Titel: Ueber die verschiedenen Zweke, zu welchen sich die Trauben- oder Wein-Trestern benuzen lassen.
Fundstelle: Band 48, Jahrgang 1833, Nr. LXXXIV., S. 442
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LXXXIV. Ueber die verschiedenen Zweke, zu welchen sich die Trauben- oder Wein-Trestern benuzen lassen. Aus dem Journal des connaissances usuelles. Mai 1833, S. 282. Ueber die Benuzung der Weintrestern. Nachdem aus den Trauben der Saft, der dem Menschen das angenehmste aller Getraͤnke liefert, ausgepreßt worden, erhaͤlt man einen Ruͤkstand, die sogenannten Trestern, welche man, wie es leider nicht selten geschieht, durchaus nicht als werthloses Caput mortuum betrachten, und als solches dem Verderben Preis geben sollte. Der verstaͤndige Weinbauer kann diese Trestern noch zu aͤußerst mannigfaltigen Zweken benuzen; er kann sie auf Branntwein oder sehr starken Essig, Oehl, Gerbestoff und Potasche verwenden; er kann sie den Zugthieren, den Wiederkaͤuern und allen Arten von Gefluͤgel als eines der zutraͤglichsten Nahrungsmittel reichen; sie dienen ferner als eines der ersten Materialien bei der Gruͤnspan-Fabrikation, als ein Brennmaterial, welches mit Vortheil statt des Holzes benuzt werden kann, und endlich als einer der kraͤftigsten Duͤnger des Pflanzenreiches. Es gibt nicht leicht eine Pflanze, von welcher eine so lange Reihe wichtiger und großer Dienste, die sie der Menschheit leistet, aufgezaͤhlt werden kann, wie dieß von der Rebe der Fall ist. Um nun aber von den Trestern auch den groͤßten Nuzen ziehen zu koͤnnen, muß man dieselben aufzubewahren wissen; denn ist dieß nicht der Fall, so erhizen sie sich, wenn sie aus der Presse kommen, und erleiden dann eine unvollkommene saure und bald eine faule Gaͤhrung, so daß sie dann nur mehr als Duͤnger verwendet werden koͤnnen. Von der Aufbewahrung der Weintrestern. Da die Aufbewahrung der Weintrestern eigentlich nur den Gruͤnspan-Fabrikanten gehoͤrig bekannt zu seyn scheint, so glaube ich, daß mir die Weinbauern und Oekonomen Dank wissen werden, wenn ich sie mit dieser Aufbewahrungs-Methode bekannt mache. Ich rechne um so mehr hierauf, als ich mich jaͤhrlich uͤberzeuge, daß viele Landwirthe nur deßwegen der Benuzung der Trestern als Viehfutter entsagen, weil sie dieselben nicht gegen den Schimmel und die Faͤulniß zu bewahren wissen. Unmittelbar oder wenigstens bald nachdem die Pressen abgenommen und die Trestern ausgeleert worden, zerbroͤkelt man dieselben, und beert sie ab, wenn man die Kosten dieser lezteren Operation nicht scheut. Dann wirft man sie in geringen Quantitaͤten in hoͤlzerne oder steinerne Bottiche oder in gut zusammengefuͤgte Faͤsser, in welchen man sie so ausbreitet, daß sie eine gleichfoͤrmige Schichte von 4 bis 5 Zoll Hoͤhe bilden. Diese Schichte wird dann von Maͤnnern oder Weibern, besser jedoch von Maͤnnern, eingetreten, so daß sie besonders an den Raͤndern sehr hart und fest wird. Auf diese erste Schichte werden nach und nach mehrere andere Schichten gebracht und auf dieselbe Weise behandelt, bis die Kufe oder das Faß voll ist. Das Eintreten dieser Schichten muß besonders an den Raͤndern sehr sorgfaͤltig geschehen, weil sich der Schimmel und die Faͤulniß gerade hier am liebsten zeigen. Wenn nun die Kufe auf diese Weise gefuͤllt worden, so wird sie von einigen ein Paar Zoll hoch mit Wasser bedekt, welches sich der Essigbildung widersezt. Diese Methode wird jedoch nur zur Aufbewahrung der zukerhaltigen Trestern, auf denen der Most nicht gestanden, wie z.B. der Trestern der suͤßen weißen Weine, angewendet; auf diese Weise behandelt, taugen sie nur zur Nahrung der Zugthiere und der Wiederkaͤuer, fuͤr die sie aber auch vortrefflich sind. Die Mehrzahl der Landwirthe begnuͤgt sich jedoch damit, oben auf die Faͤsser Getreidespreue zu bringen, und dann Erde darauf zu werfen, welche eingeschlagen wird. Ich fuͤr meine Person pflastere meine Kufen oben mit Ziegelsteinen aus, welche ich mit Gyps verstreiche, und welche ich zulezt mit einer Schichte Sand bedeke. Auf diese Weise behandelt, halten sich meine Trestern ein ganzes Jahr lang unverdorben. Wenn ich mich derselben bedienen will, so deke ich die Kufen ab, und nehme taͤglich so viel von den Trestern heraus, als ich bedarf, wobei ich jedoch die Vorsicht brauche, daß ich sie von der ganzen Oberflaͤche gleichmaͤßig nehme. Ueber die Benuzung der Trestern als Viehfutter. Im Departement de l'Herault und des Gard, wo das Heu wegen der haͤufig herrschenden Trokenheit oft selten und theuer ist, reichen mehrere Landwirthe ihren Pferden und Maulthieren im Winter Weintrestern als Nahrung. 10 oder 12 Pfunde dieser Trestern, entweder fuͤr sich allein, oder mit etwas Kleie gemengt, verfuͤttert, reichen hin, um die Thiere gesund und bei Kraft zu erhalten; Stroh und Getreidespreue ersezen nebenbei die uͤbrige Nahrung. Hammel, die mit Trestern gefuͤttert werden, werden bald fett; diese Thiere sind auch so gierig nach diesem Nahrungsmittel, daß sie gern das beste Heu daruͤber unangeruͤhrt lassen. Ich bediene mich der Weintrestern bereits seit 15 Jahren auf meiner Maierei als Viehfutter, und immer mit dem besten Erfolge. Da jedoch alle Dinge, und selbst die nuͤzlichsten, der Kritik und den Vorwuͤrfen nicht entgehen, so haben mehrere Viehzuͤchter auch von der Fuͤtterung mit Weintrestern große Nachtheile sehen wollen. Sie haben denselben naͤmlich vorgeworfen, daß sie 1) die Schafe verwerfen machen, und daß sie 2) die Zaͤhne der Laͤmmer verderben. Ich glaube nicht, daß es in meiner ganzen Gegend einen Landwirth gibt, der die Anwendung der Weintrestern sorgfaͤltiger und aufmerksamer studirt hat, als ich, und ich kann versichern, daß mehrere hundert Schafe, die ich beinahe den ganzen Winter uͤber mit Trestern fuͤtterte, eben so gut und ohne alle unangenehme Zufaͤlle gelaͤmmert haben, als die Schafe irgend eines meiner Nachbarn, die ihre Schafe nicht mit Trestern fuͤtterten. Ich besize gegenwaͤrtig die dritte Herde Laͤmmer, welche ich im September auf dem Markte zu Langac kaufte, und welche vom November bis April taͤglich Abends eine Ration Trestern erhalten; die Zaͤhne aller dieser Laͤmmer haben nun nach drei Jahren, nach welcher Zeit ich sie zu verkaufen pflege, nicht die geringste Veraͤnderung erlitten. Es ist wohl moͤglich, daß die Gierde, mit der sich die traͤchtigen Schafe bei der Ruͤkkehr von der Weide an die Barren in den Schafstaͤllen, in denen sie die Trestern wittern, draͤngen, nicht selten einen Druk und mannigfache Stoͤße und Erschuͤtterungen des Unterleibes veranlassen, in deren Folge dann ein Verwerfen Statt findet. Auch ist es wahrscheinlich, daß schlecht aufbewahrte, und folglich sehr sauer gewordene Trestern den Schmelz der Zaͤhne der jungen Thiere angreifen, und ein fruͤhartiges Ausfallen der Zaͤhne bedingen; allein der verstaͤndige Landwirth wird die wahre Ursache dieser Unannehmlichkeiten auch bald aufzufinden und ihnen abzuhelfen wissen. Alles Gefluͤgel frißt die Weinbeeren mit großem Behagen, und die Huͤhner und Indiane erlangen dadurch bald ein sehr reiches und feines Fett. Auch die Tauben lieben diese Nahrung sehr, verlieren aber dadurch ihren sonstigen Fortpflanzungstrieb, sey es, daß die Fetterzeugung dadurch zu sehr beguͤnstigt wird, oder daß die Trestern wirklich deren Liebesfeuer herabstimmen. Die in Gehaͤgen gehaltenen Kaninchen befinden sich bei der Fuͤtterung mit Trestern sehr gut, und bekommen dabei, vorzuͤglich, wenn man die Trestern mit etwas Kleie mengt, ein sehr zartes Fleisch. Ueber die zur Gruͤnspan-Fabrikation geeigneten Trestern. Die Gruͤnspan-Fabrikanten, welche im Departement de l'Herault ein so ausgedehntes Gewerbe betreiben, haben nun die Benuzung des Weines, welche ehemals gebraͤuchlich war, ganz aufgegeben, und bedienen sich nur mehr der Weintrestern zu diesem Behufe. Diese Fabrikanten verwerfen nun alle Trestern, von welcher Natur sie auch seyn moͤgen, wenn sie nicht gegohren haben; sie halten sich auch nur an solche, deren Wein sehr geistig ist, und welche lange Zeit in den Gaͤhrungsbottichen verweilten. Je laͤnger die Tresten im Weine untergetaucht bleiben, um so geistiger sind sie; Jedermann kennt diese Erscheinung, die sich auch an den in Branntwein und Essig eingemachten Fruchten beurkundet. Man weiß, daß der Alkohol und der Essig in diesem Falle einen großen Theil der in ihnen enthaltenen Fluͤssigkeiten fahren lassen, um sich in den Fruͤchten, denen sie als Vehikel dienen, zu concentriren. Die auf die oben beschriebene Weise in den Kufen oder Bottichen eingepreßten Trestern werden der Luft ausgesezt gelassen; nach einiger Zeit erhizt sich deren Oberflaͤche bis auf eine gewisse Tiefe, und es tritt die saure Gaͤhrung ein. Dann laͤßt man sie abkuͤhlen und entfernt mit einer Rakel, welche die Form eines breiten langen Messers hat, all die oberflaͤchlichen Trestern, welche gewoͤhnlich vertroknet und verdorben sind; ist man bis auf den sogenannten gesunden Theil der Kufe gelangt, so laͤßt man dieselben einige Tage lang schwizen, worauf sie den zur Gruͤnspan-Fabrikation erforderlichen Grad von Saͤure erhalten haben werden. Die Fabrikanten, die ihrem Fache gewachsen sind, erkennen den aͤußersten Grad der Saͤure gewoͤhnlich aus dem Geruche; denn die Essigsaͤure der Trestern ist dann so concentrirt, daß sie sich in Gasform aus der Kufe entwikelt, in die Augen brennt und Thraͤnen verursacht, und daß sie auch auf das Geruchsorgan ein merkliches beißendes Gefuͤhl ausuͤbt. Bringt man nun das Kupfer mit solchen sauren Trestern in Beruͤhrung, so uͤberzieht sich dasselbe bald mit einer schoͤnen smaragdgruͤnen Kruste. Die sauergewordene Schichte Trestern wird mit dem beschriebenen messerfoͤrmigen Instrumente abgenommen, worauf man die unterliegenden Schichten nach und nach, und in dem Maße, als sie sauer werden, auf ebendieselbe Weise behandelt. Von der Bereitung des Essiges aus den Trestern. Die Trestern liefern, wenn sie gehoͤrig sauer geworden, einen vortrefflichen Essig, der sich sowohl zum Tischgebrauche, als zur Bereitung verschiedener essigsaurer Salze mit Vortheil verwenden laͤßt. Man weicht die Trestern zu diesem Behufe je nach der Staͤrke des Essiges, den man erhalten will, mit einer groͤßeren oder geringeren Menge Wasser eine gewisse Zeit uͤber ein, druͤkt dann die Masse aus, und destillirt hierauf. Ich bediene mich zu diesem Behufe schon ein ganzes Jahr lang eines Apparates, welcher nach Art des Woulf'schen aus einem Kessel und drei oder vier Recipienten besteht. Ich fuͤlle naͤmlich den Kessel mit Essig und die Recipienten mit Trestern, und verbinde alle diese Theile mittelst kupferner Roͤhren,Wir muͤssen uns sehr verwundern, wie der Hr. Verfasser dieses Artikels, der doch sonst Geist und Verstand verraͤth, gerade kupferne Roͤhren zur Destillation des Essiges anwenden und empfehlen konnte, und wir wundern uns noch mehr, daß die Redaction des Journal des connaissances usuelles diesen Mißgriff auch nicht ein Mal mit ein Paar Worten zu verbessern der Muͤhe werth fand. Wir wollen zwar zugeben, daß bei vorsichtiger Arbeit selbst bei der Anwendung kapferner Roͤhren kein Kupfersalz in die Vorlage mit uͤbergeht, wenn nur das Schlangenrohr selbst nicht aus Kupfer besteht; allein der eigene Vortheil wird wohl jedem in der Chemie nicht gaͤnzlich unwissenden Arbeiter eingeben, daß bei der Destillation des Essiges durch kupferne Roͤhren nicht nur eine gewisse Quantitaͤt Essig verloren gehen muͤsse, sondern daß auch uͤberdieß die Roͤhren selbst dabei so angegriffen werden, daß in verhaͤltnißmaͤßig kurzer Zeit unfehlbar eine Erneuerung derselben nothwendig wird. Wir wollen daher hoffen, daß man bei uns in Deutschland lieber Steingut statt des Kupfers anwenden wird.A. d. Ueb. welche ich verkitte. Die erste Roͤhre geht von dem Kessel aus und reicht beinahe bis auf den Boden des ersten Recipienten; die zweite reicht von der Muͤndung des ersten Recipienten bis auf den Boden des zweiten, u.s.f. bis zum vierten Recipienten, dessen Roͤhre an dem Schlangenrohre oder Wurme angebracht wird. Wenn nun dieser Apparat geheizt wird, so durchstroͤmt der Dampf des Kessels nach und nach die vier Ricipienten, nimmt bei diesem Durchgange aus den Trestern beinahe wasserfreie Essigsaͤure auf und verdichtet sich dann in dem Schlangenrohre, aus welchem die Essigsaͤure zu 7 bis 8 Concentration abfließt. Von der Anwendung der Trestern als Brennmaterial. In jenen Laͤndern, in welchen das Holz sehr selten ist, waͤhrend der Weinbau in ausgedehntem Grade betrieben wird, bildet man Kuchen aus den Weintrestern. Man begießt dieselben zu diesem Behufe mit Wasser, und ruͤhrt sie wiederholt um, bis das Ganze gehoͤrig mit Wasser impraͤgnirt ist, dann laͤßt man sie einige Tage ruhen, um sie hierauf neuerdings zu befeuchten, und wieder einige Zeit ruhig stehen zu lassen. Der Zeitpunkt sie in Kuchen zu formen ist dann eingetreten, wann die Kaͤmme und die Baͤlge gehoͤrig erweicht sind, und die Consistenz eines etwas festen Breies erlangt haben. Mit diesem Breie fuͤllt der Arbeiter nun einen runden, eisernen Model von 8 Zoll Durchmesser und 4 Zoll Hoͤhe, welcher auf einer geebneten und hinlaͤnglich diken Schieferplatte ruht, und in welchen er sie dann so fest als moͤglich eintritt. Ist der Kuchen geformt, so faßt der Arbeiter den Model an den beiden, an dessen Waͤnden befindlichen Henkeln, und treibt, indem er die beiden Daumen leicht gegen die untere Flaͤche stemmt, den Kuchen langsam und ohne ihn zu zertruͤmmern, aus dem Model. Ein guter Arbeiter kann auf diese Weise 1500 Kuchen in einem Tage verfertigen. Die Kuchen selbst werden dann beilaͤufig einen Schuh hoch aufgeschichtet, und so lange auf einem Trokenboden aufbewahrt, bis man sich derselben bedienen will. Man brennt sie auf einem Roste; sie geben ein lebhaftes, ziemlich lange andauerndes Feuer, und eine Asche, welche zum Behufe der Laugenbereitung aͤußerst geschaͤzt ist. Von der Benuzung der Weintrestern auf Potasche. Die Einaͤscherung der Weintrestern liefert eine große Menge Potasche. 400 Pfunde getroknete Trestern geben 50 Pfund Asche, in der ungefaͤhr 11 Pfund troknes Alkali enthalten sind.