Titel: Ueber die Wichtigkeit der Reinheit des Mehles bei der Brodbereitung. Von Hrn. M. A. Chevallier.
Fundstelle: Band 45, Jahrgang 1832, Nr. XXXV., S. 109
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XXXV. Ueber die Wichtigkeit der Reinheit des Mehles bei der Brodbereitung. Von Hrn. M. A. Chevallier. Aus dem Agriculteur-Manufacturier. September 1851 (Mai 1852). S. 336. Chevallier, uͤber die Reinheit des Mehles bei der Brodbereitung. Das Brod ist fuͤr die arbeitende und duͤrftige Classe der Menschen das erste, notwendigste und am haͤufigsten gebraͤuchliche Nahrungsmittel; es ist daher, wenn es als solches seinen Zwek erfuͤllen soll, nichts mehr zu wuͤnschen, als daß es in allen Faͤllen ebenso nahrhaft als gesund sey. Durch die Vermengung des Weizenmehles mit Erdaͤpfelmehl, oder mit dem Mehle von Huͤlsenfruͤchten, die bereits eine anfangende Veraͤnderung erlitten haben, leidet das Mehl bedeutend: es verliert von seiner naͤhrenden Kraft und wird auch weniger gesund. Ich glaube daher die Aufmerksamkeit des Publicums auf diese Gemenge richten zu muͤssen, die immer ein Betrug sind, und die besonders in den gegenwaͤrtigen Zeiten, wo verschiedene Epidemien herrschen, dem allgemeinen Wohle nachteilig werden koͤnnten. Ich glaube, daß die Bemerkungen, die ich hier vorlegen will, allerdings eine ernstliche Beachtung verdienen; denn die Gemenge, die ich angeben werde, schaden dem Verkehre der Baͤker, bringen dieses Gewerbe unter die unguͤnstigsten Verhaͤltnisse, und haben vielleicht jezt schon den Ruin mancher Baͤkerei herbeigefuͤhrt. Diese Behauptung zu beweisen, will ich nun versuchen. Ein Baͤker muß aus einem Sake Mehl von 325 Pfunden 102 Brode von 4 Pfunden machen. Damit er dieß koͤnne, darf das Mehl aber nicht wir Staͤrkmehl vermengt seyn; denn ein mit Staͤrkmehl vermengtes Mehl gibt weniger Brod, so zwar, daß man aus einem Sake Mehl, welches in dem gewoͤhnlichen VerhaͤltnisseIch konnte mich von den Verhaͤltnissen, in welchen diese Gemenge gewoͤhnlich gemacht werden, hinreichend uͤberzeugen, da ich von den Gerichten oͤfters aufgefordert wurde, solche verfaͤlschte Mehle zu untersuchen. A. d. O. mit Starkmehl vermischt ist, nur 92 statt 102 Broden erhaͤlt, und daß folglich der Baͤker einen Verlust von 10 vierpfuͤndigen Broden oder einen Verlust von 10 Procent erleidet. Wenn nun ein Baͤker 6 Gebaͤke des Tages macht (mehrere machen deren 8), so braucht er dazu 3 Saͤke Mehl, bei welchen er folglich 30 Brode einbuͤßt, was, das Brod zu 75 Cent. gerechnet, einen Verlust von 22 Fr. 50 Cent. gibt. Arbeitet er ein ganzes Jahr lang mit solchem Mehle, so belaͤuft sich sein Verlust am Ende des Jahres auf nicht weniger als 8212 Fr. 50 Cent.!Ein Baker des Weichbildes der Stadt versicherte mich, daß er aus einem Sake Mehl, welches er fuͤr gutes reines Mehl kaufte, und welches mit Staͤrkmehl verfaͤlscht war, sogar nur 87 bis 88 vierpfuͤndige Brode erzeugen konnte. A. d. O. Ein solches Resultat allein waͤre schon hinreichend, um die vielen Ganten zu erklaͤren, die sich seit mehreren Jahren unter den Baͤkern ergaben. Ein Muͤller sagte mir, daß er den Sak seines mit Staͤrkmehl vermengten Mehles um 1, 2 und 3 Franken wohlfeiler verkaufe. Dadurch wuͤrde also der Verlust taͤglich auf 21 Fr. 50 Cent., 20 Fr. 50 C. oder 19 Fr. 50 C., und jaͤhrlich folglich auf 7117 Fr. 50 Cent. etc. herabgesezt. Dieser Zusaz von Staͤrkmehl zum Mehle bringt aber nicht bloß dem Baͤker allein, sondern auch dem Armen Schaden. Das Brod, welches aus solchem verfaͤlschten Mehle verfertigt worden, ist naͤmlich weniger nahrhaft; der Arbeiter muß daher, um sich zu naͤhren, mehr davon essen; dieß verursacht ihm aber nothwendig eine groͤßere Auslage, und vergroͤßert auf diese Weise sein Elend. Die Vermengung des Mehles mit Staͤrkmehl geschieht gegenwaͤrtig mit einer Art von Oeffentlichkeit, von welcher ich nur ein Beispiel anfuͤhren will. Ich war mit mehreren meiner Collegen beauftragt, medicinisch-polizeiliche Untersuchungen anzustellen, und kam dabei in eine Staͤrkmehl-Fabrik, in welcher mir mehrere mit Erdaͤpfelstaͤrkmehl gefuͤllte Saͤke auffielen, auf welche die Namen und Wohnungen verschiedener Muͤller und Baͤker geschrieben waren. Ich erkundigte mich, wozu dieses Staͤrkmehl bestimme sey, und erhielt ganz offen die Antwort, daß es unter das Mehl, aus welchem Brod gebaken werden soll, gemischt wird, und daß die Fabrik den Muͤllern und Baͤkern taͤglich 50–60 solche Saͤke Erdaͤpfelstaͤrkmehl liefere!Man hat der Akademie der Wissenschaften angezeigt, daß man es dahin gebracht habe, aus Erdaͤpfelstaͤrkmehl allein ein gutes Brod zu erzeugen, welches um den dritten Theil wohlfeiler waͤre, als Weizenbrod. Ich habe solches Brod gekostet, es schien mir gut, aber doch weniger nahrhaft, als Roggenbrod. Ich glaube aber, daß man dieses Brod doch mir Vortheil genießen koͤnnte, weil man sich um das Drittheil, welches man an den Kosten des Brodes erspart, Fleisch kaufen kann, welches unter den Nahrungsmitteln doch immer oben an steht. Vier Pfunde Erdaͤpfelbrod, welche 50 Cent. kosten, und 1/2 Pfund Fleisch zu 35 Cent. geben z.B. zusammen ein nahrhafteres Essen, als 4 Pfund Weizenbrod, welche gleichfalls 75 Centimen kosten. A. d. O. Die Verfaͤlschung des Mehles mit dem Mehle verdorbener, d.h. wurmstichiger, Erbsen und Bohnen geschieht weniger oͤffentlich, und ich konnte auch noch nicht ein Mal ausmitteln, an welchem Orte diese schlechten Samen gemahlen werden. Diese Verfaͤlschung ist noch schaͤdlicher als erstere, weil sie das Brod uͤbel schmekend und unverdaulich macht, und weil sie Koliken und sogar bedeutende Stoͤrungen in der thierischen Oekonomie erzeugt. Da diese Verfaͤlschungen dem Mehlhandel taͤglich mehr Schaden bringen, und sowohl den Baͤkern, als den unbemittelten Classen der menschlichen Gesellschaft empfindlichen Nachtheil bringen, so scheint es mir wichtig genug, daß die Verwaltung Anlaß naͤhme, hier einzuschreiten. Von wesentlichem Nuzen wuͤrde es nach meiner Meinung seyn, wenn die Behoͤrden durch ein Rundschreiben, welches auch den Muͤllern und Baͤkern migetheilt werden muͤßte, darauf aufmerksam gemacht wuͤrden. Dieses Rundschreiben muͤßte den Muͤllern und Baͤkern kund machen, daß die Regierung sich bemuͤhe jene ausfindig zu machen, welche unter was immer fuͤr einem Vorwande Erdaͤpfelstaͤrkmehl oder irgend eine andere Substanz unter das Mehl mischen, und daß alle Verfaͤlscher nach der Strenge der Geseze gerichtet werden wuͤrden. Ich halte eine solche vorlaͤufige, vaͤterliche Ermahnung vorzuͤglich deßwegen fuͤr nothwendig, weil Viele gar nicht zu wissen scheinen, welche Verbrechen sie begehen, und gegen welche Geseze sie verstoßen. Der Baͤker koͤnnte sich seiner Seits gleichfalls gegen solchen Betrug verwahren, 1) wenn er das Mehl auf die Menge des darin enthaltenen trokenen Klebers, die in gutem Mehle gewoͤhnlich 9 bis 10 Procent betraͤgt, untersuchen, und 2) wenn er berechnen wuͤrde, wie viele Brode ihm ein Sak des gekauften Mehles gibt. Hr. Boland, einer unserer gewandtesten und tuͤchtigsten Baͤker, mit welchem ich mich gegenwaͤrtig mit Versuchen uͤber die Brodbereitung und mit Untersuchungen uͤber die Mehlsorten beschaͤftige, bedient sich in seiner Baͤkerei dieser beiden Mittel, und faͤhrt, wie er mich versicherte, sehr gut bei denselben. Ein Baͤker, der sich nicht selbst Rechenschaft daruͤber ablegt, wie viel ihm das Mehl, welches er verarbeitet, Brod gibt, kann sich nach laͤngerer oder kuͤrzerer Zeit bedeutend in seinen Spekulationen getaͤuscht finden, und bedeutende Verluste erlitten haben. Die Analyse des Mehles zum Behufs der Ausmittelung des Klebergehaltes geschieht am Besten auf folgende Weise: Man macht aus einer bestimmten Menge Mehl (z.B. aus 100 Grammen), und aus einer gehoͤrigen Menge Wasser einen Teig, den man eine Stunde lang sich selbst uͤberlaͤßt. Hierauf legt man den Teig auf ein Sieb, welches man in eine Schuͤssel stellt, in der sich destillirtes Wasser befindet, so zwar, daß das Wasser eben an das Gewebe des Siebes stoͤßt. Dann knetet man den Teig zwischen den Fingern, und mit der Vorsicht, daß man ihn weder zertheilt noch zerruͤhrt, sondern ihn bloß von seinem Staͤrkmehle befreit. Das Staͤrkemehl zertheilt sich im Wasser, einige andere Bestandtheile loͤsen sich auf, und zulezt behaͤlt man bloß den Kleber zwischen den Fingern. Das Waschwasser wird so lang erneuert, bis es nicht mehr milchig abfließt. Zulezt kann das Auswaschen des Klebers auch unter einem kleinen Wasserstrome geschehen. Die milchigen Abwaschwasser werden in einem kegelfoͤrmigen Gefaͤße gesammelt, damit sich das Staͤrkmehl leichter zu Boden seze; das Gefaͤß selbst stellt man an einen kuͤhlen Ort, um die Entwikelung der Gaͤhrung zu hemmen. – Wenn sich nichts mehr aus der Fluͤssigkeit zu Boden sezt, so gießt man die schillernde Fluͤssigkeit ab, sammelt den aus Staͤrkmehl und etwas Kleber gebildeten Bodensaz auf einem Filtrum, waͤscht ihn so lange aus, bis das Wasser klar ablaͤuft, und troknet und wiegt ihn zulezt. Dann vereinigt man die oben erwaͤhnte abgegossene Fluͤssigkeit mit dem Wasser, womit das Staͤrkmehl ausgewaschen wurde, und laͤßt sie in der Siedhize eindampfen. Waͤhrend dieß geschieht, wird man bemerken, daß sich einige Floken bilden, die von Fourcroy fuͤr geronnenen Eiweißstoff, von Proust hingegen fuͤr Kleber gehalten wurden. Das Eindampfen wird bis zur Syrupconsistenz fortgesezt, worauf man den Ruͤkstand mit Weingeist verduͤnnt, der den Zuker aufloͤst, welchen man dann durch Eindampfen gewinnen kann. Der in Weingeist unaufloͤsliche Theil gibt, wenn er mit kaltem Wasser behandelt wird, den Schleim; der Ruͤkstand besteht aus phosphorsaurem Kalke und einer stikstoffhaltigen Substanz. Will man das Harz erhalten, so behandelt man das trokene Mehl mit Weingeist; ohne diese Vorsichtsmaßregel erhaͤlt man sonst das Harz zum Theil in Verbindung mit dem Kleber. Enthaͤlt das Mehl viel Kleber, so soll man den Teig in ein Tuch bringen, einen Knoten darum schlingen, und ihn dann in dem Tuch abkneten. Behandelt man Gerstenmehl auf diese Weise, so ist das Staͤrkmehl, welches man erhaͤlt, mit einer eigenen Substanz, mit dem sogenannten Hordein, vermischt. Um diese Substanz von dem Staͤrkmehle zu trennen, laͤßt man das Staͤrkmehl, nachdem es gut mit Wasser ausgewaschen worden, kochen; dabei wird das Staͤrkmehl aufgeloͤst, waͤhrend das Hordein unveraͤndert zuruͤkbleibt. Alle Arten von Mehl enthalten eine gewisse Menge Feuchtigkeit, welche bei der Analyse gleichfalls beruͤksichtigt werden muß. Man troknet zu diesem Behufs das Mehl bei einer gelinden Hize, wo dann der Unterschied im Gewichte, welcher vor und nach dem Troknen Statt findet, den Wassergehalt gibt. Der Baͤker kann sich damit begnuͤgen, den Gehalt an Kleber zu bestimmen; er braucht zu diesem Behufe den aus 100 Grammen Mehl gebildeten Teig nur in ein Tuch zu bringen, einen Knoten daraus zu schlingen, und diesen Knoten dann so lang im Wasser abzukneten, bis das Wasser nicht mehr milchig wird. Ist dieß geschehen, so sammelt er den im Tuche zuruͤkgebliebenen Kleber, waͤscht ihn noch unter fließendem Wasser aus, und troknet ihn dann, um sein Gewicht zu bestimmen. Da die Gegenwart des Klebers im Mehle von groͤßter Wichtigkeit ist, und da der Mangel an demselben dem Interesse des Baͤkers großen Nachtheil bringt, so koͤnnte man den Preis des Mehles wohl auf den Klebergehalt desselben basiren. So schwierig diese Methode auch auf den ersten Blik zu seyn scheint, so ist sie doch bei einiger Uebung sehr leicht, und um so mehr zu empfehlen, als durch sie alle jene Betruͤgereien verbannt wuͤrden, die mich zu der Bekanntmachung dieses Aufsazes veranlaßten.