Titel: Bemerkungen über die Rettung Schiffbrüchiger, und Vorschlag zur Anwendung von Steigraketen zu diesem Behufe. Von Edward Hodges.
Fundstelle: Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XC., S. 378
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XC. Bemerkungen uͤber die Rettung Schiffbruͤchiger, und Vorschlag zur Anwendung von Steigraketen zu diesem Behufe. Von Edward Hodges. Aus dem Repertory of-Patent-Inventions. Novbr. 1831, S. 275. (Im Auszuge.) Hodges, Bemerkungen uͤber die Rettung Schiffbruͤchiger. Die vielen Menschenleben, welche in neueren Zeiten durch Schiffbruch geraubt wurden, und besonders der Untergang des Rothsay-Castle, bei welchem allein uͤber 100 Menschen ihren Tod in den Wellen fanden, haben die Aufmerksamkeit auf die Gefahren, denen man auf der See ausgesezt ist, neuerdings rege gemacht, und manchen neuen Vorschlag zur Verminderung des Ungluͤkes zu Tage gefoͤrdert. Zahllose Vorrichtungen wurden bereits zu diesem Behufe ersonnen und empfohlen; allein sie zeigten sich theils unwirksam; theils kamen sie in Vergessenheit, wenn ein Mal der Laͤrm, den ein groͤßeres Ungluͤk verursacht, verhallt war; theils scheiterten sie an den Vorurtheilen der Seeleute und an dem Geize der Schiffseigenthuͤmer. Die gaͤnzliche Verhuͤtung des Schiffbruches liegt außer unseren Kraͤften; wer sich auf ein Element begibt, welches so unsicher ist, und der Macht der Menschen so sehr spottet als die See, wird sich immer einiger Gefahr aussezen. Soll man aber deßhalb alle Vorsicht vernachlaͤssigen, weil man das Ungluͤk nicht immer abhalten kann? Die vorzuͤglichsten Gefahren, denen ein Schiff ausgesezt ist, sind: Feuer, das Versinken auf der See und das Stranden, welches leztere gewoͤhnlich unter dem Namen Schiffbruch verstanden wird. Was die beiden ersten dieser Gefahren betrifft, so machte ich vor mehreren Jahren einige Vorschlaͤge, die in oͤffentliche Blaͤtter uͤbergingen, und im Jahre 1825 bei Gelegenheit des Unterganges des Schiffes Comet im Bristol Mirror wiederholt wurden. Mein Vorschlag, der von mehreren Kaufleuten, denen das Paken der Waaren hoͤher galt, als die Erhaltung der Passagiere und der Schiffsmannschaft, aus dem Grunde verworfen wurde, weil er das Paken beeintraͤchtigen und keinen Gewinn abwerfen wuͤrde, bestand nun in Folgendem. Der Rumpf sollte in drei Abtheilungen getheilt werden, die keine Communication mit einander haben, und eben so wasserdicht als die Seitenwaͤnde des Schiffes seyn sollten, so daß, wenn auch Wasser in dem einen derselben eindringen wuͤrde, die beiden anderen doch das Schiff schwimmend erhalten koͤnnten. Diese Einrichtung duͤrfte vorzuͤglich auch beim Transporte von Getreide oder anderen Dingen, die nicht feucht werden sollen, sehr vortheilhaft seyn. Entsteht Feuer auf dem Schiffe, so koͤnnte bei dieser Einrichtung auch leicht ein Theil des Schiffes angebohrt und versenkt werden, ohne daß die uͤbrigen Theile dadurch litten. Auch bei Berstung der Dampfkessel auf Dampfbothen duͤrfte sich dieselbe vortheilhaft zeigen, so daß sie vorzuͤglich bei jenen Bothen, die mehr zum Transporte von Reisenden, als von Waaren bestimmt sind, empfohlen zu werden verdiente. Welchen Gefahren man naͤmlich troz aller Erfindungen der Physiker und Mechaniker und ungeachtet aller Vorschriften der Regierungen zuweilen doch auf den Dampfbothen ausgesezt wird, mag aus folgendem Beispiele hervorgehen, von welchem ich selbst Augenzeuge war. Ich befand mich auf einem kleinen Dampfbothe, welches mit einem anderen, zu gleicher Zeit abfahrenden eine Wettfahrt machen sollte. Einige Minuten vor dem Abfahren sah ich nun, daß der Maschinist des Boches, auf welchem ich mich befand, die Sicherheitsklappe mit mehreren Gewichten, außer ihrer gewoͤhnlichen Belastung, belud, und nicht eher davon abstehen wollte, als bis ich Laͤrm unter den uͤbrigen Passagieren zu machen drohte! Bei allen Vorsichtsmaßregeln wird es aber dennoch nicht an haͤufigen Schiffbruͤchen fehlen, und, um in diesen Huͤlfe zu leisten, wurden zu verschiedenen Zeiten Rettungsbothe und viele Apparate erfunden, um Strike und Taue zu werfen. Unter den Rettungsbothen scheint die Erfindung des Lieutenants Cook, nach welcher ein gewoͤhnliches Both mittelst eines Ueberzuges aus Canevaß schnell in ein Rettungsboth verwandelt werden kann, die meisten Vortheile zu versprechen. Allein in wie vielen Faͤllen fehlen alle diese Vorrichtungen; wie oft stranden die Schiffe an Kuͤsten, wo Niemand zur Huͤlfe bereit ist; wie oft ist alle Huͤlfe fruchtlos, und wie oft bringt sie sogar auch jenen den Untergang, die ihr eigenes Leben nicht in Gefahr zu sezen scheuten, um anderen Rettung bringen zu koͤnnen! In allen dergleichen Faͤllen handelt es sich zuerst vorzuͤglich darum, ein Seil oder Tau an das Ufer zu bringen. Ist dieß ein Mal gelungen, so weiß die kuͤhne Thaͤtigkeit und unerschrokene Besonnenheit und Ausdauer der Seeleute bald das feste Land zu gewinnen, und von dort aus auch jene zu retten, die nicht Kraft und Muth genug besizen, um es selbst thun zu koͤnnen. Da man nicht weiß, ob man an bewohnten Kuͤsten stranden wird, und ob gerade Jemand zur Huͤlfe bereit seyn wird, so ist es natuͤrlich ohne Vergleich besser, das Seil vom Schiffe aus ans Land zu schaffen, als es vom Lande aus ans Schiff zu bringen. Um nun diesen Zwek zu erreichen, wurden bereits mehrere Vorschlaͤge gemacht. Der erste war, daß man mittelst eines Bothes ein Seil ans Land zu schaffen suchen soll; allein unter den Umstaͤnden, welche den Schiffbruch veranlaßten, wird gewoͤhnlich auch das Both bald verschlungen seyn. Diesem folgte der Vorschlag Sturmdrachen zu gebrauchen, um ein Seil mit einem Anker ans Land zu bringen. Diese Idee, die unter den gewoͤhnlichen Umstaͤnden der Schiffbruͤchigen schwer ausfuͤhrbar gewesen waͤre, vervollkommnete Hr. Pocock in seinen Patentdrachen, welche sich leicht in einen kleinen Raum zusammenlegen lassen, und doch auch sehr schnell zum Steigen zu bringen, und dann zu dirigiren sind, so daß sie sowohl in dieser, als in anderer Hinsicht allerdings die Beruͤksichtigung der Seeleute zu verdienen scheinen. Hr. Capt. Manby erfand einen anderen, etwas beschwerlicheren Apparat, den der Vorwurf trifft, daß durch die ploͤzliche, der Kugel gegebene Schnelligkeit die Leine oft abgerissen wird, und dessen Benuzung daher bisher nur geringe Fortschritte gemacht hat, obwohl er auf dem festen Lande in verschiedenen Faͤllen gute Dienste leisten mag. Hrn. Murray's Pfeil, welcher mit einer Leine aus einer Muskete abgefeuert wird, ist viel leichter anwendbar; da sich aber kein Anker an demselben befindet, so beschraͤnkt sich dessen Anwendung groͤßten Theils auf jene Faͤlle, in welchen sich menschliche Huͤlfe am Strande zeigt, oder in welchen vom Lande aus ein Seil in das Schiff geworfen werden soll. Ich weiß nicht, ob die Benuzung der Steigraketen je in dergleichen Faͤllen in Vorschlag gebracht worden; allein es scheint mir, daß eine starke Rakete ein bedeutendes Gewicht, und nicht bloß eine duͤnne Leine mit einem Anker, sondern auch eine doppelte, durch einen Blok gezogene Leine, mit Genauigkeit bis auf eine betraͤchtliche Entfernung schleudern koͤnnte, so daß auf diese Weise die ungluͤklichen Schiffbruͤchigen ohne weitere Huͤlfe ein staͤrkeres Seil ans Land zu bringen im Stande waͤren. Natuͤrlich muͤßten einige Yards einer leichten Kette zunaͤchst an der Rakete befestigt werden, damit die Leine von dem Feuer derselben nicht Schaden leiden kann. Zugleich koͤnnte die Rakete auch als Nothsignal dienen. Ich habe zwar keine Versuche mit diesem Vorschlage gemacht; es scheint mir aber fuͤr jeden Fall, daß derselbe eines Versuches wohl werth seyn duͤrfte. Ich bemerke nur noch, daß ich glaube, daß die Kette ungefaͤhr in der Mitte des Stokes, oder zwischen dieser und der Rakete angebracht werden muͤßte. Die Seeleute stehen in hohem Rufe unter ungluͤklichen Verhaͤltnissen schnell und geschikt ein Floß zusammenfuͤgen zu koͤnnen; ob sie aber hierbei auf ihre leeren Wasserfaͤsser gehoͤrig Ruͤksicht genommen, weiß ich nicht ganz gewiß. Ein einzelnes Faß wird zwar schwimmen, allein wegen seiner Bewegung kaum zur Rettung von irgend Jemand geeignet seyn; bindet man aber 2 Faͤsser zusammen, so koͤnnen auf diese Weise sicher 2 oder 3 Individuen gerettet werden. Wenn man daher mehrere Faͤsser zusammenhaͤngt, so werden wohl mehrere Individuen durch das Zusammenstoßen der Faͤsser verlezt, die Mehrzahl derselben aber doch gewiß gerettet werden.Wir lesen so eben im London Journal of Arts 1831 November S. 99, daß Hr. Canning einen sehr einfachen und wirksamen Apparat erfunden haben soll, um Schiffbruͤchigen Huͤlfe zu verschaffen. Dieser Apparat soll bloß aus Brettern, Baͤumen und dergleichen Dingen bestehen, die man an Bord eines jeden Schiffes findet. Diese Gegenstaͤnde sollen mit Tauen zusammengebunden und durch Faͤsser schwimmend gemacht werden, so daß sie eine Art von Floß bilden. A. d. Ueb. Die baumwollenen, mit Luft aufblasbaren Jaken, welche in neueren Zeiten erfunden worden, scheinen gleichfalls sehr viel zu versprechen, und werden gewiß bald eine allgemeinere Anwendung erhalten. Der Baumwollenzeug ist jedoch so bruͤchig, daß der patentirte luftdichte Zeug, aus welchem die aufgeblasenen Betten und Polster verfertigt werden, wohl den Vorzug verdienen duͤrfte, indem er weit schwerer durch spizige oder schneidende Gegenstaͤnde verlezt werden wuͤrde. Was wuͤrde es fuͤr einen Schaden bringen, wenn jedes Dampfboth eine gewisse, der Durchschnittzahl der Passagiere entsprechende, Anzahl dieser Rettungsjaken an Bord haben muͤßte, vorausgesezt, daß nicht jeder Reisende ohnedieß so klug ist, sich in Form einer Weste oder eines Jaͤkchens mit einem solchen Apparate zu versehen? Gut waͤre es, wenn diese Westen oder Jaken aus 2, 3 oder mehreren abgesonderten Luftzellen bestuͤnden, die einzeln fuͤr sich aufgeblasen werden koͤnnten; damit, wenn auch eine Zelle Wasser zieht, die uͤbrigen doch noch den Koͤrper schwimmend zu erhalten im Stande sind. – Die Frauenzimmer werden sich zwar schwerlich in einen solchen Anzug zwaͤngen wollen; wenn man ihnen aber die Wahl der Form desselben selbst uͤberlaßt, so werden sie gewiß eine passende ausfindig machen, und die, welche sich in gar keine fuͤgen wollen, werden gewiß auch ohne eine solche Vorrichtung schwimmen koͤnnen. Arme werden sich dieser Kleidung wegen der Kosten, die sie verursacht, wohl kaum bedienen koͤnnen; fuͤr diese werden aufgeblasene Schweins- oder Rindsblasen, oder aufgeblasene Gedaͤrme, dieser malte Schwimmapparat, dessen sich unsere Jugend so haͤufig bedient um schwimmen zu lernen, das wohlfeilste und zwekmaͤßigste Rettungsmittel bleiben. Wir raͤchen daher den Proviantmeistern der Schiffe, sich nicht bloß mit Porter und Soda-Wasser zu versehen, sondern auch einen gehoͤrigen Vorrath solcher Schwimmblasen zu unterhalten.