machte das Institut im J. 1809 auf diesen Umstand aufmerksamDer gute Bachelier wollte fuͤr seine Tuͤnche, die er geheim hielt, bezahlt seyn, und die gelehrten Herren der damaligen Akademie gaben ihm nichts dafuͤr. Er starb also, und seine Tuͤnche ging mit ihm zu Grabe. Nach seinem Tode gab sich die neuere Akademie die Muͤhe, durch Analyse der von Bachelier vor 30 Jahren gebrauchten Tuͤnche hinter dieses Geheimniß zu kommen. Nach einem Berichte einer eigenen Commission, die aus den angesehensten Chemikern Frankreichs (Berthollet, Chaptal, Lebreton, Vincent, Vauquelin und Guyton de Morveau) bestand, ist Bachelier's Tuͤnche eine Mischung aus17Theilenungeloͤschtem Kalke,   7   –gebranntem Gypse,  6   –Bleiweiß,und einer hinlaͤnglichen Menge Kaͤses. Man loͤscht den Kalk mit sehr wenig Wasser, und laͤßt die Kalkmilch durch ein sehr enges Sieb laufen, damit alle fremdartigen und ungeloͤschten Kalktheile weggeschafft werden. Diesem Kalke mengt man frischen, so viel moͤglich von aller Butter und allem Kaͤsewasser befreiten Kaͤse bei, und macht daraus einen weichen, gleichfoͤrmigen Teig, welchem man obige Verhaͤltnisse Gyps und Bleiweiß zusezt, und denselben dann auf einem Reibsteine abreibt. Man haͤlt die Masse in der Consistenz eines ehe diken als duͤnnen Teiges, den man in der Folge mit Wasser verduͤnnt, und mit dem Maurerpinsel auftraͤgt. Man kann gelben oder rothen Oker oder Rauchschwarz zusezen. Hr. D'Arcet meint, man koͤnnte in Gegenden, wo der Kaͤse wohlfeil ist, Kuchen aus Kalk und Kaͤse verfertigen, und diese dann in großen Staͤdten den Maurermeistern zum Verkaufe bringen. Vergl. Decade philosophique N. 5. 1801.. 2) Eine Deke aus phosphorsaurem Kalk, den man entweder durch Waschen der Mauer oder des Kalksteines mit mehr oder minder verduͤnnter Phosphorsaͤure, oder unmittelbar durch phosphorsauren KalkIm Regenkreise (der ehemaligen bayerschen Pfalz) kommt Apatit vor, phosphorsaures Blei, phosphorsaure Bittererde, die man durch einen Ueberschuß von Phosphorsaͤure in Aufloͤsung erhielte, sich verschaffen koͤnnte. 3) Eine Deke aus schwefelsaurem Schwerspathe: man muͤßte die Steine mit einer Aufloͤsung von schwefelsauren? Eisen, Braunstein, Zink oder schwefelsaurer Thonerde tranken und unmittelbar darauf mit Barytwasser daruͤber fahren. 4) Waschen der Mauern mit sauren Aufloͤsungen von Sauerkleesaure oder Weinsteinsaͤure, wodurch man eine Deke von sauerkleesaurem und weinsteinsaurem Kalk erhielte. Keines von diesen Mitteln wurde indessen bisher angewendet, und man blieb bei dem langweiligen, kostspieligen, fuͤr die Kunstwerke verderblichen und fuͤr die ganze Nachbarschaft laͤstigen Abkrazen oder Abscharren. Diese Nachtheile bestimmten Hrn. Chevallier auf schnellere, leichtere, und weniger kostbare Mittel zu denken. Er machte seine ersten Versuche an den schwarzen Mauern in einem der Hofe der École de Medecine zu Paris. Er versuchte 1) die Anwendung der trokenen Buͤrste. 2) das Waschen mit Wasser und mit der Buͤrste, und zulezt mit dem Schwaͤmme. 3) Waschen mit Wasser und mit der Buͤrste; dann nochmaliges Waschen mit Lauge (Potascheaufloͤsung) und hierauf wieder mit reinem Wasser. 4) Waschen mit Wasser, hierauf zweites Waschen mit Wasser, das mit Kochsalzsame (Hydrochlorsaͤure) gesaͤuert wurde, und nochmaliges Waschen mit Wasser. 5) Waschen mit Wasser, nochmaliges Waschen mit Wasser, das mit Schwefelsaͤure gesaͤuert wurde. Wenn die Mauer nicht naß geworden ist, so laͤßt sich die Schwaͤrze mittelst der trokenen Buͤrste wegschaffen; sonst aber nicht. Man faͤngt mit einer harten, vollkommen trokenen Buͤrste von oben an zu puzen, und faͤhrt zum zweiten Male mit einer weicheren Buͤrste nach. Dieß kann aber nur an durchaus trokenen Mauern und Denkmaͤlern geschehen. Die schwarzen, durch die Spinnen entstandenen Fleke lassen sich auf diese Weise vollkommen wegschaffen. Das zweite Verfahren gab dasselbe Resultat, die Steine wurden jedoch etwas dunkler. Die Potascheaufloͤsung gewahrte keine hoͤheren Vortheile, als das folgende Verfahren und machte nur vergebene Auslagen. Am besten wirkte das Waschen mit Wasser, und dann mit Wasser, welches mit Hydrochlorsaͤure gesaͤuert wurde: 1 Unze von dieser auf 1 Liter WasserEin Liter ist 0,7068 Wiener Maß.. Der Stein erhielt dadurch seine urspruͤngliche Farbe. Das Verfahren waͤre folgendes. Man machte die zu reinigende Mauer mit einem Schwamme recht naß von oben nach unten, und uͤberfuhr die nasse Stelle kraͤftig anhaltend mit einer Buͤrste aus Roßhaar. Nachdem man sie auf diese Weise abgerieben hatte, uͤberfuhr man sie neuerdings mit dem Schwamme, der die schwarzen Punkte wegnahm. Hierauf uͤberging man sie mit dem mit Hydrochlorsaͤure gesaͤuerten Wasser und buͤrstete und wusch sie dann neuerdings mit Wasser. Wenn der Stein gelblich ist, so erhaͤlt er diese Farbe wieder; wenn er grau war, bleibt er so. Es gibt indessen muͤrbe Steine (Steine, die die Franzosen moellon nennen), die man nicht so behandeln darf. weil sie zu viel Wasser einsaugen. Diese Versuche wurden wiederholt angestellt an dem Hause des Hrn. Froidefond de Belleisle, rue St. Florentin, N. 9.; an einem zweiten Hause desselben, rue royale, N. 9.; an der Hinteren Wand des Hotel de Brissac, rue de Grenelle St. Germain, N. 122.; welches dem Hrn. Grafen Forbin Janson gehoͤrt; an den inneren Mauern des Porticus des Palais Royal, durch welchen die ganze Pariser Welt geht. An des Grafen Forbin Janson Haus arbeitete einer meiner Zoͤglinge, Hr. Figuière; 2 □ Klafter (Toisen) waren in Einer Stunde fertig. Der Baumeister berechnete die Kosten des Abpuzens der ganzen Wand nach meiner Methode auf 250 Franken; mit Abkrazen wuͤrde das Abpuzen 12 bis 1500 Franken gekostet haben. Das Abwaschen mit Schwefelsaͤure hat sich, an steinernen Mauern, unanwendbar gezeigt. Es macht die Steine weiß, indem es dieselben mit einer Gypslage uͤberzieht, (wenn sie kalkartig sind). An uͤbergypsten Wanden hingegen ist dieses Verfahren sehr zwekmaͤßig. Gypswaͤnde, die ganz gruͤn und schwarz geworden sind, koͤnnen auf folgende Weise gereinigt werden. Man waͤscht die Wand mit einem Schwaͤmme und reibt mit einer Buͤrste das Gruͤne und Schwarze weg. Hierauf uͤberwaͤscht man sie mit reinem Wasser, dann mit dem mit Schwefelsaͤure gesaͤuerten Wasser, und zulezt mit reinem Wasser. Ein Hof, dessen nasse Wand ganz gruͤn und schwarz war, wurde dadurch wieder sehr schoͤn weiß. Wenn Marmor und wenn Statuen gepuze werden sollen, die nicht polirt sind, richtet sich das Verfahren nach der Zeit, waͤhrend welcher das Schwarz bereits auf denselben haftet. Wenn es noch nicht sehr alt ist, geht es mit Wasser und mit der Buͤrste weg. Wenn der Marmor mit einer Lage von Fett uͤberdekt wurde, so verfaͤhrt man auf folgende Weise. Man waͤscht den Marmor oder die Statuͤe mit Wasser und mit der Buͤrste; hierauf mit Wasser, welchem man 1 Unze Potasche auf 1 Liter Wasser zugesezt hat; dann mit Wasser, welchem man eine halbe Unze, oder Ein Loth, Hydrochlorsaͤure auf Ein Liter Wasser zugesezt hat; endlich wascht man noch ein Mal mit gewoͤhnlichem Wasser. Mehrere Marmorarbeiten verlangen kein Potaschewasser; wenn man aber nur gemeines Wasser und die Buͤrste anwendet, so muͤssen sie oͤfters, d.h. von Zeit zu Zeit, gewaschen werden, damit sich der Duͤnger fuͤr die Flechten nicht auf denselben anhaͤufen kann. Hr. Chevallier hat, nachdem seine ersten Versuche ihm gelangen, der Academie roy. des Sciences und dem Praͤfecten der Seine hiervon Nachricht gegeben, und dieselben spaͤter in gelesenen Zeitschriften bekannt gemacht. Er theilte seine Verfahrungsweise auch mehreren Kuͤnstlern; namentlich dem Frescomaler, Hrn. Redouté, rue des Marais, N. 9., und Hrn. Zaeguerler Wahrscheinlich ein Deutscher. Wir kannten Maurer und Bildhauer die Zankert hießen; sehr geschikte Maͤnner. zu Boulogne bei Paris, dem Oertchen Billancour gegenuͤber, mit. Lezterer reinigt die Fußboden aus Kalkplatten, die Grabsteine auf Kirchhoͤfen sehr gut nach dieser Methode. Die Akademie ernannte eine eigene Commission, bestehend aus dem Grafen Chaptal und dem Baron Thénard, unter deren Aufsicht Hr. Chevallier Versuche im Musée des Beaux-Arts anstellen sollte. Die Versuche entsprachen der Commission vollkommen. Baron Thénard sagt in dem in den Annales in extenso abgedrukten Berichte: „daß die Steine, nachdem sie erst mit Wasser und der Buͤrste, dann mit Wasser, welchem 3/40 seines Gewichtes Hydrochlor- oder Kochsalzsaͤure zugesezt wurde, und endlich wieder mit Wasser gewaschen wurden, ihre urspruͤngliche Farbe annahmen; daß die Bilds Hauerarbeit sehr schoͤn dadurch gepuzt wurde; daß dieses Verfahren schneller und wohlfeiler ist, als das bisherige und die Werke der Kunst weniger verdirbt; daß Hr. Chevallier allen Dank verdient, und daß er in seinen Versuchen fortfahren soll, damit man mit aller Sicherheit bestimmen koͤnne, in wie fern sein Verfahren besser ist, als das Abkrazen, und dann auch sehe, ob die abgewaschenen Mauern eben so lang der Zeit zu widerstehen vermoͤgen, wie die abgekrazten.“ Dieser Bericht und einiges Detail uͤber das Verfahren des Hrn. Chevallier erschien auch im Courier-Français und veranlaßte ein Schreiben des Hrn. Herpin zu Metz an die Academie roy in welchem derselbe sagt: „Er (Herpin) habe schon vor 6–7 Jahren dasselbe Mittel (die Hydrochlorsaͤure) zu Metz versucht, habe aber gefunden, daß im naͤchsten Winter die Mauern, welche mit Hydrochlorsaͤure gewaschen wurden, feucht (hygrometrisch) geworden sind, und bestaͤndig naß blieben; daß man sich hieruͤber auch gar nicht wundern duͤrfe, indem Kochsalzsaͤure mit Kalk ein sehr zerfließbares Salz (den kochsalzsauren Kalk) bildet, welcher von muͤrben Steinen eingesogen wird; daß eben dieß auch Statt hat, wenn die Waͤnde der Einwirkung des Kochsalzes selbst ausgesezt sind; daß also die Anwendung der Kochsalzsaͤure ungesund und schaͤdlich sey, und das ganze Gebaͤude feucht mache; daß Waschen mit verduͤnnter Schwefelsaͤure, deren Er sich bediente, weit besser sey, indem man dadurch Gyps an der Oberflaͤche der Kalksteine bildet, der sie zugleich weiß macht; daß diese das natuͤrlichste Mittel zur Reinigung sey, das sich jedem von selbst darboͤteEs scheint uns, daß hier auch sehr viel von der Natur der Steine abhaͤngt. Sehr poroͤse, kreidenartige Steine (Kalksteine) werden sich ganz anders verhalten, als dichter Kalkstein. Es wundert uns, daß weder Hr. Herpin, noch Hr. Chevallier, auf diesen Umstand Ruͤksicht nahmen.A. d. Ue..“ Hr. Chevallier schrieb dagegen an den Praͤsidenten der Akademie: 1) daß die Kochsalzsaͤure, wenn sie wieder von der Mauer mit Wasser weggewaschen wurde, dieselbe durchaus nickt feucht macht, wie alle oben angefuͤhrten Waͤnde zu Paris, welche auf diese Weise gereinigt wurden, deutlich beurkunden; die Commission der Akademie bemerkte keine Spur von Feuchtigkeit. 2) daß das Waschen mit Schwefelsaͤure eben aus dem Grunde nichts taugt, welchen Hr. Herpin dafuͤr anfuͤhrt, indem Niemand seine Wand wird uͤbergypst haben wollen, wenn sie aus Quadern gebaut ist. 3) daß eben diese Zerfließbarkeit des kochsalzsauren Kalkes die Reinigung der Steine, und in der Folge wieder das Wegschaffen dieses Salzes selbst mittelst Wassers erleichtert; daß also die Einwuͤrfe des Hrn. Herpin durch Erfahrung widerlegt sind, und Schwefelsaͤure nur bei uͤbergypsten Waͤnden treffliche Dienste leistet, welche er auch fruͤher schon anwendete, als Hrn. Herpin's Schreiben an die Akademie gelangte. Hr. Chevallier laͤßt gegenwaͤrtig eine Abhandlung uͤber diesen Gegenstand ducken, und bemerkt noch gelegentlich, daß in manchen Faͤllen Wasser allein zur Reinigung der, Waͤnde hinreicht. Er hat jezt rue royale N. 11. einen Versuch im Großen angestellt, wo die Haͤlfte einer und derselben Wand abgekrazt, die andere Haͤlfte mit Hydrochlorsaͤure abgewaschen wurde. Die Erfahrung wird zeigen, welche von diesen beiden Haͤlften zuerst wieder schwarz werden wird.