Titel: Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken.
Fundstelle: Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XXIX., S. 144
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XXIX. Ansichten verschiedener franzoͤsischer Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr ihre Fabriken. Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur universel. (Fortsezung von Bd. LVII. Heft 1, S. 74.) Gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich. IV. Ueber die Tuch- und Wollenwaaren-Fabrikation. 16. Aussagen des Hrn. Ad. David, Abgeordneten eines Theiles der Kaufleute und Fabrikanten von Reims. Reims verarbeitet jaͤhrlich die Fließe von 3 Millionen Schafen, d.h. den 9ten Theil der in Frankreich erzeugten Wolle; oder 14 bis 15 Mill. Kilogr. rohe Wolle zu 2 Fr. 50 Cent. bis 2 Fr. 60 Cent. der Kilogr., oder beinahe 4 Mill. Kilogr. heiß gewaschene Hollen, die sich auf folgende Weise classificiren: 2,250,000 Kilogr. heiß gewaschene Wolle zu 9 Fr., Werth 20,250,000 Fr.,geben Kammwollzeuge fuͤr 35 Mill. Fr.    700,000   – heiß gewaschene Wolle zu 12 Fr., Werth 8,400,000 Fr.,geben Merinos fuͤr 15     –    800,000   – heiß gewaschene Wolle zu 10 Fr., Werth 8,000,000 Fr.,geben Kammwollgespinnste fuͤr 10     – –––––––––––––– ––––––––– 3,750,000 Kilogr. heiß gewaschene Wolle im Werthe von 36,650,000 Fr.gehen mithin Fabrikate fuͤr 60 Mill. Fr. Die aus kardaͤtschter Wolle erzeugten Artikel sind: Napolitaͤnen, Gesundheitsflanelle, Circassiennen, gedrukte Tuͤcher und Casimirs, Gilets, glatte 5/8 Casimirs und Tuͤcher, Castor-Raz, Wollendeken. Die Napolitaͤnen sind ein glatter, nicht gewalkter, in Stuͤken gefaͤrbter und fuͤr Frauenzimmerkleider bestimmter Zeug; man verfertigt sie erst seit 10 Jahren, und sie haben dermalen einen solchen Aufschwung und eine solche Vollkommenheit erreicht, daß sie beinahe die Haͤlfte der aus kardaͤtschter Wolle erzeugten Fabrikate bilden. Reims erzeugt sie fuͤr ganz Frankreich, und ein großer Theil davon wird nach der Schweiz, nach Italien, Piemont und Spanien ausgefuͤhrt. Nicht in diesem Artikel selbst, wohl aber in anderen aͤhnlichen Fabrikaten hat Reims im Auslande Concurrenz zu fuͤrchten; im Inlande waͤre hauptsaͤchlich die Concurrenz der englischen glatten und façonnirten Stoffe aus der langen und seidenartigen Wolle zu fuͤrchten. Uebrigens ließen sich aus diesen glatten Zeugen auch sehr leicht gedrukte fabriciren, die dann die Stelle der Calicos vertreten koͤnnten, und bei ihrer Waͤrme, Dauerhaftigkeit und Wohlfeilheit ihnen gewiß haͤufig den Rang streitig machen wuͤrden. Es ist dieß keine leere Idee; denn schon im gegenwaͤrtigen Jahre wurde beinahe der zwanzigste Theil dieser Fabrikate zu Shawls, Maͤnteln u. dergl. gedrukt, waͤhrend im vergangenen Jahre (1833) kaum der sechzigste Theil zum Druke verwendet ward. Die Flanelle sind englischen Ursprunges, und selbst die franzoͤsischen wurden lange als englische verkauft: noch vor wenigen Jahren gab man z.B. den in Reims fabricirten, sogenannten Bolivards einen Theergeruch, um glauben zu machen, sie kaͤmen aus England. Man hat uͤbrigens glatte und croisirte Flanelle. Die Englaͤnder erzeugen welche von 1 bis zu 6 Fr. die Elle; die Waare, die sie zu 1 bis 2 1/4 Fr. verkaufen, fabriciren sie aus Landwolle, und wir koͤnnen weder der Qualitaͤt, noch dem Preise nach etwas Aehnliches aufweisen, indem die wohlfeilsten Reimser Flanelle 2 1/4 Fr. gelten. Die englischen Flanelle zu 2 3/4 bis 3 1/4 Fr., welche aus einem Gemenge von Land- und Merinoswolle verfertigt werden, verdienen vor unserem Fabrikate von gleichem Preise den Vorzug; dafuͤr werden aber die Flanelle, die uͤber 3 1/4 Fr. gelten, in Reims besser fabricirt, weßwegen auch deren Ausfuhr nach der Schweiz, nach Italien, Spanien, Nord- und Suͤdamerika bedeutend ist. Die englischen Flanelle haben vor den unserigen den Vorzug, daß sie sich nicht filzen, und daß sie im Wasser nicht eingehen; dem duͤrfte jedoch bald abgeholfen seyn, indem man gegenwaͤrtig zu Reims die Flanelle mit Dampf behandelt, und sie dann uͤber einen erhizten Cylinder spannt, statt sie auf Rahmen in die Laͤnge und Breite zu ziehen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Flanelle, die auf diese Weise behandelt worden, gewaschen und eingeseift werden koͤnnen, ohne in der Laͤnge oder Breite zu verlieren; ich bin daher der Ueberzeugung, daß unsere Flanelle, wenn dieses Verfahren ein Mal allgemein bekannt seyn wird, bedeutend an Absaz gewinnen werden, indem sie weicher und markiger sind, als die englischen, denen sie uͤberhaupt nur im Verhalten im Wasser nachstanden. Die niedrigsten Sorten von Flanellen, die in England so wohlfeil und bei uns gar nicht erzeugt werden, finden auf unseren Maͤrkten keinen Absaz, weil der Gebrauch von Flanell noch nicht bis zu den untersten Classen gedrungen, und die reicheren ein besseres Fabrikat vorziehen. Ich glaube daher auch, daß man die Einfuhr der englischen Flanelle gegen einen gehoͤrigen Zoll freigeben koͤnnte, ohne den Fabriken in Reims dadurch zu schaden; ja ich glaube sogar, daß hiedurch der Verbrauch an Flanell unter der aͤrmeren Classe erhoͤht, und somit die Fabrikation selbst beguͤnstigt werden wuͤrde. Die Circassiennen waren vor 9 Jahren eines der wichtigsten Fabrikate von Reims; seither hat aber deren Verbrauch bedeutend abgenommen, weil die Preise in den Jahren 1826 und 28 wegen des damaligen Sinkens der Wollenpreise und der Ueberfuͤllung der Magazine außerordentlich gesunken waren, und weil man sich spaͤter um so weniger zu Preisen, die um 30 bis 40 Proc. hoͤher gestiegen waren, entschließen konnte, als die Mode bereits voruͤber war. Uebrigens erzeugt das Ausland keine Circassiennen, die mit den unseren Concurrenz halten koͤnnten; nur die fremden Lastings und leichten Tuͤcher thun ihnen Eintrag. Gedrukte Gilets, Tuͤcher und Casimirs sind seit einigen Jahren in Schwung, und deren Fabrikation ist noch fortwaͤhrend im Zunehmen: ein großer Theil davon geht nach Belgien, Piemont und hauptsaͤchlich Italien, wo man ihnen wegen der Farben und der geschmakvollen Dessins den Vorzug gibt. Die glatten Tuͤcher und 5/8 Casimire, die Castor-Razen, die façonnirten Gilets und Deken waren mit dem schwarzen Flanelle und Borats, welche beide nach Spanien gingen, vor 18 Jahren die vorzuͤglichsten Fabrikate von Reims; jezt kennt man sie aber beinahe nur mehr dem Namen nach. Die Casimire wurden durch die Tuͤcher von Elbeuf und den suͤdlichen Provinzen verdraͤngt; die Ausfuhr von Borat und breitem Flanelle nach Spanien hat aufgehoͤrt; und fuͤr die façonnirten Gilets beduͤrfte man englischer Gespinnste, die der franzoͤsische Fabrikant nicht einschmuggeln will. Wurde man die Einfuhr dieser Gespinnste gegen einen maͤßigen Zoll freigeben, so wuͤrde auch dieser Industriezweig, in welchem Reims nur mehr 3 oder 4 Fabrikanten zaͤhlt, bald wieder aufbluͤhen. Die Fabrikation von Wollendeken hat sich beinahe um 5/7 vermindert, indem es ihr an den groben Wollen, die die Champagne ehemals lieferte, fehlte, und weil der hohe Zoll von 33 Proc. deren Einfuhr von Außen hinderte. Dazu kommt aber noch die Errichtung von derlei Fabriken im Suͤden Frankreichs und Paris, von denen erstere in Hinsicht auf den Rohstoff, und leztere in Hinsicht auf den Absaz besser gelegen sind. Wuͤrde der Zoll auf die fremden Wollen aufgehoben, so wuͤrde auch dieser Industriezweig bald wieder emporbluͤhen. Aus allem diesem ergibt sich, daß die Fabriken von Reims in jenen Artikeln, die sie aus kardaͤtschter Wolle erzeugen, nur in Hinsicht auf die gewoͤhnlichen Flanelle von Seite des Auslandes eine Concurrenz zu fuͤrchten haben; und daß gerade die wichtigsten Fabrikate nur von kurzer Zeit her ihren Ursprung datiren. Ich muß hiezu noch bemerken, daß die Fortschritte der Fabrikation, sowohl was die Guͤte, als was die Wohlfeilheit betrifft, ununterbrochen waren; denn bei gleichen Wollenpreisen stehen jezt die Waarenpreise im Vergleiche mit jenen im Jahre 1826 und 27 um 25 Proc. niedriger, als damals. Es ist dieß dem andauernden Eifer der Fabrikanten, den Verbesserungen der Spinnereien, die nirgend anderswo aus gleicher Wolle eben so feine und glatte Faͤden spinnen, dem niedrigen Arbeitslohne und der Gewandtheit der Arbeiter zuzuschreiben. Die Merinosfabrikation nahm in Reims ihren Ursprung, und machte innerhalb 25 Jahren solche Fortschritte, daß man gegenwaͤrtig fuͤr 8 Fr. zahlt, was man fruͤher fuͤr 50 zahlte. Spaͤter entstanden aͤhnliche Fabriken in der Picardie, von denen sich dasselbe sagen laͤßt. Die franzoͤsischen Merinos haben wegen des besseren Kaͤmmens und Spinnens der Wolle, der besseren Weberei, der besseren Farbe und des besseren Appretes vor allen auslaͤndischen den Vorzug; die feineren Sorten erfahren nirgendwo eine Concurrenz, und des hohen Zolles von 25 Proc. ungeachtet gehen jaͤhrlich fuͤr 1 – 2 Mill. Fr. nach England. In den ordinaͤren Sorten hingegen haben die Sachsen auf vielen Maͤrkten einen Vorsprung von 8 bis 10 Proc. vor uns voraus. In Sachsen kauft, kaͤmmt und spinnt der Spinner die Wolle; der Fabrikant kauft und verwebt die Gespinnste, faͤrbt und appretirt die Gewebe, und versendet sie dann nach dem In- und Auslande. In Reims hingegen gibt es Wollenhaͤndler, Fabrikanten, welche bloß kaͤmmen, bloß spinnen, bloß weben, faͤrben und appretiren, und Kaufleute. Diese Organisation erklaͤrt die Vollkommenheit unserer, und die Wohlfeilheit der saͤchsischen Fabrikate. In Sachsen ist die Merinosfabrikation erst 15 Jahre alt; die ersten Unternehmer waren die HH. Weiß und Kramer, die das englische Spinnsystem einschlugen, welches sich jedoch fuͤr die Merinosfabrikation ganz und gar nicht eignet. Seit Frankreich die fremden Wollen mit einem Zoll von 33 Proc. belegte, hat aber die Wollenwaaren-Fabrikation daselbst große Fortschritte gemacht, so wie auch in einem Theile von Bayern und Wuͤrtemberg. Man hat in jenen Gegenden gute Wollen, franzoͤsische Maschinen von Rethel und Paris, franzoͤsische Werkfuͤhrer und wohlfeile Arbeiter. Die Kaͤmmer, Spinner und Weber sind jedoch nicht so gewandt, als die unserigen, so daß man in Sachsen Wollen, die man in Frankreich zu 80 spinnen wuͤrde, nur zu 50 spinnt. Kurz die Sachsen sind uns bei den niedrigeren Sorten um 8 bis 10 Proc. voraus, waͤhrend sie uns in jenen Sorten, die 7 Fr. und daruͤber gelten, weit nachstehen. – Was England betrifft, so hat die Merinosfabrikation daselbst einen Aufschwung bekommen; es besteht nur eine einzige Fabrik, und diese kann bei einem Zoll von 25 Proc. kaum mit uns Concurrenz halten. Der Grund hievon liegt darin, weil sich ihr Spinnsystem fuͤr die langen und nicht fuͤr die Merinoswollen eignet; weil der Arbeitslohn daselbst viel theurer ist; weil das Kaͤmmen und Spinnen folglich viel theurer kommt; und endlich weil ihre Arbeiter hierin noch nicht so gewandt sind, wie die unserigen. Uebrigens haben die Englaͤnder neuhollaͤndische Wolle, die unseren besten Wollen gleichkommt, und deren wir uns gleichfalls bedienen koͤnnten, wenn die Zoͤlle, die darauf lasten, aufgehoben wuͤrden. Ich weiß zwar, daß ein Reimser Fabrikant, der kuͤrzlich nach England ging, fuͤrchtet, die Englaͤnder moͤchten uns in Folge der Erfindung einer verbesserten Maschine zum Kaͤmmen der Wolle bald uͤbertreffen; ich weiß jedoch, daß diese fuͤr die langen Wollen bestimmte Maschine in ihrem gegenwaͤrtigen Zustande nicht auf die Merinoswollen angewendet werden kann, und daß sie selbst bei den langen englischen Wollen so wenig Vortheil gewaͤhrt, daß sich noch keine der großen Fabriken von Bradford entschloß sich ihrer zu bedienen. Uebrigens hat Hr. Griolet auch diese Maschine nach Frankreich verpflanzt; er beschaͤftigt sich gegenwaͤrtig mit solchen Modificationen derselben, die unsere Wollen erfordern, fuͤrchtet aber hiebei auf große Schwierigkeiten zu stoßen. – Kurz Reims fuͤrchtet in den feineren Merinossorten gar keine fremde Concurrenz, und begnuͤgt sich bei den ordinaͤren Sorten mit einem maͤßigen Schuzzolle. Die englischen Merinos aus langer Wolle habe ich hier uͤbergangen, weil sie mit unseren Fabrikaten nichts gemein haben, und nur mit den EscortsEscots von Amiens zu vergleichen sind. Ich habe nun nur noch von unserer Erzeugung von gekaͤmmter Wolle, die sich abgesehen von dem, was zu Merinos verarbeitet wird, jaͤhrlich auf 10 Mill. Fr. belaͤuft, zu sprechen. Auch in dieser Beziehung ist Reims noch der einzige Centralpunkt in Frankreich, indem man an anderen Orten nur einzelne Niederlassungen dieser Art findet. Dieser Industriezweig gewinnt jaͤhrlich groͤßere Ausdehnung, weil die Kammwollen nun nicht mehr lediglich zu schweren und warmen Zeugen, wie die Merinos sind, sondern auch zu den duͤnnsten und leichtesten Zeugen, den sogenannten Bareges, Wollenmousselinen etc., verwendet werden. Sollten daher auch die Merinos nach und nach aus der Mode kommen, so wuͤrde die gekaͤmmte Wolle dennoch zu einer großen Menge anderer Zeuge verarbeitet werden koͤnnen. Nach allem diesem kann ich daher mit vollem Vertrauen die Ersezung des Einfuhrverbotes durch einen Schuzzoll verlangen, damit man in Frankreich und anderwaͤrts sehe, daß Reims weder der Schmuggelei, noch des Prohibitivsystemes beduͤrfe; ich verlange sie, weil es gut seyn duͤrfte nach 20 Jahren ein industrielles Inventar unseres Landes aufzunehmen, damit zu Tage komme, welche Industriezweige sich im Schatten des Einfuhrverbotes am meisten hoben, welche dem Lande den meisten Nuzen brachten, und auf welche sich in Zukunft die Capitalien und Kraͤfte des Landes wenden koͤnnten, anstatt sich in weniger fruchtbaren Unternehmungen zu vergeuden und zu versplittern. Ich verlange sie hauptsaͤchlich, damit mit ihr alle die Fesseln, in welche die Industrie geschlagen ist, fallen. Da aber bei allem dem ein ploͤzliches Eintreten einer Maßregel dieser Art vielen Anstalten, die waͤhrend des Schuzes des Prohibitivsystemes und im Vertrauen auf dasselbe erstanden, dennoch toͤdtlich werden koͤnnte, so muß mit Vorsicht und Schonung zu Werke gegangen werden. Nach meiner Ansicht sollten nach drei Jahren die auf die Rohstoffe gelegten Zoͤlle jaͤhrlich um ein Drittheil herabgesezt werden, so daß sie am Ende nur mehr so viel Graͤnzzoll zahlen, als der Producent im Inlande fuͤr deren Erzeugung bezahlt. Nach Ablauf dieser drei Jahre sollte das Verbot, welches auf den Gespinnsten lastet, aufgehoben und durch einen maͤßigen Zoll ersezt werden; noch ein Jahr spaͤter sollte dann die Einfuhr der Gewebe gegen Zoͤlle freigegeben werden, die verhaͤltnißmaͤßig groͤßer waͤren, als die auf die Gespinnste gelegten. Der bei der Einfuhr der rohen Zeuge bezahlte Zoll sollte bei der Ausfuhr ruͤkverguͤtet werden, wo dann die fremden Fabriken bald in Hinsicht auf Faͤrberei und Druk von uns abhaͤngig werden wuͤrden, indem die franzoͤsischen Chemiker und Dessinateurs anerkannt die ersten sind, und indem die Moden nicht von London, sondern von Paris ausgehen. Diese Erklaͤrungen habe ich im Auftrage von 65 Fabrikanten zu machen. Ich weiß zwar, daß bei der Versammlung der Handelskammer in Reims die Majoritaͤt einer anderen Ansicht war, und fuͤr die Beibehaltung des Einfuhrverbotes stimmte; allein viele schlossen sich der Majoritaͤt an, und erklaͤrten noch denselben Abend, daß sie entgegengesezter Ansicht waͤren, und gegen 40 Personen, die der Versammlung nicht beiwohnten, schlossen sich der Erklaͤrung, die ich gab, vollkommen an. Ich erlaube mir in Bezug auf den Einfluß des Zolles auf die fremden Wollen noch einige Bemerkungen zu machen, die meinen Vorgaͤngern entgangen zu seyn scheinen. Die Wollenpreise waren zur Zeit der Schur, wo der Landmann sein Erzeugniß realisirte, nie so hoch, daß fremde Wolle nach Frankreich eingefuͤhrt werden konnte; sondern die Einfuhr erfolgte alle 2–3 Jahre vom Oktober bis zum Mai, wenn sich Speculanten der inlaͤndischen Wolle bemaͤchtigt und ein bedeutendes Steigen ihrer Preist veranlaßt hatten. Die hohen Preise, die eine Einfuhr gestatteten, dauerten nie lange, und die Menge der eingefuͤhrten Wollen erzeugte dann ein bedeutendes Fallen der Preise, so daß es ganz richtig ist, daß der Zoll nichts weniger als der Landwirthschaft zu Gunsten und Nuzen kam, sondern daß nur ein bestaͤndiges und enormes Schwanken in den Preisen daraus entstand. Wenn die Wollenpreise im Inlande so gestiegen waren, daß sie um 33 Proc. hoͤher standen, als im Auslande; wenn eine zu große Menge fremder Wollen eingefuͤhrt worden war, so suspendirte der Fabrikant in der Voraussicht eines außerordentlichen Fallens der Preise, seine Geschaͤfte; es folgte dann ein Sinken der Preise der Wollenwaaren, und dieses bewirkte ein Sinken der Preise der Gespinnste und des Arbeitslohnes: so daß oft ein Fabrikat innerhalb 6 Monaten an der Wolle 30, am Spinnen 50, und an Arbeitslohn 30 Proc. weniger kostete, als fruͤher! Daß ein solcher Zustand der Industrie nicht guͤnstig ist; daß er vielmehr die verderblichsten Krisen und den Ruin vieler Fabrikanten herbeifuͤhren muß, erhellt von selbst, abgesehen von dem graͤnzenlosen Elende, welches fuͤr den von einem zum anderen Tage lebenden Arbeiter daraus erwaͤchst. Wie kann man sich hiebei noch daruͤber wundern, daß der franzoͤsische Fabrikant einen groͤßeren Gewinn nehmen muß, als der Auslaͤnder; und daß die Production bei uns manchmal ploͤzlich unterbrochen wird? Ohne freie Einfuhr der Rohstoffe gibt es keine Sicherheit der Arbeit, und ohne diese kein Wohlbefinden und keine Ordnung im Leben des Arbeiters, keine Ersparniß in der Production, weil die Capitalien bei den großen Gefahren, die sie laufen, große Interessen fordern, und endlich auch keinen ausgedehnten Credit, der doch das Belebende der Industrie ist. Wenn die Fabrikanten von Reims auch uͤber die Aufhebung des Einfuhrverbotes getheilter Ansicht waren, so waren sie doch uͤber die Aufhebung der Zoͤlle auf die Rohstoffe alle einstimmig. Moͤge man daher ein System verlassen, welches nach 8jaͤhriger Erfahrung der Landwirthschaft nicht von Nuzen war, eine große Menge von Fabrikanten zu Grunde richtete, das periodisch wiederkehrende Elend der Arbeiter bewirkte, und nur das Spiel und den Wucher beguͤnstigte. 17. Aussagen des Herrn Camu Sohn, Abgeordneten der Handelskammer von Reims. Ich zweifle nicht an der Richtigkeit der Daten, die Hr. David lieferte, obschon ich dieselben nicht genau kenne. Die Handelskammer von Reims, deren Organ ich bin, weicht in ihren Ansichten von der Minoritaͤt, die Hr. David repraͤsentirte, nicht sowohl im Wesen, sondern vielmehr nur in Hinsicht auf Formen und Zeit ab. Auch wir sind weit entfernt, das Prohibitivsystem fuͤr immer zu unserem Schuze in Anspruch zu nehmen; allein im gegenwaͤrtigen Augenblike, und so lange die Verhaͤltnisse, unter denen wir uns jezt bewegen, fortbestehen, koͤnnte die Aufhebung dieses Systemes nur von nachtheiligen Folgen fuͤr unsere Fabriken seyn. Wenn eine Reform nothwendig ist, so muß sie von Grund aus begonnen werden; uͤbrigens sehen wir nicht ein, warum wir so sehr eilen sollen ein System zu aͤndern, unter welchem saͤmmtliche Industriezweige bisher im Gedeihen begriffen waren. Ließen wir es auf irgend eine Weise an Aufmunterung fehlen, und schritten wir nicht rasch genug auf der Bahn der Verbesserungen vorwaͤrts? Wenn auch viele unserer Fabrikate noch hoͤher im Preise stehen, so liegt die Ursache davon nicht in einem Mangel an Thaͤtigkeit und Gewandtheit unserer Fabrikanten, sondern in den hohen Preisen der Rohstoffe, in der Unvollkommenheit unserer Communicationsmittel, in der Vertheilung und den hohen Interessen der Capitalien, und in vielen anderen, bereits von mehreren meiner Vorgaͤnger entwikelten Gruͤnden. Ist es in dem Augenblik, wo die deutschen Staaten sich gegen England, Belgien und gegen uns verbinden, indem sie ihre Zoͤlle erhoͤhen, Zeit die unserigen herabzusezen? Und welchen Vortheil koͤnnen wir Fabrikanten von lebhafteren Verbindungen mit Laͤndern erwarten, deren natuͤrliche Austauschmittel in ihren Manufacturproducten bestehen? Wir haben nichts dabei zu gewinnen, wohl aber bedeutend zu verlieren. Wir koͤnnen wohl die langen englischen Wollen, die Frankreich nicht erzeugt, die englischen Steinkohlen und einen Theil der Producte der englischen Colonien brauchen; allein die englischen Gewebe muͤssen wir zuruͤkweisen, indem bereits unsere eigenen Fabriken mehr hievon erzeugen, als das Land verbraucht. England ist uns in der Fabrikation mancher Zeuge voraus, in der Fabrikation anderer steht es uns aber nach; wenn es dessen ungeachtet die Einfuhr dieser lezteren nicht verbietet, so geschieht dieß in der Ueberzeugung, die es in Allem, was die Fabrikation betrifft, von seiner Superioritaͤt hat, und weil es sehr wohl weiß, daß es am Ende des augenbliklichen Kampfes dennoch immer Sieger bleiben wird. Man sehe nur, wie es mit dem Seidenhandel erging: waͤhrend wir im Jahr 1827 noch eine große Menge glatter Seidenzeuge nach England ausfuͤhrten, belaͤuft sich deren Ausfuhr gegenwaͤrtig kaum mehr auf den vierten Theil; und dieß ruͤhrt nicht von einem verminderten Verbrauche dieser Zeuge, sondern davon her, daß auch dieser Fabrikationszweig in England seither einen hoͤheren Aufschwung gewann. Ehe noch drei Jahre vergehen, duͤrfte sich unsere Ausfuhr nach England hierin lediglich auf Gegenstaͤnde der Mode und der Phantasie beschraͤnken. Ich stuͤze mich hiebei auf die Angaben eines der ersten Handelshaͤuser in Paris; und wenn auch die Mauthregister ein fortwaͤhrendes Steigen der Ausfuhr von Seidenwaaren nach England angeben, wie denn die Ausfuhr im Jahr 1833 sich auf 17,700,000 Fr. belaufen haben soll, so ist doch zu beruͤksichtigen, daß die Spediteurs, die hier keine Praͤmie beziehen und nur ein einfaches Waggeld zu bezahlen haben, kein Interesse dabei haben, den eigentlichen Werth anzugeben. Im Jahr 1827, wo der Einfuhrzoll in England 15 Schill. betrug, war die Schmuggelei von Seidenwaaren sehr vortheilhaft; und um die englischen Mauthen nicht aufmerksam zu machen, gab man die ausgefuͤhrten Waaren natuͤrlich auch auf den franzoͤsischen Mauthen nicht an, so daß die Mauth folglich nicht genau wissen konnte, wie groß die Ausfuhr an Seidenwaaren fruͤher war. Seit dem Jahr 1829 oder 30 hingegen, wo der Zoll auf 11 Schill. reducirt wurde, hat die Schmuggelei so abgenommen, daß nun beinahe die ganze Ausfuhr an den franzoͤsischen Mauthen declarirt wird. Die von Seite Englands beschlossene Umwandlung des Einfuhrverbotes der franzoͤsischen Seidenwaaren in einen Schuzzoll erzeugte daselbst anfaͤnglich eine heftige Krise, in Folge deren viele in diesem Fache arbeitende Haͤuser zu Grunde gingen, weil diese Fabrikation in England noch nicht genug Grund gefaßt hatte; seither rafften sich aber die uͤbrig gebliebenen so auf, daß wir immer mehr und mehr gegen sie zuruͤkweichen muͤssen, und dieß konnte um so leichter geschehen, als man mit der Aufhebung des Einfuhrverbotes auch die Zoͤlle, die auf den Rohstoffen lasteten, beseitigte. Ich ziehe hieraus den Schluß, daß, wenn es sich um Fabrikation handelt, die Englaͤnder uns unstreitig uͤberlegen sind, und daß wir uns durch ein falsches Ehrgefuͤhl nicht hindern lassen sollen, zu gestehen, daß, wenn die Englaͤnder gleiche Dinge mit uns fabriciren, sie uns bald gleich kommen, und uns sogar uͤbertreffen werden, wenn wir ihnen fruͤher auch um einige Jahre voraus waren. Dieß wuͤrde unstreitig auch bei der Merinosfabrikation der Fall seyn, obschon einige wenige Fabrikanten, die mehr die Gegenwart, als die Zukunft im Auge haben, anderer Meinung sind. Wenn sich die Englaͤnder bisher noch nicht mit diesem Industriezweige beschaͤftigten, so ruͤhrt dieß davon her, weil sie bis zur Stunde noch nicht dazu getrieben wurden, und weil der Verbrauch dieser Fabrikate in England noch nicht groß ist. Schon jezt fangen sie aber an, alle unsere Fabrikate dieser Art nachzuahmen, und nicht ohne Erfolg; wir sind uͤbrigens gegenwaͤrtig allerdings noch so weit voraus, daß wir selbst bei dem Zolle von 15 Proc., den die franzoͤsischen Merinos in England zahlen, eine ansehnliche Menge davon dahin versenden. Der Grund unserer Superioritaͤt in diesem Fache ist den Englaͤndern noch nicht genug bekannt; allein sie werden ihn kennen lernen, und ihm leicht abzuhelfen wissen. In den Wollen ist es nicht gelegen, denn, wenn auch die Englaͤnder hauptsaͤchlich nur lange Wollen haben, die sich nicht hiezu eignen, so koͤnnen sie sich doch leicht und wohlfeiler als wir die besten Wollen dazu aus Deutschland verschaffen. Ueberdieß liefert Neuholland gegenwaͤrtig Wollen, die allen Anforderungen entsprechen; die ersten Einfuhren derselben, die auf das Jahr 1827 fielen, betrugen nur 1000 Ballen, seither stiegen sie aber so bedeutend, daß sie sich im Jahr 1833 schon auf 25 bis 28,000 Ballen beliefen; noch groͤßeren Sendungen sah man im Jahr 1834 entgegen, und wie weit diese Einfuhr steigen wird, laͤßt sich noch gar nicht abnehmen. Die neuhollaͤndischen Wollen haben mehr Koͤrper und zugleich mehr Seidenartiges, als die unserigen; die Abfaͤlle beim Kaͤmmen sind geringer, und der daraus gesponnene Faden ist gleicher und fester. Wir kauften kuͤrzlich zu Liverpool 200 Ballen solcher Wolle; sie kam uns mit der Mauth von 22 Proc., den Transport- und Commissionskosten doch noch um 5 Sous wohlfeiler als franzoͤsische Wolle von gleicher Qualitaͤt. – Wir hatten fruͤher in der Merinosfabrikation in Folge des niedrigeren Arbeitslohnes einen bedeutenden Vortheil vor den Englaͤndern voraus; denn das Kaͤmmen der Wolle und das Weben der Stoffe mußte bisher mit der Hand geschehen. Bei der Festigkeit und Regelmaͤßigkeit ihrer Gespinnste konnten die Englaͤnder aber in neuerer Zeit statt der Handweberei den mechanischen Webestuhl einfuͤhren, waͤhrend wir mit der Handweberei fortfahren. In neuester Zeit verwenden sie auch zum Kaͤmmen der Wollen eine Maschine, die die entsprechendsten Resultate gibt. Im Jahr 1832 waren zu Leeds und zu Bradford nur drei solcher Maschinen in Thaͤtigkeit; gegenwaͤrtig zaͤhlt man ihrer aber bereits 60; denn, obgleich sie anfangs nur zum Kaͤmmen der langen Wollen benuzt wurden, so verarbeiten sie nunmehr doch auch eben so leicht die Merinoswollen, wie dieß die Versuche beweisen, die zu Paris mit einer von Hrn. John Collier eingefuͤhrten und durch ein Einfuͤhrungspatent gesicherten Maschine angestellt wurden. Im Vorbeigehen erlaube ich mir hier die Bemerkung, daß unser Patentgesez sehr mangelhaft ist. Derjenige naͤmlich, der eine neue Maschine oder ein neues Verfahren einfuͤhrt, der oft kein anderes Verdienst hat, als das, daß er die Einfuhr etwas weniges fruͤher oder schneller bewerkstelligte, und der daher weder große Opfer an Geldaufwand noch an Zeit zu bringen hatte, raubt der Industrie oft die schaͤzenswerthesten Mittel oder erhebt von ihr oft Jahre lang eine unmaͤßige Auflage. Dergleichen Mißbraͤuche koͤnnen nicht streng genug geruͤgt werden. – Um wieder auf meinen Gegenstand zuruͤkzukommen erklaͤre ich, daß die Englaͤnder meiner Ansicht nach bei den verschiedenen Vortheilen, die sie in der Weberei, im Kaͤmmen und in den Rohstoffen voraus haben, uns in der Merinosfabrikation nicht nur bald erreichen, sondern sogar uͤbertreffen werden; besonders wenn sie sich zu einigen Modificacionen in ihrem Verfahren herbeilassen. Ich kann der Commission in dieser Hinsicht Muster von Wollen, Gespinnsten und Zeugen der Bruͤder Garneß zu Bradford, welche mit 200 mechanischen Webestuͤhlen arbeiten, zur Unterstuͤzung meiner Angaben vorlegen. Ich glaubte von der Seidenwaaren- und Merinosfabrikation sprechen zu muͤssen, weil man sich hierauf stuͤzte, um zu beweisen, daß, wenn auch einige Fabriken durch die Aufhebung des Einfuhrverbotes leiden wuͤrden, die anderen nur einen um so groͤßeren Vortheil dabei finden muͤßten. Man wird hienach gestehen muͤssen, daß diese Beispiele sehr wenig zu Gunsten derer sprechen, die sich auf sie berufen. Es besteht zwischen dem Einfuhrverbot und dessen Ersezung durch einen Schuzzoll, wie hoch derselbe auch seyn mag, wenn man hiebei nur auf die Weberei Ruͤksicht nimmt, ein außerordentlicher Unterschied. Bei der gegen Zollentrichtung freien Einfuhr eroͤffnet man naͤmlich einen ausgedehnten und regelmaͤßigen Schmuggelhandel, bei welchem man im Voraus Operationen veranstalten, und fuͤr bestimmte Maͤrkte in bestimmten Zeiten Lieferungen bedingen kann. Wird der Schmuggler ertappt, so wird der Spediteur nicht nur von dem Assecuranten entschaͤdigt; sondern, wenn die Zeit zu neuen Schmuggeleien gebricht, so geben ihm die Entrepots Mittel an die Hand seine eingegangenen Verpflichtungen zu erfuͤllen, so daß er im mißlichsten Falle gezwungen ist, auf der Mauth den Zoll zu entrichten. Viele Haͤuser, die gegenwaͤrtig theils aus Gewissenhaftigkeit, theils aus Furcht, keine Lager von englischen Waaren halten wollen, werden dieß thun, wenn dieser Handel offen zugestanden ist, wenn man ihnen taͤglich Waaren zum Verkaufe anbieten wird, und wenn sich ihre Collegen damit verproviantirt haben werden. Die Concurrenz, die sie beim Verkauf erfahren werden, wird sie in Hinsicht auf die Annahme geschmuggelter Waaren weniger schwierig machen, und zwar um so mehr, da sie gar keine Gefahr dabei laufen. Sind die Magazine ein Mal versehen, so wird kein Mittel unversucht bleiben, um den Absaz zu bewirken. Ganz anders verhaͤlt sich die Sache hingegen mit Beibehaltung des Einfuhrverbotes; denn da die Waare hier in jedem Augenblike und wo man sie auch immer treffen mag, weggenommen werden kann, so werden alle regelmaͤßigen Operationen hiedurch beinahe unmoͤglich. Indem die Verkaufsperioden sehr leicht versaͤumt werden koͤnnen, und indem man nur mehr mit sehr kleinen Quantitaͤten speculiren kann, wobei man im Falle des Ausbleibens der Sendungen seine Abnehmer zu verlieren fuͤrchten muß. – Ich erwaͤhne hier gar nicht, wie leicht es den Englaͤndern werden wuͤrde, im Fall der Ueberfuͤllung ihrer Fabriken, – ein Fall der bei ihnen gar haͤufig eintritt, – unsere Maͤrkte zu uͤberschwemmen; der Vorkauf waͤre hier ohne Wirksamkeit, und nur ein vortreffliches Absazmittel. Wenn man auch die Wegnahme im Innern beibehalten wollte, so wuͤrde sie doch nur illusorisch und ohne Erfolg seyn: denn es wuͤrde sich nicht wie gegenwaͤrtig um das Auffinden der geschmuggelten Waare, sondern hauptsaͤchlich darum handeln, unter den vielen uͤber ganz Frankreich verbreiteten Waaren jene zu erkennen, die den Zoll nicht bezahlten, die Identitaͤt der Marken mit Aufmerksamkeit zu erforschen, und die tausend und tausend Listen zu ergruͤnden, deren sich ein Handel dieser Art zu bedienen pflegt. Ich zweifle daher nicht, daß man, wenn man die Sache einiger Maßen uͤberlegt haben wird, auch dieses Mittel unausfuͤhrbar finden duͤrfte. – Alles Eifers unserer Mauth ungeachtet, ist der Schleichhandel schon gegenwaͤrtig sehr bedeutend; allein er wuͤrde sich gewiß noch in außerordentlichem Verhaͤltnisse steigern, wenn sich die Kaufleute demselben mit aller Sicherheit hingeben koͤnnten. Vielleicht waͤren unsere Geseze gegen den Schleichhandel wirksamer, wenn sie strenger waͤren. In England betraͤgt im Fall der Wegnahme die Strafe den dreimaligen Werth des weggenommenen Gegenstandes; und uͤberdieß sind auch noch die ungeheuren Proceßkosten zu bezahlen. Man sucht daselbst hauptsaͤchlich den Unternehmer zu erreichen, und wenn der Schmuggler angibt, in wessen Auftrag er handelt, so wird er gewiß freigelassen. Außerdem werden die Schleichhaͤndler in England mit einer gewissen Art von Verachtung betrachtet, waͤhrend man sie bei uns in Frankreich sehr duldsam behandelt, und von der Idee ausgeht, es sey eine erlaubte und gute Kriegslist, den Staat zu betruͤgen. Die wichtigsten Artikel unserer Fabrikate sind gegenwaͤrtig unstreitig die Napolitaͤnen, wovon wir jaͤhrlich 70,000 Stuͤke zu 40 Ellen von 4/4 bis 5/4 Breite erzeugen. Die Englaͤnder fabriciren diesen Artikel, der den Merinos der mittleren Classe bildet, nicht; wohl aber erzeugen sie aͤhnliche Fabrikate aus langer Wolle, wie z.B. Stoffs, Bombasinen etc., die zu aͤhnlichem Zweke dienen. Ich bin voͤllig uͤberzeugt, daß wenn die englischen Fabrikate dieser Art nach Frankreich eingefuͤhrt werden duͤrften, die unseligen augenbliklich an Absaz verlieren wuͤrden; denn die Begierde nach dem Neuen und Fremden ist auch bei uns unvertilgbar. Die Frage, wie viele der Fabrikanten von Reims sich im Verhaͤltnisse zu deren Gesammtzahl fuͤr die Beibehaltung des Prohibitivsystems ausgesprochen haben, laͤßt sich nicht wohl ganz genau bestimmen, denn nicht alle waren bei der zur Discussion des fraglichen Gegenstandes anberaumten Versammlung zugegen. Von den 78 bis 80, welche gegenwaͤrtig waren, erklaͤrten sich uͤbrigens nur 18 fuͤr Aufhebung des Einfuhrverbotes und alle uͤbrigen dagegen. Reims zaͤhlt an Fabrikanten, Spinnern und Kaufleuten 450 bis 500 Personen. Hr. David machte seine Aussagen in Folge einer von 65 Personen unterschriebenen Vollmacht, worunter sich jedoch nur 25 jener Fabrikanten befinden, die bei der fraglichen Maßregel am meisten betheiligt sind, waͤhrend sich die Gesammtzahl der Fabrikanten doch auf 300 belaͤuft. In Hinsicht auf den Zoll von 33 Proc., womit man die fremden Wollen belastete, glaube ich, daß derselbe unseren Fabriken sehr nachtheilig war; denn er erzeugte Repressalien; er gab unseren Nebenbuhlern Gelegenheit wohlfeiler zu fabriciren, als wir, und uns auf manchen fremden Maͤrkten zu verdraͤngen; er bedingte die Entstehung vieler Fabriken an Orten, die fuͤr die Production und den Absaz sehr guͤnstig gelegen waren; und er erzeugte hauptsaͤchlich jene von 1 bis 38 Proc. betragenden Schwankungen in den Wollenpreisen, die unsere Fabriken in Unruhe brachten und ihnen nur zu haͤufig auch zum Ruine gereichten. Ohne mich uͤber diesen schon mehrfach besprochenen Gegenstand weiter zu verbreiten, bemerke ich nur, daß auch der Akerbau von diesem lediglich in seinem Interesse hervorgerufenen Zolle nicht den Vortheil gezogen zu haben scheint, den man davon erwartete; denn aus den von den Handelskammern bekannt gemachten Berichten ergibt sich, daß der mittlere Durchschnitt der Preise vom Jahre 1813 bis 1823 um 15 Proc. hoͤher ist, als jener vom Jahr 1823 bis zum Jahr 1833. – Die an diesem Zolle vorgenommene Herabsezung hingegen halte ich fuͤr sehr gut, obwohl wir deren Wirkungen noch nicht in ihrem ganzen Umfange zu ermessen im Stande waren; so viel ist gewiß, daß sie der Landwirthschaft keinen Nachtheil brachte, indem die Wollenpreise seither nicht gesunken sind. Ich bin daher der Meinung, daß diese Herabsezung des Einfuhrzolles der rohen Wolle noch weiter getrieben werden soll, wann der Landmann nicht dadurch beeintraͤchtigt wird. Da eine abermalige Erniedrigung des Zolles der Fabrikation mehr Sicherheit und Ausdehnung geben wuͤrde, so muͤßte dadurch nothwendig auch der Verbrauch an Rohstoff zunehmen, so daß also die Landwirthschaft in diesem Falle nicht nur nichts zu leiden, sondern vielmehr zu gewinnen haͤtte, indem der Werth ihrer Erzeugnisse mehr Festigkeit bekaͤme, so daß also auch der Werth des Grund und Bodens und des Pachtzinses mehr geregelt werden wuͤrde. Was die Maschinen betrifft, so muß ich bemerken, daß die englischen im Allgemeinen vollendeter sind, als die unseligen. Ich bediene mich uͤbrigens hauptsaͤchlich franzoͤsischer Maschinen, weil man bei unserem hohen Preise des Brennmateriales hauptsaͤchlich nur Dampfmaschinen von mittlerem Druke, die in England nur wenig gebraͤuchlich sind, und die unsere Mechaniker mit großer Gewandtheit zu bauen wissen, anzuwenden im Stande ist. Die Ausfuhr der Spinnmaschinen selbst ist in England unter schweren Strafen verboten; und daß die Fabrikanten ihre Regierung bei der Ausfuͤhrung dieser Maßregel kraͤftig unterstuͤzen, ist hinlaͤnglich bekannt. Die viel gepriesene Handelsfreiheit verstehen demnach auch die Englaͤnder auf solche Weise, daß sie fuͤr alle Gegenstaͤnde, in denen sie ihrer Ueberlegenheit gewiß sind, die freie Concurrenz verlangen, waͤhrend sie in allen Dingen, die dem Auslande Mittel an die Hand geben koͤnnten, mit ihnen zu wetteifern, das strengste Verbot aufrecht erhalten wissen wollen. Wir arbeiten mit Steinkohlen von Luͤttich, Mons und Anzin, wovon uns der Hectoliter auf 5 Fr. 20 Cent. zu stehen kommt, da die Transportkosten nicht weniger als 4 Fr. betragen. In Leeds, womit man uns in Concurrenz bringen will, zahlt man die Steinkohlen um das Zehnfache wohlfeiler. Reims ist die einzige wichtige Manufacturstadt Frankreichs, die weder Canaͤle noch schiffbare Fluͤsse besizt; alle Regierungen fuͤhlten dieß mit uns seit langer Zeit; man versprach abzuhelfen; man begann selbst einige Arbeiten, die jedoch bald wieder aufgegeben wurden. Ich fuͤge schließlich zum Beweise, daß wir nicht beim alten Schlendrian blieben, nur folgende Vergleichung der Preise bei. Im Jahre 1815, wo die Wolle eben so hoch im Preise stand, als gegenwaͤrtig, kostete der Flanell 5 Fr., jezt kostet er 3; das rohe Tuch, welches 4 Fr. 75 Cent. galt, gilt jezt 3 Fr.; der gewoͤhnliche Giletzeug galt 7, jezt nur 3 1/2 Fr. Im Jahre 1834, wo der Wollenpreis um 30 bis 40 Proc. niedriger ist, als im Jahre 1824, gelten die Napolitanen nur 4 Fr., waͤhrend man sie fruͤher zu 3 Fr. verkaufte; Circassiennen, die man damals zu 5 Fr. notirte, verkauft man jezt zu 3, und Merinos, die fruͤher 10 Fr. galten, gelten ihrer jezt nur 7. Dieß bedarf keines weiteren Commentars. (Fortsezung folgt.)