Titel: Ueber die Berechnungen des Werthes der Producte der todten Pferde. Von Hrn. Coulier, Chemiker.
Fundstelle: Band 49, Jahrgang 1833, Nr. LXXVIII., S. 388
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LXXVIII. Ueber die Berechnungen des Werthes der Producte der todten Pferde. Von Hrn. Coulier, Chemiker. Aus dem Journal de connaissances usuelles. Junius 1833, S. 338. Coulier's Berechnungen des Werthes der Producte der todten Pferde. Wenn man sich mit Berechnungen des Nuzens und Ertrages bereits bestehender Industriezweige beschaͤftigt, so muß man natuͤrlich glauben, daß diejenigen, die diese Berechnungen anstellen, sich auch hinreichend mit ihrem Gegenstande vertraut machen: theils damit sie alles darauf Bezuͤgliche gehoͤrig zu wuͤrdigen im Stande sind, theils damit sie nicht allenfalls in wesentliche Irrthuͤmer verfallen. Diese Vorsichtsmaßregel wird leider heut zu Tage nur zu oft verabsaͤumt, und nur zu haͤufig sieht man deßhalb Leute, die einiges disponibles Vermoͤgen besizen, sich Unternehmungen hingeben, die sie nur der Theorie nach kennen. Um Leute dieser Art auf das, was sie thun, aufmerksam zu machen, wollen wir ihnen hier nur ein einziges (freilich nicht seht anziehendes) Beispiel vorlegen. Die uͤber den Nuzen des Ausschindens der todten Thiere und der Schindanger bekannt gemachten Berechnungen, welche wir fuͤr sehr irrig halten, und die Aufklaͤrungen und Berichtigungen, die wir uns zur Steuer der Wahrheit uͤber diesen Gegenstand zu verschaffen suchten, scheinen uns ein sprechendes Beispiel zu geben, mit welcher Kritik man bei allen industriellen Unternehmungen zu verfahren hat. Die Berechnungen, auf welche wir uns hier beziehen, sind aus jenen ausgezogen, die ein ausgezeichneter Chemiker hieruͤber anstellte: eines Mannes, dessen Arbeiten so bekannt sind, daß wir wohl nicht weiter daruͤber zu sprechen brauchen. Wir waͤhlten dieses Beispiel, weil die Wichtigkeit, die man billig den Schriften unserer industriellen Hoheiten beilegt, hoͤchst gefaͤhrlich und nachtheilig wird, wenn ein Irrthum oder Fehler in denselben vorkommt. Nach Hrn. Payen Unsere Leser werden sich erinnern, daß wir ihnen die hoͤchst interessante und mit einem Preise gekroͤnte Abhandlung des Hrn. Payen uͤber die Benuzung der Theile todter Thiere bereits im Polyt. Journale Bd. XL. S. 270 und S. 363 mittheilten. Wir geben hier Hrn. Coulier's Notiz gleichsam als einen Anhang zu jener Abhandlung. A. d. R. muͤßte man, wie die nebenstehende Tabelle zeigt, von einem Pferde von mittlerem Volumen 64 Fr. 50 Cent., von einem Pferde in gutem Zustande hingegen 114 Fr. 86 Cent, gewinnen; die Wasenmeister zu Montfaucon gewinnen aber von einem mittleren Pferde nur 20 Fr. 88 Cent., und von einem Pferde in gutem Zustande nur 55 Fr. 66 Cent., nach Abzug der in der Tabelle bezeichneten doppelten Ansaͤze. Woher mag wohl dieser große Unterschied kommen? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so leicht; denn einerseits hat Hr. Payen noch nicht erwiesen, daß die von ihm angenommenen Vortheile nicht in der Wirklichkeit, sondern erst in der Zukunft liegen, so daß er sich also irren kann, wie dieß auch erwiesen werden soll; andererseits haben vielleicht auch die Wasenmeister von Montfaucon keine ganz genauen Aufschluͤsse uͤber ihren Gewinn gegeben; ja, wenn nicht wenigstens ein Paar unter denselben mittheilender gewesen waͤren, haͤtte man auf gar keine approximative Schaͤzung ihrer Arbeit kommen koͤnnen. Um die Sachen auf ihren wahren Werth zuruͤkzufuͤhren, muß man in der Tabelle des Hrn. Payen jedenfalls den Werth der Haut eines Pferdes auf 8 bis 13 Franken reduciren, da dieselbe nie hoͤher verkauft wird, und den Werth des Muskelfleisches als Duͤnger auf 10 Franken, da eine Fuhre alten Mistes auch nicht mehr kostet, und doch gewiß das Fleisch eines einzigen Pferdes als Duͤnger ersezt. Tabelle der durch einfache Operationen aus den Leibern todter Pferde erhaltenen Producte. Textabbildung Bd. 49, S. 389 1) Die frische oder durch Kalkmilch gezogene Haut. 2) Die kurzen und langen Haare. 3) Das gekochte und pulverfoͤrmige und calcinirte Blut, sowohl nach der Quantitaͤt der Nahrung, die es bei Hunden und Huͤhnern ersezt, als nach seinem Werthe als Duͤnger berechnet. 4) Die Hufeisen und Naͤgel. 5) Die Huͤfe in geraspeltem Zustande angenommen. 6) Die Eingeweide u. Abfaͤlle zur Erzeugung von Wuͤrmern, welche als Futter fuͤr das Gefluͤgel verwendet werden; der Werth dieser Wuͤrmer ist nach. Nach Angabe der Wasenmeister von Montfaucon. Mittleres Pferd. Werth in Franken. Pferd in gutem Zustande. Werth in Franken. Nach Angabe des Hrn. Payen. Pferd von mittlerem Volumen. Gewicht in Kilog. Preis per Kilogr. Gesammtwerth. Pferd in gutem Zustande. Gewicht in Kilog. Preis per Kilogr. Gesammtwerth. Bemerkungen. 10 Fr. 0C. 1 Fr. 0C. – Fr. 50C. – Fr. 40C. – Fr. 40C. 13 Fr. 0C. ). 1 Fr. 20 C. – Fr. 60C. – Fr. 60C. – Fr. 60C. ). 34. 1. 9. ,450. 1,500. 0 Fr. 40C. 1 Fr. 0C. 0 Fr. 30C. 0 Fr. 50C. 1 Fr. 20C. 13 Fr. 60C. 1 Fr. 0C. 2 Fr. 70C. – Fr. 22C. 1 Fr. 80C. 37. 1. 10. 1,800. 1,860. 0 Fr. 50C. 1 Fr. 0C. 0 Fr. 30C. 0 Fr. 50C. 1 Fr. 20C. 18 Fr. 50C. 1 Fr. 0C. 3 Fr. 30C. ). 0 Fr. 90C. 2 Fr. 23C.  ) Die ganze Haut ohne Ruͤksicht auf das Gewicht.  ) Irrthum von 30 Proc. zuviel.  ) Die vier rohen Huͤfe. Textabbildung Bd. 49, S. 390 der Nahrung, die sie ersezen, angenommen. 7) Der Werth der Eingeweide als Duͤnger. 8) Die in Kalkwasser eingeweichten und getrokneten Sehnen. 9) Das geschmolzene Fett. 10) Das Muskelfleisch, gedaͤmpft und zerkleinert, als Nahrungsmittel fuͤr Gefluͤgel, Hunde etc., oder als Duͤnger fuͤr sehr ertraͤgliche Culturzweige. 11) Die gut entfleischten Knochen zur Bereitung von thierischer Kohle. Nach Angabe der Wasenmeister von Montfaucon. Mittleres Pferd. Werth in Franken. Pferd in gutem Zustande. Werth in Franken. Nach Angabe des Hrn. Payen. Pferd von mittlerem Volumen. Gewicht in Kilog. Preis per Kilogr. Gesammtwerth. Pferd in gutem Zustande. Gewicht in Kilog. Preis per Kilogr. Gesammtwerth. Bemerkungen. 1 Fr. –C. – Fr. 30C. – Fr. 30C. 4 Fr. 98C. 1 Fr. 50C. – Fr. 50C. 20 Fr. 88C. 1 Fr. 50C. ) – Fr. 50C. ) – Fr. 30C.  ) 37 Fr. 80C. 4 Fr. 50C. ) – Fr. 60C. ) 59 Fr. 20C. 8. 20. 500. 4,150. 100. 46. 0 Fr. 20C. 0 Fr. 5C. 0 Fr. 60C. 1 Fr. 20C. 0 Fr. 35 C. 0 Fr. 5C. 1 Fr. 60C. 1 Fr. 0C. 0 Fr. 30C. 4 Fr. 98C. 33 Fr. 0C. 2 Fr. 30C. 64 Fr. 50C. 9. 22. 525. 11,003. 130. 48,005. 0 Fr. 20C. 0 Fr. 5C. 0 Fr. 60. C. 1 Fr. 20C. 0 Fr. 35 C. 0 Fr. 5C. 1 Fr. 80C. 1 Fr. 10C. 0 Fr. 31C. 37 Fr. 80C. 45 Fr. 50C. 2 Fr. 42C. 114 Fr. 68C.  ) Das ganze Pferd.  ) Das ganze Pferd.  ) Das ganze Pferd. Gewicht und Schaͤzung wie bei Hrn. Payen.  ) Das ganze Pferd.  ) Das ganze Pferd. Doppelter Ansaz, welcher abzuziehen ist, wenn man den mittleren Werth des ganzen Pferdes erhalten will. Was die Hufeisen und die Naͤgel betrifft, so nehmen die Kutscher, Fuhrleute, Lohnkutscher etc. dieselben ihren Pferden gewoͤhnlich ab, ehe sie sie zum Wasenmeister bringen; Die Eisen der auf den Straßen liegen gebliebenen Pferde gehoͤren nach einem alten, durch langen Gebrauch erworbenen Rechte den Schmieden. Es sind mithin bei der Haut   3 Fr. 60 Cent.   5 Fr. 50 Cent. bei dem Fleische 25  –     – 35  – 50   – –––––––––––– –––––––––––– Summa 28 Fr. 60 Cent. 41 Fr.  –  Cent, abzuziehen, so daß also ein mittleres Pferd nach Payen nur 35 Fr. 90 Cent., und ein Pferd in gutem Zustande nur 73 Fr. 86 Cent, abwirft. Dieß gibt mithin im mittleren Durchschnitte nach Payen fuͤr ein Pferd einen Ertrag von 54 Fr. 88 Cent., hingegen nach den Wasenmeistern von 38 Fr. 27 Cent. Bringt man den Ankaufspreis, jenen der Handarbeit der Arbeiter, den Pachtzins und verschiedene andere Auslagen in Anschlag, so kommt ein Pferd dem Wasenmeister im Durchschnitte auf 20 Franken zu stehen. Rechner man ferner die Kosten der ersten Einrichtung auf 10 Franken, so duͤrfte man der Wahrheit so ziemlich nahe kommen, wenn man die Kosten eines Pferdes zu 30 Franken annimmt. Hiernach ist man leicht im Stande, den jaͤhrlichen Ertrag der Schindereien zu Montfaucon zu berechnen, indem daselbst bekanntlich jaͤhrlich gegen 11,000 Pferde abgedekt werden. Fuͤr die Localbehoͤrden wollen wir nur noch bemerken, daß die Erzeugung der zum Fuͤttern des Gefluͤgels dienenden Wuͤrmer jene Operation ist, die den graͤßlichsten und nachtheiligsten Gestank verbreitet. Der Ort, der hierzu bestimmt ist, ist ein wahrer Pestherd, und sollte, wenn die Sanitaͤtspolizei einiger Maßen aufrecht erhalten wuͤrde, so weit als moͤglich von jeder menschlichen Wohnung entfernt werden.