Titel: Ueber die Anwendung des Ginsters (genêt) als Spinnmaterial. Schreiben des Grafen A. de Montureux an Hrn. Soyer-Willermé.
Fundstelle: Band 42, Jahrgang 1831, Nr. XXIV., S. 51
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XXIV. Ueber die Anwendung des Ginsters (genêt) als Spinnmaterial. Schreiben des Grafen A. de Montureux an Hrn. Soyer-Willermé.Die Benuzung des Ginsters als Spinn- und Webematerial ist zwar, wie man aus Boͤhmer's technischer Geschichte der Pflanzen sehen kann, etwas sehr Altes; allein das ausfuͤhrlichere Verfahren dabei duͤrfte Vielen eine unbekannte und interessante Notiz seyn, weßwegen wir diesen Artikel hier geben. A. d. R. Aus dem Bon Cultivateur de Nancy im Agriculteur-Manufacturier. 1831. Februar S. 281. Montureux, uͤber die Anwendung des Ginsters Der aus Ginster gewebte Zeug ist sehr wenig bekannt, weil, wie Graf Chaptal in seiner angewandten Chemie bemerkte, jeder Einwohner in den Cevennen nur so viel davon erzeugt, als er fuͤr seinen Hausbedarf noͤthig hat, so daß nichts davon in den Handel kommt Nachdem ich aber viel von diesem Zeuge gesehen habe, kann ich Sie versichern, daß er fuͤr jene, denen vorzuͤglich um eine dauerhafte Kleidung zu thun ist, sehr gute Dienste leistet. Er schuͤzt, da er sehr dicht ist, beinahe so gut als Zwillich gegen Regen und Kaͤlte, und die Bewohner der Cevennen verfertigen daraus Leintuͤcher und Hemden, die feiner und angenehmer zu tragen sind, als die Leinwand aus Werg, welche man hier und da noch von den Landbewohnern zu Hemden u. dergl. verwendet sieht. Es gibt zwei Arten von Ginster; die eine, welche auf fettem feuchten Boden waͤchst, taugt nur als Viehfutter und zum Verbrennen; die andere Art, welche zum Spinnen tauglich ist, waͤchst auf den Bergen, und wird in dem trokensten und sandigsten Boden gebaut.Die Art, welche in den Cevennen gewoͤhnlich angewendet wird, ist der spanische Ginster oder das spanische Pfriemenkraut (Spartium junceum L.), der jedoch bei uns nicht wild waͤchst. Man kann auch den Besen-Ginster (Spartium scoparium L.) auf dieselbe Weise und zu denselben Zweken anwenden, und dieser waͤchst aͤußerst haͤufig auf troknem, sandigen Boden. A. d. Agric. manuf. Auch in unserem Vaterlande waͤchst leztere Art in dem Sandboden von Nuͤrnberg, Bamberg etc. in sehr großer Menge; wir wissen jedoch nicht, daß sie daselbst zu etwas Anderem als zu Besen verwendet wuͤrde, obwohl man sehr gute feste Sakleinwand und vortreffliche Strike daraus verfertigen koͤnnte. A. d. Ue. Man baut diese leztere im September, und muß zwei Jahre lang die Herden von derselben entfernt halten. Nach zwei Jahren ist sie stark genug geworden, daß man Schafe zur Weide auf die damit bebauten Gruͤnde treiben kann; nach fuͤnf bis sechs Jahren, waͤhrend welchen das Abweiden fortgesezt wurde, sind die Stoͤke zwar verkruͤppelt, aber mit sehr starken Wurzeln versehen; so daß sie im Februar mit einer Sappe hart uͤber der Erde abgeschnitten werden koͤnnen, was die Bauern das Abschneiden auf dem Kamme (couper sur peigne) nennen. Durch dieses Abschneiden entsteht ein Zuruͤktreiben des Saftes, und in Folge davon ein Austreiben von vielen jungen Schoͤßlingen, welche bis zum August oder September eine Laͤnge von 18 bis 24 Zoll erreichen, wo sie dann mit einer Hippe abgeschnitten, und mit einem solchen Reise in kleine. Garben von beilaͤufig 4 Zollen im Durchmesser zusammengebunden werden. An Oertern, wo der Ginster bereits waͤchst, kann man sogleich obige Operation vornehmen, wodurch man noch in demselben Jahre eine Ernte erhaͤlt. Viele große Landeigenthuͤmer theilen ihre Ginsterpflanzungen in regelmaͤßige Schnitte ab, wie man die Waͤlder in Schlaͤge abtheilt, so daß immer ein Theil als Weide, ein Theil zur Ernte benuzt, und ein Theil wachsen gelassen wird, um daraus Reisig zum Brennen zu erhalten. Die aus den Reisern gebundenen Garben laͤßt man acht bis zehn Tage lang an der Sonne troknen, und schlaͤgt sie dann mit einem runden Holze von der Form desjenigen, dessen sich die Pastetenbaͤker zum Bereiten des Butterteiges bedienen, um sie dadurch platt zu schlagen, und die aͤußerste Rinde aufspringen und wegfallen zu machen, so daß sie zur Gaͤhrung geeignet werden. Hierauf graͤbt man in der Naͤhe eines Backes eine vierekige Grube, in welche man die Ginstergarben in aufrechter Stellung und nahe an einander bringt. Die Seiten und den oberen Theil des Haufens bedekt man sorgfaͤltig mit naßgemachtem Stroh, damit der Zutritt der Luft abgehalten wird. Oben auf den Haufen legt man große flache Steine, und begießt denselben acht bis zehn Tage lang, die zur Gaͤhrung noͤthig sind, taͤglich zwei oder drei Mal mit Wasser. Nach dieser Zeit werden die Garben aus der Grube genommen, in fließendem Wasser ausgewaschen, und mit einem Waschblaͤuel so lang geschlagen, bis die aͤußere Rinde ganz abgefallen ist- und die Faden bloß erscheinen, worauf man die Garben flach ausbreitet, an der Sonne trokner, und dann in die Scheure bringt. Tritt nun schlechtes Wetter ein, so daß die Leute nicht auf dem Felde arbeiten koͤnnen, so ist die Familie beschaͤftigt die Faden auszuziehen, was sehr leicht geht, indem ein Stuͤk um das andere an der Basis genommen wird. Das Mark dient zur Verfertigung von Zuͤndhoͤlzchen. Diese Faden wuͤrden so nur ein grobes und haariges Gewebe geben; sie werden daher wie der Hanf gehechelt. Nach dem Hecheln lassen sie sich sehr leicht am Roken spinnen, und geben eine sehr gute Hausleinwand, die jedoch immer fester und weniger geschmeidig ist, als die Leinwand aus Hanf und Flachs.