Titel: Versuche über die Gallussäure, von Hrn. Heinrich Braconnot.
Fundstelle: Band 40, Jahrgang 1831, Nr. LXXIII., S. 385
Download: XML
LXXIII. Versuche uͤber die Gallussaͤure, von Hrn. Heinrich Braconnot. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Februar. 1831. S. 206. Braconnot, Versuche uͤber die Gallussaͤure. Ich habe ein Mal ein sehr einfaches Verfahren angegeben, wodurch man sich Gallussaͤure in großer Menge verschaffen kann, und glaubte, daß man die hierdurch erhaltene Saͤure als vollkommen rein betrachten darf. Hr. Berzelius nimmt hingegen an, daß man bloß durch Sublimation reine Gallussaͤure erhaͤlt und daß die auf nassem Wege bereitete Saͤure eine sehr betraͤchtliche Menge Gerbestoff chemisch gebunden zuruͤkhaͤlt. Um auszumitteln, wie weit die Behauptung dieses beruͤhmten Chemikers begruͤndet ist, stellte ich vergleichende Versuche mit Gallussaͤure, die nach meinem Verfahren bereitet warDasselbe besteht darin, daß man die Scheele'sche Saͤure im Marienbade mit Wasser und (gereinigter) thierischer Kohle eine Viertelstunde lang behandelt, die Masse unter haͤufigem Umruͤhren erkalten laͤßt, und die Mutterlauge von den ganz weißen Krystallen durch Auspressen zwischen Leinwand trennt. A. d. R. und mit sublimirter Saͤure an. In Folge derselben muß ich sie als zwei verschiedene Saͤuren betrachten und werde die eine wie bisher reine Gallussaͤure, die andere aber Brenzgallussaͤure (acide pyrogallique) nennen. Sehr weiße Gallussaͤure, in welcher man durch Fischleim keine Spur von Gerbestoff entdeken konnte, wurde einer Hize ausgesezt, welche zur Sublimation nicht hinreichend war; sie verwandelte sich in eine braune Fluͤssigkeit, welche beim Erkalten krystallisirte; in der That enthielt diese viel Gallussaͤure nebst einer braunen Substanz, welche den Fischleim reichlich faͤllte. Dreißig Grammen gut ausgetrokneter Gallussaͤure wurden in einem passenden Apparate allmaͤhlich erhizt, um die sublimirte Saͤure zu erhalten; leztere wog nur drei und einen halben Gramm, war sehr weiß und doch faͤllte sie in Wasser aufgeloͤst, den Fischleim. Der Ruͤkstand voll dieser Sublimation wurde wieder in Wasser aufgeloͤst und gab eine braune Fluͤssigkeit, welche durch schwefelsaures Eisenoxyd eine viel dunklere und durch schwefelsaures Eisenoxydul eine blaͤulich schwarze Farbe annahm, Eigenschaften, welche wie wir sehen werden, anzeigen, daß sie noch Brenzgallussaͤure enthaͤlt, aber keine Gallussaͤure: uͤbrigens wurde dieselbe braune Fluͤssigkeit reichlich als eine klebrige, elastische Masse durch Fischleim gefaͤllt. Sie enthielt also eine Art Gerbestoff, verschieden von dem der Gallaͤpfel. Ich glaube aus diesen Resultaten schließen zu koͤnnen, daß die Hize, indem sie auf die Gallussaͤure wirkt, ihre Elemente disponirt, sich in einer anderen Ordnung zu vereinigen, wodurch eine gerbende Substanz und Brenzgallussaͤure entstehen. Die Eigenschaften dieser sublimirten Gallussaͤure gestatten nicht sie mit der gewoͤhnlichen Gallussaͤure zu verwechseln, wie bereits Hr. Bouillon-Lagrange bemerkte. Nach Hrn. Berzelius roͤthet sie das Lakmuspapier nicht; ich beobachtete jedoch immer das Gegentheil. Ich vermuthete, daß diese Reaction von der gerbenden Substanz herruͤhren koͤnnte, welche noch darin enthalten ist und es gelang mir in der That solche durch Zinnoxyd daraus abzuscheiden; sie roͤthete aber noch merklich das Lakmuspapier, obgleich in viel geringerem Grade als die Gallussaͤure. Der Geschmak der Brenzgallussaͤure ist kuͤhl und bitter. Bei + 13° C. loͤst sie sich in hoͤchstens 2 1/4 Theilen Wasser auf, waͤhrend die Gallussaͤure bei derselben Temperatur davon 100 Theile erfordert; da die chemischen Lehrbuͤcher auf die Autoritaͤt von Scheele angeben, daß die Gallussaͤure sich in vierundzwanzig Theilen Wasser aufloͤst, so muß man daraus schließen, daß solche Saͤure sehr unrein ist. Sublimirt man die Brenzgallussaͤure zum zweiten Mal, so zersezt sie sich großen Theils, eine gerbende Substanz oder Kohle hinterlassend. Sie ist gleich der Gallussaͤure in Aether aufloͤslich. Die waͤsserige Aufloͤsung der Brenzgallussaͤure ist vollkommen farblos, aber der Luft ausgesezt, faͤrbt sie sich allmaͤhlich und sezt endlich eine braune Substanz ab, welche die Eigenschaften der Humussaͤure besizt und wovon sich immer mehr abscheidet in dem Maße als man das verdunstete Wasser ersezt, bis endlich die Saͤure ganz zersezt ist, was nach einigen Tagen der Fall. Gießt man schwefelsaures Eisenoxyd in eine Aufloͤsung von Brenzgallussaͤure, so wird sie augenbliklich durch den Sauerstoff des Eisenoxyds, welches sich in Eisenoxydul umaͤndert, zersezt. Man erhaͤlt dadurch eine sehr dunkelbraune Fluͤssigkeit, welche der freiwilligen Verdunstung uͤberlassen, eine Menge farbloser durchsichtiger Krystalle liefert, die man durch Alkohol leicht von einer braunen Substanz abscheiden kann; diese Krystalle sind schwefelsaures Eisenoxydul. Die braune geistige Aufloͤsung enthaͤlt kein Eisen mehr: bei gelinder Waͤrme verdunstet, hinterlaͤßt sie einen rissigen Ruͤkstand, welcher in Wasser wieder aufgeloͤst, eine sehr saure und adstringirende braune Fluͤssigkeit gibt, die in der That freie Schwefelsaure und eine gerbende, den Fischleim reichlich faͤllende Substanz enthaͤlt. Versezt man die Aufloͤsung der Brenzgallussaͤure mit schwefelsaurem Eisenoxydul, so nimmt die Fluͤssigkeit eine schwaͤrzlichblaue Farbe an. Gießt man aber in die waͤsserige Aufloͤsung derselben Saͤure nur sehr wenig schwefelsaures Eisenoxyd, um nur einen Theil der Saͤure zu zersezen, und uͤberlaͤßt sodann das Gemisch sich selbst, so entsteht durch das sich bildende schwefelsaure Eisenoxydul eine schwaͤrzlichblaue Farbe. Diese Reagentien verhalten sich ganz anders gegen Gallussaͤure; denn bekanntlich faͤrben sich die Eisenoxydsalze durch sie immer schoͤn blau, waͤhrend die Eisenoxydulsalze keine Veraͤnderung erleiden. Gießt man salpetersaures Silber oder salpetersaures Queksilberoxydul in eine waͤsserige Aufloͤsung von Brenzgallussaͤure, so wird augenbliklich alles Metall in metallischem Zustande gefaͤllt. Eine gesaͤttigte Aufloͤsung von reiner Gallussaͤure in kaltem Wasser wird durch salpetersaures Silber nicht getruͤbt; erst nach einiger Zeit wird sie braun und sezt reducirtes Silber ab. Mit salpetersaurem Queksilberoxydul gibt sie einen orangegelben Niederschlag, welcher allmaͤhlich schmuziggruͤn wird. Erhizt man die Brenzgallussaͤure schwach mit concentrirter Schwefelsaͤure, so bietet sie keine besondere Faͤrbung dar und wird nicht merklich zersezt, was sehr merkwuͤrdig ist. Ich behandelte auf dieselbe Art gereinigte Gallussaͤure, um darin eine gerbende Substanz aufzusuchen: die Fluͤssigkeit nahm eine schoͤne Purpurfarbe an, welche auf Zusaz von Wasser verschwand und es schlug sich krystallisirte Gallussaͤure nieder. Sezt man die Aufloͤsung der Gallussaͤure in concentrirter Schwefelsaͤure einer staͤrkeren Hize aus, so verbleibt die Purpurfarbe zum Theil, aber fast alle Gallussaͤure verwandelt sich in ein schoͤn braunes Pulver, welches die Eigenschaften der Humussaͤure hat, und es bildet sich keine gerbende Substanz. Von den Verbindungen der Brenzgallussaͤure mit den Basen habe ich bis jezt bloß das Alaunerdesalz untersucht, welches man leicht erhaͤlt, wenn man frisch gefaͤlltes Alaunerdehydrat in Brenzgallussaͤure aufloͤst. Man bekommt dann eine sehr herbe Fluͤssigkeit, welche sich beim Erhizen stark truͤbt, gerade so wie die essigsaure Alaunerde. Mit Fischleim gibt sie ein sehr reichliches weißes undurchsichtiges Coagulum; die brenzgallussaure Alaunerde ist krystallisirbar. Sie schien mir das Lakmuspapier starker zu roͤthen als die Brenzgallussaͤure selbst, als wenn die Alaunerde unter diesen Umstaͤnden auch die Rolle einer Saͤure spielte. Gallussaure Alaunerde hat nach meinen Versuchen analoge Eigenschaften. Da Hr. Berzelius der Meinung ist, daß die Saͤure, welche die Chemiker fuͤr reine Gallussaͤure halten, noch viel Gerbestoff enthaͤlt, so suchte ich diesen lezteren mit der sublimirten Saͤure zu verbinden, um eine der Gallussaͤure aͤhnliche Substanz hervorzubringen, aber alle meine Bemuͤhungen waren erfolglos. – Ich glaube aus den angegebenen Beobachtungen schließen zu koͤnnen, 1) daß man die auf nassem Wege dargestellte und mit thierischer Kohle gehoͤrig gereinigte Gallussaͤure als rein und hinreichend isolirt betrachten kann. 2) daß sie sich beim Erhizen in eine gerbende Substanz und in Brenzgallussaͤure umaͤndert. 3) Endlich daß man keine Gallussaͤure hervorbringen kann, indem man Brenzgallussaͤure mit Gerbestoff verbindet.