Titel: Ueber die Anwendung und Einwirkung eines chemischen Düngmittels auf Feld- und Garten-Bau.
Fundstelle: Band 43, Jahrgang 1832, Nr. LXXVIII., S. 307
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LXXVIII. Ueber die Anwendung und Einwirkung eines chemischen Duͤngmittels auf Feld- und Garten-Bau. Von der Fabrik-Direction zu Neuschloß bei Heppenheim an der Bergstraße eingesandt. Ueber die Anwendung eines chemischen Duͤngmittels. Wir haben im September v. J. durch eine gedrukte Anzeige bekannt gemacht, daß wir ans den Abfaͤllen unserer Fabrik einen chemischen Duͤnger zum Verkaufe bereiten lassen, der wesentlich zur Verbesserung des Bodens der Felder und Gaͤrten beitragen, und zur Erhoͤhung der Ernte auf denselben mitwirken wird. Wir versprachen in dieser Anzeige demnaͤchst Einiges uͤber die Anwendung und Einwirkung unseres Duͤngmittels bekannt zu machen, und wollen uns hiemit unseres Versprechens entledigen, in der Hoffnung dadurch vielleicht Einiges zur Foͤrderung der Landescultur beizutragen. So viel bereits uͤber den Duͤnger geschrieben worden, so vielerlei verschiedene Duͤngmittel man in Vorschlag brachte, so scheint man bei der Wahl derselben doch die duͤngenden Urstoffe nicht gehoͤrig beruͤksichtigt zu haben. Daher mag es wohl kommen, daß man fuͤr das sogenannte Animalisiren des Bodens eine solche Vorliebe hat, daß man sich den thierischen Duͤnger oft mit den groͤßten Opfern zu verschaffen sucht, waͤhrend man einen anderen, eben so guten oder noch besseren, mineralischen Duͤnger, den man in der Naͤhe haben koͤnnte, vernachlaͤssigt. Darin mag der Grund liegen, warum man aus dem Mineralreiche, welches eine so ungeheure Masse Substanzen enthaͤlt, die dem natuͤrlichen Duͤnger, dem Humus, am Naͤchsten kommen, noch immer nicht den Vortheil zieht, den es gewaͤhren kann, und muß. Die vorzuͤglichsten Nahrungsmittel aller Gewaͤchse sind Wasserstoff und Kohlenstoff; je mehr daher ein Duͤnger den Pflanzen von diesen beiden Urstoffen zufuͤhrt, und je mehr er durch einen gewissen, auf die Vegetationskraft wirkenden Reiz, er mag im Sauerstoffe, in sauerstoffreichen Substanzen, oder in irgend etwas Anderem gelegen seyn, die Aufnahme und Aufsaugung dieser beiden Stoffe durch die Pflanze beguͤnstigt, um so vorzuͤglicher wird er seyn, um so mehr wird er seinen Zwek erfuͤllen. Betrachtet man nun unser Duͤngmittel nach diesen Grundsaͤzen, so wird man finden, daß durch die verschiedenen, darin enthaltenen Salze und deren chemische Wirkung auf den Boden den Gewaͤchsen eine betraͤchtliche Menge Kohlensaͤure zugefuͤhrt werden wird, von der sie den Kohlenstoff in sich aufnehmen, den Sauerstoff hingegen aushauchen werden; daß durch mehrere der Salze der Boden nicht bloß loker erhalten und zum Eindringen der Luft geeignet gemacht, sondern fortwaͤhrend auch eine große Menge Wasser aus der Luft eingesogen und den Pflanzen mitgetheilt werden wird; und daß endlich die Saͤuren dieser Salze den gehoͤrigen Reiz auf die Pflanzen ausuͤben und dadurch eine groͤßere Thaͤtigkeit in ihrem Organismus unterhalten werden. Das Chlornatrium, einer der vorzuͤglichsten Bestandtheile unseres Duͤngmittels, wird außerdem zerstoͤrend auf die Insecten wirken, die im Boden enthalten sind, sie in Faͤulniß uͤberfuͤhren, und auch hiedurch einen neuen Vorrath von Kohlenstoff und Wasserstoff fuͤr die Pflanzen erzeugen. Der Zusaz von thierischem Oehle, welcher sich bei unserem Duͤngmittel befindet, wird nicht bloß die Wirkung der Salze unterstuͤzen, sondern auch verschiedene schaͤdliche Thiere, namentlich die Maͤuse, von den Feldern vertreiben und abhalten. Wer etwas duͤngen will, muß vor Allem wissen, was er duͤngen will; daher muß der Oekonom, der sich unseres Duͤngmittels bedienen will, sich vorher mit seinem Boden bekannt machen, wenn er es noch nicht seyn sollte. Von den Eigenschaften des Bodens und der Art der Frucht, die darauf gebaut werden soll, haͤngt naͤmlich Menge und Anwendungsweise desselben ab, welche jeder Oekonom zu ermessen, oder durch Versuche auszumitteln wissen wird. Um jedoch einige Anhaltspunkte zu geben, wollen wir nur bemerken, daß eine Lauge, die aus dem 16ten Theile Salz besteht, sowohl die animalischen als vegetabilischen Stoffe vor Faͤulniß bewahrt, waͤhrend eine, aus dem 90sten Theile Salz bestehende, Lauge die Faͤulniß befoͤrdert, und daß nach den Versuchen bewaͤhrter Oekonomen 7–10 Centner des Duͤngmittels fuͤr einen Morgen mageren Bodens erforderlich sind, waͤhrend fuͤr einen besseren Boden eine geringere Menge hinreicht. Die Zeit der Anwendung hat eben so gut ihren Einfluß auf die Wirkung des fraglichen Dungmittels, wie die Art der Frucht. Die Erfahrungen sind zwar in dieser Hinsicht nichts weniger als geschlossen, doch haben uns unsere eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, so wie jene mehrerer tuͤchtiger Aker- und Garten-Bebauer bisher zu folgenden Resultaten gefuͤhrt. Die Anwendung unseres Duͤngsalzes faͤllt fuͤr Gartengewaͤchse, Hafer und Sommerkorn als spaͤteste Zeit in den Monat Februar; fuͤr Gerste, Weizen, gelbe Ruͤben, Kartoffeln, Mays in den Februar oder Anfang Maͤrz; fuͤr Erbsen, Bohnen, Linsen, Hanf, Flachs und Tabak in die Mitte Aprils; fuͤr Heidekorn und Dikruͤben in die ersten Tage des Mai; fuͤr Reps ein Paar Wochen vor der Einsaat; und fuͤr Klee und Wiesegruͤnde in die ersten Tage nach der Klee- und Heu-Ernte. Zum Schlusse wollen wir nur noch darauf aufmerksam machen, daß man ja nicht aͤngstlich oder irre werden darf, wenn die auf diese Weise geduͤngten Fruͤchte bei trokener Witterung Anfangs kraͤnkeln oder zuruͤkbleiben; sie werden nach gefallenem Regen sicher uͤppiger wachsen, und zuverlaͤssig eine ergiebigere Ernte liefern, als andere, auf die gewoͤhnliche Weise behandelte Fruͤchte.