Titel: Ueber Hrn. Babbage's Rechenmaschine.
Fundstelle: Band 47, Jahrgang 1832, Nr. LXXXIII., S. 441
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LXXXIII. Ueber Hrn. Babbage's Rechenmaschine. Aus Partington's British Encyclopaedia im Mechan. Mag. N. 488. S. 173.Wir haben schon einige Male Gelegenheit gehabt von der großen Rechenmaschine des Hrn. Babbage, die ihrem Erfinder unsterblichen Ruhm brachte, Notizen zu geben, die aber leider nur sehr oberflaͤchlich waren. Da selbst in England bisher noch keine Beschreibung und Abbildung dieses Meisterwerkes erschien, und da dieselbe bei uns in Deutschland beinahe lediglich nur dem Namen nach bekannt ist, so nehmen wir keinen Anstand hier diesen Artikel mitzutheilen, der aus Partington's British Encyclopaedia auch in das Mechan. Magazine und mehrere andere englische Journale uͤberging, und aus welchem unsere Leser doch wenigstens eine etwas umfassendere Idee von dieser viel besprochenen und Epoche machenden Erfindung erhalten werden. A. d. Ueb. Babbage's Rechenmaschine. Der große Pascal war der erste, dem es gelang, verschiedene arithmetische Operationen durch einen rein mechanischen Proceß ausfuͤhren zu lassen: die Maschine, mit der er dieß bezwekte, findet man im vierten Bande der Machines approuvées des Hrn. Gallon beschrieben. Im J. 1673 machte Sir Samuel Morland eine Notiz uͤber zwei von ihm erfundene Maschinen bekannt, von denen die eine Addiren und Subtrahiren, die andere hingegen Multipliciren konnte, ohne daß er jedoch eine genauere Beschreibung der inneren Einrichtung dieser Maschinen mittheilte. Beilaͤufig um dieselbe Zeit richteten auch der beruͤhmte Leibnitz, Marquis Poleni und Leupold ihr Augenmerk auf diesen Gegenstand, und das Resultat ihrer Forschungen waren verschiedene Instrumente, mit deren Huͤlfe sie einen und denselben Zwek auf verschiedene Weise erreichten. Leibnitz machte im J. 1709 der Miscellanea Berolinensia seine Idee bekannt, ohne jedoch mehr als eine aͤußere Ansicht seiner Maschine mitzutheilen; Poleni gab in eben demselben Werke auch eine Beschreibung der inneren Einrichtung. Beide Maschinen, so wie jene Leupold's, wurden spaͤter auch in dem Theatrum arithmetico-geometricum beschrieben, welches Leupold im J. 1727 zu Leipzig herausgab. Uebrigens duͤrfen wir hier auch nicht die Abaque rhabdologique des Hrn. Perrault umgehen, die sich in den oben erwaͤhnten Machines approuvées befindet, in welchem Werke man zugleich auch die Machine arithmétique von Lespine und drei verschiedene Maschinen von Hillerin de Boistissandeau findet. Im J. 1735 endlich theilte Professor Gersten zu Gießen der Royal Society zu London eine sehr ausfuͤhrliche Beschreibung eines von ihm erfundenen Instrumentes mit, zu welchem ihm, wie er sagte, die Leibnitz'sche Maschine einen Fingerzeig gab. Ungeachtet der auf alle diese Instrumente verwendeten Geschiklichkeit und des Scharfsinnes und Genie's ihrer Erfinder, sind deren Leistungen doch nothwendig sehr beschraͤnkt, so daß sie weder in Hinsicht auf diese, noch in Hinsicht auf die Groͤße und den Geist der Erfindung mit der Maschine des Hrn. Babbage einen Vergleich auszuhalten im Stande sind. Die hoͤchsten Verrichtungen aller dieser Maschinen sind naͤmlich nur jene der gewoͤhnlichen Rechenkunst; diese Operationen nun vollbringt die Maschine des Hrn. Babbage auch, ja sie kann auch Wurzeln von Zahlen ausziehen, und selbst die Wurzeln von Gleichungen und sogar deren unmoͤgliche Wurzeln approximativ auffinden. Allein Alles dieß ist nicht der eigentliche Zwek dieser lezteren Maschine, die sich im Gegentheile von allen fruͤheren Rechenmaschinen dadurch unterscheidet, daß bei ihr die Differentialmethode in der Maschinerie verkoͤrpert wurde, was bisher noch bei keiner Maschine geschah. Das, was wir die Maschine des Hrn. Babbage werden leisten sehen, die Arbeiten, die wir in wenigen Jahren aus ihr werden hervorgehen sehen, werden dieselbe gewiß weit uͤber alle bisherigen Leistungen und Anstrengungen der Mathematiker in dieser Hinsicht erheben. So groß und bekannt die Fortschritte der Mechanik auch sind, so werden es doch viele unserer Leser, und selbst viele der gebildetsten kaum fuͤr moͤglich halten, daß man astronomische sowohl, als nautische Tabellen mit aller Sicherheit durch eine Maschinerie berechnen lassen koͤnne; daß die Maschine die Fehler, die sie allenfalls macht, selbst zu corrigiren im Stande ist, und daß deren Resultate, wenn sie ganz fehlerfrei hergestellt sind, ohne alle Beihuͤlfe von Menschenhaͤnden abgedrukt werden koͤnnen. Alles dieß vermag, wie Hr. Brewster in seinen Letters on natural Magic sagt, die Maschine des Hrn. Babbage, die er selbst arbeiten und rechnen sah, und die er in Beiseyn des Erfinders zu studiren Gelegenheit hatte. Die Maschine besteht hauptsaͤchlich aus zwei Theilen, von denen der eine berechnet, waͤhrend der andere die Resultate der Rechnung abdrukt; beide Theile sind zur Erfuͤllung des Zwekes des Erfinders durchaus nothwendig. Denn der ganze Vortheil der Erfindung waͤre verloren, wenn die von der Maschine gemachten Berechnungen durch Menschenhaͤnde copirt, und auf die gewoͤhnliche Weise abgedrukt wuͤrden. Der groͤßte Theil des zur Berechnung dienenden Mechanismus, dessen Zeichnungen allein einen Flaͤchenraum von 400 Quadratfuß einnehmen, ist bereits vollendet, und stellt eine so sinnreiche und so schoͤne Arbeit dar, wie man sie bisher vielleicht noch nie gesehen hat. Die Vollendung jenes Theiles, der zum Druke bestimmt ist, ist noch nicht so weit fortgeschritten, weil dessen Einrichtung aͤußerst schwierig ist; und zwar nicht so sehr in Hinsicht auf die Uebertragung der Berechnungen von dem berechnenden Theile der Maschine auf die Kupferplatte oder die sonstige Platte, welche zur Aufnahme der Berechnungen bestimmt ist, als vielmehr in Hinsicht auf die Mittheilung der verschiedenen Bewegungen dieser Platten, welche die in den gedrukten Tabellen angenommenen Formen erfordern. Der Zwek der Rechenmaschine ist die Berechnung und der Druk einer großen Menge astronomischer und nautischer Tabellen, die sich sonst nur mittelst eines ungeheuren Aufwandes an geistiger und Handarbeit herstellen ließen, und die selbst bei der muͤhsamsten Bearbeitung doch nicht immer mit vollkommener Genauigkeit zu verfertigen waͤren. Mathematiker, Astronomen und Seefahrer werden den wahren Werth solcher Tabellen zu schaͤzen wissen, ohne daß wir sie auf denselben aufmerksam zu machen brauchen; allein zur Belehrung Anderer wollen wir hier bemerken, daß die franzoͤsische Regierung allein unter der Aufsicht des Hrn. Prony mit ungeheurem Kostenaufwande 17 große Foliobaͤnde Logarithmentabellen berechnen ließ, und daß die großbritannische Regierung diese Tabellen fuͤr so wichtig und werthvoll hielt, daß sie dem franzoͤsischen Laͤngenbureau vorschlug, einen Auszug derselben auf Kosten der beiden Nationen druken zu lassen, und daß sie sich zu diesem Behufe sogar zu einem Vorschusse von 5000 Pfd. Sterl. herbeiließ. Hrn. Babbage's Maschine wird uͤbrigens nicht bloß Logarithmentafeln, sondern auch Tabellen der Potenzen und der Producte der Zahlen, und alle zur Bestimmung der Stellung der Sonne, des Mondes und der Planeten dienenden Tabellen berechnen. Eben so ist er vermittelst derselben mechanischen Principien im Stande, eine unzaͤhlige Menge Gleichungen von endlichen Groͤßen zu integriren, d.h. wenn die Differentialgleichung gegeben ist, so kann er nach Verlauf einer bestimmten Zeit jeden entfernten Ausdruk oder jede von einem bestimmten Punkte aus beginnende Reihenfolge von Ausdruͤken angeben. Ueber die Art und Weise, auf welche der Erfinder dieß bewerkstelligt, wollen wir denselben selbst sprechen lassen. Er sagt naͤmlich: „Da der Glauben an die Moͤglichkeit mathematische Berechnungen durch eine Maschinerie zu bewerkstelligen fuͤr Leute, die selbst keine Mathematiker sind, eine zu große Anforderung ist, so will ich es versuchen denselben in Kuͤrze begreiflich zu machen, auf welche Weise dieß geschehen koͤnne, und dadurch wo moͤglich den Schleier luͤften, der das scheinbare Geheimniß bedekt. Daß beinahe alle Zahlentabellen, die irgend einem bestimmten Geseze folgen, wie complicirt sie auch seyn moͤgen, in groͤßerer oder geringerer Ausdehnung bloß durch eine gehoͤrige Einrichtung der successiven Addition und Subtraction der Zahlen, die jeder einzelnen Tabelle angemessen sind, gebildet werden koͤnnen, ist ein allgemein angenommener Grundsaz, der sich jedoch nur denen beweisen laͤßt, die in der Mathematik bewandert sind. Allein selbst solche, die nur sehr wenig in diese Wissenschaft eingedrungen sind, werden aus folgendem Beispiele ersehen, daß das Gesagte wenigstens nicht unmoͤglich ist. Die folgende Tabelle ist naͤmlich der Anfang einer Tabelle, die sehr haͤufig in Anwendung kommt, die bereits schon sehr oft gedrukt und wieder abgedrukt wurde, und die man unter dem Namen einer Quadratzahlen-Tabelle versteht. Textabbildung Bd. 47, S. 444 Zahlen oder Ausdruͤke der Tabelle; Tabelle der Quadrate; Erste Differenz; Zweite Differenz. Jede der in der Columne A enthaltenen Zahlen kann man erhalten, wenn man die Zahl, welche die Entfernung dieses Werthes von dem Anfange der Tabelle mit sich selbst multiplicirt: so ist z.B. 25, vom Anfange der Tabelle an gerechnet, der fuͤnfte Ausdruk, und diese 5, multiplicirt mit sich selbst, oder mit 5, ist gleich 25. Wenn man nun jeden Ausdruk dieser Tabelle von dem naͤchstfolgenden Ausdruke abzieht, und die Resultate dieser Subtraction in eine andere Columne sezt, so erhaͤlt man die Columne B, die man die erste Differenzcolumne nennen kann. Zieht man ferner jeden Ausdruk dieser ersten Differenz von dem naͤchstfolgenden Ausdruke ab, so wird man finden, daß das Resultat dieser Subtraction immer die Zahl 2 ist, und daß in dieser Columne, die man die zweite Differenzcolumne C nennen kann, immer eine und dieselbe Zahl vorkommen wird. Wenn man nun aber dieß als eine bekannte Thatsache zugibt, so ist ganz klar, daß, wenn der erste Ausdruk (1) der Tabelle, der erste Ausdruk (3) der ersten Differenzcolumne und der erste Ausdruk (2) der zweiten oder bestaͤndigen Differenz urspruͤnglich gegeben sind, man die Tabelle durch einfache Addition bis auf einen beliebigen Punkt fortsezen kann. Die Reihe der ersten Differenzen kann naͤmlich gebildet werden, wenn man die zweite oder staͤndige Differenz 2 immer zu der ersten Zahl (3) der Columne B addirt, so daß man auf diese Weise nothwendig folgende Reihe ungleicher Zahlen 3, 5, 7 etc. erhaͤlt, und daß, wenn man jede dieser ungleichen Zahlen wieder zu der ersten Zahl (1) der Tabelle hinzu addirt, die Quadrate zum Vorscheine kommen.“ Nachdem Hr. Babbage auf diese Weise einiges Licht uͤber den theoretischen Theil der Frage verbreitet hat, zeigt er, daß die mechanische Ausfuͤhrung einer Maschine, die diese Zahlenreihe hervorzubringen vermag, nicht so weit von jener einer gewoͤhnlichen Maschinerie abweicht, als man dieß vielleicht glauben moͤchte. Er denkt sich drei Uhrwerke neben einander auf einen Tisch gestellt, von denen jedes nur einen Zeiger hat, und auf dessen Zifferblatt statt der gewoͤhnlichen 12 Eintheilungen deren 1000 angebracht sind. Von diesen Uhrwerken soll nun jedes, so oft eine Saite angezogen wird, die Zahl der Eintheilungen, auf welche der Zeiger deutet, auf eine Gloke schlagen. Sezen wir z.B., daß an zweien der Uhrwerke, die wir zum Unterschiede mit B und C bezeichnen wollen, ein Mechanismus angebracht ist, wodurch das Uhrwerk C bei jedem Streiche, den es auf seine eigene Gloke macht, den Zeiger des Uhrwerkes B um eine Eintheilung vorwaͤrts treibt; und sezen wir ferner, daß das Uhrwerk B ein Gleiches an dem Uhrwerke A hervorbringt, so wird, wenn der Zeiger von A auf I, jener von B auf III und jener von C auf II gestellt worden, und wenn die Saite von A angezogen wird, 1 geschlagen werden. Wird hingegen jene des Uhrwerkes B angezogen, so wird dieß drei Schlaͤge machen, und folglich den Zeiger des Uhrwerkes A vermoͤge des oben angefuͤhrten Mechanismus um drei Eintheilungen vorwaͤrts treiben. Zieht man nun die Saite von C, so wird dieß zwei Schlaͤge machen, und den Zeiger von B gleichfalls um zwei Eintheilungen oder bis auf die Zahl V vorwaͤrts treiben. Wiederholt man nun diese Operation, so wird A dann vier und B fuͤnf Schlaͤge machen, und dabei den Zeiger von A um 5 Eintheilungen vorwaͤrts treiben, waͤhrend C wieder zwei Schlaͤge machen, und den Zeiger von B gleichfalls wieder um zwei Eintheilungen vorwaͤrts stoßen wird. Zieht man hierauf wieder an A, so wird dieß neun Schlaͤge machen, waͤhrend B sieben und C zwei Schlaͤge machen wird. Wenn man nun dafuͤr sorgt, daß die von dem Uhrwerke A geschlagenen oder angedeuteten Eintheilungen oder Zahlen niedergeschrieben werden, so wird man finden, daß man auf diese Weise eine Reihe der Quadrate der natuͤrlichen Zahlen erhaͤlt; und dieß wird um so deutlicher erhellen, je weiter die Operation fortgesezt wird. Eine solche Reihe kann durch diesen Mechanismus freilich nur auf die drei ersten Figuren ausgedehnt werden; allein dieß mag doch genuͤgen, um eine Idee von der Einrichtung der Maschine zu geben, um so mehr, da Hr. Babbage sagt, daß sein erstes Modell einer Rechenmaschine auf den hier angegebenen Punkt gerichtet war. Damit unsere Leser sich nun auch einen Begriff von den Leistungen der ungeheuren Maschine des Hrn. Babbage machen koͤnnen, wollen wir ihnen nur zeigen, was eine kleine, von dem Erfinder verfertigte Probemaschine leistete, indem er mit derselben aus der Formel + x + 41 folgende Tabelle berechnete. Die von der Maschine berechneten Figuren zeigten sich dem Auge nicht auf schiebbaren Maßstaͤben oder aͤhnlichen Instrumenten, sondern sie zeigten sich auf den zwei entgegengesezten Seiten der Maschine. Folgendes ist nun die Tabelle, die die Probemaschine berechnete:   41     131     383       797     1373   43     151     421       853     1447   47     173     461       911     1523   53     197     483       971     1601   61     223     547     1033     1681   71     251     593     1097     1763   83     281     641     1163     1847   97     313     691     1231     1933 113     347     743     1301     2021 Waͤhrend die Maschine mit der Berechnung dieser Tabelle beschaͤftigt war, versuchte es ein Freund des Erfinders die Zahlen niederzuschreiben, so wie dieselben zum Vorscheine kamen. Da nun dieser Copist sehr schnell schrieb, so war er anfangs schneller als die Maschine; so wie aber die Zahlen bis auf 5 Zifferstellen anwuchsen, war seine Geschwindigkeit jener der Maschine gleich. Bei einem anderen Versuche berechnete dieselbe Maschine 32 Zahlen derselben Tabelle innerhalb 2 Minuten 30 Secunden; und da die Zahlen aus 82 Figuren bestanden, so gab die Maschine in jeder Minute 32 oder alle 2 Secunden mehr als eine Figur. Bei einem anderen Versuche gab sie in jeder Minute 44 Figuren, und diese Geschwindigkeit konnte eine beliebige Zeit fort beibehalten werden.Wir fuͤgen hier nur noch eine kurze Notiz uͤber eine andere Rechenmaschine bei, die ein Hr. J. J. im Mechan. Magazine N. 489 erfunden zu haben angibt, und fuͤr die er ein Patent nehmen will, wenn er einen Compagnon findet, der einen Theil der Kosten traͤgt. Die Maschine vollbringt die ersten vier Species der Rechenkunst, und beantwortet folglich alle Fragen, die sich durch dieselben loͤsen lassen.Sie kann ferner die Zahlen mit Lettern sezen, und alle uͤbrigen Verrichtungen der Drukerpressen vollbringen, so daß man mit Huͤlfe derselben sehr leicht auch sogenannte Schnellrechner, Logarithmentafeln etc. anfertigen kann. Um sich der Maschine zu bedienen, ist keine andere Anstrengung des Geistes oder des Koͤrpers noͤthig, als die, die das Ausspielen der Tasten eines Fortepiano's erfordert. Die Maschine soll weit schneller rechnen, als irgend Jemand dieß zu thun im Stande ist, und dabei ganz unfehlbar seyn. Der Erfinder glaubt, daß er, wenn er ein besserer Mathematiker waͤre, leicht eine andere Vorrichtung, die er gleichfalls ausgedacht hat, damit in Verbindung bringen, und auf diese Weise leicht auch jede geometrische Aufgabe loͤsen koͤnnte. A. d. Ueb.