Titel: Beitrag zur Geschichte des Berlinerblaus, von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 40, Jahrgang 1831, Nr. XLIV., S. 226
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XLIV. Beitrag zur Geschichte des Berlinerblaus, von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Januar. 1831. S. 73. Gay-Lussac, Beitrag zur Geschichte des Berlinerblaus. Die Beobachtungen, welche ich unten mittheilen werde, gehoͤren zum Theil Hrn. Robiquet Die Abhandlung des Hrn. Robiquet wurde im polyt. Journ. Bd. XXXVI. S. 307. mitgetheilt. A. d. R. an und ich uͤbergebe sie nur als Bestaͤtigung derjenigen, welche dieser geschikte Chemiker machte, der Oeffentlichkeit. Ich bereitete Berlinerblau, indem ich Eisenchlorid (salzsaures Eisenperoxyd) mit Cyaneisenkalium (eisenblausaurem Kali) faͤllte und suͤßte den Niederschlag mit sehr viel kaltem Wasser aus; dessen ungeachtet waren die lezten Waschwasser gelb gefaͤrbt und schlugen das Eisenchlorid blau nieder. Als ich sodann mit heißem Wasser aussuͤßte, faͤrbte sich das Wasser mehr: abgedampft hinterließ es einen Ruͤkstand, welcher sich in Wasser wieder aufloͤste und das Eisenchlorid reichlich blau faͤllte. Nach einigem Auswaschen nahm das Berlinerblau eine schmuzige Farbe an und wurde zulezt braunroth. Sobald dieser Punkt eingetreten war, faͤllte das Wasser kein Eisenchlorid mehr. Der Ruͤkstand war in der That nur noch reines Eisenoxyd, er veraͤnderte sich beim Gluͤhen nicht und man konnte nicht die geringste Spur Alkali darin entdeken. Das Berlinerblau hingegen gab bestaͤndig Kali beim Gluͤhen, so lange es die Waschwasser noch faͤrbte und hoͤrte erst nach gaͤnzlicher Zerstoͤrung auf, sie zu faͤrben. Waͤhlend dieser Veraͤnderung entbindet sich Cyanwasserstoffsaͤure (Blausaͤure). Aus diesem Versuche geht hervor, daß das reinste Berlinerblau Cyaneisenkalium zuruͤkhaͤlt, und daß das Wasser mit Huͤlfe der Waͤrme es ganz zersezt, indem es dem Eisen Sauerstoff und dem Cyan Wasserstoff abgibt. Man goß Eisenchlorid in eine Aufloͤsung von uͤberschuͤssigem Cyaneisenkalium und untersuchte die Fluͤssigkeit, nachdem man sehr oft mit kaltem Wasser ausgesuͤßt hatte: sie war blaͤulichgruͤn gefaͤrbt; als man sie aber erhizte, wurde sie gelb und ließ Eisenoxyd fallen; sie konnte sogar eine sehr betraͤchtliche Menge Berlinerblau zersezen (von welcher Verbindung sie abgegossen worden war) und es in reines Eisenoxyd umaͤndern. Man bereitete ein anderes Berlinerblau, indem man Cyaneisenkalium in Eisenchlorid in großem Ueberschusse goß. Nach sehr haͤufigem Auswaschen war die Fluͤssigkeit blaͤulichgruͤn gefaͤrbt, wie die vorhergehende, und besaß genau dieselben Eigenschaften. Aus diesen beiden Versuchen geht unzweifelhaft hervor, daß das Berlinerblau, welches man entweder mit uͤberschuͤssigem Cyaneisenkalium oder mit uͤberschuͤssigem Eisenchlorid bereitet, an das Wasser bestaͤndig Cyaneisenkalium abgibt; diese Fluͤssigkeit loͤst zu gleicher Zeit Berlinerblau auf; durch die Einwirkung der Waͤrme aber zersezt sich das Blau und erzeugt wieder Cyaneisenkalium; dieß macht es wahrscheinlich, daß das Waschwasser alkalisch ist. Es ist durch diese Versuche erwiesen, daß das Berlinerblau, welches mit Cyaneisenkalium und Eisenchlorid bereitet ist, bestaͤndig Cyaneisenkalium zuruͤkhaͤlt; es ist zu bemerken, daß die Waschwasser alkalisch seyn muͤssen, weil sie das Berlinerblau zersezen und es in Eisenoxyd umaͤndern. Die Quantitaͤt Kalium, welche wir als Cyankalium im Berlinerblau enthalten annehmen, scheint sehr wandelbar zu seyn, je nachdem es mehr oder weniger oft ausgesuͤßt wurde und auch nach seiner Bereitungsart. So gaben 100 Theile Berlinerblau, welche mit Cyaneisenkalium und uͤberschuͤssigem Eisenchlorid bereitet waren, durch Gluͤhen 1,442 Kali oder 2,004 Cyankalium. 100 Theile Blau, welche mit uͤberschuͤssigem Cyaneisenkalium bereitet waren, gaben 8,684 Cyankalium. Das Berlinerblau, welches man mit Eisenchlorid und rothem Cyaneisenkalium erhaͤlt, scheint mit den vorhergehenden identisch zu seyn. Es gibt beim Gluͤhen Kali und die blaͤulichgruͤn gefaͤrbten Waschwasser werden durch Erhizen gelb, indem sie Eisenoxyd absezen; sie reagiren alkalisch und koͤnnen eine neue Quantitaͤt Berlinerblau zersezen. Diese alkalische Reaction der Waschwasser, welche Anfangs sauer seyn konnten, ist sehr merkwuͤrdig. Koͤnnte man nicht jenem uͤberschuͤssigen Alkali, welches zu schwach ist um das Berlinerblau in der Kaͤlte zu zersezen, die Aufloͤsung dieses lezteren zuschreiben? Denn Hr. Robiquet fand, daß es sich in dem Augenblike, wo die Fluͤssigkeit nicht mehr sauer ist, aufzuloͤsen anfaͤngt. Berlinerblau, welches man mit Cyaneisenkalium und einem sehr geringen Ueberschuß von schwefelsaurem Eisenoxydul bereitet, zeigt ein anderes Verhalten. So lange es wenig gefaͤrbt war, enthielten die Waschwasser kaum Spuren von Cyaneisenkalium; sie sezten durch Kochen kein Eisenoxyd ab und zersezten nicht die geringste Menge Blau. Nachdem aber das Berlinerblau durch Austroknen an der Luft auf Tassen eine sehr dunkle Farbe angenommen hatte, faͤrbte sich das Wasser, womit man es auswusch, blaͤulich gruͤn und reagirte alkalisch; beim Erhizen wurde es gelb, sezte Eisenoxyd ab und zersezte Berlinerblau. Es faͤllte alsdann das Eisenchlorid sehr reichlich blau. Man fand in diesem Blau 16 Procent Cyankalium. Wenn man Cyaneisenkalium mit Schwefelsaͤure behandelt, entwikelt sich bekanntlich viel Blausaͤure und es faͤllt ein weißes Pulver nieder, welches einem langen Kochen mit Schwefelsaͤure widersteht. Nachdem man es sehr oft mit gekochtem Wasser ausgesuͤßt hatte, brachte man eine Portion davon in einer Schale an die freie Luft. Die Substanz troknete aus, erhielt aber keine sehr dunkle schmuzigblaue Farbe. Eine andere Portion, welche man der Luft aussezte, nachdem sie mit ein wenig verduͤnnter Schwefelsaͤure befeuchtet worden war, wurde sehr schnell blau; die saure Reaction verschwand vollstaͤndig und es bildete sich schwefelsaures Kali. Mehrere andere Portionen Schwefelsaͤure wurden nach einander ebenfalls neutralisirt und der Niederschlag nahm immer eine dunklere Farbe an. Als man den weißen Niederschlag der Rothgluͤhhize aussezte, erhielt man Eisenoxyd, mit kohlensaurem Kali gemengt. Man verbrannte auch eine Portion davon mit Kupferoxyd, dem etwas schwefelsaures Kupfer zur Saͤttigung des Kali zugesezt war und nach den erhaltenen Resultaten muͤßte der weiße Niederschlag bestehen aus: 9 Aequivalenten Cyan; 7 Eisen; 2 Kalium. Nimmt man daher 7 Aequivalente Cyaneisenkalium zur Zersezung mit Schwefelsaͤure, welche enthalten: 14 Aeq. Kalium,   7 Eisen, 21 Cyan, so bleiben (wenn man dem Eisen 7 Aeq. Cyan und dem Kalium 2 laͤßt) 21 weniger 9 = 12 Aequivalente Cyan, welche bei der Zersezung 12 Cyanwasserstoffsaͤure hervorbringen, das heißt vier Siebentel von dem in dem Salz enthaltenen und es bilden sich 12 Aequivalente schwefelsaures Kali. Das theoretische Resultat gruͤndet sich auf die Annahme, daß das weiße Cyaneisenkalium Cyan genug enthalten muß, um blau werden zu koͤnnen, und daß das Kalium ihm so viel davon abgehen muß als ihm noch hiezu fehlt. Das weiße Cyanuͤr bestuͤnde folglich aus: 7 Aeq. Eisen, 2 Kalium, 9 Cyan; und wenn das Kalium, indem es sich oxydirt, sein Cyan an das Eisen abgibt, so bleiben nur noch 7 Aeq. Eisen und 9 Cyan, welche sich, um das Blau zu bilden, vertheilen in: 3 Aequivalente Eisencyanuͤr, 4 Eisencyanid. Um die theoretische Zusammensezung des weißen Cyaneisenkaliums zu berichtigen, zersezte man 3 Grammen davon durch Gluͤhen, wobei man erhielt: Eisenperoxyd 1,530 Gr. Kalium 0,431  – Man haͤtte 1,625 Gr. Oxyd und 0,465 Gr. Kalium erhalten sollen; es ist aber zu bemerken, daß die beiden ersteren Zahlen fast in demselben Verhaͤltnisse zu einander stehen, wie die beiden lezteren, was bloß beweisen wuͤrde, daß das zum Gluͤhen verwandte Salz nicht vollkommen ausgetroknet war. Waͤhrend der Einwirkung der Schwefelsaͤure auf das Cyaneisenkalium loͤst sich kein Eisen auf; dieses Metall bleibt ganz in dem weißen Cyaneisenkalium. Das Cyaneisenkupfer gab 6,7 Procent Cyankalium: das Cyaneisensilber 9,3. Das Cyaneisenblei gab, nachdem es sehr oft ausgewaschen worden war, an das Wasser noch etwas Cyaneisenkalium ab, faͤrbte es gelb und ertheilte ihm die Eigenschaft mit Eisenchlorid Blau zu bilden: man fand auch Kali in diesem Salze, aber weniger als in dem Silbersalze; ein Theil davon blieb mit Bleioxyd verbunden. Weil das Cyaneisenblei Kalium enthaͤlt, so konnte man damit keine reine Blausaͤure erhalten, indem man es nach der Methode von Berzelius durch Schwefelwasserstoff zersezte. Robiquets Verfahren ist in dieser Hinsicht weit vorzuziehen. Man kann auch kein reines eisenblausaures Ammoniak erhalten, indem man das Berlinerblau durch Ammoniak zersezt: nachdem man es der Einwirkung der Waͤrme ausgesezt hat, findet man in dem Ruͤkstand viel Cyankalium. Wenn man das Cyaneisenblei erhizt, so stellt sich eine merkwuͤrdige Erscheinung ein. Man erhaͤlt Anfangs Stikgas mit Cyan gemengt und cyanwasserstoffsaures Ammoniak. Obgleich die Masse rothgluͤhend ist und nichts mehr verliert, so wird sie doch ploͤzlich weißgluͤhend und entwikelt fast augenbliklich eine große Menge Stikstoff. Wenn der Ruͤkstand ohne Beruͤhrung mit der Luft erkaltet, so ist er schwarz; bei einigen Graden uͤber der gewoͤhnlichen Temperatur ist er ein Pyrophor und gibt in einer feuchten Luft reichlich Ammoniak; auch erzeugt er viel davon, wenn man ihn mit Wasserdampf in der Rothgluͤhhize in Beruͤhrung bringt. Nach der Selbstentzuͤndung der schwarzen Substanz bleibt eine Verbindung von zwei Aequivalenten Bleioxyd und einem Aequival. Eisenoxyd zuruͤk, welche vor dem Loͤthrohr leicht schmelzbar und orangebraun ist. Das starke Weißgluͤhen, welches sich beim Calciniren des Cyaneisenbleies einstellt, zeigt gewiß an, daß sich eine neue sehr innige Verbindung gebildet hat. Was ist dieß aber fuͤr eine Verbindung? Daruͤber koͤnnen uns nur neue Versuche belehren.