Titel: Ueber die Kleesäure; von Hrn. Gay-Lussac.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LI., S. 223
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LI. Ueber die Kleesaͤure; von Hrn. Gay-Lussac. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Februar 1830. S. 218. Gay-Lussac, uͤber die Kleesaͤure. Ich wußte mit allen Chemikern, daß die Kleesaͤure beim Erhizen sich zum Theil verfluͤchtigt und der Ruͤkstand sich in ein Gemisch von Kohlensaͤure mit einem entzuͤndbaren Gas zersezt. Um die Natur des entzuͤndbaren Gases kennen zu lernen brachte ich sehr reine Krystalle von dieser Saͤure in eine glaͤserne Retorte, die ich allmaͤhlich erhizte; bei der Temperatur von 98° C. war die Saͤure vollkommen in Fluß; bei 110° entwikelte sich mit dem Wasserdampf eine Gasart, deren Volumen in dem Maße zunahm, als die Temperatur der Saͤure durch den Verlust ihres Krystallwasser sich erhoͤhte; von 120 bis 130 Grad war die Gasentwiklung außerordentlich rasch und dauerte bis zur vollstaͤndigen Zerstoͤrung der Kleesaͤure fort, jedoch mit einigem Wechsel in der Temperatur, welchen man nicht genau zu bestimmen suchte. Diese leichte Zersezung der Kleesaͤure bei einer sehr maͤßigen Hize ist um so merkwuͤrdiger, da man gerade das Gegentheil haͤtte erwarten sollen, indem die Kleesaͤure fuͤr eine der bestaͤndigsten Saͤuren gehalten wird. Ihre Zersezung durch concentrirte Schwefelsaͤure, mittelst der Waͤrme, in gleiche Raumtheile Kohlensaͤure und Kohlenoxyd stand mit dieser Meinung nicht in Widerspruch und ließ sich durch die starke Verwandtschaft der Schwefelsaͤure zum Wasser, durch welche sie viele organische Substanzen zerstoͤrt und verkohlt, leicht erklaͤren. Die Untersuchung der elastischen Fluͤssigkeiten, welche man durch Zersezung der Kleesaͤure erhaͤlt, ergab, daß sie ziemlich nahe ein Gemisch von 6 Theilen Kohlensaͤure und 5 Theilen Kohlenoxyd sind. Dieses Verhaͤltniß aͤnderte sich im Laufe der Operation nur wenig, gegen das Ende aber war die Kohlensaͤure in etwas groͤßerer Menge vorhanden. Da die Kleesaͤure sich bei so gelinder Waͤrme schon zersezt, so schien es mir, daß hiezu die Dazwischenkunft der Schwefelsaͤure unnoͤthig ist. Ich fand in der That, daß bei Anwendung dieser Saͤure die Kleesaͤure sich ziemlich bei derselben Temperatur zu zersezen anfaͤngt als wenn sie allein ist, das heißt bei 110 oder 115 Grad. Es zeigt sich aber der wesentliche Unterschied, daß man mit der Schwefelsaͤure ein Gemisch aus gleichen Raumtheilen Kohlensaͤure und Kohlenoxyd erhaͤlt, wie Hr. Doͤbereiner gefunden hat, waͤhrend Kleesaͤure allein dieselben Gasarten im Verhaͤltniß von 6: 5 gibt. Ich vermuthete daher, daß bei Zersezung der Kleesaͤure ohne die Gegenwart von Schwefelsaͤure sich noch ein anderes Product bildet, wodurch der Gewichtsverlust an Kohlenoxyd erklaͤrt wurde. In dieser Hinsicht angestellte Versuche zeigten, daß das Wasser, welches die Kleesaͤure ausgibt, sauer ist und Ameisensaͤure enthaͤlt. Diese Saͤure ist Anfangs mit vielem Wasser vermischt, destillirt aber immer concentrirter in die Vorlage uͤber und hat gegen das Ende der Operation einen durchdringenden Geruch und siechenden Geschmak. Nach dem gefundenen Verhaͤltniß von 6 Raumtheilen Kohlensaͤure auf 5 Raumtheile Kohlenoxyd und in der Voraussezung, daß der fehlende Raumtheil von diesem lezteren Gas mit dem Wasser die Ameisensaͤure bildet, muͤssen 12 Aequivalente Kleesaͤure 1 Aeq. Ameisensaͤure hervorbringen. Dieses theoretische Resultat schien mir mit der Erfahrung hinreichend uͤbereinzustimmen; ich habe jedoch die Menge der Ameisensaͤure nicht direct bestimmt. Ohne Zweifel gab das Wasser und nicht die Kleesaͤure den Wasserstoff fuͤr die Ameisensaͤure her, weil man sonst gleiche Raumtheile Kohlensaͤure und Kohlenoxyd erhalten haben muͤßte. Dieß folgt außerdem nothwendig aus den Versuchen der HH. Dulong und Doͤbereiner uͤber die Kleesaͤure. Ich muß hier bemerken, daß die Kleesaͤure, wenn man sie nicht zu schnell erhizt, vollstaͤndig zerstoͤrt und keine merkliche Quantitaͤt davon sublimirt wird. Nach meinen Beobachtungen darf man, wie es mir scheint, die Kleesaͤure von den beiden anderen Verbindungen des Kohlenstoffes mit dem Sauerstoff, naͤmlich von der Kohlensaͤure und dem Kohlenoxyd durchaus nicht mehr trennen; man koͤnnte sie unter die Saͤuren anreihen, welche zwei Aequivalente Radical enthalten und ihr den Namen Unterkohlensaͤure beilegen; vielleicht ist es aber gut diese Nomenklatur-Veraͤnderung noch zu verschieben.