Titel: Ueber das Marmoriren des Schnittes der Bücher und einzelner Bögen Papier, von Hrn. Lenormand.
Fundstelle: Band 42, Jahrgang 1831, Nr. LX., S. 210
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LX. Ueber das Marmoriren des Schnittes der Buͤcher und einzelner Boͤgen Papier, von Hrn. Lenormand. Aus dem Dictionnaire technol. Bd. XIII. S. 143 Lenormand, uͤber das Marmoriren des Schnittes der Buͤcher und einzelner Papierboͤgen Das Verfahren, wodurch man auf dem Schnitt der Buͤcher und auf einzelnen Papierblattern die unregelmaͤßigen Farben des Marmors nachahmt, ist ganz eigenthuͤmlich und hat keine Aehnlichkeit mit den Verfahrungsarten der Tapetenfabrikanten. Diese Kunst ist in den Haͤnden weniger Personen, welche ihr Geheimniß sorgfaͤltig bewahren und es nur fuͤr ein bedeutendes Honorar mittheilen. Einer der geschiktesten Marmorirer zu Paris, welchem ich einige Dienste erwiesen habe, war so gefaͤllig mich in diese Geheimnisse einzuweihen und hat das Verfahren mit allen Details vor mir durchgemacht. Ich wollte aus Erkenntlichkeit seinen Namen nennen, als er aber meine Abhandlung las, welcher er seinen Beifall schenkte, ersuchte er mich seinen Namen wegzulassen, indem er befuͤrchten muͤsse, dadurch mit seinen Gewerbsgenossen zu zerfallen. Das Verfahren, welches ich ausfuͤhren sah, besteht in Folgendem: Der Marmorirer bedient sich nur weniger Geraͤthschaften: 1) ein aus eichenen Brettern verfertigter wasserdichter Trog; 2) ein kleiner runder Stok; 3) einige irdene Gefaͤße zur Aufbewahrung der Farben und der verschiedenen Praͤparate; 4) ein kleiner Ofen; 5) ein Porphyr mit Laͤufer zum Reiben der Farben sind die unentbehrlichen Geraͤthe. Der Trog ist rechtwinklich, 81 Centimeter (30 Zoll) lang und 487 bis 541 Millimeter (18 bis 20 Zoll) breit, so daß ein Foliobogen leicht hineingeht: er ist ungefaͤhr 81 Millimeter (3 Zoll) tief. Alle Fugen und Rizen muͤssen gut verkittet seyn, so daß er ganz wasserdicht ist. Zubereitung des Gummis. Man bringt in ein geeignetes Gefaͤß eine halbe Kanne Wasser, ungefaͤhr 7 bis 8 Liter (14 bis 16 Pfund) und loͤst darin in der Kaͤlte 91 Grammen (3 Unzen) Gummi Dragant auf, indem man waͤhrend fuͤnf bis sechs Tagen von Zeit zu Zeit umruͤhrt; diese Gummiaufloͤsung kann man den Grund nennen, denn sie bildet die Schichte, auf der die Farben, welche die Marmorirung bilden, liegen, und womit sich leztere nicht vermischen duͤrfen, wie man in der Folge sehen wird. Obige Quantitaͤt Gummi reicht zum Marmoriren von vierhundert Baͤnden hin. Man muß immer eine concentrirtere Gummiaufloͤsung als die vorhergehende noch vorraͤthig haben, um jene noͤthigenfalls nach Anstellung der Probe verstaͤrken zu koͤnnen. Zubereitung der Ochsengalle. Man versezt Ochsengalle in einer Schuͤssel mit ihrem gleichen Gewichte Wasser und ruͤhrt dieses Gemenge gut; hierauf sezt man noch achtzehn Gramme (1/5 Loth) Kampher zu, welcher vorlaͤufig in fuͤnfundzwanzig Grammen (1 3/5 Loth) Alkohol aufgeloͤst wurde. Das Ganze wird gut geruͤhrt und durch ungeleimtes Papier filtrirt. Diese Masse darf man auf keinen Fall fruͤher als am Vorabend des Tages wo man marmoriren will, bereiten, weil man sonst befuͤrchten muͤßte, daß sie verdirbt. Zubereitung des Wachses. Man schmilzt Jungfernwachs (gelbes Wachs) auf einem schwachen Feuer in einem glasirten Gefaͤße; sobald es geschmolzen ist, nimmt man es vom Feuer und ruͤhrt es allmaͤhlich und unter bestaͤndigem Umruͤhren mit so viel Terpentinoͤhl an, daß es die Consistenz des Honigs behaͤlt. Daß das Wachs die gehoͤrige Consistenz hat, erkennt man daran, daß ein Tropfen, welchen man auf den Nagel fallen laͤßt, nach dem Erkalten fluͤssig wie Honig ist. Wenn die Masse zu dik ist, sezt man ihr noch Terpentinoͤhl zu. Eben so wie die Ochsengalle darf auch das Wachs nicht zu lange vor dem Gebrauche zubereitet werden. Ueber die Farben. Zum Marmoriren darf man nie Mineralfarben anwenden. Bloß Pflanzenfarben und die verschiedenen Sorten von Oker kann man mit Erfolg benuzen. Die Mineralfarben sind zu schwer und koͤnnten nicht auf der Oberflaͤche des Gummiwassers erhalten werden.Hier hat sich der Verfasser uͤbereilt, denn Oker, Neapelgeld u.s.w. sind Mineralfarben. A. d. R. Fuͤr das Gelb nimmt man entweder Neapelgelb oder den gelben mit Wau bereiteten Lak. Zum Goldgelb bedient man sich der natuͤrlichen italiaͤnischen Erde (Terre d'Italie). Fuͤr Blau von verschiedenen Nuͤancen wendet man die IndigoblumenVon der Blaukuͤpe der Leinenfaͤrber. A. d. R. an. Fuͤr Roth bedient man sich des Karmins oder des Karminlaks in Koͤrnern. Das Braun macht man mit Umbraerde, das Schwarz mit Elfenbeinschwarz. Das Weiß wird bloß mit Ochsengalle hervorgebracht. Das Gruͤn erhaͤlt man durch Vermischung von Blau mit Gelb; das Violett durch Roth und Blau; das Morgenrot!), durch Roth und Gelb. Wenn man einzig und allein, ohne sie zu vermengen, italiaͤnische Erde, Indigoblumen und Karminlak anwendet, so macht man schon einen sehr schoͤnen Schnitt, welchen man ins Unendliche veraͤndern kann. Zubereitung der Farben. Man kann die Farben nie zu fein reiben; sie werden auf dem Marmor oder Porphyr mit zubereitetem Wachs und Wasser, in welches man einige Tropfen Alkohol goß, zur Consistenz eines diken Breies gerieben. Nachdem sie gerieben sind, nimmt man mit dem Reibmesser eine Quantitaͤt Farbe weg und kehrt das Messer um, wo sie dann auf demselben sich halten muß. Jede Farbe wird in einem besonderen Topfe aufbewahrt. Zurichtung des Marmorirtroges. In das Gefaͤß, welches das zubereitete Gummi enthaͤlt (dasselbe muß den Boden des Gefaͤßes wenigstens einen Zoll hoch bedeken), bringt man 200 Gramme (13 Loth) sehr fein gepulverten Alaun und ruͤhrt die Masse gut, um den Alaun aufzuloͤsen. Man gießt dann einen oder zwei Loͤffel voll von dieser Fluͤssigkeit in einen kegelfoͤrmigen Confecttopf, um die Proben anzustellen, wodurch man erfahrt, ob das Gummiwasser eine zu starke oder zu geringe Consistenz hat. Man nimmt naͤmlich ein wenig Farbe, welche man mit zubereiteter Ochsengalle zur geeigneten Consistenz angeruͤhrt hat; laͤßt einen Tropfen davon auf das Gummi in dem kegelfoͤrmigen Topfe fallen und ruͤhrt sie mit einem kleinen Stabe um. Wenn sie sich ausbreitet und die Schneke gut bildet, ohne sich in dem Gummi aufzuloͤsen, so ist lezteres stark genug: dreht sich hingegen die Farbe nicht, so ist das Gummiwasser zu stark; man muß ihm Wasser zusezen und es neuerdings stark ruͤhren: wenn hingegen die Farbe sich zu sehr ausbreiten und in dem Gummiwasser aufloͤsen wuͤrde, so muͤßte man ihm von dem vorraͤthigen starken Gummiwasser zusezen. So oft man Wasser oder Gummi zusezt, muß man die Fluͤssigkeit stark schlagen, um sie vollkommen zu mischen. Bei jedem Versuche, den man anstellt, muß man die Masse im Confecttopf in ein besonderes Gefaͤßbringen und neues Gummiwasser anwenden. Wenn man diese Fluͤssigkeit auf die erforderliche Consistenz gebracht hat, treibt man es durch ein Sieb und gießt sie in den Trog, so daß sie darin einen Zoll (Millimeter) hoch steht. Nachdem der Trog so vorgerichtet ist, leimt (verdikt) man alle Farben mit der zubereiteten Ochsengalle und bewirkt dadurch, daß sie weder zu consistent noch zu fluͤssig sind. Je mehr Galle man zusezt, desto mehr breiten sie sich auf dem Gummiwasser aus. Die am wenigsten geleimte Farbe laͤßt man zuerst auffallen, dann eine etwas starker geleimte und so fort. Das Roth z.B. wird zuerst aufgetropft. So oft man eine Farbe uͤber eine andere fallen laͤßt, wird diese durch jene ausgebreitet und nach allen Seiten hin gestoßen; je groͤßer die Anzahl der Farben ist, desto mehr wird die erste ausgebreitet und einen desto groͤßeren Raum nimmt sie ein. Soll die Marmorirung eine Schnekenlinie darstellen, so senkt man, nachdem alle Farben, welche man anwenden will, aufgetropft sind, den Stab vertikal ein und dreht ihn in einer Spirale. Man tropft die Farben mit Pinseln auf, welche man selbst verfertigen kann. Hiezu nimmt man Weidenruthen von ungefaͤhr 325 Millimeter (einem Fuß) Laͤnge und von 4 Millimeter (2 Linien) Durchmesser. Andererseits muß man fuͤr jeden Pinsel hundert moͤglichst lange Schweinsborsten ausgewaͤhlt haben, welche man um das duͤnnste Ende der Weidenruthe herumlegt und sodann mit Bindfaden fest umwikelt. Diese Pinsel, deren Haare lang sind, gleichen eher einem kleinen Besen als einem Pinsel. Vermittelst derselben laͤßt man hie und da auf die Oberflaͤche des Gummis die erste Farbe fallen, auf die Mitte dieser eine zweite, dann eine dritte und so fort: man bewegt die Farben dann, wenn man es fuͤr noͤthig erachtet, in einer Schnekenlinie. Wir wollen hier ein Beispiel geben. Angenommen man wolle die Marmorirung bilden, welche man Rebhuhnauge (oeil de perdrix) zu nennen pflegt: so bereitet man zwei blaue Farben mit Indigoblumen, eine so wie wir es oben angaben, welche wir Indigo No. 1 nennen wollen, die andere, indem man eine Quantitaͤt von denselben Indigoblumen in einem besonderen Gefaͤß mit einer groͤßeren Menge zubereiteter Ochsengalle versezt; diese wollen wir Indigo No. 2 nennen. Man laͤßt nun 1) den Karminlak; 2) die italiaͤnische Erde; 3) den Indigo No. 1; 4) den Indigo No. 2, welchen man vorher mit zwei Tropfen Terpentinoͤhl versezt und gut umgeruͤhrt hat, auftropfen und ruͤhrt sie, wenn es noͤthig ist, in einer Schnekenlinie. Das Blau No. 2 breitet alle anderen Farben aus und liefert jenes punktirte Hellblau, welches einen so angenehmen Effect hervorbringt. Diese Eigenschaft ertheilt ihm bloß das Terpentinoͤhl. Man kann dieses Oehl allen anderen Farben zusezen., welche man zulezt auftragen will; wenn man es den vorhergehenden zusezen wuͤrde, so waͤre es wirkungslos. Wenn Alles so vorgerichtet ist, nimmt der Marmorirer acht bis zehn Baͤnde und faͤngt damit an, den vorderen hohlen Schnitt zu marmornen, welchen er dazu vorrichtet, indem er den Band mit dem Ruͤken auf den Tisch legt; er laͤßt die Pappendekel fallen und indem er auf die Raͤnder des Ruͤkens druͤkt, macht er den vorderen hohlen Schnitt flach; er bringt dann Bretter zwischen jeden Brand, so daß die Pappendekel frei sind. Er nimmt hierauf alle Buͤcher zwischen beide Haͤnde, schließt sie fest an einander und taucht sie in den Trog. Endlich schlaͤgt er bei den Buͤchern die Pappendekel zuruͤk und senkt das Obertheil derselben in den Trog. Eben so taucht er dann auch alte Buͤcher mit ihrem unteren Theil in den Trog. Man kann die Marmorirung des Schnittes der Buͤcher ins Unendliche abaͤndern; dieß haͤngt von dem Geschmak des Marmorirers, von der Ordnung, in welcher er die Farben anwendet, und von ihrer Anzahl ab. Das marmorirte Papier verfertigt man nach demselben Verfahren und mit denselben Farben, welche eben so zubereitet und in den Trog gebracht werden, wie wir es fuͤr den Schnitt der Buͤcher angaben. Anstatt sich aber eines runden Stabes zur Bildung der Schnekenlinien oder jeder anderen Figur zu bedienen, wendet man Kaͤmme an, deren Zaͤhne mehr oder weniger weit von einander entfernt sind. Die ganze Geschiklichkeit besteht darin, das Blatt Papier flach auf die Oberflaͤche des Gummiwassers, auf welchem sich die Farben befinden, zu legen und es wegzunehmen, ohne die Farben von ihrer Stelle zu verruͤken. Zu diesem Ende faßt der Arbeiter mit der einen Hand, zwischen den Daumen und Zeigefinger das Blatt in der Mitte einer der kuͤrzeren Seiten und mit der anderen Hand zwischen denselben Fingern die Mitte der anderen Seite. Er legt dann das Blatt auf den Trog und zieht es dann wieder heraus, ohne es uͤber das Gummi gleiten zu lassen. Hierauf legt er es auf einen Rahmen, die Farbe nach Oben, auf welchem das Wasser abtropft und das Papier troknet. Wenn dieses Blatt fertig ist, nimmt er ein zweites vor, sezt aber wieder Farben zu, in dem Maße als sie der Oberflaͤche des Gummis entzogen werden. Wenn die Boͤgen troken sind, wichst, glaͤttet und salzt man sie. Heut zu Tage macht man das marmorirte Papier selten nach diesem Verfahren; die Buchbinder, welche dieses Papier fast ausschließlich fuͤr den Einband der Buͤcher verwenden, geben demjenigen, welches nach dem Verfahren der Tapetenfabrikanten verfertigt ist, den Vorzug; die Dessins ahmen viel besser den Marmor, Porphyr, die Masern u.s.w. nach.