Titel: Ueber die Fabrikation von Papier und Pappendekel aus gefaultem Holze. Auszug aus einem Briefe des Hrn. Brard an die königl. Akademie zu Bordeaux.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XIII., S. 46
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XIII. Ueber die Fabrikation von Papier und Pappendekel aus gefaultem Holze. Auszug aus einem Briefe des Hrn. Brard an die koͤnigl. Akademie zu Bordeaux. Aus dem Recueil industriel, April 1833, S. 69. Ueber die Papierfabrikation. Ich beschaͤftigte mich sehr lange Zeit mit Forschungen, auf welche Weise sich die ungeheure Menge gefaulten Fichtenholzes, die in den Waͤldern unserer Alpen zu Grunde geht, benuzen ließe, theils um dadurch eine Substanz, die bisher keinen Werth hatte, nuͤzlich verwenden zu koͤnnen, theils um der Industrie eine neue und bisher noch unbenuzte Substanz zuzuwenden, theils endlich um dem Bergbewohner einen Handelszweig zu oͤffnen, dessen Vortheile demselben nicht entgehen koͤnnten. Ich machte bereits waͤhrend meines Aufenthaltes in Savoyen mehrere Versuche uͤber diesen Gegenstand, die ich jedoch im Jahre 1815 leider aufgeben mußte, bis ich spaͤter, als mich mein Beruf neuerdings in die Waͤlder der Haute-Provence fuͤhrte, wieder auf meine fruͤheren Ideen zuruͤkkommen, und auf den Bergen von Esteville die Versuche wieder aufnehmen konnte, die ich 15 Jahre fruͤher am Fuße des ehrwuͤrdigen Montblanc begonnen hatte. Ueberrascht von dem faserigen oder fadenartigen Gewebe des auf dem Stoke verfaulten Fichtenholzes und von der großen Aehnlichkeit desselben mit dem Zeuge des gewoͤhnlichen Papieres; aufgemuntert durch einige rohe Versuche, aus welchen ich wenigstens die Moͤglichkeit der Verfilzung und Consolidirung dieser Substanz ersah, wurde ich von der Idee hingerissen, dieser Substanz, die gleich wie die Lumpen alle Dienste, die man von ihr erwarten konnte, geleistet zu haben schien, eine neue Benuzung zu sichern. Ich stellte daher meine Versuche mehr im Großen und mit mehr Ausdauer an, als ich es bisher gethan hatte. Ich ließ eine große Menge des in den Gebirgen verfaulten Holzes der Pinus maritima nach Fréjus bringen, um es daselbst von den Knoten und allen noch unverfaulten Theilen zu reinigen. Die auf diese Weise gewonnene Holzfaser, die sich leicht in faserige, fadige Massen zerreißen ließ, brachte ich unter die Steine einer Oehlmuͤhle, um sie unter diesen unter gehoͤriger Befeuchtung in einen duͤnnen Brei zu verwandeln. Den auf diese Weise gewonnenen Brei brachte ich, nachdem ich ihn in Saͤken hatte abtropfen lassen, auf die Papiermuͤhle des Hrn. Ligier zu Brignolle. Hier wurde er in einen Stampftrog geworfen, und nach einigen Minuten in eine Buͤtte gegossen, aus der mit Huͤlfe der gewoͤhnlichen Formen ungefaͤhr 500 Bogen eines graulichen Papieres gehoben wurden, welches sich glaͤtten ließ und auf welchem man, obschon es nicht geleimt worden war, dennoch schreiben konnte. Das auf diese Weise bereitete Papier brachte ich nach Marseille, um es daselbst zu Pappendekel von verschiedener Dike verarbeiten zu lassen. Ich erhielt auch wirklich durch Zusammenleimen von 2, 4, 6 und 10 Bogen desselben einen Pappendekel, der eben so fest und eben so leicht war, als der gewoͤhnliche Pappendekel, und den die Buchbinder zum Einbande von Buͤchern sehr geeignet fanden. Auch die Schiffsbaumeister machten einen Versuch mit diesem Papiere, und fanden dasselbe, so unvollkommen es war, ganz geeignet, das grobe und betheerte Papier zu ersezen, welches man unter die Kupfer- oder Zink-Doppelung zu legen pflegt. Von diesem Punkte ausgehend, wollte ich nun meine ganze Aufmerksamkeit auf die Bereitung des Pappendekels aus dem Zeuge verwenden, indem diese weit weniger Schwierigkeiten dargeboten haben wuͤrde, als die Bereitung des Papieres, welche bloß bei der Anwendung der gewoͤhnlich hiezu gebraͤuchlichen Methoden und Apparate moͤglich gewesen waͤre. Dieses Leztere lag jedoch nicht in meiner Absicht, weil ich bloß dahin zielte, auf den Bergen, in den Waͤldern, oder an den Ufern der Fluͤsse kleine ambulirende oder wandernde Fabriken zu errichten, gleich den kleinen nomadisirenden Brennereien, die man so haͤufig in der Provence trifft, und die ihre Producte an die großen Parfumerien zu Grasse liefern. Eine Unternehmung dieser Art wuͤrde ich wahrscheinlich gegruͤndet haben, wenn mich meine Berufsgeschaͤfte nicht neuerdings diesen ersten Versuchen entzogen haͤtten, die mir wenigstens die Ueberzeugung verschafften, daß man ohne Stampfen und durch einfaches Sieden einen tauglichen Zeug aus dem gefaulten Holze bereiten koͤnne. Was das Auspressen betrifft, so haͤtte man mitten in den Waͤldern und unter den Felsen gewiß hinreichende Mittel dazu gefunden; ja ich hegte in dieser Hinsicht so wenig Zweifel, daß ich mir die Prioritaͤt meiner Erfindung durch ein Patent sicherte, welches ich fuͤr 5 Jahre nahm, von dem ich aber leider wahrscheinlich keinen Gebrauch machen werde, weil sich dasselbe nur in der Naͤhe der Alpen, der Pyrenaͤen, der Auvergne oder der Vogesen in Anwendung bringen laͤßt. Ich hatte mir auch vorgenommen, jede Art von gefaultem Holze, und selbst die Saͤgespaͤne, die Zimmerung der Bergwerke etc. zu demselben Zweke zu benuzen, waͤre es auch nur gewesen, um den gewoͤhnlichen Zeug damit zu vermengen, gleich wie man denselben, um sein Volumen zu vermehren und dabei auch seinen Preis zu vermindern, mit Thon, Bohnenblaͤttern, Brennnesseln etc. vermischt. Ich bemerke uͤbrigens zu Gunsten des verfaulten Holzes noch, daß durch dessen Verwendung zu Papier dem Akerbaue kein besonders nuͤzlicher Stoff entzogen wird, wie dieß z.B. bei der Bereitung des Papieres aus Stroh der Fall ist. Es ist zwar wahr, daß das faule Holz mit der Laͤnge der Zeit einen fruchtbaren und duͤngenden Humus gibt; allein in den Gebirgen wird es meistens eher von den Regenguͤssen und Fluthen weggeschwemmt, so daß es als rein verloren betrachtet werden kann. Ich habe die Ueberzeugung, daß das, was ich hier vorschlage, gut ist, und den materiellen Beweis, daß dessen Gelingen moͤglich ist. Ich lasse mich durch die Unvollkommenheit der ersten Producte nicht abschreken; denn gar viele gegenwaͤrtig bluͤhende Kuͤnste gingen von noch unvollkommneren Dingen aus. Damit meine Idee, auf deren Realisirung ich bereits so viele Zeit verwendete, nicht ganz verloren gehe, habe ich die Ehre dieselbe im Schoße der verehrten Akademie niederzulegen.