Titel: Neue Untersuchungen über die Zusammensezung der Melassen des Roh- und Runkelrübenzukers; von Hrn. Dubrunfaut.
Fundstelle: Band 41, Jahrgang 1831, Nr. LXXXVI., S. 373
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LXXXVI. Neue Untersuchungen uͤber die Zusammensezung der Melassen des Roh- und Runkelruͤbenzukers; von Hrn. Dubrunfaut. Aus dem Agriculteur-Manufacturier, Mai 1831. S. 65. Dubrunfaut, uͤber Roh- und Runkelruͤbenzuker. In zwei fruͤheren Abhandlungen stellte ich mittelst einiger Hypothesen und einfachen Berechnungen fuͤr die Melassen folgende Zusammensezung auf:Man vergleiche polytechn. Journ. Bd. XXXVIII. S. 445. und Bd. XL. S. 236. A. d. R. Wasser 20 Krystallisirbare Zuker 40 Schleim 40 Die Menge des krystallisirbaren Zukers leitete ich hiebei aus dem Gehalt an Wasser ab, von welchem man mit Grund annehmen kann, daß es mit Zuker gesaͤttigt ist, und in dieser Beziehung habe ich auch meine Ansicht nicht geaͤndert. Spaͤtere Versuche, durch welche ich den Wassergehalt der Melassen ausmittelte, haben obige Zahl bestaͤtigt. Verkocht man z.B. Melasse zu braunem Zukerkand (caramel), so ergibt sich beilaͤufig 1/5 Gewichtsverlust. Die schleimige Substanz, welche ich vorlaͤufig als eine einfache Materie betrachtete, ist nichts weniger als dieses, sondern scheint eine sehr wandelbare und verwikelte Zusammensezung zu haben. Ich behandelte Kohle, welche zur Entfaͤrbung von Rohrzuͤkermelasse gedient haͤtte, zuerst mit kaltem und dann mit heißem Waͤsser, bis sie nichts mehr an das Wasser abgab und suͤßte sie dann mit ammoniakalischem Waͤsser aus, wodurch ich eine stark braun gefaͤrbte Fluͤssigkeit erhielt, die beim Verdunsten einen Ruͤkstand hinterließ, welchen ich fuͤr schleimhaltig hielt. Ich habe seitdem gefunden, daß er bloß ulmsaures Ammoniak ist, welches wie das ulmsaure Kali und Natron wegen seiner Klebrigkeit merkwuͤrdig ist. Man muß also das Ulmin unter die Bestandtheile der Melasse rechnen. Da die Ulmsaͤure mit dem Kalk ein unaufloͤsliches Salz bildet, so glaubte ich, daß wenn der Faͤrbestoff der Syrupe bloß Ulmsauͤre oder ein aufloͤsliches ulmsaures Salz waͤre, man sie durch Kalk entfaͤrben koͤnnte; die Melasse wird aber durch Kalk nicht entfaͤrbt. Lezterer loͤst sich im Gegentheil in großer Menge darin auf und ertheilt ihr zugleich einen sehr bitteren Geschmak. Der braune Zukerkand hingegen, welcher seine dunkle Farbe der Ulmsaͤure zu verdanken scheint, gibt mit Kalk einen braͤunlichen floͤkigen Niederschlag von ulmsaurem Kalk und die Fluͤssigkeit wird zugleich ein wenig entfaͤrbt. Diese Thatsache erklaͤrt die groͤßere Entfaͤrbungskraft der Kohle bei einer Aufloͤsung von braunem Zukerkand, welche zuvor mit Kalk behandelt wurde. Fruͤher schloß ich aus diesem Umstande, daß die Gegenwart des Kalks in einer gefaͤrbten Fluͤssigkeit die Entfaͤrbungskraft der Kohle erhoͤht, waͤhrend es scheint, daß diese Wirkung hauptsaͤchlich dem ulmsauren Kalk zugeschrieben werden muß, der sich bei Behandlung mit Kalk bildet. Als ich eine Reihe von Versuchen anstellte, um den Zukergehalt verschiedener Melassen nach der Menge von Alkohol, welchen sie bei der Gaͤhrung liefern, zu bestimmen, fand ich, daß die Melassen vom Zukerrohr und den Runkelruͤben mehr Zuker enthalten, als ich krystallisirbaren Zuker darin gefunden hatte. Sie muͤssen daher noch einen anderen Zuker enthalten, welcher wahrscheinlich fluͤssiger Zuker ist. Um die Quantitaͤt von Zuker, welcher einem gegebenen Gewicht von Alkohol entspricht, auszumitteln, mußte ich die Versuche uͤber die geistige Gaͤhrung wiederholen; nach den wandelbaren Producten, welche ich bei dieser Gaͤhrung erhielt, glaube ich annehmen zu duͤrfen, daß 100 Kilogr. reiner krystallisirter Zuker, welcher nur 2 Tausendstel durch Troknen bei der Temperatur des siedenden Wassers verliert, im Durchschnitt 45 Kilogr. absoluten Alkohol geben. Dampft man die weinigen Fluͤssigkeiten welche man durch die Gaͤhrung der Melassen erhaͤlt, ein, so erhaͤlt man viele Krystalle von essigsauren, salzsauren und schwefelsauren Salzen mit alkalischer Basis. Alkohol schlaͤgt aus den concentrirten Fluͤssigkeiten ein Gemenge von einer thierischen mit einer vegetabilischen, dem Gummi analogen, Substanz nieder. Die thierische Substanz kommt in die Melassen der Raffinerien offenbar durch das zur Klaͤrung angewandte Eiweiß. Bei der Melasse der Runkelruͤben kann sie von der Wurzel selbst herkommen. Behandelt man die Melassen mit Alkohol von 36° Beaumé, so liefern sie einen Ruͤkstand, welcher Consistenz erlangt und endlich nichts mehr an den Alkohol abgibt. Sezt man diesen Ruͤkstand der Luft aus, so zieht er wieder Wasser an; auch erlangt er wieder die Durchsichtigkeit, welche er bei der Behandlung mit Alkohol verlor. Bei der Destillation gibt er Stikstoff und scheint aus denselben Substanzen zu bestehen, welche durch Alkohol aus den gekochten und concentrirten weinigen Fluͤssigkeiten niedergeschlagen werden. Beim Einaͤschern der Melassen erhaͤlt man salzige Ruͤkstaͤnde, welche bei der Melasse der Runkelruͤben ohne Zweifel eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. 100 Kilogr. Rohrzukermelasse geben 8,55 Kilogr. Asche, welche viel Kohle enthaͤlt; sie ist stark alkalisch und zeigt 24° an Gay-Lussac's Araͤometer. Das Alkali ist zum Theil Kali und die Quantitaͤt Saͤure, welche durch diese Asche neutralisirt wird, entspricht 2 Kilogr. reinem Kali (Kaliumoxyd). Dieses Kali, welches in der Melasse zum Theil mit Essigsaͤure und vielleicht auch mit anderen Pflanzensaͤuren verbunden ist, entspricht 4 Kilogr. Pflanzensalzen, die als Bestandtheile der Rohrzukermelasse betrachtet werden muͤssen. 100 Kil. Runkelruͤbenmelasse geben 10 Kil. Asche; diese Asche, welche durch etwas Kohle schwaͤrzlichgrau gefaͤrbt war, verlor beim Roͤsten auf einem Porzellanscherben betraͤchtlich an Gewicht und kam bei der Dunkelrothgluͤhhize wie reines Kali in Fluß. Sie ist in der That nur reichhaltiges Kali und zeigte an Gay-Lussac's Alkalimeter 80°, was 7,7 Kilogr. reinem Kali oder 16 Kilogr. entspricht. Die Melasse der Runkelruͤben ließe sich daher vielleicht vortheilhaft zur Potaschebereitung benuzen. Nach meinen neuesten Versuchen waͤre also die Zusammensezung der Melassen folgende: Melasse des Rohrzukers. Melasse der Runkelruͤben. Wasser   20   20 Krystallisirbarer Zuker   40   40 Unkrystallisirbarer Zuker   35   10 Pflanzensalze (essigsaure,    ulmsaure Salze u.s.w.)     4   16 Pflanzenschleim, thierische    Substanz, schwefelsaure und    salzsaure Salze, Ulmsaͤure    u.s.w.     1   12 ––––––– ––––––– 100 100 Diese beiden Melassen waren gleich stark, sie zeigten naͤmlich 43 Grad an Beaumé's Araͤometer. Es ist zu bemerken, daß die Melasse vom Rohrzuker immer klebriger als die der Runkelruͤben ist. Wahrscheinlich wuͤrde man also aus dem Runkelruͤbensyrup durch staͤrkeres Verkochen mehr Zuker erhalten koͤnnen. Uebrigens war die Melasse von Runkelruͤben, womit obige Versuche angestellt wurden, von guter Qualitaͤt und es scheinen nicht alle so viel Zuker zu enthalten. Auch moͤchten nicht alle Rohrzukermelassen so reichhaltig seyn wie diejenige, womit ich meine Versuche anstellte.