Titel: Ueber die Zusammensezung des Schweinfurter-Grüns; von Hrn. Eugen Ehrmann.
Fundstelle: Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LIV., S. 271
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LIV. Ueber die Zusammensezung des Schweinfurter-Gruͤns; von Hrn. Eugen Ehrmann. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen, No. 31, S. 68. Ueber die Zusammensezung des Schweinfurter-Gruͤns. Diese schoͤne und lebhafte gruͤne Farbe wurde im Jahre 1814 von den HH. Rusz und Sattler zu Schweinfurt entdektEin aͤhnliches Gruͤn wurde schon fruͤher in Wien unter dem Namen Mitis-Gruͤn verfertigt und in Handel gebracht. A. d. R., welche mehrere Jahre lang allein das Geheimniß ihrer Fabrikation besaßen. Heut zu Tage ist sie sehr im Handel verbreitet und wird in mehreren Fabriken im Großen bereitet. Hr. Liebig hat sich zuerst mit der Untersuchung dieser Verbindung beschaͤftigt und machte im Jahre 1822 in Buchner's Repertorium der PharmaciePolytechn. Journal Bd. IX. S. 452. ein Verfahren zu ihrer Bereitung bekannt, welches wenig von demjenigen verschieden ist, das man noch heut zu Tage in den Fabriken befolgt. Hr. Braconnot stellte ebenfalls Versuche uͤber diese Substanz an und es gelang ihm sie nach einem anderen Verfahren hervorzubringen, welches in Ann. de Chim. et de Physique. Bd. XXI. S. 53Polytechn. Journal Bd. IX. S. 451. beschrieben ist. Ein Auszug aus Liebig's Aufsaz erschien erst ein Jahr spaͤter in denselben Annalen. Diese beiden Aufsaͤze handeln aber fast nur von der Bereitung des Schweinfurter-Gruͤns; die wahre Zusammensezung dieser chemischen Verbindung scheint bisher noch nicht zum Gegenstande einer genauen Untersuchung gemacht worden zu seyn. Die Bereitung dieser Farbe ist sehr einfach, ihre Entstehung aber ist von Umstaͤnden begleitet, welche nicht ohne Interesse sind. Wenn man gleiche Theile, essigsaures Kupfer und arsenige Saͤure, beide in concentrirter und siedendheißer Aufloͤsung mit einander vermischt, so entsteht augenbliklich ein voluminoͤser olivengruͤner Niederschlag; zugleich wird Essigsaͤure frei, so daß die Fluͤssigkeit stark sauer reagirt. In diesem Zustande scheint der Niederschlag nur eine Verbindung von arseniger Saͤure mit Kupferoxyd zu seyn; wenigstens entbindet sich aus demselben keine Essigsaͤure, wenn man ihn auf dem Filter gut aussuͤßt und dann mit Schwefelsaͤure behandelt. An der Luft troknet er ohne seine Farbe zu veraͤndern: auch erleidet er keine Veraͤnderung, wenn man ihn in reinem Wasser erhizt. Kocht man ihn aber in der sauren Fluͤssigkeit selbst, woraus er gefallt wurde, so veraͤndert er bald seine Farbe und seinen Aggregatzustand, und es sezt sich eine neue Verbindung als ein schweres, koͤrniges, schoͤn gruͤnes Pulver ab. Beguͤnstigt man die Reaction durch anhaltendes Kochen, so bildet sich die Farbe gewoͤhnlich nach 5 bis 6 Minuten; vermischt man hingegen bloß heiße Aufloͤsungen von arseniger Saͤure und essigsaurem Kupfer und uͤberlaͤßt das Gemenge sich selbst, so ist die Wirkung langsam und erst nach mehreren Stunden beendigt. Der Niederschlag, welcher zuerst sehr leicht und flokig war, zieht sich allmaͤhlich zusammen; bald entstehen darin gruͤne Fleken, welche nach und nach groͤßer werden, bis die ganze Masse in einen krystallinischen Saz verwandelt ist. In diesem Falle wird die Farbe viel glaͤnzender als diejenige, welche man durch Kochen erhielt. Sezt man sogleich nach der Faͤllung kaltes Wasser zu, so kann man die Bildung der Farbe noch mehr verzoͤgern und sie wird alsdann noch viel intensiver und glaͤnzender. Zu diesem Ende ruͤhrt man das Gemenge mit ungefaͤhr seinem gleichen Gewichte Wasser an und laͤßt es in einem Ballon, welchen man bis an seinen Hals damit anfuͤllt, stehen. Man verhindert dadurch die Bildung eines Haͤutchens auf der Oberflaͤche der Fluͤssigkeit, welches, wenn es auf den Boden des Gefaͤßes niederfiele, die Krystallisation veranlassen wuͤrde. Bei diesem Verfahren ist die Reaction erst nach zwei oder drei Tagen beendigt. Der Unterschied in der Farbe, welchen man bei dieser Verbindung, je nach ihrer Bereitungsart, bemerkt, haͤngt einzig und allein von der Groͤße der Krystalle ab; zerreibt man sie auf dem Stein gleich fein, so bringt man sie immer auf dieselbe Nuͤance. Die Form der Krystalle ist schwer zu bestimmen: es sind wahrscheinlich Polyëder mit vielen Seiten, denn unter dem Mikroskop erscheinen sie sphaͤrisch. Obgleich das Schweinfurter-Gruͤn eine wenig bestaͤndige Verbindung ist, so widersteht es doch sehr gut der Wirkung der Luft und des Lichts. Es ist vollkommen unaufloͤslich; als ich es vier Stunden lang mit destillirtem Wasser kochte, loͤste sich nichts davon auf, es nahm aber zulezt eine dunklere, schwach braͤunliche Farbe an, indem es ohne Zweifel eine Spur Essigsaͤure verlor. Die meisten chemischen Agentien zersezen es: Schwefelsaͤure, Salpetersaͤure und Salzsaͤure bemaͤchtigen sich zuerst des Kupferoxyds, und sezen die arsenige Saͤure in Freiheit; allmaͤhlich loͤst sich leztere ebenfalls auf und es entwikelt sich zugleich Essigsaͤure. Die Alkalien faͤllen aus dieser Aufloͤsung nur ein schlechtes Scheele'sches Gruͤn. Die Essigsaͤure vermag selbst das Schweinfurter-Gruͤn zu zersezen, obgleich es sich einer Fluͤssigkeit gebildet hat, die viel Essigsaͤure enthaͤlt. Ich hoffte das Schweinfurter-Gruͤn in so großen und regelmaͤßigen Krystallen zu erhalten, daß sich ihre Form bestimmen ließe, indem ich dasselbe in Essigsaͤure aufloͤste und die Aufloͤsung freiwillig verdunsten ließ; ich erhielt bei diesem Versuche aber nur einen weißen Saz von arseniger Saͤure und Krystalle von essigsaurem Kupfer. Die Alkalien, besonders Aezkali und Aeznatron, zersezen das Schweinfurter-Gruͤn noch leichter als die Saͤuren. Sie scheiden das Kupferoxyd als blaues Hydrat aus, welches bald schwarz wird. Die arsenige Saͤure wirkt dann auf dieses Oxyd und entzieht ihm einen Theil seines Sauerstoffs. Die Masse veraͤndert zugleich ihre Farbe, wird olivenfarbig, hierauf gelb, dann braͤunlich und zulezt lebhaft orangeroth. Dieß ist reines Kupferoxydul; zu gleicher Zeit bildet sich Arseniksaͤure auf Kosten des Sauerstoffs des Oxyds. Kalk und Baryt wirken auf aͤhnliche Art. Ammoniak loͤst es vollstaͤndig auf: diese Aufloͤsung ist dunkelblau, ein Beweis, daß sich in diesem Falle keine Arseniksaͤure gebildet hat.:Um die Wirkung der Luft so viel als moͤglich auszuschließen, brachte man das Schweinfurter-Gruͤn in eine kleine, mit fluͤssigem Ammoniak ganz angefuͤllte Roͤhre und verschloß sie sogleich. Als man denselben Versuch mit Kupferoxydul anstellte, erhielt die Fluͤssigkeit nur eine sehr schwache Farbe. A. d. O. Nachdem ich mich uͤberzeugt hatte, daß das Schweinfurter-Gruͤn nur aus Kupferoxyd, arseniger Saͤure und Essigsaͤure besteht, analysirte ich es folgender Maßen: ich fing damit an, es ganz von der ihm anhaͤngenden Feuchtigkeit zu befreien, indem ich es einige Zeit lang in einer kleinen Schale auf einem Sandbade einer Hize von 120° bis 140° C. aussezte. Als es nach zwei aufeinander folgenden Wagungen keine Gewichtsveraͤnderung mehr zeigte, brachte man einen Theil davon in einen kleinen Kolben und kochte es mit einer verduͤnnten Aufloͤsung von Aezkali. Die Zersezung erfolgte mit den oben angegebenen Farbenveraͤnderungen; das Kupferoxydul, auf einem Filter gut ausgesuͤßt, und der Rothgluͤhhize ausgesezt, gab das Gewicht des Oxyds. Die Menge der arsenigen Saͤure ist schwieriger zu bestimmen. Das einfachste Verfahren scheint zu seyn, daß man die alkalische Fluͤssigkeit in einem Kolben mit Salzsaͤure in Ueberschuß versezt und so lange einen Strom Schwefelwasserstoffgas hineinleitet, bis aller Arsenik als Schwefelarsenik niedergeschlagen ist. Dieses Verfahren ist jedoch nicht ganz genau: denn da die arsenige Saͤure mit Arseniksaͤure gemischt ist, welche sich auf Kosten des Kupferoxyds bildete, so muß der Niederschlag ein Gemenge der beiden Schwefelverbindungen seyn, welche der arsenigen und der Arseniksaͤure proportional sind; die Verhaͤltnisse derselben lassen sich freilich nach der bekannten Quantitaͤt Sauerstoff, die das Kupferoxyd an die arsenige Saͤure abgab, berechnen. Bekanntlich werden die arseniksauren Salze aber durch Schwefelwasserstoff sehr langsam zersezt: die Operation kann bei ein bis zwei Grammen der Substanz 6 bis 8 Stunden lang dauern und es laͤßt sich nicht verhindern, daß waͤhrend dieser Zeit ein Theil des in der Fluͤssigkeit aufgeloͤsten Schwefelwasserstoffs sich in Beruͤhrung mit der Luft zersezt und Schwefel absezt, welcher sich dann mit dem Schwefelarsenik vermengt. Man muͤßte also lezteren, nachdem er gewogen ist, naͤher untersuchen. Ein besseres Resultat gab die Zersezung des Schweinfurter-Gruͤns durch trokenes salzsaures Gas: die Substanz wurde in eine Glaskugel gebracht, die in der Mitte einer Roͤhre ausgeblasen war, deren eines Ende mit dem Apparat in Verbindung stand, woraus sich das Gas entband, waͤhrend das andere, rechtwinklicht gekruͤmmte kaum einen Millimeter tief in Wasser tauchte, das in einem kleinen Kolben enthalten war. Die Zersezung beginnt schon in der Kaͤlte: es bildet sich gelblichbraunes Kupferchlorid und Chlorarsenik, welcher oͤhlartig laͤngs der Roͤhre abfließt und sich in den Ballon begibt. In dem Augenblike, wo er das Wasser beruͤhrt, zersezt er sich in Salzsaͤure und arsenige Saͤure, welche in weißen koͤrnigen Krystallen niederfallt. Gegen das Ende der Operation erhizt man die Kugel mit einer Weingeistlampe, um den Rest des Chlorarseniks auszutreiben; die Hize darf jedoch nicht zu hoch gesteigert werden, weil sich sonst ein Theil des Kupferchlorids verfluͤchtigen oder in Chloruͤr umaͤndern koͤnnte. In lezterem Falle wuͤrde auch Chlor frei, so daß man ein wenig Arseniksaͤure im Ballon erhalten koͤnnte. Wenn die Operation gut beendigt ist, loͤst man die arsenige Saͤure auf und schlaͤgt sie durch Schwefelwasserstoff nieder. Es blieb nun nur noch die Essigsaͤure zu bestimmen uͤbrig: dem Gewichtsunterschied entsprechend konnte ihre Menge nicht angenommen werden, weil es moͤglich ist, daß das Gruͤn Wasser enthaͤlt; alle directen Methoden, die ich versuchte, gaben aber nur zweifelhafte Resultate. Das einzige Verfahren, welches ziemlich gut gelang, ist folgendes: man loͤst das Gruͤn in moͤglichst wenig schwacher Schwefelsaͤure auf, und zwar sehr langsam, damit sich das Gemenge nicht erhizt, weil sonst die frei gewordene Essigsaͤure sich zum Theil verfluͤchtigen koͤnnte. Alsdann verduͤnnt man die Aufloͤsung, welche in einem Kolben enthalten ist, und scheidet daraus die Metalle durch einen Strom Schwefelwasserstoffgas ab. Wenn sich nichts mehr niederschlaͤgt, saͤttigt man die Fluͤssigkeit mit frisch gefaͤlltem und noch feuchtem reinem kohlensaurem Baryt. Man erhizt schwach und filtrirt. Die durch das Filter gehende Fluͤssigkeit ist essigsaurer Baryt, waͤhrend der gut ausgesuͤßte Ruͤkstand nur noch Schwefelkupfer und Schwefelarsenik mit schwefelsaurem und kohlensaurem Baryt enthaͤlt. Man braucht dann nur noch den essigsauren Baryt in die Enge zu bringen und mit Schwefelsaͤure zu zersezen, um die Menge der Essigsaͤure aus dem Gewicht des schwefelsauren Baryts berechnen zu koͤnnen. Ein einziger nach dieser Methode angestellter Versuch gab ein ganz genaues Resultat; drei andere, bei welchen man einen großen Ueberschuß von Schwefelsaͤure angewandt hatte, um das Gruͤn aufzuloͤsen, schlugen ganz fehl, denn man erhielt eine viel zu große Menge Essigsaͤure.Daß der Verfasser eine bei weitem groͤßere Menge schwefelsauren Baryt erhielt, als der im Schweinfurter-Gruͤn enthaltenen Essigsaͤure entspricht, erklaͤrt sich sehr leicht durch den Umstand, daß er es unterließ, die mit Schwefelwasserstoff gesaͤttigte Fluͤssigkeit nach dem Filtriren einige Zeit lang zu kochen, um den Schwefelwasserstoff auszutreiben. Lezterer verband sich daher mit dem Baryt zu Schwefelbarium, welches mit dem essigsauren Baryt vermischt blieb und woraus die Base nachher gemeinschaftlich mit derjenigen des essigsauren Salzes durch Schwefelsaͤure gefaͤllt wurde. A. d. R. Was ist die Ursache hievon? Sollte sich ein in einer neutralen Fluͤssigkeit aufloͤsliches complicirtes Barytsalz gebildet haben? Dieß ist eine Frage, welche ich noch nicht zu loͤsen gesucht habe. Da man sich auf das nach diesem Verfahren erhaltene Resultat nicht verlassen konnte, so machte man einen neuen Versuch, welcher vollstaͤndig gelang: man verbrannte naͤmlich die Essigsaͤure des Schweinfurter-Gruͤns durch Kupferoxyd. Die Operation wurde wie eine organische Analyse nach der Methode des Hrn. Prof. LiebigPoggendorff's Annalen der Physik und Chemie, Bd. XXI. S. 1. geleitet. Das Wasser wurde durch Chlorcalcium, welches in einer kleinen Glasroͤhre enthalten war, absorbirt und die Kohlensaͤure durch eine Aufloͤsung von Aezkali, die man vor und nach dem Versuche wog. Nach der Verbrennung schien fast alles Kupferoxyd reducirt. Es hatte sich zum Theil mit dem Arsenik verbunden und bildete eine außen erhaͤrtete Masse, deren Farbe vom Roth zum Gelb wechselte und an einigen Stellen das Licht schoͤn gruͤn, blau und purpurroth reflectirte. Die obere Seite der Roͤhre war mit einer krystallinischen Kruste uͤberzogen, aus einer weißen, metallischglaͤnzenden Legirung von Kupfer mit Arsenik bestehend. Ergebniß dieser Untersuchung. Vier Analysen, deren Resultate erst in den lezten Ziffern von einander abwichen, gaben im Mittel 31,666 Kupferoxyd. Fuͤr die arsenige Saͤure gab das Mittel aus zwei am besten gelungenen Operationen 58,699. Hinsichtlich der Essigsaͤure kann eine einzige Analyse mit Baryt als genau betrachtet werden; sie ergab 10,260. Zwei Analysen mit Kupferoxyd gaben 10,368 und 10,255. Das Mittel aus diesen drei Resultaten ist 10,294. Hienach bestuͤnde das Schweinfurter-Gruͤn aus: Kupferoxyd   31,666 Arseniger Saͤure   58,699 Essigsaͤure   10,294 –––––––– 100,659Der Gewichtsuͤberschuß ruͤhrt offenbar (?) daher, daß man gewoͤhnlich das Austroknen des Gruͤns zu weit trieb, naͤmlich bis zu dem Punkte, wo es ansing gelb zu werden, so daß es schon eine Zersezung zu erleiden anfing, wodurch ohne Zweifel Essigsaͤure verloren ging. A. d. O. (Man vergleiche die vorhergehende Anmerkung. A. d. R.) Dieß entspricht 4 Atomen Kupferoxyd, 3 Atomen arseniger Saͤure und einem Atom Essigsaͤure, daher das Schweinfurter-Gruͤn ein wahres Doppelsalz ist, bestehend aus einem Atom essigsaurem Kupfer und 3 Atomen arsenigsaurem Kupfer.