Titel: Ueber die Fabrikation der Watte.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. XII., S. 63
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XII. Ueber die Fabrikation der Watte. Aus dem Journal des connaissances usuelles. November 1833, S. 256. Ueber die Fabrikation der Watte. Mit dem Namen Watte (ouate) belegte man urspruͤnglich das Product einer in Syrien, Aegypten und Kleinasien einheimischen Pflanze, welche unter dem Namen der Seidenpflanze, des Hundskrautes, des Beidelsars oder des syrischen Hundskohles (Asclepias syriaca L.) allgemein bekannt ist. Die Samenkapseln dieser Pflanze enthalten naͤmlich eine aͤußerst feine, seidenartige, blendend weiße, glaͤnzende Floke, welche man zum Polstern weicher Kissen und Sopha's, zum Wattiren der Kleider und zu dergleichen aͤhnlichen Zweken verwendete. Als sich die Anwendung der Baumwolle immer mehr und mehr in Europa verbreitete, suchte man die natuͤrliche Watte der Seidenpflanze durch ein Baumwollenfabrikat zu ersezen. Der neue Industriezweig, der hierdurch erstand, lieferte zwar im Anfange, wie gewoͤhnlich, nur sehr rohe Producte; dieselben wurden jedoch heut zu Tage bis auf einen Grad vervollkommnet, der nur wenig mehr zu wuͤnschen uͤbrig laͤßt. Die Beschreibungen, die wir von dieser Fabrikation besizen, sind nur sehr unvollstaͤndig, so daß wir unseren Lesern durch eine genaue Darstellung des bei ihr befolgten Verfahrens keinen unangenehmen Dienst zu erweisen glauben. Die Fabrikation der Watte datirt sich von einer Zeit her, zu welcher es noch keine Kardaͤtschmaschinen gab, und wo daher die Baumwolle nur mit der Hand gekaͤmmt werden konnte. Man bediente sich zu diesem Behufe in fruͤheren Zeiten zwei verschiedener Arten von Karden, mit welchen man die ausgepuzte und geoͤffnete Baumwolle behandelte. Die erstere Art dieser Karden war von mittlerer Feinheit; die leztere hingegen war sehr fein. Die auf diese Weise gekaͤmmte Baumwolle wurde auf Weidengeflechte gebreitet, deren einzelne Ruthen abgeschaͤlt und sehr glatt waren, und beilaͤufig 3 Linien im Durchmesser hatten. Auf diesen Geflechten bildete der Arbeiter dann mittelst eines Fachbogens aus der Baumwolle je nach Umstaͤnden mehr oder weniger dike Vließe, wobei die Kunst des Arbeiters hauptsaͤchlich darin bestand, daß er der Watte uͤberall gleiche Dike zu geben wußte. Diese Operation hatte das Nachtheilige, daß die Fasern der Baumwolle dabei zerbrochen wurden, und daß viel Substanz dabei verloren ging. Alle uͤbrigen Operationen bis auf das Leimen geschahen fruͤher auf dieselbe Weise, auf welche sie noch heut zu Tage vollbracht werden. Das neue Verfahren ist nun folgendes. Von der Vorbereitung der Baumwolle. Ehemals schlug der Arbeiter die Baumwolle zuerst mit zwei Staͤbchen auf einem Weidengeflechte, wobei er mit den Haͤnden nachhalf, wenn einzelne Baumwollkluͤmpchen durch dieses Schlagen und Klopfen nicht gehoͤrig geoͤffnet und aufgelokert wurden. Dieses Verfahren befolgen die meisten Mattefabrikanten noch heut zu Tage; Hr. Mouron der aͤltere, einer der ersten Fabrikanten zu Paris, hat dasselbe jedoch auf folgende Weise verbessert. Statt des Weidengeflechtes bedient er sich naͤmlich eines Gewebes aus Eisendraht, welches dauerhafter und ebener ist, nicht so viele Rauhigkeiten darbietet, an denen die Baumwolle haͤngen bleiben koͤnnte, und mehr Zwischenraͤume hat, durch welche die Unreinigkeiten besser durchfallen koͤnnen. Auf diesen Geflechten verrichten die Arbeiterinnen mit den Haͤnden und mit Staͤbchen die erste Operation, die man das Auspuzen (épluchage) nennt. Zweite Operation. Die auf die angegebene Weise gepuzte Baumwolle wird in eine Klopfmuͤhle gebracht, welche aus einem hohlen, auf einem Gemaͤuer fixirten Cylinder besteht. Im Inneren dieses Cylinders befindet sich ein Drehkreuz, welches mittelst eines großen Rades, einer an der Welle des Drehkreuzes angebrachten Rolle und eines Laufbandes mit großer Geschwindigkeit umgedreht wird. Die Baumwolle wird hierdurch vollkommen geoͤffnet, und von allen in ihr enthaltenen Unreinigkeiten befreit, welche durch das Gitter, aus welchem der Cylinder besteht, fallen. Dritte Operation. Erstes Kardaͤtschen. Die gehoͤrig geoͤffnete Baumwolle wird auf das Tuch der Kardaͤtschmaschine gestreut, aus der sie dann in Form eines Vließes herauskommt. Die meisten Fabrikanten begnuͤgen sich mit diesem ersten Kardaͤtschen; Hr. Muron, der seine Kunst auf das Hoͤchste zu bringen bemuͤht ist, ist damit aber noch nicht zufrieden, indem diese Baumwolle immer noch viele Knoͤtchen enthaͤlt, die er durch ein zweites Kardaͤtschen entfernt. Zweites Kardaͤtschen. Dieses Kardaͤtschen geschieht nicht auf derselben Maschine, sondern auf einer zweiten feineren, auf welche die Vließe, die die erste Maschine gibt, gebracht werden, und von der man ganz reine schoͤne Vließe erhaͤlt. Alle Producte, die irgend eine Unvollkommenheit zeigen, muͤssen noch ein Mal durch diese zweite Maschine laufen. Der einzige Unterschieb zwischen den zur Wattefabrikation dienenden und den gewoͤhnlichen Kardaͤtschmaschinen liegt in dem Cylinder, der zur Aufnahme des Baumwollvließes dient. Dieser Cylinder ist naͤmlich kleiner und von einem solchen Durchmesser, daß sein Umfang die Laͤnge der zu verfertigenden Stuͤke Wolle gibt. Die Laͤnge des Cylinders ist eine solche, daß er neben einander zwei Stuͤke Watte aufnehmen kann. Diese Stuͤke sind beinahe vierekig, und jede Seite mißt beilaͤufig 2 Fuß. Die Zahl der Umdrehungen, die der Cylinder machen muß, ehe man das Vließ abschneidet, bestimmt die Dike und das Gewicht, welches das Vließ haben soll; die duͤnnsten Stuͤke wiegen eine halbe Unze, die uͤbrigen sind nach Belieben der Consumenten zwei Mal so schwer und daruͤber. Vierte Operation. Der Arbeiter breitet die Stuͤke auf dem Flechtwerke aus und raͤndert sie, d.h. er macht dieselben vollkommen vierekig, und zwar mittelst seiner beiden ausgespannten Haͤnde, welche er senkrecht vor einander bringt und leicht gegen einander schlaͤgt. Ist dieß geschehen, so legt man ein Kissen auf die Watte, welches Kissen aus einem Brette besteht, das groͤßer ist, als das Stuͤk Watte, und welches mit einem gegerbten Schafs- oder besser Kalbsfelle uͤberzogen und mit Roßhaar ausgestopft ist. Dieses Instrument wird auf die Watte gesezt, wobei man ihm eine leichte schwingende Bewegung nach Vor- und Ruͤkwaͤrts, und nach Rechts und Links mittheilt, damit die Baumwolle dadurch eine Art von Filzung erleide. Durch diese Behandlung, die mehrere Male hinter einander wiederholt wird, und welche man das Gehen (marcher) nennt, erhaͤlt das Stuͤk, wenn man es gegen das Licht haͤlt, das Aussehen eines Stoffes von gleichmaͤßiger Dike. Die Stuͤke werden dann in einer Richtung drei oder vier Mal zusammengefaltet, in der Mitte zusammengelegt, auf einander geschichtet, und mit einem Gewichte beschwert, welches auf ein Brett gelegt wird. Am Ende des Tages werden saͤmmtliche Stuͤke in eine gute Presse gebracht, in der sie bis zum naͤchsten Tage gepreßt bleiben. Fuͤnfte Operation. Von dem Leimen. Die Stuͤke, welche geleimt werden sollen (nicht alle Watte wird naͤmlich geleimt), werden in die Werkstaͤtte des Leimers gebracht. Von dem Leime. Hr. Muron fand, daß der beste Leim zur Wattefabrikation aus Kaninchenhaͤuten verfertigt wird. Dieser Leim ist naͤmlich farblos und sehr zaͤh; er wird wie alle anderen thierischen Leimsorten verfertigt. Auf ein Pfund Leim wird eine Unze Alaunpulver zugesezt. Wenn er aufgeloͤst und durchgeseiht ist, so darf er nach dem Erkalten keine Gallerte bilden, sondern er muß spinnen wie rohes Eiweiß, wo er dann die gehoͤrige Beschaffenheit hat. Von den beim Leimen gebraͤuchlichen Werkzeugen. Man bringt an der Wand eine Tafel aus Fichtenholz von beilaͤufig einem Meter Breite auf 3 Meter Laͤnge an, und zwar mit einer Neigung von 45°. Am Ende dieser Tafel und beilaͤufig 6 Zoll hoch uͤber dem Boden sind rinnenartig und gegen einander geneigt zwei Stuͤke Holz angenagelt, damit der Leim, der waͤhrend der Operation allenfalls entweicht, auf diese Weise gegen die Mitte geleitet werde, und in ein unter die Tafel gestelltes Gefaͤß abfließen koͤnne. Gegen den oberen Theil der Tafel hin ist auf festen Tragebalken ein kleines horizontales Brett von solcher Groͤße befestigt, daß das mit Leim gefuͤllte Gefaͤß darauf stehen kann, ohne daß man Gefahr laͤuft, daß es herabfalle. Die Model, auf denen die Watte geleimt wird, bestehen aus großen Tafeln von beilaͤufig 2 Meter Hoͤhe auf 50 Centimeter oder 18 Zoll Breite. Die einen sind rechtekig, die anderen schmaͤler als hoch; sie haben 6–8 Linien in der Dike und ihre Eken sind abgerundet. Rings um die Tafel, auf der das Leimen vollbracht wird, sind hoͤlzerne Leisten angebracht, in welche in Zwischenraͤumen von beilaͤufig 2 Zollen horizontal hoͤlzerne Zapfen von 5 bis 6 Zoll Laͤnge eingelassen sind. Zwischen diese Zapfen werden die mit geleimter Watte beladenen Model gebracht, damit die Watte troknen kann, ohne daß sie einander beruͤhrt. Die Model werden senkrecht auf schief geneigte Tafeln, die man Abtropftafeln (égouttoirs) nennt, gelegt, damit der uͤberschuͤssige Leim in eigens zur Aufnahme desselben angebrachte Gefaͤße ablaufen koͤnne. In einer nahe gelegenen Werkstaͤtte sind hoͤlzerne Leisten von beilaͤufig 1 1/2 Zoll Breite und 6 Fuß Laͤnge horizontal einen Fuß weit von der Deke entfernt befestigt. Wozu diese Vorrichtung dient, wird sogleich klar werden. Wenn Alles auf diese Weise vorbereitet ist, so nimmt der Arbeiter einen Model und haͤlt ihn in senkrechter Stellung; dann legt er auf eine seiner Seiten, und zwar am oberen Theile ein Stuͤk der nach der vierten Operation zubereiteten Watte, und eben so eines auf die andere Flaͤche; hierauf naͤhert er die beiden Enden nach Rechts und Links, so wie auch dem oberen Ende, so daß die beiden Stuͤke an den Enden sogar uͤber einander zu liegen kommen, worauf er sie mit der Hand festhaͤlt. Man sieht, daß der Arbeiter auf diese Weise eine Art von Sak bildete, den man nur mehr zu leimen braucht, um ihm die noͤthige Festigkeit zu geben. Zu diesem Behufe legt der Arbeiter, nachdem das Gefaͤß mit Leim an die angegebene Stelle auf der unter einem Winkel von 45° geneigten Tafel aus Fichtenholz gestellt worden, den auf die beschriebene Weise mit Watte umgebenen Model auf eben diese Tafel, und zwar so, daß der obere Theil gegen das Leimgefaͤß, der untere hingegen gegen die Furche zu ruhen kommt, welche unten an der großen Tafel angebracht ist. Dann taucht er eine 11 Zoll lange Buͤrste, welche aus 6 Zoll langen und folglich sehr biegsamen Schweinsborsten verfertigt ist, in den Leim, und uͤberzieht damit die Haͤlfte der Laͤnge der Watte mit einem Zuge; hierauf taucht er die Buͤrste wieder ein und uͤberzieht auch die zweite Haͤlfte der Laͤnge der Tafeln. Eben so verfaͤhrt er, um auch die zweite Haͤlfte der Breite zu bestreichen, wobei er darauf sieht, daß der Leim auch an der Dike des Wattesakes, d.h. sowohl an seinen Seiten, als an dem oberen Ende hafte. Ist dieß geschehen, so wird der Model umgekehrt, und die andere Flaͤche auf gleiche Weise bestrichen. Wenn das Leimen vollbracht ist, so wird die Tafel mit der Watte weggehoben, und senkrecht zwischen die beiden oben beschriebenen hoͤlzernen Zapfen gebracht, um sie daselbst troknen zu lassen. Sechste Operation. Das Troknen erfordert einige Vorsicht. Man muß die Fenster von Zeit zu Zeit oͤffnen, um auf diese Weise einen Luftzug zu erzeugen, durch welchen die in der Werkstaͤtte herrschende Feuchtigkeit ausgetrieben wird. Die Erfahrung lehrt bald das gehoͤrige Verfahren hierbei. Siebente Operation. Wenn das Troknen vollendet ist, so wird die Watte von den Modeln abgenommen, wo dann nichts weiter mit ihr zu geschehen hat, als daß man ihr die lezte Zurichtung gibt. Wenn man der Beschreibung aller der vorhergehenden Operationen genau gefolgt ist, so wird man sich erinnern, daß die Baumwolle bei der vierten Operation so zusammengedruͤkt wurde, daß sie die moͤglich geringste Dike hat. Wuͤrde man sie in diesem Zustande lassen, so wuͤrde sie ihrem Zweke nicht entsprechen, und keine wollige, einem krausen Schafsfelle aͤhnliche Oberflaͤche darbieten; man muß der Baumwolle also wieder ihre natuͤrliche Elasticitaͤt zu geben suchen, und dieß geschieht sehr leicht durch die Einwirkung eines gehoͤrigen Temperaturgrades. Die Watte wird zu diesem Behufe auf die horizontalen hoͤlzernen Leisten gelegt, die sich, wie wir oben gesagt haben, in der Naͤhe der Deke eines anstoßenden Gemaches befinden. In diesem Gemache unterhaͤlt man eine Temperatur von 10 bis 12°, bei welcher sich die Baumwollfasern wieder ausdehnen. Alle die Fasern, die nur an dem einen Ende geleimt worden, dehnen sich aus, und blaͤhen den Sak, den die Watte bildet, auf. Ist diese Operation beendigt, so wird die Watte zusammengelegt und in den Handel gebracht. Das Leimen geschah fruͤher auf eine andere Weise; man bediente sich naͤmlich eines Rahmens, der mit einem weiten Gitter aus Messingdraht uͤberzogen war. Auf dieses Gitter wurde das Stuͤk Watte gebracht, und mit einem großen breiten Pinsel, den man den Stokfischschwanz (queue de morue) nannte, mit Leim bestrichen. Nachdem die Stellung des Rahmens veraͤndert war, wurde noch ein zweites Mal geleimt, damit auch jene Stellen mit Leim uͤberstrichen wurden, die vorher von dem Messingdrahte bedekt waren. Bei dieser Methode entstand jedoch eine Art von Model auf der Watte, die nicht vortheilhaft war, so daß man nun allgemein das neuere, oben beschriebene Verfahren eingefuͤhrt hat. Man wendete fruͤher den gewoͤhnlichen Leim zur Wattefabrikation an, und einige Fabrikanten thun dieß sogar jezt noch. Da dieser Leim jedoch immer braun ist, so erhaͤlt die Watte dadurch ein unangenehmes Aussehen; man zieht daher im Handel die mit Kaninchenfell-Leim bestrichene weiße Watte vor. Zum Wattiren von Trauerkleidern verfertigt man auch schwarze Watte, indem man die Baumwolle vor dem Leimen faͤrbt. Eben so hat man auch rosenfarbige Watte. Nicht alle Watte, sondern nur jene, die man zum Fuͤttern braucht, wird geleimt. Die Watte, auf welche die Goldarbeiter, Juweliere etc. ihre Arbeiten legen, um sie gegen Reibung zu schuͤzen, ist schon nach der dritten der oben beschriebenen Operationen fertig; man braucht ihr nur mehr die lezte Zubereitung zu geben, von welcher oben bei der siebenten Operation gesprochen wurde. Wir verdanken alle die Details, die wir hier uͤber die Wattefabrikation gaben, Hrn. Muron d. aͤlt. zu Paris, rue Bailly No. 3, der einer der ausgezeichnetsten Fabrikanten in Paris ist, und uns mit groͤßter Bereitwilligkeit das ganze Verfahren in seiner schoͤnen Fabrik einsehen ließ.