Titel: Ueber den Dampfwagen Pennsylvania des Hrn. Obersten Long.
Fundstelle: Band 51, Jahrgang 1834, Nr. XXXVII., S. 168
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XXXVII. Ueber den Dampfwagen Pennsylvania des Hrn. Obersten Long. Aus dem Journal of the Franklin Institute im Mechanics' Magazine, No. 537. S. 121. Long's Dampfwagen Pennsylvania. Die zahlreichen Versuche, welche Hr. Long, Oberst in der Armee der Vereinigten Staaten, zur Vervollkommnung und Pruͤfung seiner Verbesserungen an den Dampfwagen und an den Dampfmaschinen, auf welche ihm ein Patent ertheilt worden, mit großem Kostenaufwands anstellte, fuͤhrten zu den guͤnstigsten Resultaten. Dieß veranlaßt uns zur Mittheilung des Wesentlichsten dieser Verbesserungen, der wir eine kurze Aufzaͤhlung der Leistungen der Maschine des Hrn. Long beifuͤgen wollen. 1. Der Erfinder machte es sich vorzuͤglich zur Aufgabe, die Benuzung des Anthracites als Brennmaterial fuͤr die Dampfwagen moͤglich zu machen, und erreichte diesen Zwek mittelst eines Ofens und Kessels von eigener Bauart auf eine Weise, die alle Erwartungen uͤbertraf. Der Ofen des Patenttraͤgers ist an allen Seiten mit Wasser umgeben, und zwar nach einer Methode, welche einige Aehnlichkeit mit dem an den besten englischen Dampfmaschinen befolgten Systeme hat; er unterscheidet sich jedoch von lezteren durch die Art und Weise, auf welche der Feuerbehaͤlter an dem Kessel angebracht ist, so wie auch dadurch, daß eine verhaͤltnißmaͤßig weit groͤßere Kesseloberflaͤche der direkten Einwirkung der Hize ausgesezt ist. Der Ofen ist mit einem eigens gebauten Roste versehen, welcher nach Belieben um eine zu diesem Behufe angebrachte Achse zu Schwingungen veranlaßt werden kann. In Folge der auf diese Weise mitgetheilten Bewegungen kann das Brennmaterial sehr schnell aus der Feuerstelle entfernt werden, wenn dieß noͤthig werden sollte; auch laͤßt sich der Rost hierdurch so bewegen, daß dem Ankleben der Kohle an den Roststangen, und der dadurch entstehenden Verminderung des erforderlichen Zuges in den Feuerzuͤgen und in dem Schornsteine vorgebaut wird. Der Kessel oder Dampferzeuger besteht außer dem bereits erwaͤhnten Feuerbehaͤlter aus zwei oder mehreren cylindrischen Kesseln oder Siedroͤhren, welche horizontal und der Laͤnge der Maschine nach angebracht sind. Jeder dieser cylindrischen Kessel ist mit roͤhrenfoͤrmigen Feuerzuͤgen versehen, welche der Laͤnge nach durch jenen Theil des Kessels, der sich im Hintergrunde der Feuerstelle befindet, gehen. Die erhizte Luft, die Flamme etc. gelangt durch eine Blende, welche sich in dem zu diesem Behufe eingerichteten Cylinder befindet, in diese Feuerzuͤge, und wird dann durch denselben in einen an dem hinteren Ende des Kessels befindlichen Schornstein geleitet. Außer den eben erwaͤhnten roͤhrenfoͤrmigen Feuerzuͤgen befindet sich unter den cylindrischen Kesseln auch noch ein breiter und hinlaͤnglich geraͤumiger Feuerzug, durch welchen die erhizte Luft etc. mit der ganzen unteren Haͤlfte oder mit der Außenseite saͤmmtlicher cylindrischer Kessel in Beruͤhrung kommt. Die große Kesseloberflaͤche, welche auf diese Weise erzeugt und der Einwirkung der Hize ausgesezt wird, bewirkt eine außerordentlich copioͤse Erzeugung von Dampf, und die von dem Brennmateriale abgegebene Hize wird waͤhrend dieser Erzeugung des Dampfes beinahe gaͤnzlich absorbirt. Die Wirkung dieser Einrichtung ist so groß, daß in einem Kessel von 9 Fuß und 8 Zoll Laͤnge, in welchem sich zwei cylindrische Kessel von 20 Zoll im Durchmesser befanden, und welcher mit Einschluß aller Feuerzuͤge im Ganzen 3000 Pfunde wog, in einer Stunde unter einem Druke von 90 Pfunden auf den Quadratzoll 200 Gallons Wasser verdampft wurden, und zwar mit einer Quantitaͤt Brennmaterial, die nicht uͤber 2 Bushels Anthracitkohle betrug. Zur Erleichterung der Verbrennung oder vielmehr der Entzuͤndung der Kohle wurde ein Schieberrauchfang in der Maschine angebracht, so daß die Hoͤhe des Schornsteines auf diese Weise leicht von 14 auf 20 Fuß vermehrt werden kann. Unter den Vortheilen, welche diese Methode die Kessel zu bauen gewaͤhrt, verdienen hauptsaͤchlich folgende erwaͤhnt zu werden: es wird eine verhaͤltnißmaͤßig weit groͤßere Oberflaͤche der Einwirkung des Feuers ausgesezt; die Quantitaͤt oder das Gewicht des Wassers, welches zur schwaͤchsten Speisung der Kessel noͤthig ist, wird bedeutend vermindert; eine aͤhnliche Reduction findet auch in dem Gewichte der Kessel, so wie in der Dike des Metalles, aus welchem sie bestehen, statt; die Kessel lassen sich endlich, wie spaͤter noch mehr erhellen wird, weit leichter, und ohne daß dadurch die uͤbrigen Theile der Maschine in Unordnung geriethen, entfernen, erneuern oder durch andere ersezen. 2) Der Erfinder wendet den Dampf in den arbeitenden Cylindern auf solche Weise an, daß derselbe nicht bloß mit seiner absoluten Kraft, sondern auch mit seiner Expansivkraft arbeiten kann. Er erreicht diese Absicht durch gewisse Vorrichtungen an dem Dampfklappenapparate, mit deren Huͤlfe das Einstroͤmen des Dampfes in die arbeitenden Cylinder beilaͤufig bei 5/8 Theilen des Kolbenhubes unterbrochen wird. Die Vortheile dieser Einrichtung sind zu offenbar, als daß sie eine eigene Eroͤrterung erforderten; es genuͤgt, wenn wir bemerken, daß hierbei 3/5 des erzeugten Dampfes eben so viel leisten, als ohne diese Einrichtung die Gesammtmenge Dampf leisten wuͤrde. 3) Der Erfinder wendet hoͤlzerne, mit Schmiedeisen gebundene und so gebaute Raͤder an, daß der Reif angezogen oder anderweitig ausgebessert werden kann, ohne daß dadurch das Verhaͤltniß des Mittelpunktes zu dem Umfange des Rades wesentlich beeintraͤchtigt wird. Wer die Natur der Materialien, aus denen die Raͤder gebaut werden, kennt, weiß, daß sich die eisernen Reifen der hoͤlzernen Raͤder in Folge des Wechsels der Temperatur dergestalt ausdehnen und wieder zusammenziehen, daß sie nothwendig fruͤher oder spaͤter los werden muͤssen. An den Raͤdern des Dampfwagens Pennsylvania laͤßt sich diesem Uebel leicht abhelfen; man braucht naͤmlich nur den Randreifen abzunehmen und zwischen den noch bleibenden eisernen Reifen und die Felgen duͤnne eiserne Keile einzutreiben, was leicht geschehen kann, ohne daß man befuͤrchten darf, daß das Rad dadurch excentrisch werde. 4) Der Erfinder wendet fuͤr die Raͤder oder zwischen dem Wagengestelle und den Achsen Buͤchsen oder Zapfenlager an, welche nicht bloß als Bahnen fuͤr die Tragregister der Achsen, sondern auch als Behaͤlter fuͤr das Fett, das Oehl, oder die sonstige Substanz, womit die Theile schluͤpfrig erhalten werden, dienen. Diese Buͤchsen bestehen aus dem besten gehaͤrteten Messinge, und sind uͤberdieß an Geschirrnaͤgeln (bosses) angebracht, die so an den Achsen befestigt sind, daß dadurch alle Apparate zum Festhalten der Achsen in den Zapfenlagern unnoͤthig werden. 5) Das Kutschengestell ist so gebaut, daß es der Maschine die gehoͤrige Festigkeit gewaͤhrt, ohne daß diese wesentliche Eigenschaft der Maschine durch feste und schwere Vorrichtungen an dem Kessel bedingt waͤre. Es ist bekannt, daß man von den Dampfkesseln nichts weiter fordert, als daß sie dem gewoͤhnlichen oder vielmehr dem außerordentlichen Druke, welcher durch den Dampf von hohem Druke erzeugt wird, zu widerstehen vermoͤgen. Kommen nun aber zu diesem großen Druke auch noch die Erschuͤtterungen, welche eine schwere, mit großer Geschwindigkeit bewegte Maschine erleidet, so wird dadurch nicht nur die Neigung zu Explosionen bedeutend erhoͤht, sondern es entstehen dadurch auch leicht Spalten, Risse in den Fugen der Kessel, wodurch die Maschine beschaͤdigt, und deren Kraft beeintraͤchtigt wird. Das einzige Mittel, durch welches man bisher diesem Uebel abzuhelfen wußte, bestand darin, daß man dem Metalle, aus welchem man den Kessel verfertigte, eine groͤßere Dike gab, wodurch natuͤrlich die Maschine weit schwerer wurde, ohne daß ihre Kraft dabei auch nur im Geringsten vermehrt worden waͤre. An dem Dampfwagen Pennsylvania ist nun diesem großen Gebrechen auf eine weit zwekmaͤßigere Weise abgeholfen. Die Kessel sind naͤmlich nicht fest mit dem Gestelle verbunden, sondern sie sind bloß in demselben aufgehaͤngt, und zwar mit Huͤlfe von Federn, durch welche sie von allen den heftigen Stoͤßen und Erschuͤtterungen, denen die anderen Theile der Maschine zuweilen ausgesezt sind, befreit werden. Mittelst derselben Einrichtung werden auch die arbeitenden Theile der Maschine von den Schwingungen und anderen Unregelmaͤßigkeiten, die deren Kraft beeintraͤchtigen, und verschiedene Theile beschaͤdigen, befreit. 6) Leichtigkeit im ganzen Baue des Dampfwagens wurde von dem Erfinder ganz vorzuͤglich beruͤksichtigt und bezwekt, um so mehr, da diesem Gegenstande bisher von jenen, die sich mit Eisenbahnen und besonders mit der Erreichung eines schnellen Transportes auf denselben beschaͤftigen, noch immer nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. Man hat mehrere Einwuͤrfe gegen die Anwendung von leichten Maschinen auf den Eisenbahnen vorgebracht, und ganz vorzuͤglich geltend gemacht, daß solche leichte Maschinen nicht genug Adhaͤsionskraft fuͤr die Schienen haͤtten, so daß die Raͤder leicht ausgleiten koͤnnten. Dagegen laͤßt sich aber erinnern, daß gewiß selten eine Last, welche mit Einschluß der Passagiere, der Bagage und der Karren uͤber 30 Tonnen betraͤgt, schnell fortgeschafft werden muß, und daß eine Maschine, welche nur 3 Tonnen wiegt, eine hinreichende Adhaͤsionskraft besizt, um damit eine solche Last fortschaffen zu koͤnnen, selbst wenn die Bahn etwas bergan steigt. Man ist in Hinsicht auf die Festigkeit und Textur der Materialien, aus welchen die Maschinen bestehen muͤssen, der Meinung, daß die groͤßte oͤkonomische Geschwindigkeit fuͤr einen Dampfwagen, welcher 6 Tonnen wiegt, nicht uͤber 15 engl. Meilen in der Stunde betraͤgt. Eben so zuverlaͤssig behauptet man, daß, wenn man einem Dampfwagen von der eben beschriebenen Schwere eine groͤßere Geschwindigkeit gibt, hierdurch nicht nur die Maschine selbst, sondern auch die Eisenbahn oder der sonstige Weg, auf welchem sie sich bewegt, großen Beschaͤdigungen ausgesezt ist. Gibt man diese allgemein als richtig angenommenen Behauptungen zu, so folgt hieraus nach den bekannten Gesezen der Bewegung und der Erschuͤtterung schwerer Koͤrper, daß eine Maschine, welche bloß 3 Tonnen wiegt, bei einer Geschwindigkeit von 30 Meilen in der Stunde eben so heftige Stoͤße und Erschuͤtterungen erleiden wird, und daß die Abnuͤzung der Maschine, der Schienen etc. eben so groß seyn wird, als bei einer Maschine von 6 Tonnen Schwere mit einer Geschwindigkeit von 15 Meilen. Wenn daher eine Geschwindigkeit von 30 Meilen per Stunde erreicht werden soll, so darf das Gewicht der Maschine nicht uͤber 3 Tonnen betragen. Man mag dieß vielleicht als bloße Vermuthung betrachten; allein es lassen sich Thatsachen genug anfuͤhren, welche dafuͤr sprechen. Wir wollen nun nach Vorausschikung dieser Bemerkungen uͤber die Erfindung des Hrn. Long zur Mittheilung der Hauptresultate der Versuche uͤbergehen, welche auf der von Philadelphia nach Germantown fuͤhrenden Eisenbahn mit dem Dampfwagen Pennsylvania angestellt wurden. Die Laͤnge der Eisenbahn zwischen den beiden angefuͤhrten Orten betraͤgt 6 1/2, Meile; ihre Steigung vom Ursprunge bis zum Ende in Germantown betraͤgt etwas uͤber 207 Fuß oder etwas mehr als 30 Fuß in der Meile. Die steilste Anhoͤhe hat eine Steigung von 45 Fuß per Meile; sie befindet sich zu Germantown und ist beilaͤufig eine halbe Meile lang. Die ganze Bahn hat sehr viele Kruͤmmungen, und ihre Ebenheit hat durch die Senkung der Daͤmme und die daraus folgende Unregelmaͤßigkeit der Schienenbahn sehr gelitten. Der Dampfwagen hat die Fahrt nun 80 Mal hin und her zuruͤkgelegt, und alle seine Fahrten gaben ein gleich gluͤkliches Resultat. Nie entstand wegen Mangel an Dampf eine Unterbrechung; das Ofenthuͤrchen blieb im Gegentheile bei jeder Fahrt einige Zeit uͤber offen, damit nicht mehr Dampf erzeugt wurde, als verbraucht werden konnte. Das Brennmaterial bestand lediglich aus Anthracit, und davon wurden zu jeder Hin- und Herfahrt nicht uͤber zwei Bushels verbraucht. Die Menge des hierbei unter einem Druke von 90 Pfunden auf den Quadratzoll verdampften Wassers belief sich bei jeder Fahrt beilaͤufig auf 200 Gallons. Die Maschine fuhr oft mit einer neuen Ladung Kohlen in dem Ofen, und mit Dampf von so niederem Druke ab, daß der Zug knapp dadurch in Bewegung gesezt wurde; nach 3–4 Meilen bewegte sie sich jedoch mit voller Geschwindigkeit, und dabei wurde ein solcher Ueberfluß von Dampf erzeugt, daß beide Sicherheitsklappen zugleich offen erhalten wurden. Die Resultate, die wir nun anfuͤhren wollen, beziehen sich saͤmmtlich auf Fahrten, welche von Philadelphia aus aufwaͤrts nach Germantown gemacht wurden. Drei Wagen mit 50 Passagieren legten die ganze Streke in 28 Minuten zuruͤk, wobei zwei Mal zur Aufnahme von Reisenden angehalten wurde. Drei Wagen mit 69 Reisenden fuhren dieselbe Streke in 26 Minuten, mit Einschluß von viermaligem Anhalten. Drei Wagen mit 124 Personen durchfuhren die Bahn in 29 Minuten, mit Einschluß von dreimaligem Anhalten. Zwei Wagen mit 40 Personen legten die ganze Streke in 19 Minuten zuruͤk. Eine Ladung von 11 1/2 Tonne wurde in 26 Minuten nach Germantown geschafft. Sechs Lastwagen, von denen jeder 28 1/4 Cntr. wog, und von denen 3 mit Steinen, die an 25 Tonnen wogen, belastet waren, fuhren den gekruͤmmtesten und steilsten Theil der Bahn, an welchem die Steigung 45 Fuß per Meile betrug, mit einer Geschwindigkeit von beilaͤufig 12 Meilen per Stunde hinan. Am 4. Julius 1833 machte die Maschine 6 Fahrten mit 3 angehaͤngten Wagen; die Fahrt dauerte hierbei im Durchschnitte 25 Minuten; die Zahl der Reisenden belief sich im Durchschnitt auf 60–70. Vergleicht man diese Resultate mit jenen der anderen Dampfwagen, welche auf derselben Bahn laufen, und welche mit Foͤhrenholz geheizt werden, so wird man finden, daß die Kosten der Kohle, welche zu einer bestimmten Leistung noͤthig ist, nicht halb so bedeutend sind, als jene der Beheizung mit Holz. 2 Bushels Anthracit leisten naͤmlich eben so viel als 1/4 Klafter Foͤhrenholz. Der Anthracit hat uͤberdieß auch noch den Vortheil vor dem Holze und allen anderen Arten von Brennmaterialien, deren man sich zum Heizen der Dampfmaschinen bedient, voraus, daß er weder Rauch, noch Funken, noch Nachgluth etc. gibt, und daß die Reisenden also nicht im Geringsten dadurch belaͤstigt werden.