Titel: Ueber den gegenwärtigen Zustand der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der lezten Industrieausstellung beurkundete.
Fundstelle: Band 55, Jahrgang 1835, Nr. LXXIX., S. 443
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LXXIX. Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der lezten Industrieausstellung beurkundete. Zweiter Artikel. Im Auszuge aus dem Musée industriel. S. 54. §. 5. (Fortsezung vom Polytechnischen Journale, Bd. LIV. S. 293.) Gegenwaͤrtiger Zustand der Wollenwaarenfabrikation in Frankreich. I. Wollengespinnst. Die Wollenzeugfabriken Frankreichs verarbeiten gegenwaͤrtig nur mehr eine sehr geringe Menge mit der Hand gesponnene Wolle; denn die Maschinenspinnerei ist beinahe allgemein geworden. Nicht so ganz verhaͤlt sich's jedoch mit der Kammwolle, von der noch immer ein Theil mit der Hand gesponnen wird, obschon bereits die Industrieausstellung vom Jahre 1819 gelungene Versuche von Maschinengespinnst aus Kammwolle zeigte, und obschon im Jahre 1823 und 1827 mehrere Preise fuͤr Fabrikate dieser Art ertheilt wurden. Doch muß man gestehen, daß nicht bloß die Maschinenspinnerei der kardaͤtschten, sondern auch jene der gekaͤmmten Wolle in der lezten Zeit große Fortschritte machte. Noch im Jahre 1827 glaubte man, daß sich keine der franzoͤsischen Wollen zu glatten Zeugen eigne, und daß das einzige Mittel, diesen Fabrikationszweig in Frankreich emporzubringen, in der Einfuhr englischer Schafe gelegen sey. Die in unserem fruͤheren Artikel gegebenen Daten haben jedoch gezeigt, daß dem nicht so sey; und namentlich die Schafe des Hrn. Graux lassen bei gehoͤriger Vermehrung, Zucht und Kreuzung derselben hoffen, daß wir bald auch in dieser Hinsicht unseren Bedarf selbst produciren werden. Vor sieben Jahren noch waren unsere Spinnereien nicht im Stande die Kammwolle zu feinerem Garne als von Nr. 80 zu verspinnen; gegenwaͤrtig spinnt man hingegen ohne alle Schwierigkeit Garne von Nr. 110 und selbst von Nr. 120. Rechnet man hiezu noch, daß die Arbeiter nun wegen ihrer groͤßeren Uebung und Gewandtheit mehr und bessere Arbeit liefern, als fruͤher, so wird man sich erklaͤren, wie die Preise dieser glatten Zeuge, und namentlich jene der sogenannten Merinos, in lezter Zeit um so viel sinken konnten, und warum sich dieses Sinken auch auf die mit Seide gemengten Wollenzeuge, wie auf die Cachemiriennen, Bombasinen, Alepinen, Chaly's etc. ausdehnte. Dieß ist in wenigen Worten der gegenwaͤrtige Zustand dieses hoͤchst wichtigen Industriezweiges, der das Material zu so vielen ausgezeichneten Zeugen liefert. Wir wollen nun sehen, welche Concurrenten die Ausstellung vom Jahre 1834 beschikten, und was dieselben lieferten. 1. Die HH. Bruͤder Aynard in Ambérieux, Dept. de l'Ain, ehemals in Monthul, die schon in den Jahren 1823 und 1827 silberne Medaillen erhielten, stellten, abgesehen von verschiedenen Wollengarnen, sehr huͤbsche Halstuͤcher aus, die mit Kette von Nr. 170 und mit Eintrag von Nr. 220 gewebt wurden. 2. Die HH. Bruneaux und Demarmant in Rethel, Dept. des Ardennes, sandten nicht bloß vorzuͤgliche Muster von gesponnener Kammwolle, sondern sie verdienten auch als Mechaniker und Erbauer von Maschinen, die zum Spinnen solcher Wolle bestimmt sind, allen Dank. Ihre Spinnerei beschaͤftigt 170, und ihre mechanische Werkstaͤtte 120 Arbeiter, zusammen also 290 Personen, welche monatlich gegen 15,000 Fr. verdienen. 3. Die HH. Camu Sohn und T. Croutelle Neffe gruͤndeten im Jahre 1825 zu Pont-Girard, 3 Stunden von Rheims, eine Fabrik, welche jezt zu den groͤßten Frankreichs gehoͤrt, indem sie 60 Kardaͤtschen und 10,000 Feinspinnspindeln zaͤhlt, und indem ihre taͤglichen Fabrikate 11 bis 1200 Pfd. betragen. Die große Mannigfaltigkeit von Wollenwaaren, welche zu Rheims fabricirt werden, erfordern eine sehr große Auswahl von Nummern; die HH. Camu und Croutelle spinnen daher fette Wolle von Nr. 16 bis Nr. 120, und entfettete bis Nr. 150. Man hat in Frankreich und selbst in England bisher aus kardaͤtschter Wolle noch kein Garn von solcher Feinheit erzielt, und doch sind diese hoͤchst guͤnstigen Resultate nicht die Folgen neuer Methoden oder neuer Maschinen, sondern bloß durch die große und bis ins Kleinliche gehende Sorgfalt, welche diese Fabrikanten auf die Einrichtung und Unterhaltung ihrer Maschinen verwenden, so wie auch dadurch bedingt, daß sie die Mule-Jenny von 120 auf 140 Spindeln erweiterten. Ihre Maschinen haben auf diese Weise 40 Fuß Breite erlangt, und bewegen sich mit erstaunlicher Genauigkeit. Die Spinnerei beschaͤftigt allein 300 Individuen, und arbeitet hauptsaͤchlich fuͤr Rheims, obschon sie auch von Rouen, Amiens, Roubaix und Paris Auftraͤge erhaͤlt. Die Fabrik verkauft in Paris auch Cachemirgarn, dessen Floke nicht gekaͤmmt, sondern bloß kardaͤtscht wurde. Das Hauptverdienst dieser wuͤrdigen Fabrikanten, denen die Jury die silberne Medaille zuerkannte, scheint uns jedoch darin zu liegen, daß sie mit besserem Erfolge dahin wirkten, daß man nun zur Kette vieler Zeuge kardaͤtschte Wolle nehmen kann, waͤhrend man fruͤher Kammwolle anwenden mußte. 4. Hr. Christ-Chardon in Gravigny, Dept. de l'Eure, beschaͤftigt in seiner Fabrik 150 Arbeiter, und liefert seine Fabrikate nach Louviers, Elbeuf, Paris und Ronen. 5. Hr. Dieudonné Evrard in Rethel und Bergnicourt, Dept. des Ardennes, war der erste, der das Kaͤmmen der Wolle und die Spinnerei dieser Wolle in Rethel eingefuͤhrt haben soll. Seine Fabrikate zeigten bedeutende Fortschritte. 6. Die HH. Dubois und Comp., Spinnereibesizer und Mechaniker in Louviers, stellten weiße und farbige Wollengarne aus. Von den feinsten, aus Wolle des Dept. de l'Eure gesponnenen, weißen Garnen gehen 94 Pariser Untergebinde oder 52,812 Meter Faden auf das Kilogramm, waͤhrend von den groͤbsten Garnen aus spanischer Wolle 44 Pariser Untergebinde oder 24,720 Meter auf das Kilogr. gehen. Von dem farbigen Garne gingen von der feinsten Sorte 43 Rheimser Untergebinde oder 32,028 Meter auf das Kilogr., von der groͤbsten, aus spanischer Wolle gesponnenen Sorte aber nur 22 Rheimser Untergebinde oder 17,798 Meter. Hr. Dubois ist auch Erfinder einer Rauhmaschine. 7. Hr. Floris Delannoy von Tourcoin, Dept. du Nord, sandte lange, fett gesponnene Wollen nach englischer Art, welche zum Weben von Gilet- und Meubelzeugen, wie Lastings, Stoffs etc. bestimmt ist. Die Fabrikanten von Tourcoin konnten bisher nur mit englischem Gespinnste Giletzeuge weben, und wenn sie gegenwaͤrtig anfangen, franzoͤsisches Gespinnst anstatt des englischen zu verarbeiten, so verdanken sie dieß hauptsaͤchlich Hrn. Delannoy und den Verbesserungen, welche er an seinen Maschinen anbrachte. Seine Maschinen arbeiten naͤmlich nach einem ganz anderen Systeme als bisher, und lassen hoffen, daß seine Fabrik bald lange Wolle von allen Nummern spinnen werde, und zwar sowohl fett, als entfettet. – Hr. Delannoy betreibt auch eine Baumwollspinnerei fuͤr feine Nummern, und beschaͤftigt in seinen beiden, durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesezten Fabriken 200 Arbeiter. 8. Hr. M. Foucier von Paris stellte sehr schoͤne Wollengarne aus, deren Werth noch durch seinen Wollen-Zurichtapparat erhoͤht wurde. 9. Die HH. Fournival, Vater und Sohn, in Rethel, die schon im Jahre 1823 die silberne Medaille erhielten, bewaͤhrten ihren Ruf neuerdings durch ihre Wollengespinnste und Merinos. Dieselbe Medaille wurde ihnen von der Jury wiederholt zuerkannt. 10. Die HH. Bruͤder Gaigneau in Paris, deren Fabrik sich in Essone befindet, spinnen sowohl englische als franzoͤsische lange Wolle in sehr verschiedenen Nummern, fuͤr Teppiche, Posamentirarbeiten, zur Stikerei, fuͤr die Ketten und Eintraͤge der Gobelinsfabrik, zur Fabrikation von Papelinen, Stoffs, damascirten und moirirten Zeugen etc. Besondere Aufmerksamkeit verdienten die Nummern 22 bis 30, weil diese zur Verfertigung der Kaͤmme an den mechanischen Webestuͤhlen dienen, und weil dieß von den Englaͤndern bei den hohen Nummern fuͤr das Schwierigste gehalten wird. Die Gespinnste dieser Fabrik sind so vortrefflich, daß sie immer uͤber dem Curse verkauft werden, und daß ihnen in mancher Hinsicht von keiner Seite die Concurrenz streitig gemacht wird. Die Jury ertheilte die bronzene Medaille. 11. Hr. Eugene Griolet von Paris hat sich in einem Zeitraume von 10 Jahren zu einem der ersten Fabrikanten Frankreichs erhoben. Er gruͤndete seine Fabrik im Jahre 1824, und beschaͤftigte im Jahre 1827, wo er die silberne Medaille erhielt, nur 20 Arbeiter, die mit 800 Spindeln taͤglich 30 Pfd. Wollengarn erzeugten. Gegenwaͤrtig arbeitet er mit 10,000 Spindeln, auf denen 150 Arbeiter taͤglich 500 Pfd. Garn spinnen. Er spinnt hauptsaͤchlich Garn von Nr. 80, und seine feinen Garne sind so beruͤhmt, daß sie selbst von den Englaͤndern gesucht sind. Er vermengt auch Wolle mit 2/5 Seide, und spinnt daraus Faͤden, in denen die beiden Substanzen so innig mit einander amalgamirt sind, daß man sie nicht von einander unterscheiden kann. Ueberdieß verband Hr. Griolet mit seiner Spinnerei auch die Fabrikation von Merinoszeugen und Wollenmousselinen; er gruͤndete auch in Rheims, Sommières und im Departement de l'Oise neue Fabriken, so daß er im Ganzen 1500 Arbeiter beschaͤftigt, waͤhrend seine Anstalten jaͤhrlich fuͤr 2 Mill. Fr. Waaren in Umlauf bringen. Die von ihm ausgestellten Fabrikate bestanden aus Kammwollgarn von verschiedener Qualitaͤt und von Nr. 35 bis Nr. 120; aus Garn, aus Wolle und Seide; aus Merinoszeugen und sogenannten Thibets, welche aus Wolle und Seide bestehen. Die Jury kannte dem verdienten Hrn. Girolet die goldene Medaille zu. 12. Hr. Lefèvre der aͤltere, Besizer einer Fabrik in Ciresles-Mello und in Cramoisy, Dept. de l'Oise, stellte schoͤne Wollengespinnste und weiße Merinos aus. Die Spinnerei an ersterem Orte wird durch ein Wasserwerk und durch eine Dampfmaschine; leztere hingegen nur durch ein Wasserwerk betrieben. In beiden Fabriken zusammen befinden sich, abgesehen von den Webestuͤhlen, 32 Mule-Jenny's; 600 Arbeiter von jedem Alter und Geschlechte spinnen monatlich gegen 3000 Kilogr. Wolle, und weben gegen 300 Stuͤke Merinos. Die Ketten bestehen aus Garn von Nr. 36 bis 40; der Eintrag aus Garn von Nr. 54 bis 60. Die Feinheit der Zeuge wechselt vom 12 bis zu 20 Kreuzwebungen. Hr. Lefèvre erhielt die bronzene Medaille. 13. Hr. Lefèvre-Boitel, Mechaniker in Amiens, sandte Kammcylinder fuͤr die Wollenspinnerei ein, denen er eine gehoͤrige Neigung zu geben weiß, und welche sehr regelmaͤßige Faden geben. Diese Cylinder sind so eingerichtet, daß sie sich sowohl zum Spinnen der langen, als der kurzen Wolle eignen; die Dike und Laͤnge der Zaͤhne, so wie die Entfernungen der Nadeln von einander, sind nach dem zu uͤberwindenden Widerstande berechnet. Die Cylinder sind in Folge dieser Verbesserungen in den Spinnereien sehr gesucht, und zwar um so mehr, als sie sehr wohlfeil sind. 14. Die HH. Legrand, Vater und Sohn, in Fourmoir, Dept. du Nord, besizen eine Fabrik, welche aus 20 Mule-Jennys, jede zu 192 Spindeln und 10 Zwirnstuͤhlen, besteht, und in der gegenwaͤrtig nach neunjaͤhrigem Bestande derselben 160 Arbeiter Beschaͤftigung finden. Ihre Producte gehen nach Paris, wo sie zur Verfertigung von Merinosshawls, Wollenmousselinen, Chalys und anderen leichten Zeugen dienen; nach Lyon, wo man sie zu den verschiedenen aus Wolle und Seide gemischten Zeugen verarbeitet; nach Amiens, als Eintrag fuͤr Alepinen und Caschemire; nach Rethel, Rheims und la Champagne fuͤr die Merinosfabrikation. Die dublirten und gezwirnten Ketten dienen zur Fabrikation der doppelten Zeuge und Merinos. Nie zur Ausstellung gebrachten Gespinnste bewaͤhrten den Ruf dieses Hauses. 15. Die HH. Paturle, Lupin und Comp. in Paris besizen eine Fabrik au Câteau Dept. du. Nord, welche, obwohl sie erst seit dem Jahre 1820 besteht, doch schon einen ganz außerordentlichen Aufschwung erreicht hat. Die Anstalt beschaͤftigt nicht weniger als 6000 bis 7000 Menschen, und zwar 1000 in der Fabrik selbst, die uͤbrigen hingegen in mehr als 200 Doͤrfern des Departements; sie verarbeitet jaͤhrlich 800,000 Pfd. auf den Schafen gewaschene Wolle, die aus Frankreich und Deutschland bezogen wird, und den Ertrag von 300,000 Schafen repraͤsentier. Ihre Einrichtung ist so getroffen, daß die Wolle alle Bearbeitungen, deren sie faͤhig ist, erhaͤlt; d.h. die Wolle wird sortirt, gewaschen, gekaͤmmt, gesponnen und verwebt; appretirt werden die Zeuge in Paris in der schoͤnen Faͤrberei der HH. Boutarel-Gonin. Die Producte der Fabrik finden nicht bloß in Frankreich Absaz, sondern sie gehen auch nach England, in die Niederlande, nach Italien, Deutschland und Amerika. Bei der Ausstellung sah man von diesem Hause 4 Sorten Kammwolle, 4 Sorten Wollengespinnst von entsprechender Qualitaͤt und von Nr. 36 bis Nr. 116 als Eintrag, von Nr. 38 bis Nr. 75 als Kette, 4 Sorten Merinoszeuge von entsprechender Qualitaͤt; ferner Sommertuch von 5/4, Merinos mit doppelter Kette fuͤr Maͤnnerkleider, Bombasinen von 4/4 und 22 bis 36 Kreuzwebungen, und Pondichery von 4/4. Hr. Paturle erhielt den Orden der Ehrenlegion. 16. Hr. Pequin in Hucheloup, Dept. de la Vendée, besizt eine Fabrik, welche erst seit dem Jahre 1830 besteht, und in der die Wolle in Auftrag nach beliebigen Nummern kardaͤtscht und gesponnen wird, und zwar um sehr maͤßige Preise. Wasser bildet die Triebkraft. 17. Die HH. Bruͤder Polino in Paris spinnen kurze und lange, feine und grobe Wolle, so wie auch Caschemirfloken, aus denen sie sehr schoͤne und feine Zeuge verfertigen. Ihre Hauptanstalt befindet sich in la Ferté-Bernard im Dept. de la Sarthe, und wird von einem Wasserwerke betrieben. Die Unternehmer erhielten im Jahre 1823 die bronzene, und im Jahre 1827 fuͤr die Caschemirspinnerei die silberne Medaille, deren sie sich fortwaͤhrend wuͤrdig zeigten. Sie spinnen die Caschemirfloken zu Garn bis zu Nr. 260, wovon 150,000 Ellen auf das Pfund gehen, und welches also noch feiner ist, als man es zur Shawlfabrikation bedarf. 18. Hr. Prevost in Paris stellte Kammwollgarn und daraus verfertigte Zeuge aus. Seine Fabrik, in der anfangs nur Kammwolle gesponnen wurde, besteht erst seit dem Jahre 1822; seither gewann die Spinnerei nicht nur sehr an Ausdehnung, sondern der Eigenthuͤmer verband auch die Merinosfabrikation damit. Gegenwaͤrtig belaufen sich die saͤmmtlichen Producte der Fabrik jaͤhrlich auf einen Werth von 900,000 Fr., obwohl die Waaren um 25 Proc. wohlfeiler sind, als im Jahre 1827, waͤhrend die Rohstoffe um 15 bis 20 Proc. theurer sind, als zu jener Zeit. Die Erklaͤrung hiezu liegt in den Verbesserungen der Arbeit und in der Vereinfachung der Methoden und der Maschinen. Hrn. Prevost verdankt man es hauptsaͤchlich, daß man gegenwaͤrtig mit derselben Anzahl von Arbeitern beinahe zwei Mal so viel als im Jahre 1827, und drei Mal so viel als im Jahre 1823 zu erzeugen im Stande ist; die Jury ertheilte ihm daher auch die silberne Medaille. 19. Hr. Justin Vulliamy in Nonaucourt, Dept. de l'Eure, ist einer der ersten, der die mechanische Spinnerei der langen Kammwolle nach dem englischen Systeme in Frankreich einfuͤhrte. Er spinnt nun diese Wolle selbst, waͤhrend er sie fruͤher gesponnen aus England bezog. Er stellte Eintrag zu 86,000 Meter per Kilogr. und Kette zu 60,000 Meter aus. Die Jury ertheilte ihm eine bronzene Medaille. Viele andere Aussteller uͤbergehen wir hier, weil sie die Wollenspinnerei nur in so fern betreiben, als sie derselben zu ihren Hauptfabrikationszweigen beduͤrfen. II. Wollenwaarenfabrikation. Die Wollenwaarenfabrikation hat in Frankreich eine ungeheure Ausdehnung erlangt, und einige Zweige derselben haben es bereits auf die Stufe der Auszeichnung gebracht. Gibt es z.B. einen Winkel unserer Erde, wo man die Tuͤcher von Louviers, Sédan, Elbeuf etc. nicht kennt? Und doch hat sich die Tuchfabrikation seit dem Jahre 1827 namentlich in Folge einer allgemeineren Anwendung des Dampfes, wodurch die Tuͤcher markiger, milder und in ihren Farben lebhafter werden, noch bedeutend vervollkommnet. Nicht zu vergessen ist auch der seither in Anwendung gekommene unzerstoͤrbare Appret, der auf demselben Principe beruht. Wir bemerken uͤbrigens vorlaͤufig nur noch, daß seit dem Jahre 1827 auch in der Verbindung der tuchartigen Gewebe eine Menge gluͤklicher Erfindungen und Neuerungen eintraten, denen wir die Draps de fantaisie, à mille raies, à côtes larges ou étroites, disposés en diagonales, zébrés etc. verdanken. §. 1. Feine, mittlere und ordinaͤre Tuchwaaren. Wir wollten dieses Capitel anfangs in drei Abtheilungen bringen, deren Unthunlichkeit sich uns jedoch bald beurkundete. Die Vermehrung der Merinosschafe und der aus ihnen erzogenen Bastarde hat außerordentlich dazu beigetragen, unseren mittleren und ordinaͤren Tuͤchern eine weit groͤßere Feinheit zu geben, als sie bisher besaßen; so wird das croisirte Tuch, das sogenannte Cuir-de-laine, zu Pantalons, welches unter die feinen Tuͤcher gezaͤhlt wird, heut zu Tage uͤberall fabricirt. Wir werden daher die Fabrikate, welche die lezte Industrieausstellung in Paris zeigte, lieber nach Fabriken zusammenstellen. A. Louviers. Louviers ist eine der am besten gelegenen Fabrikstaͤdte Frankreichs, theils weil es zwischen Paris, Rouen und der niederen Normandie in der Mitte liegt; theils wegen seiner Waldungen, wovon im Dept. de l'Eure auf je 1000 Einwohner 235 Hectaren kommen; theils wegen seiner Straßen, die in diesem Departement eine Streke von 409,000 Meter ausmachen; theils endlich wegen seiner Canaͤle und seines Reichthumes an Wasser, welches nicht nur eine ungeheuere Triebkraft liefert, sondern wegen seines Kalkgehaltes auch zum Entfetten der Wolle sehr geeignet ist. Wir wollen daher diese Vorzuͤge in fuͤnferlei Hinsicht betrachten, ehe wir zu den Fabrikaten Louviers uͤbergehen. 1. Huͤttenwerke und Wasserwerke in Louviers. Wir wollen diese Anstalten nach den Bassins, die die Eure bildet, anfuͤhren, und die in denselben verbrauchte Kraft nach Dampfpferden berechnen. Bassin von Folleville. Die Bruͤder Odoard du Hazé besizen daselbst eine Walk-, Mahl- und Lohmuͤhle, welche zusammen mit einer Kraft von 122 Dampfpferden arbeiten. Die HH. Frigard, Petou und Ozenné sind Eigenthuͤmer der Huͤttenwerke des Hrn. Delamotte und der Reddiers, von 16 Pferdekraͤften. Bassin von Vilelle. Hr. Lhuillier besizt daselbst eine Walkmuͤhle von 89 Pferdekraͤften; Hr. Jourdain-Ribouleau ein Huͤttenwerk von 89 Pferdekraͤften; die HH. Poussin und Bertrand ein Huͤttenwerk von 81 Pferdekraͤften. Bras de St. Taurin. Hr. Lequeuc besizt hier eine Muͤhle von 10 Pferdekraͤften. Bassin de l'Epervier. Die HH. Viollet und Jeuffrain dirigiren hier ein Huͤttenwerk von 10 Pferdekraͤften. Bassin du Gril. Hr. Lhuillier Bourgeois besizt daselbst eine Spinnerei und eine Kardaͤtschenfabrik von 23 Pferdekraͤften, und Madam Delafosse Morainville ein Huͤttenwerk von 14 Pferdekraͤften. Bassin de Lavandieres. Die HH. Germain Petit und Comp. betreiben hier ein Huͤttenwerk und Hr. Ternaux eine Muͤhle, jede zu 17 Pferdekraͤften. Bras du Bohommet. Die Anstalt des Hrn. Lalande arbeitet mit 18 Pferdekraͤften. Bras de Fecamp. Hr. Ternaux besizt hier eine Fabrik mit 17 Pferdekraͤften. Bras du Bigard. Die Spinnerei von Saint Germain arbeitet hier mit 107 und das Huͤttenwerk des Hrn. Jourdain-Ribouleau mit 14 Pferdekraͤften. Hienach besizt also Louviers 19 Wasserwerke, welche 14 Eigenthuͤmern angehoͤren, und welche theoretisch eine Kraft von 661,97 Dampfpferden repraͤsentiren. 2. Dampfmaschinen. Hr. de Saxer besizt eine Spinnerei und eine Appretiranstalt mit einer Dampfmaschine von 12 Pferdekraͤften; Hr. Dubois Mary eine Spinnerei und mechanische Werkstaͤtte mit 18 Pferdekraͤften; Hr. Jourdain-Ribouleau eine Tuchfabrik mit 10 Pferdekraͤften; HH. Leroy und Alpée eine Maschinenfabrik mit 4 Pferdekraͤften; die HH. Maître und Dufour eine Spinnerei, Tuchfabrik und Appretiranstalt mit 15 Pferdekraͤften; Hr. Moreau-Turgis endlich eine gleichfalls mit Dampf betriebene Tuchfabrik. 3. Fabriken mit und ohne Triebkraͤfte, und Zahl der darin beschaͤftigten Arbeiter. Wenn man die Fabriken in Louviers nach einer technologischen Ordnung classificirt, so ergeben sich folgende Tuchfabriken, welche durch Wasser in Bewegung gesezt werden; jene des Hrn. Ternaux mit 429, Germain Petit mit 391, Viollet und Jeuffrain mit 250, Jourdain-Ribouleau mit 520, Poitevin mit 96, Petou mit 72, Bruͤder Talbot mit 84, Petit-Grand mit 24 Arbeitern. Tuchfabriken, welche mit Dampf arbeiten, besizen Hr. Saxer mit 100, Maître und Dufour mit 131, und Moreau-Turgis mit 70 Arbeitern. Spinnereien durch Wasser betrieben besizen de Fontenay Debon und Comp. mit 280, Lhuillier mit 216, Williams mit 128, Mercier und Comp. mit 113 und Morette mit 72 Arbeitern. Spinnerei, welche mit Dampf arbeitet, betreibt Hr. Dubois-Mary eine mit 150 Arbeitern. In der durch Wasser betriebenen Wollenkardaͤtschfabrik des Hrn. Hache Bourgeois arbeiten 1050 Arbeiter. In drei mit Wasser arbeitenden Walkmuͤhlen sind 43 Arbeiter beschaͤftigt. Alle diese mit Triebkraͤften arbeitenden Fabriken beschaͤftigen also 4219 Arbeiter. Die Zahl der handelnden Fabrikanten belaͤuft sich auf 27, welche zusammen 1233 Arbeiter beschaͤftigen. 8 Faͤrbereien, Wollwaͤschereien und Entfettungsanstalten zaͤhlen 150 Arbeiter. 3 Rauhmuͤhlen arbeiten mit 23, und 2 Pressen mit 8 Arbeitern. Was endlich die Mechaniker betrifft, so arbeiten die HH. Leroy und Alpée, welche die Dampfmaschinen verfertigen, mit 38; Dubois-Merry mit 25, und Ambroise Mercier mit 79 Arbeitern. Alles dieß gibt also 5775 durch die Tuchfabrikation beschaͤftigte Individuen; da nun Louviers nur 10,000 Einwohner zaͤhlt, so ergibt sich hieraus, daß von 2 Menschen wenigstens einer in den Fabriken arbeitet. 4. Preis des Arbeitslohnes. Der Arbeitslohn der Maͤnner betraͤgt im Durchschnitte taͤglich 1 Fr. 75 Cent. bis 2 Fr., jener der Weiber 1 Fr. bis 1 Fr. 25 Cent., und jener der Kinder 53 bis 90 Cent. 5. Umsaz. Die Groͤße des Umsazes gibt die beste Idee von der Wichtigkeit der Industrie Louviers's. 500 Webestuͤhle koͤnnen jaͤhrlich 9 bis 10,000 Stuͤk Tuch, jedes zu 40 Ellen liefern; rechnet man die Elle im mittleren Durchschnitte zu 20 bis 24 Franken, so gibt dieß eine Summe von 7,040,000 Fr. Die Spinnereien in einer Anzahl von 15 koͤnnen jaͤhrlich 27,000 Stuͤk Tuch spinnen, was einen Umsaz von 1 Million Fr. gibt. In den Faͤrbereien faͤrbt man taͤglich 60 Stuͤk Tuch, was jaͤhrlich einen Ertrag von 1,200,000 Fr. gibt. Die Kardaͤtschenfabrik der HH. Hache und Bourgeois ist zuverlaͤssig die groͤßte in ganz Frankreich, und beschaͤftigt in Louviers und anderwaͤrts 150 Arbeiter. Die 3 mechanischen Werkstaͤtten machen jaͤhrlich fuͤr 300,000 Fr. Geschaͤfte. Rechnet man alle diese Punkte zusammen, so gibt dieß einen jaͤhrlichen Umsaz von 9,840,000 Fr. Wir wollen nun sehen, was Louviers zur Ausstellung brachte, und auch hiebei wie bisher die alphabetische Ordnung befolgen. 1) Hr. D. Chennevière, fruͤher Associé des Hauses Desfrèches und Chennevière, als welcher er im Jahre 1827 die silberne Medaille erhielt, hat seit 1829 die ganze Leitung dieses Hauses uͤbernommen. Seine Fabrik erzeugt gegenwaͤrtig jaͤhrlich beilaͤufig 1000 Halbstuͤke Tuch von blauer und anderer Farbe, die Elle zu 16 bis 50 Fr. Zahl der Arbeiter 150. Ausgezeichnet sind seine blauen und dunkelgruͤnen Tuͤcher aus Electoralwolle und aus einem Gemenge von saͤchsischer und franzoͤsischer Wolle; ferner seine krapprothen, croisirten Tuͤcher fuͤr das Militaͤr, seine Cuir-laines, seine Casimirs à mille raies, die cotelirten Casimirs etc. Leztere Art von Zeugen, an denen ein Theil der Kette aus Baumwolle besteht, sind seit zwei Jahren sehr in Gunst, und werden in Louviers nur von Hrn. Chennevière, Hrn. Jourdain und Hrn. Ribouleau erzeugt. Hr. Chennevière erhielt auch dieß Mal die silberne Medaille von der Jury. 2) Die HH. Bruͤder Dannet und Comp. erzeugen jaͤhrlich 900 bis 1000 Halbstuͤke feines Tuch, und beschaͤftigen 200 Individuen. Der Stifter der Fabrik erhielt im Jahre 1819 die silberne, und im Jahre 1823 die goldene Medaille; leztere erhielten die Nachfolger auch dieß Mal fuͤr ihre ausgezeichneten feinen und superfeinen Tuͤcher. 3) Die HH. Descous-Vonrnohet und Comp. besizen in Louviers eine Fabrik und in Paris ein Detailhandelsgeschaͤft. Sie brachten nur wenig zur Ausstellung, besizen aber in ihrer eigenen Behausung eine schoͤne Sammlung der Tuchfabrikate Frankreichs. 4) Hr. Gastine Sohn erzeugt in seiner, seit dem Jahre 1816 bestehenden Fabrik jaͤhrlich gegen 400 Stuͤk feines Tuch aus franzoͤsischer Wolle, die Elle zu 28 bis 36 Fr. Er erhielt die bronzene Medaille, die seinem Vorgaͤnger schon im Jahre 1827 zu Theil wurde. 5) Die HH. Germain-Petit und Comp. erzeugen in ihrer Fabrik, welche seit dem Jahre 1823 besteht und 500 Individuen beschaͤftigt, jaͤhrlich Producte im Werthe von einer Million Franken. Sie haben die Fabrikation feiner Tuͤcher zwar nicht ganz aufgegeben; allein sie erzeugen mehr Tuch, welches sich dem Mitteltuche annaͤhert, dessen ungeachtet aber schoͤn, gut und wohlfeil ist. Louviers verdankt ihnen auch eine neue Art von Fabrikat: naͤmlich Tuͤcher zum Druke und fuͤr Meubeln aus sehr feiner franzoͤsischer Wolle, die sie fuͤr sehr maͤßigen Preis von allen Farben und seltenem Glanze liefern. Die Unternehmer richten ferner ihr Augenmerk auch vorzuͤglich auf Verbesserung der Maschinen, und einer von ihnen ist patentirter Erfinder eines Instrumentes, wodurch beim Zetteln der Ketten an Zeit und Arbeitslohn gewonnen wird. Sie fuͤhrten fruͤher auch eine neue Entfettungsmethode ein, die sich seither uͤber alle Walkmuͤhlen der Normandie ausgebreitet hat. Endlich ist dieses Haus, welches die silberne Medaille, die es erhielt, so sehr verdiente, das erste, welches den neuen Webestuhl der HH. John Collier und Magnan in Louviers in Anwendung brachte. 6) Die HH. F. Jourdain und Ribouleau behaupten schon seit langer Zeit unter Louviers Fabrikanten einen der ersten Plaͤze, und erhielten bereits zwei Mal die goldene Medaille und im Jahre 1823 den Orden der Ehrenlegion. Drei Wasserwerke, zusammen von wenigstens 80 Pferdekraͤften, und eine Dampfmaschine von 12 Pferdekraͤften (die erste, die man im Dept. de l'Eure sah) bilden die Triebkraͤfte ihrer ausgebreiteten Anstalt, in der sie 1000 bis 1200 Arbeiter beschaͤftigen, und deren Anzahl unverzuͤglich nach Verbesserung einiger Wasserwerke noch bedeutend wachsen wird. – Ihre Fabrikation umfaßt die feinen, superfeinen und extrafeinen Tuͤcher von allen Farben von 5/4 Breite, die Elle von 16 bis zu 30 Franken. Damit verbinden sie aber auch die sogenannten Draps de fantaisie, von denen wir schon oben bei Hrn. Chennevière sprachen; auch gelang es ihnen, den Cuirs-de-laine einen hohen Grad von Schoͤnheit und Dauerhaftigkeit zu geben. Wenn die Unternehmer dieser Anstalt auch große Opfer brachten, so finden sie doch in dem allgemeinen Lobe ihrer Fabrikate, die nicht bloß in Frankreich geschaͤzt sind, sondern die auch nach Belgien, Holland, Rußland, Deutschland, der Schweiz, Italien, Spanien und Amerika gehen, eben so großen Lohn. Selbst Englaͤnder und Belgier gaben auf die ersten Sorten, welche in diesem Jahre ausgestellt waren, Bestellungen, und mehrere franzoͤsische Fabrikanten verschafften sich dieselben, wie es scheint, als Muster. Die Jury ertheilte ihnen wiederholt die silberne Medaille. 7) Hr. Lecouturier hat ein ganz anderes Verdienst, als die vorhergehenden Fabrikanten, denn er verfertigt ordinaͤrere Waare, die sich jedoch nicht bloß durch Wohlfeilheit, sondern auch durch Guͤte auszeichnet, und die deßhalb auch im Auslande gesucht ist. Die Idee dieses Fabrikanten statt der feinen Tuͤcher, welche Louviers bisher beinahe ausschließlich erzeugte, Mittel- und ordinaͤre Waare zu wohlfeileren Preisen zu fabriciren, zeigt, daß er den Geist der Zeit, in der wir leben, gehoͤrig erfaßt hat. Er erzeugt, indem er 200 Arbeiter beschaͤftigt, jaͤhrlich gegen 30,000 Ellen Tuch, wovon mehr in das Ausland geht, als im Inlande verkauft wird. Die Wolle, die er verarbeitet, stammt aus dem Beauce, der Brie und von franzoͤsischen Merinosschafen. Der Preis seiner Tuͤcher, deren Appret ausgezeichnet ist, wechselt von 17 bis zu 21 Ellen. Die Jury ertheilte Hrn. Lecouturier die silberne Medaille. 8) Hr. P. Odiot, ehemals Associé des Hrn. Dannet, gegenwaͤrtig Vorstand der Fabrik des Hrn. Ternaux in Louviers, beschaͤftigt 130 Arbeiter, und erzeugt jaͤhrlich 600 Halbstuͤke Tuch von verschiedenen Sorten bis zum Preise von 16 Fr. herab. 9) Die HH. Poitevin und Sohn besizen eine mit Wasser betriebene Fabrik, in der sie mit 125 Arbeitern jaͤhrlich 600 Stuͤk zu 20–22 Ellen erzeugen. Sie erhielten fuͤr ihre schoͤnen Fabrikate, die zum Theil aus fremder, groͤßten Theils aber aus franzoͤsischer Wolle gewebt sind, und deren Preise von 28 bis zu 55 Fr. wechseln, die silberne Medaille. 10) Die HH. Viollet und Jeuffrin arbeiten mit 300 Arbeitern, und koͤnnen dessen ungeachtet kaum den ihnen werdenden Auftraͤgen genuͤgen. Sie erzeugen nur feine Tuͤcher, die sie, damit man ihren Werth genau schaͤzen koͤnne, und damit sie keinen Glanz bekommen, der beim Decatiren wieder verschwindet, nicht heiß pressen. Die Jury ertheilte ihnen die silberne Medaille. (Fortsezung folgt.)