Titel: Bericht des Hrn. Mérimée über die wasserdichten Hüte des Hrn. Jay, Hutfabrikanten in Paris.
Fundstelle: Band 52, Jahrgang 1834, Nr. LXXXVI., S. 458
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LXXXVI. Bericht des Hrn. Mérimée uͤber die wasserdichten Huͤte des Hrn. Jay, Hutfabrikanten in Paris. Im Auszuͤge aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Januar 1834, S. 32. Bericht uͤber wasserdichte Huͤte. Die Hutmacherkunst hat seit einigen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, Fortschritte, unter denen die Fabrikation der wasserdichten Huͤte nicht zu den geringsten gehoͤrt, obschon diese Erfindung bisher noch immer nicht auf die gewoͤhnlichen ordinaͤren Huͤte, die doch gerade dem Regen am meisten ausgesezt sind, angewendet wurde. Die Englaͤnder waren den Franzosen in dieser Kunst vorausgegangen; allein die gluͤkliche Loͤsung der Frage durch unsere Nachbarn jenseits des Canales veranlaßte natuͤrlich alsbald auch die Nacheiferung unserer ausgezeichneteren Fabrikanten. Malard war bei uns der erste, der sich mit diesem Gegenstaͤnde beschaͤftigte; seine Vertrautheit in der Chemie ließ ihn uͤber die Wahl der Substanzen, die er statt des gewoͤhnlichen Leimes ans zuwenden hatte, nicht lange im Dunkeln. Er errichtete eine Fabrik wasserdichter Huͤte, welche so guten Fortgang hatte, daß er bald Nachahmer fand. Der Filz ist bekanntlich anfangs so weich, wie ein dikes Stuͤk Tuch; erst der Leim gibt ihm die Festigkeit, die er braucht, um die verschiedenen Formen, die man ihm gibt, beizubehalten. Der gewoͤhnliche Leim der Hutmacher besteht aus einem Gemenge von Tischlerleim und Kirschengummi, welcher, indem er sehr lange weich bleibt, dem Leime, der sonst sehr leicht brechen wuͤrde, mehr Geschmeidigkeit mittheilt. Wir glauben, daß sich noch eine weit groͤßere Geschmeidigkeit erzielen ließe, wenn man statt des Gummi Melasse anwenden wuͤrde. Der Kopf oder Koͤrper des Hutes erhaͤlt also, indem er innen mit einer Schichte Leim uͤberzogen wird, die gehoͤrige Festigkeit. An der Krempe hingegen darf der Leim bloß im Inneren des Filzes enthalten seyn, und weder auf der einen, noch auf der anderen Seite derselben darf man etwas davon bemerken. Zu diesem Zweke werden daher auch, nachdem der Leim troken geworden, beide Oberflaͤchen dermaßen mit einer Buͤrste abgewaschen, daß die aͤußeren Haare des Filzes ganz frei sind, und nicht zusammenkleben koͤnnen. Die Fabrikation der wasserdichten Huͤte beruhte bisher darauf, daß man statt des in Wasser aufloͤslichen Leimes einen harzigen Ueberzug zum Steifen der Huͤte anwendete. Man waͤhlte hiezu vorzugsweise den Gummilak, weil er sich leicht in Weingeist aufloͤst, keinen Geruch besizt, und doch etwas mehr Geschmeidigkeit beider haͤlt, als die uͤbrigen Harze. Die Krempe dieser Huͤte wurde nach der gewoͤhnlichen Methode mit dem Gemenge aus Leim und Gummi gesteift. Die harzige Aufloͤsung dringt leicht in den Filz ein; nach dem Troknen derselben reinigt man die Oberflaͤche des Filzes, indem man sie mit einer heißen Sodaaufloͤsung abwaͤscht. Alle Fabrikanten wasserdichter Huͤte bedienen sich gegenwaͤrtig des Gummilaks; auch Hr. Jay befolgte anfangs dasselbe Verfahren, dessen Maͤngel er jedoch bald erkannte und verbesserte. Es ist naͤmlich nicht so gar leicht den Grad der Fluͤssigkeit der Lakaufloͤsung zu reguliren; ist sie zu duͤnn, so dringt sie sehr leicht durch den Filz, besonders bei den leichten Huͤten, dergleichen man heut zu Tage allgemein verlangt; ist sie hingegen zu dik, so laͤßt sie sich schwer anwenden, und man erzielt nicht leicht eine gleichmaͤßige Nike. Diese Schwierigkeiten sind zwar nicht unuͤbersteiglich; allein Hr. Jay glaubte, daß eine Kautschukaufloͤsung beim Steifen der wasserdichten Huͤte große Vortheile gewaͤhren muͤßte. Der durchdringende und widerliche Geruch, den die Aufloͤsung des Kautschuks in dem fluͤchtigen Oehle des Steinkohlentheeres besizt, schrekte ihn zwar bei seinen ersten Versuchen ab; allein spaͤter fand er, daß sich dieser Geruch – durch eine gewisse Erhoͤhung der Temperatur vollkommen vertreiben lasse; so zwar, daß nach dem Faͤrben auch keine Spur mehr davon zuruͤkbleibt. Da die Kautschukaufloͤsung dem Filze nicht genug Festigkeit geben wuͤrde, so traͤgt Hr. Jay uͤber derselben auch noch eine Schichte Lakaufloͤsung auf, die dem Kautschuk Festigkeit gibt, und von ihm dafuͤr so viel Weiche mitgetheilt erhaͤlt, als noͤthig ist, damit die Steife nicht so leicht breche. Die Krempe der Huͤte des Hrn. Jay besteht gleich wie jene an den Seidenhuͤten aus zwei mit Kautschuk und Gummilak gesteiften Stuͤken, von denen das untere gegen das Innere des Koͤrpers umgeschlagen wird; der verduͤnnte Rand des Filzes vereinigt sich daselbst mit dem Koͤrper, ohne daß man den Anfang dieser Vereinigung zu bemerken im Staude ist. Die scharfen Kanten, welche unsere Huͤte in Folge ihrer unzwekmaͤßigen Form haben, stoßen sich bekanntlich sehr schnell ab, und zwar um so schneller, je mehr Steifigkeit die Huͤte haben. Die wasserdichten Huͤte besonders entgingen dem Vorwurfe nicht, daß deren Raͤnder so schnell die Haare verlieren. Um der Abnuͤzung dieser Theile so viel als moͤglich zu begegnen, hat Hr. Joy Sorge getragen, daß dieselben an seinen Huͤten nicht gesteift werden. Der obere Theil des Koͤrpers des Hutes wird naͤmlich mit einer Scheibe aus Filz, die wie ein Dekel geformt und nur an dem flachen Theile geleimt ist, gefuͤttert; die scharfe Kante bleibt also mithin geschmeidig und kann sich nicht so leicht abstoßen. Eine wesentliche Bedingung zur Dauerhaftigkeit der Huͤte ist, daß die Steift uͤberall von gleicher Dike aufgetragen werde. Hr. Jay hat hiezu einen kleinen Apparat erfunden, mit Huͤlfe dessen sich sehr leicht ein so gleichmaͤßiger Ueberzug erzielen laͤßt, daß die Huͤte nach allen Richtungen hin gleichen Widerstand darbieten. Die Biberhaare werden bekanntlich nur auf der Oberflaͤche der Huͤte aufgetragen, ein Verfahren, welches man die Vergoldung (dorau) zu nennen pflegt. Man kann uͤbrigens die Ersparniß noch weiter treiben, und lediglich mit Hasenhaaren Huͤte fabriciren, die den Castorhuͤten vollkommen aͤhnlich sind. Man nimmt zu diesem Behufe die schoͤnsten Hasenhaare (jene vom Ruͤken), scheidet sie von den Sommerhaaren und reinigt sie von dem Staube, der der Farbe schaden wuͤrde. Diese Operation besteht in einer Art von Fachung in einem geschlossenen Behaͤlter, der mit einem doppelten Boden versehen ist; dieser doppelte Boden wird jedoch von einem Roste gebildet, durch welchen sowohl die Sommerhaare, als der Staub fallen, Waͤhrend der Flaum zuruͤkbleibt. Das Walken dieser Huͤte geschieht mit der Buͤrste; dadurch gelangt das Haar auf die Oberflaͤche des Filzes, und wird mit seiner Wurzel fester zuruͤkgehalten, als dieß bei der Vergoldung der Fall ist. Die Buͤrste reinigt das Haar uͤberdieß von allem Fette, welches noch an demselben haͤngen koͤnnte, so daß der Hut also schoͤner und glaͤnzender aus dem Farbkessel kommen kann. Wenn der Hut endlich vollkommen zugerichtet, so glaͤnzt man ihn, indem man ihn auf eine Doke sezt, die man schnell zwischen zwei Kissen aus Felbel umdreht. Ob das Hasenhaar den Glanz so lange beibehaͤlt, als das Castorhaar koͤnnen wir dermalen nicht entscheiden; so viel ist aber gewiß, daß jeder Kaͤufer einen nach der angegebenen Methode fabricirten Hut aus Hasenhaaren fuͤr einen Castorhut halten wird. Man koͤnnte die Neuheit des Verfahrens des Hrn. Jay, auf welches derselbe ein Patent genommen, zwar bestreiten, indem die Anwendung des Kautschuk zur Erzeugung von wasserdichten Geweben schon seit Jahren bekannt ist. Allein die wichtigsten Erfindungen sind ja oft nichts Anderes, als gluͤkliche Uebertragungen der Mittel und Methoden der einen Kunst auf eine andere. Dem sey aber, wie ihm wolle, so hat die Commission die Ueberzeugung gewonnen, daß Hr. Jay durch die Verbindung der Kautschukaufloͤsung mit der Lakaufloͤsung die Fabrikation der wasserdichten Huͤte wesentlich verbessert hat. Man kann bei dieser Steifmethode den Huͤten jeden beliebigen Grad von Festigkeit geben, und wahrscheinlich duͤrften sich auf diese Weise die bequemen biegsamen Huͤte, die man bloß deßwegen aufgab, weil sie so schnell schlecht und abgetragen wurden, bedeutend verbessern lassen. Die Commission schlaͤgt daher vor, Hr. Jay die Anerkennung seiner Verdienste durch die Gesellschaft zu erkennen zu geben.