Titel: Ueber die entfärbende Kraft der Kohlen; von Hrn. Wetzell.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXIII., S. 293
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LXXIII. Ueber die entfaͤrbende Kraft der Kohlen; von Hrn. Wetzell. Aus dem Agriculteur-Manufacturier. Febr. 1831. S. 284. Wetzell, uͤber die entfaͤrbende Kraft der Kohlen. 1) Bemessung und Vergleichung der Farbe der Fluͤssigkeiten. Das Verhaͤltniß zwischen der Intensitaͤt der Farbe bei Fluͤssigkeiten derselben Art muß sich auf zwei Schichten von gleicher Dike gruͤnden. Wenn man daher gefaͤrbte Fluͤssigkeiten auf dieselbe Nuͤance unter verschiedenen Schichten gebracht hat, so steht ihre Farbe oder die respective Intensitaͤt der Farben mit der Dike der Schichten in umgekehrtem Verhaͤltniß. Auf diesem Princip beruht der Decolorimeter des Hrn. Payen. Die gleich weiten Glasroͤhren, welche Hr. Houtou-Labillardiére anwendet, eignen sich eben so gut zur Bemessung der Farbe der Fluͤssigkeiten. Ihre Benuzung gruͤndet sich auf das Princip, daß die respective Intensitaͤt der Farben, wenn man Fluͤssigkeiten in gleich weiten Roͤhren auf dieselbe Nuͤance gebracht hat, mit dem Volumen in umgekehrtem Verhaͤltniß steht. Die Resultate, welche man durch das eine und andere Instrument erhaͤlt, muͤssen gleich seyn und sich daher wechselseitig berichtigen, wenn man genau beobachtet hat. 2) Ueber die Entfaͤrbungskraft der Kohlen. Die Kohlen, welche man zur Entfaͤrbung der Fluͤssigkeiten anwendet, aͤußern zwei Wirkungen, welche man wohl unterscheiden muß: eine chemische, welche darin besteht, daß sie bis zu ihrer Saͤttigung eine mehr oder weniger große Quantitaͤt Faͤrbestoff verschluken; wir wollen dieß die Absorptionskraft nennen und eine physische, welche eine nothwendige Folge von jener ist und darin besteht, daß die anfaͤngliche Farbe der Fluͤssigkeit geschwaͤcht wird, was wir die entfaͤrbende Wirkung nennen wollen. Will man mehrere Kohlen hinsichtlich ihrer Absorptionskraft und ihrer entfaͤrbenden Wirkung mit einander vergleichen, so muß man offenbar von jeder ein gleiches Gewicht anwenden, und sie auf dieselbe Quantitaͤt der naͤmlichen Fluͤssigkeit wirken lassen. Die entfaͤrbenden Wirkungen zweier Kohlen verhalten sich zu einander umgekehrt wie die durch diese Kohlen hervorgebrachten Farben. Das Verhaͤltniß zwischen der geschwaͤchten und der anfaͤnglichen Farbe bezeichnet zugleich das Verhaͤltniß zwischen dem ruͤkstaͤndigen und anfaͤnglichen Faͤrbestoffgehalt gleicher Raumtheile von Fluͤssigkeit. Zieht man den Bruchtheil des zuruͤkgebliebenen Faͤrbestoffes von der Einheit ab, so bezeichnet die Differenz den absorbirten Theil, das heißt, sie ist der Ausdruk der Absorptionskraft. Die Einheit ist die Graͤnze dieser Kraft. Man begreift, daß die Absorptionskraft und die entfaͤrbende Wirkung in solchem Zusammenhange stehen, daß sie immer in derselben Richtung variiren, aber diese Wandelbarkeiten muͤssen einen regelmaͤßigen Gang befolgen; es ist um so interessanter sich in dieser Hinsicht Aufschluß zu verschaffen, weil die Absorptionskraft einer Kohle allein ihren kaͤuflichen Werth bestimmt, indem sie allein ihre chemische Kraft repraͤsentirt, waͤhrend die entfaͤrbende Wirkung nur die Physische Folge dieser Kraft ist. Wir wollen also eine Reihe von Kohlensorten betrachten, deren entfaͤrbende Wirkungen zum Beispiel nach der natuͤrlichen Progression der Zahlen zunehmen: 1, 2, 3, 4, 5, 6,       50,       100,       1000, etc. Wenn man die Farbe, welche der entfaͤrbenden Wirkung 0 entspricht, zur Einheit nimmt und den Bruch dieser Typusfarbe, welcher der entfaͤrbenden Wirkung entspricht, mit f bezeichnet, so werden die correspondirenden Farben folgende seyn. 1, f, f/2, f/3, f/4, f/5, f/6, f/50, f/100, f/1000, etc. Zieht man jede dieser Zahlen von der Einheit ab, so gibt die Differenz fuͤr jede Farbe die Quantitaͤt des absorbirten Faͤrbestoffes an, und man erhaͤlt so die correspondirende Reihe der Absorptionskraͤfte: 0, (1.f), (1.f/2), (1.f/3), (1.f/4), (1.f/5), (1.f/6), (1.f/50), (1.f/100), (1.f/1000) etc. Diese Reihe nimmt eben so wie diejenige der absorbirenden Wirkungen in derselben Richtung immer zu, aber mit dem Unterschiede, daß die Glieder dieser lezteren, indem sie immer um eine Einheit zunehmen, auf Zahlen von unbegraͤnzter Groͤße wachsen koͤnnen, waͤhrend die Glieder von jener, welche stets um kleinere Groͤßen zunehmen, sich nur der Einheit naͤhern, aber sie nie erreichen koͤnnen. Obgleich uͤbrigens die Absorptionskraͤfte zwischen 0 und 1 begriffen sind, so koͤnnen sie doch in beliebigen Verhaͤltnissen variiren; denn es mag ein noch so kleiner Bruch gegeben seyn, so ist es leicht einen anderen zu berechnen, welcher um irgend ein Groͤße kleiner als dieser ist. Um unsere Ansichten auf einen besonderen Fall anzuwenden, wollen wir dem Bruch f, welcher die der entfaͤrbenden Wirkung 1 correspondirende Farbe darstellt, einen bestimmten Werth, z.B. 9/10 geben, und annehmen, daß diese entfaͤrbende Wirkung 1 durch eine Holzkohle hervorgebracht wird. Die Absorptionskraft dieser Kohle wird gleich 1/10, des Faͤrbestoffes seyn, weil der Fluͤssigkeit 9/10 ihrer anfaͤnglichen Farbe entzogen wurden; man erhaͤlt daher folgende drei correspondirende Reihen: Entfaͤrbende Wirkungen. – 0, 1, 2, 3, 4, 5, 50, 100, 1000 etc. Geschwaͤchte Farben. – 1, 9/10, 9/20, 9/30, 9/40, 9/50, 9/500, 9/1000, 9/10,000 etc. Absorptionskraͤfte. – 0, 1/10, 11/20, 21/30, 31/40, 41/50, 491/500, 991/1000, 9991/10,000 etc. Vergleichen wir nun die Absorptionskraͤfte mit den Gliedern der entfaͤrbenden Wirkungen, welche mit ihnen correspondiren, so ergibt sich, daß, wenn leztere sich wie 1 : 2 verhalten, die Absorptionskraͤfte wie 1/10 : 11/20 oder wie 2 : 11 sich verhalten, das heißt: um eine doppelt so große entfaͤrbende Wirkung zu erhalten, als die zur Einheit genommene Holzkohle ausuͤbte, muß man eine Kohle anwenden, deren Absorptionskraft 51/2 Mal so groß wie diejenige der Holzkohle ist, und welche bei gleichem Gewichte folglich einen 5 1/2 Mal so großen Werth als jene hat (oder man wird von der Holzkohle 5 1/2 Mal mehr als vorher anwenden muͤssen). Wenn die entfaͤrbenden Wirkungen in dem Verhaͤltniß von 1 zu 5 stehen, werden die Absorptionskraͤfte sich wie 1/10 zu 41/50 oder wie 5 : 41 oder wie 1 : 8 1/3 verhalten. Das heißt, will man eine 5 Mal groͤßere entfaͤrbende Wirkung, als die Typuskohle aͤußerte, mit einem gleichen Gewicht einer anderen Kohle hervorbringen, so muß diese eine 8 1/5 Mal groͤßere Absorptionskraft und einen in diesem Verhaͤltniß groͤßeren Werth haben. Um dieselbe Wirkung mit der Typuskohle hervorzubringen, muß man eine 8 1/5 Mal groͤßere Quantitaͤt davon anwenden. Wir wollen nun annehmen, daß die entfaͤrbenden Wirkungen in dem Verhaͤltniß von 1 zu 50; von 1 zu 100; von 1 zu 1000 zunehmen, so werden die correspondirenden Absorptionskraͤfte in dem Verhaͤltniß stehen von 1/10 zu 491/500; von 1/10 zu 991/1000; von 1/10 zu 9991/10,000; oder von 1 zu 491/50; von 1 zu 991/100; von 1 zu 9991/1000; oder von 1 zu 9 41/50; von 1 zu 9 91/100; von 1 zu 9 991/1000. Es ist merkwuͤrdig, daß wenn man die entfaͤrbende Wirkung der Kohle, welche uns zur Vergleichung diente, bloß verdoppeln will, eine 5 1/2 Mal so große Absorptionskraft, als diese Kohle hat, erforderlich ist, waͤhrend, wenn man diese Wirkung 1000 Mal so groß machen will, eine Absorptionskraft = 9 991/1000, das heißt keine 10 Mal groͤßere erforderlich ist. Man ersieht aus diesen Versuchen, daß die entfaͤrbenden Wirkungen und Absorptionskraͤfte einen ganz verschiedenen Gang befolgen, und daß die Verwechslung derselben mit einander sowohl bei Bestimmung des kaͤuflichen Werthes der Kohlen, als auch wenn es sich darum handelt, das Verhaͤltniß der Dosis auszumitteln, um mit derselben Kohle verschiedene Wirkungen hervorzubringen, die groͤßten Irrthuͤmer veranlassen wuͤrde.